Hypnose bei Epilepsie: Möglichkeiten, Grenzen und Kontraindikationen

Hypnose ist eine sanfte und zugleich wirkungsvolle Methode, die unser Unterbewusstsein und unsere Psyche nachhaltig beeinflussen kann. Grundsätzlich kann jeder gesunde Mensch diese Kraft der Hypnose für sich nutzen. Es gibt jedoch bestimmte Situationen und Vorerkrankungen, bei denen eine Hypnosetherapie nicht oder nur unter besonderen Bedingungen durchgeführt werden sollte. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Hypnose bei Epilepsie, die damit verbundenen Kontraindikationen und gibt Empfehlungen für einen sicheren und erfolgreichen Einsatz.

Was ist Hypnose?

Hypnose ist eine sehr alte und bewährte Technik, die jedoch immer noch mit einigen Vorurteilen zu kämpfen hat. Sie ist ein Werkzeug, um eine Person in einen veränderten Bewusstseinszustand zu versetzen. In diesem Zustand kommunizieren alle Teile des Gehirns und Nervensystems besser miteinander, während der kritische Teil des Gehirns weniger dominant ist. Dadurch ist der Patient suggestibler und hat mehr Zugriff auf sein psychisches Innenleben. Es ist außerdem eine Verlangsamung der Gehirnströme von Beta zu Theta messbar.

Hypnose wirkt sich auf unbewusste und automatisch ablaufende Prozesse in unserer Psyche, unserem Gehirn und unserem Nervensystem aus. Wir können damit Veränderungen in folgenden Bereichen durchführen:

  • Verhalten
  • Gewohnheiten
  • Glauben (negative Glaubenssätze)
  • Emotionen
  • Gefühle
  • körperliche Symptome (wenn diese psychischen Ursprungs sind)

Medizinische Hypnose

Medizinische Hypnose ist kein geschützter Begriff. Es ist ein Überbegriff für alle Hypnosetherapieverfahren, die das Ziel einer Heilung, Linderung oder Diagnose eines Patienten zum Ziel haben, der unter einer Krankheit oder Störung leidet. Der Unterschied zum Hypnose-Coaching ist, dass der Coach keine Zulassung hat, um eigenverantwortlich an Krankheiten oder psychischen Störungen zu arbeiten.

Wie funktioniert medizinische Hypnose?

Es gibt verschiedene Verfahren, die abhängig von der Situation und der Störung sind.

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  1. Der Patient muss in eine Trance geführt werden
  2. Manche Patienten sind bereits in Trance (Unfallopfer)
  3. Der Patient wird gebeten, sich den positiven Zustand vorzustellen, den er erreichen will
  4. Metaphern sind eine indirekte Kommunikation mit dem Unterbewusstsein
  5. Eine direkte Kommunikation mit dem Unterbewusstsein ist möglich, um einen neuen Zustand zu verhandeln
  6. Ein Zurückgehen und Auflösen der auslösenden Ereignisse in der Vergangenheit kann hilfreich sein
  7. Neukonditionierungen und Neulernen
  8. Direkte und indirekte Suggestionen
  9. Posthypnotische Suggestionen
  10. Ausleitung aus der Hypnose

Trance und Hypnose: Was ist der Unterschied?

Die Begriffe werden häufig synonym verwendet und es gibt keine eindeutig festgelegte Definition. Einfach ausgedrückt kann man sagen, dass Trance ein natürlich auftretendes Phänomen ist, während Hypnose eine Tätigkeit ist.

Trance ist ein natürlicher Reflex unseres Nervensystems. Er ist für Situationen gedacht, in denen Denken stört, Fokus nötig ist und automatisch ablaufende Bewegungen stattfinden. In Trance übernimmt das Unterbewusstsein die Kontrolle und schiebt den kognitiven Verstand zur Seite. Trance kann durch hypnotische Techniken auch absichtlich herbeigeführt werden.

Hypnose bei Epilepsie: Eine differenzierte Betrachtung

Bei der Erkrankung Epilepsie kommt es zu einer Funktionsstörung des Nervensystems, häufig in Kombination mit epileptischen Anfällen. Je nach Stärke der Epilepsie besteht die Gefahr, durch die Hypnose einen epileptischen Anfall auszulösen. Hypnose ist jedoch bei Epilepsie nicht grundsätzlich abzulehnen, da vielen Epilepsie-Patienten durch Hypnose gut geholfen werden kann. Dies ist jedoch immer individuell zu entscheiden und nur von einem qualifizierten Hypnotiseur mit Heilerlaubnis oder medizinischer Ausbildung durchzuführen, bestenfalls sogar nur in einer Arztpraxis oder im Krankenhaus, wo ein eventuell ausgelöster Epilepsie-Anfall direkt behandelt werden kann.

Wirkungsweise der Hypnose im Gehirn

Während einer Hypnose lassen sich Veränderungen in der Gehirnaktivität beobachten:

  • Der präfrontale Cortex (Kritiker) ist weniger stark dominant.
  • Der Präcuneus (Ego) ist weniger stark dominant.
  • Die Kommunikation aller Teile des Gehirns wird verbessert.
  • Die Durchlässigkeit für Erinnerungen und Phantasie steigt.
  • Nervenreize werden eventuell anders im Gehirn verteilt (Schmerzausschaltung).

Diese Veränderungen können potenziell sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf Epilepsie-Patienten haben, abhängig von der individuellen Situation und der Art der Hypnose.

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Mögliche positive Effekte der Hypnose bei Epilepsie

  • Anfallskontrolle: Einige Studien deuten darauf hin, dass Hypnose helfen kann, die Häufigkeit und Intensität von epileptischen Anfällen zu reduzieren.
  • Stressreduktion: Hypnose kann tiefe Entspannung fördern und Stress reduzieren, was sich positiv auf die Anfallskontrolle auswirken kann, da Stress ein bekannter Auslöser für Anfälle ist.
  • Verarbeitung von Traumata: Gerade in Bezug auf frühere "Traumen" und negative Kindheits- und Jugenderfahrungen kann Hypnose helfen, diese aufzuarbeiten und so indirekt die Anfallshäufigkeit zu beeinflussen.
  • Verbesserung der Lebensqualität: Durch die Reduktion von Angst und Stress kann Hypnose die Lebensqualität von Epilepsie-Patienten verbessern.

Mögliche Risiken und Kontraindikationen

  • Anfallsauslösung: In seltenen Fällen kann Hypnose einen epileptischen Anfall auslösen.
  • Verstärkung der Anfallshäufigkeit: Bei falscher Anwendung kann Hypnose die Anfallshäufigkeit erhöhen.
  • Unvorhersehbare Reaktionen: Aufgrund der Funktionsstörung des Nervensystems bei Epilepsie kann es zu unvorhersehbaren Reaktionen auf die Suggestionen während der Hypnose kommen.

Wann ist Hypnose bei Epilepsie kontraindiziert?

  • Bei unkontrollierter Epilepsie mit häufigen Anfällen.
  • Bei bestimmten Formen der Epilepsie, bei denen eine erhöhte Anfallsbereitschaft besteht.
  • Wenn keine adäquate medizinische Überwachung und Versorgung gewährleistet ist.

Weitere wichtige Kontraindikationen für Hypnose

Neben Epilepsie gibt es weitere Erkrankungen und Zustände, bei denen Hypnose kontraindiziert ist oder nur mit besonderer Vorsicht angewendet werden sollte:

  • Akute Psychosen: Bei akuten psychotischen Störungen wie Schizophrenie oder schweren Wahnvorstellungen ist Hypnose strikt kontraindiziert, da sie den Zustand verschlimmern kann.
  • Persönlichkeitsstörungen: Bei einigen Persönlichkeitsstörungen, insbesondere der Borderline-Persönlichkeitsstörung, kann Hypnose problematisch sein, da die erhöhte Suggestibilität zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen kann.
  • Schwere Depressionen: Hypnose sollte nur unter strenger ärztlicher Aufsicht und als Teil eines umfassenden Behandlungsplans in Betracht gezogen werden, da sie in seltenen Fällen die Depression verstärken kann.
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bei schweren Herz-Kreislauf-Problemen sollte Hypnose mit Vorsicht angewendet werden, da die tiefe Entspannung in seltenen Fällen zu unerwünschten Kreislaufreaktionen führen kann.
  • Thrombose: Bei einer akuten Thrombose darf Hypnose nicht angewandt werden, da die Weitung der Blutgefäße im Trancezustand dazu führen kann, dass sich der Thrombus löst und eine lebensbedrohliche Embolie verursacht.
  • Kürzlicher Schlaganfall oder Herzinfarkt: Nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt sollte man mindestens 6 Wochen warten, bevor mit einer Hypnosetherapie begonnen wird, und dies erst nach Rücksprache mit dem behandelnden Facharzt.
  • Schwere Erkrankung des Nervensystems: Bei Funktionsstörungen des Zentralen Nervensystems, z.B. bei ALS, Parkinson oder Multipler Sklerose, besteht ein hohes Risiko an Kontraindikationen, da nicht sicher ist, ob das Nervensystem die Suggestionen richtig verarbeiten kann.
  • Schwangerschaft: Während der Schwangerschaft sollte Hypnose mit Vorsicht angewendet werden und nur von erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden, die mit den spezifischen Bedürfnissen und Risiken schwangerer Frauen vertraut sind.
  • Geistige Behinderung: Aufgrund der Funktionsstörungen im Gehirn geistig behinderter Menschen ist die Wirkung der Hypnose zumeist nicht oder nur sehr schwer kalkulierbar.
  • Substanzabhängigkeiten & Suchterkrankungen: Während einer aktiven Suchterkrankung ist Hypnose in der Regel nicht geeignet, da die Gehirnaktivität durch die Substanzen verändert ist. Eine Ausnahme ist die Rauchentwöhnung.
  • Einnahme von Psychopharmaka: Die Wechselwirkungen zwischen der hypnotischen Trance und Psychopharmaka können komplex sein und sollten vor einer Hypnose sorgfältig evaluiert werden.
  • Akute Belastungsreaktionen und Traumata: Hier sollte Hypnose nur von speziell ausgebildeten Traumatherapeuten durchgeführt werden, um eine Retraumatisierung zu vermeiden.
  • ADS/ADHS: Bei ADS (vor allem dem unteraktivierten ADS) kann die hypnotische Trance den Zustand im Zweifel begünstigen.

Ablauf einer Hypnosesitzung

Eine Hypnosesitzung gliedert sich in der Regel in vier Phasen:

  1. Kennenlernphase: In einem ausführlichen Gespräch wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und die individuellen Bedürfnisse und Ziele des Klienten werden erfasst.
  2. Induktionsphase: Der Klient wird in die Hypnose geleitet, z.B. durch optische, akustische oder körperliche Suggestionen.
  3. Hypnotische Trance: Der Klient befindet sich im hypnotischen Zustand und ist empfänglich für Suggestionen, die auf das Behandlungsziel abgestimmt sind.
  4. Reorientierungsphase: Der Klient wird langsam aus dem Trancezustand zurückgeholt.

Was ist nach einer Hypnose zu beachten?

  • Nehmen Sie sich Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten.
  • Geben Sie den Suggestionen die Möglichkeit, zu wirken.
  • Genießen Sie den Zustand der Entspannung und Motivation.

Worauf sollte man bei der Wahl eines Hypnosetherapeuten achten?

  • Qualifikation: Achten Sie auf eine solide Ausbildung und Zertifizierung des Therapeuten, idealerweise mit einer medizinischen oder psychotherapeutischen Ausbildung.
  • Erfahrung: Wählen Sie einen Therapeuten, der Erfahrung in der Behandlung von Epilepsie oder ähnlichen Erkrankungen hat.
  • Vertrauensverhältnis: Ein gutes Vertrauensverhältnis ist entscheidend für den Erfolg der Hypnosetherapie.
  • Ethische Grundsätze: Der Therapeut sollte ethisch handeln und die Gesundheit des Klienten nicht gefährden.

Hypnose: Ein wirksames Werkzeug mit Grenzen

Hypnose ist ein wirksames Werkzeug, um Veränderungen im Unterbewusstsein zu bewirken und positive Ressourcen zu aktivieren. Sie kann bei Epilepsie eine wertvolle Ergänzung zur konventionellen Behandlung sein, insbesondere zur Stressreduktion und Verarbeitung von Traumata. Es ist jedoch wichtig, die Grenzen und Kontraindikationen zu beachten und die Behandlung nur von qualifizierten Fachleuten durchführen zu lassen.

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