Hypnose: Was passiert im Gehirn? Eine wissenschaftliche Betrachtung

Hypnose, ein Zustand erhöhter Suggestibilität und fokussierter Aufmerksamkeit, wird seit Jahrhunderten als therapeutisches Mittel eingesetzt. Doch was genau passiert im Gehirn während einer Hypnose? Die Wissenschaft beginnt, die komplexen neuronalen Mechanismen zu entschlüsseln, die diesem faszinierenden Phänomen zugrunde liegen.

Die neurowissenschaftliche Perspektive auf Hypnose

Prof. Dr. Björn Rasch, Psychologe und Neurowissenschaftler an der Universität Freiburg, widmet sich intensiv der Erforschung von Hypnose. Sein besonderes Interesse gilt den Vorgängen im Gehirn, wenn sich Menschen in hypnotischer Trance befinden.

Wie Hypnose im Gehirn gemessen werden kann

Die Forschungsgruppe an der Universität Jena untersuchte, wie sich die Reizverarbeitung unter Hypnose verändert. Dabei wurden Probanden vor einen Bildschirm gesetzt, auf dem gelbe Dreiecke, rote Kreise und blaue Quadrate durchliefen. Die Aufgabe war, die blauen Quadrate zu zählen. Anschließend wurden die Probanden in eine hypnotische Trance versetzt und es wurde ihnen suggeriert, dass sie ein Brett vor den Augen hätten.

Die Ergebnisse im EEG waren eindeutig: Das Gehirn nahm zwar einen Sehreiz auf, leitete ihn aber wesentlich langsamer weiter als ohne Hypnose. Dies lässt den Schluss zu, dass Hypnose die Reizverarbeitung im Gehirn beeinflusst.

Herausforderungen beim neurologischen Nachweis von Hypnose

Was genau in unserem Gehirn während der Hypnose passiert, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Die Hypnoseforschung steht vor der Herausforderung, die subjektiven Erfahrungen der Trance in objektive, messbare neurologische Veränderungen zu übersetzen.

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Hypnose, Meditation und fokussierte Aufmerksamkeit

Es gibt Ähnlichkeiten zwischen Hypnose, Meditation und fokussierter Aufmerksamkeit. Alle drei Zustände beinhalten eineForm der Konzentration und reduzierter Ablenkung. Allerdings gibt es auch wichtige Unterschiede. Hypnose beinhaltet oft Suggestionen und geführte Imagination, während Meditation sich eher auf die Beobachtung des gegenwärtigen Moments konzentriert.

Messbare Veränderungen durch Hypnose

Hypnose kann konkret messbare Veränderungen bewirken, etwa im Bereich des Schmerzempfindens oder Schlafes. Studien haben gezeigt, dass Hypnose Schmerzen reduzieren, die Schlafqualität verbessern und sogar bei der Raucherentwöhnung helfen kann.

Christa Rewerski, eine Migränepatientin, erfuhr durch Hypnose eine deutliche Linderung ihrer Beschwerden. Ihr Therapeut bat sie, ihr Leid mit einem Bild zu beschreiben. Sie wählte ein graues Dreieck. Anschließend fragte er, welche Farbe und Form sie sich vorstellen müsse, damit der Schmerz weggehe. Gelb und rund, antwortete sie. "Stellen sie sich nun vor, dass dieser Kreis das graue Dreieck wegschiebt." Rewerski folgte den Anweisungen und verließ die Praxis wenig später ohne Migräne.

Die Rolle des Default-Mode-Networks (DMN)

Einer der Schlüsselbereiche des Gehirns, der an der Hypnose beteiligt ist, ist das Default Mode Network (DMN). Das DMN ist ein Netzwerk von Gehirnregionen, die aktiv sind, wenn der Geist ruhig ist und sich nicht auf die äußere Umgebung konzentriert. Während der Hypnose scheint die Aktivität des DMN verändert zu sein.

Forscher des Universitätsklinikums im belgischen Lüttich haben herausgefunden, dass die Regionen des Gehirns, die für die Wahrnehmung der Umgebung zuständig sind, in Hypnose tatsächlich "abgeschaltet" werden. Auch das Frontalhirn zeigt viel weniger Aktivität als im Normalzustand. Hier sitzen das kritische Denkvermögen und das willentliche Entscheiden. Andere Hirnregionen sind dagegen viel aktiver: Regionen, die für die visuelle Wahrnehmung, für Gefühle und Empfindungen wichtig sind, werden aktiviert.

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Hypnose als spezifischer Prozess

Hypnose ist aus Sicht der Neurowissenschaft mehr mit spezifischen Prozessen als mit einem eindeutigen Zustand verbunden. Es handelt sich um eine dynamische Interaktion verschiedener Gehirnregionen, die durch Suggestionen und die Erwartungen des Patienten beeinflusst wird.

Neueste Technologien und Künstliche Intelligenz

Neueste Technologien, wie Künstliche Intelligenz, könnten dabei helfen, die neuronalen Grundlagen der Hypnose besser zu verstehen. Durch die Analyse großer Datensätze von Hirnaktivität können Muster und Zusammenhänge identifiziert werden, die bisher verborgen geblieben sind.

Die Interaktion zwischen Therapeut:innen und Klient:innen

Es könnte lohnenswert sein, in der Hypnoseforschung stärker auf die Interaktion zwischen Therapeut:innen und Klient:innen zu schauen. Die Beziehung zwischen Therapeut und Patient spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Hypnose. Vertrauen, Empathie und eine positive Erwartungshaltung können die Wirkung der Hypnose verstärken.

Wie Hypnose im Gehirn wirkt

Während der Hypnose verändern sich bestimmte Hirnregionen in ihrer Aktivität. Forscher haben drei typische Veränderungen in der Hirnaktivität identifiziert:

  1. Sinkende Aktivität im dorsalen anterioren Gyrus cinguli (Teil des Salienz-Netzwerks): Dieser Bereich entscheidet, wie stark wir auf bestimmte Reize reagieren.
  2. Erhöhte Aktivität der Verbindung zwischen einem Teil des präfrontalen Kortex und der Inselrinde.
  3. Veränderung zwischen dem präfrontalen Kortex und dem Default Mode Netzwerk.

Diese Veränderungen deuten darauf hin, dass während der Hypnose die Relevanz von Reizen reduziert wird, die Verbindung zwischen Denken und Fühlen verstärkt wird und die Verknüpfung zwischen eigenen Aktionen und dem Bewusstsein darüber abnimmt.

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Weitere beteiligte Gehirnbereiche

Auch andere Bereiche des Gehirns spielen bei der Hypnose eine Rolle:

  • Präfrontaler Kortex (PFC): Der PFC ist für exekutive Funktionen wie Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung zuständig.
  • Amygdala: Die Amygdala, das emotionale Zentrum des Gehirns, ist ebenfalls an der Hypnose beteiligt.
  • Kleinhirn: Das Kleinhirn, das an der motorischen Koordination und dem Gleichgewicht beteiligt ist, wird während der Hypnose ebenfalls aktiviert.

Anwendung und Wirksamkeit von Hypnose

Hypnose kann bei einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt werden, darunter:

  • Schmerzen: Hypnose kann Schmerzen reduzieren, sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzen.
  • Angst: Hypnose kann Angstzustände lindern, beispielsweise vor Zahnbehandlungen oder Operationen.
  • Schlafstörungen: Hypnose kann die Schlafqualität verbessern und bei Insomnie helfen.
  • Sucht: Hypnose kann bei der Raucherentwöhnung oder beim Abnehmen unterstützen.
  • Traumata: Hypnose kann bei der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse helfen.

Die Wirksamkeit von Hypnose ist in vielen Studien belegt. Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen veröffentlichten im Jahr 2014 eine Studie, in der hypnotisierte Brustkrebspatientinnen über weniger Angst und Schmerzen klagten als jene, bei denen die Methode nicht angewandt wurde. Auch Folgebeschwerden wie Übelkeit oder Erbrechen fielen demnach geringer aus.

Hypnose in der Therapie

In der Therapie wird Hypnose eingesetzt, um schlechte Gewohnheiten abzulegen, chronische Schmerzen zu lindern oder Stress zu reduzieren. Der Therapeut nutzt Suggestionen, um Veränderungen anzustoßen. In der Trance ist unser Unterbewusstsein dafür besonders offen.

Die Rolle des Therapeuten

Bei einer Hypnosetherapie muss man sehr viel Vertrauen in die Therapeutin oder den Therapeuten haben, damit sie gut funktioniert. Denn in Hypnose wird der Teil des Gehirns heruntergefahren, der die Selbstreflexion steuert. In diesem Zustand ist man sehr verletzbar. Da Hypnosetherapie kein geschützter Begriff ist, sollte man sich vorab gut über die Therapeutin oder den Therapeuten informieren.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Hypnose

Die Grundvoraussetzung ist, dass der Patient mit der Behandlung einverstanden ist. Er muss sich auf die Hypnose einlassen, dem Hypnotiseur vertrauen und die Selbstkontrolle abgeben. Wer sehr stark selbstkontrolliert ist, kann sich schwer oder gar nicht auf Hypnose einlassen - ganz im Gegensatz zu den Menschen, die zum Beispiel beim Lesen oder im Kino schnell in eine Fantasiewelt eintauchen und darüber schon mal die Zeit vergessen.

Wichtig ist auch, dass die Hypnose nicht mit einem Verlust der Kontrolle oder des Bewusstseins einhergeht. Man wird vielmehr dazu angeleitet, sich in Trance zu begeben. Das eigentliche "In-Trance-Gehen“ aber, das macht man immer selbst. Der Hypnotherapeut ist also nur der Fahrlehrer, aber man selbst fährt immer seinen eigenen Film - mit den Bildern, die das Unterbewusste dann ausspuckt.

Suggestibilität und individuelle Unterschiede

Nicht jeder Mensch spricht gleichermaßen auf Hypnose an. Manche Menschen sind beeinflussbarer als andere, und diese Beeinflussbarkeit kann durch eine Reihe von Faktoren wie Persönlichkeit, Motivation und Erwartung beeinflusst werden. Studien haben gezeigt, dass Personen, die bei Messungen der hypnotischen Suggestibilität höher abschneiden, eher von Hypnose profitieren.

Traumatisierte Menschen sind unter Umständen besonders trancefähig. Im Trauma reagiert der Organismus mit einer Art Notfallreaktion, indem er Wahrnehmungen wie Schmerz oder Affekte wie Angst oder Hilflosigkeit abspaltet.

Grenzen und Risiken der Hypnose

Trotz ihrer vielseitigen Anwendbarkeit und belegten Wirkung ist die Hypnose sowohl in der Medizin als auch in der Psychotherapie immer noch eine Randerscheinung. Denn Therapieverfahren wie die Tiefenpsychologie, Psychoanalyse und Verhaltenstherapie sind an den Kliniken sehr gut etabliert und vernetzt und werden von den Krankenkassen bezahlt - die Hypnose nicht.

Hypnose ist kein Allheilmittel und funktioniert nicht bei jedem gleich gut. Nicht alle Menschen können sich gleichermaßen gut darauf einlassen.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass Hypnose nicht mit einem Verlust der Kontrolle oder des Bewusstseins einhergeht. Man kann gegen seinen Willen hypnotisiert werden. Wenn man Leute auf der Showbühne auf Befehl des Hypnotiseurs wie einen Hasen hoppeln sieht, hat sich das Unterbewusste schon im Vorfeld darauf eingelassen, mitzumachen.

Es gibt Risiken bei der Hypnosetherapie. Da in Hypnose der Teil des Gehirns heruntergefahren wird, der die Selbstreflexion steuert, ist man in diesem Zustand sehr verletzbar. Das kann zum Beispiel bei Traumapatient:innen dazu führen, das traumatisierende Ereignis erneut zu erleben.

Hypnose: Ein natürlicher Zustand

Trance ist ein Alltagsphänomen. Manchmal legen wir die volle Aufmerksamkeit auf eine Sache, manchmal schweifen wir mit den Gedanken ab - und zeitweise befinden wir uns in Trance. Da jeder Mensch diesen Zustand kennt, kann auch grundsätzlich jeder hypnotisiert werden. Das sind Menschen mit besonders lebhafter Vorstellungskraft und hoher Kreativität.

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