Wie wirkt Hypnose im Gehirn wissenschaftlich?

Die Frage, wie Hypnose im Gehirn wirkt, ist ein faszinierendes und komplexes Thema, das die Wissenschaft bis heute beschäftigt. Obwohl die Forschung noch nicht alle Antworten gefunden hat, gibt es vielversprechende Theorien und Erkenntnisse, die auf moderner Bildgebung basieren. Dieser Artikel beleuchtet den aktuellen Stand der Forschung zur neuronalen Grundlage der Hypnose und ihre vielfältigen Anwendungen in der Medizin.

Hypnose - Mehr als nur Schlaf

Die Vorstellung, dass Hypnose eine Art Schlafzustand sei, ist ein Irrtum, der historisch bedingt ist. Der Begriff "Hypnose" stammt vom griechischen Wort "Hypnos" für Schlaf und wurde im frühen 19. Jahrhundert von James Braid geprägt, der Hypnose tatsächlich für schlafähnlich hielt. Diese Ansicht ist jedoch längst widerlegt. Ebenso wurden Theorien über magnetische Kräfte oder die alleinige Beteiligung der rechten Hirnhälfte verworfen.

Definition und Suggestibilität

Eine Arbeitsgruppe der amerikanischen Gesellschaft für Psychologie (APA) definiert Hypnose als einen Bewusstseinszustand mit fokussierter Aufmerksamkeit, vermindertem Bewusstsein der Umgebung und einer gesteigerten Empfänglichkeit für Suggestionen. Suggestibilität beschreibt, wie beeinflussbar eine Person ist, also wie empfänglich sie dafür ist, durch die Außenwelt vorgeschlagene Gefühle oder Ideen unfreiwillig ins eigene Denken und die eigene Wahrnehmung zu übernehmen. Diese Gefühle, Ideen oder Gedanken sind die Suggestionen.

Ein bekanntes Beispiel für die Wirksamkeit von Suggestionen ist der Placebo-Effekt: Allein der Glaube an die Wirksamkeit eines Medikaments kann die körperliche Verfassung verbessern.

Hypnotisierbarkeit

Nicht jeder Mensch ist gleich gut hypnotisierbar. Die Hypnotisierbarkeit ist eine weitestgehend stabile Eigenschaft im Erwachsenenalter, die vermutlich auch genetisch bedingt ist. Sie wird beispielsweise mit dem Stanford Hypnotic Susceptibility Score gemessen, wobei getestet wird, wie beeinflussbar eine Person auf verschiedene Suggestionen reagiert. Die Hypnotisierbarkeit ist in der Bevölkerung normalverteilt, wobei ein Großteil mäßig gut auf Hypnose anspricht, während etwa 10-15% kaum oder gar nicht reagieren und weitere 10-15% hoch empfänglich sind.

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Was passiert im Gehirn?

Die kurze Antwort auf die Frage, was während einer Hypnose im Gehirn passiert, ist: Man weiß es noch nicht genau. Es gibt jedoch vielversprechende Theorien, die auf moderner Bildgebung basieren. Eine der führenden Theorien geht von einer Top-Down-Regulation aus.

Top-Down-Regulation

Top-Down-Regulationen beschreiben einen Prozess, bei dem höhere Hirnfunktionen (Gedanken) einen Einfluss auf andere Hirnprozesse, Bewusstsein, Wahrnehmung und Körperfunktionen nehmen. Eine rein verbale Suggestion kann die Wahrnehmung verändern und sogar eine motorische Reaktion erzeugen.

Drei Netzwerke im vorderen Teil des Gehirns scheinen durch Hypnose besonders aktiviert zu werden und solche Top-Down-Prozesse zu ermöglichen:

  • Central Executive Network (CEN): Verantwortlich für gezielte Aufmerksamkeit und komplexe Aufgabenlösung. Während der Hypnose ist dieses Netzwerk aktiver und könnte so dazu beitragen, gedankliche Bilder zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.
  • Salience Network (SN): Verarbeitet innere und äußere Einflüsse und schafft ein Bewusstsein dafür. Die Verbindung zwischen CEN und SN ist unter Hypnose oftmals erhöht, was eine entscheidende Voraussetzung dafür sein könnte, dass der Fokus auf die Suggestionen erhalten bleibt.
  • Default Mode Network (DMN): Ein Netzwerk aus Hirnregionen, die in Ruhe oder beim Gedankenwandern aktiv sind. Je tiefer die Hypnose, desto geringer ist die Aktivität in diesem Netzwerk. Hypnose ist demnach etwas anderes als Nichtstun oder Tagträumen. Die Inaktivierung dieses Netzwerks könnte das fokussierte Denken begünstigen.

Man geht davon aus, dass bei Menschen mit hohem Ansprechen auf Hypnose diese Netzwerke verändert miteinander kommunizieren und somit empfänglicher für Suggestionen machen.

Weitere Erkenntnisse aus der Hirnforschung

Forscher haben herausgefunden, dass sich das Gehirn in einem Trancezustand umorganisiert und Verbindungen neu strukturiert. In Versuchen wurde gemessen, dass ein Schmerz auch bei hypnotisierten Menschen im Gehirn ankommt. Das Gehirn interpretiert den Impuls nun aber nicht mehr als Schmerz, weil die dafür erforderlichen Verbindungen zwischen Hirnteilen anders geschaltet sind. Außerdem kann die Suggestion in der Hypnose Bereiche öffnen, die dem Wachbewusstsein nicht zugänglich sind. Völlig vergessene Erinnerungen oder auch Fähigkeiten können wieder geweckt werden.

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Die Regionen des Gehirns, die für die Wahrnehmung der Umgebung zuständig sind, werden in Hypnose tatsächlich "abgeschaltet“. Auch das Frontalhirn zeigt viel weniger Aktivität als im Normalzustand. Hier sitzen das kritische Denkvermögen und das willentliche Entscheiden. Andere Hirnregionen sind dagegen viel aktiver: Regionen, die für die visuelle Wahrnehmung, für Gefühle und Empfindungen wichtig sind, werden aktiviert.

Die Rolle des präfrontalen Cortex und des Präcuneus

Der präfrontale Cortex, in dem der Alltags- und wissenschaftliche Verstand verortet werden kann, und der Präcuneus, der aktiv wird, wenn das Denken um das eigene Ich kreist, sind während des Trancezustands einer Hypnose in der Aktivität heruntergefahren. Das bedeutet, dass man nicht mehr darüber nachdenkt, ob etwas zu einem passt oder nicht, und der kritische Verstand, der analysiert, was die Konsequenzen der Handlungen sind, wegfällt. Dadurch werden die eigene Phantasie und der Denkprozess sehr viel freier. Es entsteht eine erhöhte Durchlässigkeit in Richtung der persönlichen Vergangenheit, für Bilder und bildhafte Vergleiche oder was die Wechselbeziehung zwischen Körper und Geist angeht. Die Suggestionen des Therapeuten werden eher aufgenommen wie eine elterliche, wohlmeinende Empfehlung. Es entsteht eine Eltern-Kind-Situation, in der die Person in Trance dem Hypnotiseur bedingungslos vertraut.

Anwendungsbereiche der Hypnose

Die Hypnose hat vielfältige Anwendungsbereiche, insbesondere in der Medizin.

Schmerztherapie

Ein spannender Anwendungsbereich ist die Schmerztherapie. Studien haben gezeigt, dass über Hypnose suggerierter Schmerz genau die Areale im Hirn aktiviert, die auch bei echtem Schmerz aktiviert werden - im Gegensatz zum normalen Vorstellen von Schmerz außerhalb einer Hypnose. Hypnose kann tatsächliche Schmerzen stillen, insbesondere Geburtsschmerzen, allerdings nur bei Menschen, die generell auf Hypnose ansprechen. Die Theorie dahinter ist, dass Schmerz aus einer sensorischen Komponente (was der Körper wahrnimmt) und dem tatsächlichen Leiden (was der Körper aus dem wahrgenommenen Schmerz macht) besteht. Hypnose scheint diese beiden Komponenten voneinander zu trennen und neu zu entscheiden, dass der wahrgenommene Schmerz nicht in negativen Gefühlen darüber endet.

Weitere medizinische Anwendungen

  • Zahnmedizin: Beruhigung von Angstpatienten
  • Therapie: Unterstützung beim Ablegen schlechter Gewohnheiten wie Rauchen, Linderung chronischer Schmerzen oder Reduktion von Stress
  • Geburtshilfe: Schmerzlinderung
  • Herzrhythmusstörungen: Regelmäßige Hypnose kann Herzrhythmusstörungen reduzieren, ausgleichen, den Schlaf verbessern oder sogar das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarktes senken.

Hypnose beeinflusst den ganzen Körper: Stoffwechsel, Hormonkonzentration und Immunreaktionen können sich positiv verändern.

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Hypnotische Kommunikation

Hypnotische Kommunikation kann auch ohne formelle Tranceinduktion eingesetzt werden, beispielsweise bei Wachkraniotomien, bei denen Patienten während der Operation wach sind und neurologische Testungen durchführen.

Medizinische Hypnose

  • Linderung körperlicher Beschwerden
  • Reduktion von psychischer Belastung bei medizinischen Behandlungen
  • Verbesserung gestörter physiologischer/biochemischer Parameter
  • Förderung physiologischer/biochemischer Heilungsvorgänge

Hypnotherapie

  • Verbesserung der Problembewältigung durch Zugang zu eigenen Ressourcen
  • Förderung von Verhaltensänderungen
  • Umstrukturierung kognitiv affektiver Muster
  • Restrukturierung emotional belastender Ereignisse und Empfindungen
  • Reintegration nicht zugänglicher Gefühle

Ablauf einer medizinischen Hypnose

Eine medizinische Hypnosebehandlung dauert in der Regel zwischen 20 und 50 Minuten und umfasst folgende Phasen:

  1. Überprüfung der Indikation; Aufklärung; Zielklärung
  2. Induktion
  3. Vertiefung
  4. therapeutische Suggestionen
  5. Rückorientierung, posthypnotische Suggestionen
  6. Nachgespräch
  7. Integration im Alltag: eigenständiges Üben, Verhaltensübungen, gegebenenfalls Erlernen von Selbsthypnose

Evidenzbasierte Medizin und Hypnose

Die medizinische Hypnose wurde von der British bzw. der American Medical Association bereits in den 1950er Jahren befürwortet. In der evidenzbasierten Medizin (EbM) haben systematische Übersichtsarbeiten mit Metaanalysen von randomisierten klinischen Studien den höchsten Evidenzgrad. Eine systematische Übersicht von Metaanalysen zu medizinischer Hypnose ergab, dass Hypnose einer Standardbehandlung oder Aufmerksamkeitskontrolle in der Reduktion von emotionaler Belastung, Schmerz, Genesungsdauer und Medikamentenverbrauch bei interventionellen Eingriffen und Operationen überlegen ist.

Voraussetzungen für die Durchführung einer Hypnose

In Deutschland darf aus gesetzlicher Sicht jede Person eine Hypnose anbieten, wenn sie sie nicht zu heilkundlichen Zwecken einsetzt. Für die Behandlung von Erkrankungen ist eine Heilerlaubnis notwendig. Eine medizinische Hypnose kann von Ärzten aller Fachgebiete mit Patientenbezug im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung erbracht werden.

Kann man gegen seinen Willen hypnotisiert werden?

Nein. Alle Fachleute betonen, dass eine Hypnose nur mit dem Einverständnis und der aktiven Teilnahme der Person möglich ist. Der Hypnotherapeut ist lediglich ein "Fahrlehrer", aber die Person selbst "fährt immer ihren eigenen Film".

Risiken und Grenzen der Hypnose

In Hypnose wird der Teil des Gehirns heruntergefahren, der die Selbstreflexion steuert. In diesem Zustand ist man sehr verletzbar. Bei Traumapatienten kann dies dazu führen, das traumatisierende Ereignis erneut zu erleben. Da Hypnosetherapie kein geschützter Begriff ist, sollte man sich vorab gut über den Therapeuten informieren.

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