Wie man vermeidet, andere zu nerven und besser mit anstrengenden Menschen umgeht

Aufdringlich, besserwisserisch oder unterkühlt: Manche Menschen gehen uns mit ihrem Verhalten immer wieder auf die Nerven. Anstatt über sie zu urteilen und ihnen Eigenschaften zuzuschreiben, mit denen wir ihr „unpassendes“ Auftreten erklären, sollten wir uns darauf konzentrieren, was diese Menschen mit ihrem Verhalten eigentlich erreichen wollen.

Kausalität vs. Finalität: Was steckt hinter dem Verhalten?

Der österreichische Psychotherapeut Alfred Adler unterschied im Rahmen seiner Individualpsychologie zwischen Kausalität und Finalität. Anstatt uns zu fragen: „Was ist die Ursache des störenden Verhaltens?“, was eine kausale Betrachtungsweise wäre, können wir uns fragen: „Was ist der Zweck ihres Verhaltens?“, was eine finale Perspektive einnimmt.

Anstatt abwertende, kausale Überlegungen anzustellen, die sich auf Vergangenes oder vermeintlich feste Charaktereigenschaften beziehen („anstrengend“, „Pedantin“, „schwere Kindheit“), könnten wir eine finale Erklärung in Betracht ziehen: „Der Kollege möchte Kontakt aufnehmen und sich mit mir verbunden fühlen“, „Meine mich korrigierende Freundin möchte sich gut darüber fühlen, dass sie fremdsprachliches Talent besitzt“ oder „Mein kühler Vater möchte sein verletzliches oder verletztes Inneres schützen, indem er keine Gefühle zeigt“.

Die Rationalität hinter dem Verhalten

Das Verhalten jedes Menschen ist im Kern darauf ausgerichtet, Freude zu erhöhen und Schmerz zu verringern sowie Ressourcen zu sparen und Belohnung nicht zu lange aufzuschieben. In diesem Sinne handeln wir alle stets „rational“, nämlich zugunsten dieser Ziele. So wird auch vermeintlich unvernünftiges Verhalten nachvollziehbar, zum Beispiel sich mit Smartphone-Games abzulenken, statt an der Masterarbeit weiterzuarbeiten - denn solche Spiele bieten ein schnelles Belohnungsgefühl und lenken vom „Schmerz“ des anstrengenden Schreibens ab.

Unsere Ziele sind eigentlich nie wirklich Sachziele. Ob wir eine 1 schreiben, eine Gehaltserhöhung bekommen oder 5 Kilogramm abnehmen wollen: Entscheidend ist das Gefühl, was wir uns vom Erreichen unserer Ziele versprechen. Wir möchten uns beispielsweise klug, respektiert oder attraktiv fühlen.

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Viele unserer Verhaltensmuster, mit denen wir für uns erstrebenswerte, angenehme Gefühle erzeugen möchten, sind unbewusst und veraltet: Was in unserer Kindheit eine Lösungsstrategie sein sollte und womöglich sogar funktioniert hat, ist im Erwachsenenleben meist nicht mehr in der gewünschten Weise sinnvoll, sondern führt zu Konflikten mit anderen Menschen. Es wird versucht, das „alte Ziel“ eines bestimmten Gefühls mit - nach heutigen Maßstäben - suboptimalen Verhaltensweisen zu erreichen. Ein Beispiel: Ein Mensch, der in einer konservativen Familie aufwuchs und sich immer danach sehnte, in seiner Besonderheit gesehen und wertgeschätzt zu werden, hat als Kind gelernt, dass dies scheinbar nur über Unkonventionalität erreichbar ist.

Wie wir auf anstrengende Menschen reagieren können

Wir sollten immer überlegen, was eine Person mit ihrem Verhalten erreichen will. Die kausale Analyse der Vergangenheit eines Menschen kann zwar auch Erklärungsansätze bieten, jedoch nur zu einem kleinen Bruchteil. Das wird auch daran deutlich, dass unter den gleichen Bedingungen aufgewachsene Geschwister doch ganz andere Persönlichkeitsmuster entwickeln.

Wenn das nervige Verhalten ein Schrei nach Hilfe ist, was möchte dieser Mensch vielleicht eigentlich mit seiner Art erreichen? Welche Bedürfnisse werden aus dem Verhalten deutlich? Versuchen Sie außerdem, die Bewertung des Menschen oder seines Verhaltens wegzulassen. Denken Sie daran: Die Person handelt nicht aus böser Absicht, sondern im Sinne ihrer Ziele rational. So schwer das auch zu verdauen ist: Im Grunde tut jeder Mensch immer sein Bestes.

Es sollte nicht darum gehen, jemanden in seinem Verhalten zu korrigieren oder ihn umzuerziehen, sondern ihm dabei zu helfen, sein gewünschtes Zielgefühl zu identifizieren und gemeinsam zu überlegen, wie er es mit passenderem Verhalten erreichen könnte. Auf diese Weise handeln Sie aus einer liebevollen, wertschätzenden Perspektive ihrem Mitmenschen gegenüber und tragen viel dazu bei, dass sich Ihre Beziehung zueinander verbessern kann.

Selbstreflexion: Das eigene Verhalten analysieren

Was für das Verhalten anderer gilt, trifft ebenso auf uns selbst zu: Überlegen Sie, ob es Verhaltensweisen gibt, mit denen Sie immer wieder bei anderen Menschen anecken oder wovon diese regelmäßig genervt sind (und Sie das vielleicht auch wissen lassen). Könnte es sein, dass Sie damit auf ungünstige Weise Ziele erreichen möchten, die Sie besser auf anderem Wege anstreben?

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Ein Beispiel: Sie kommen oft zu spät und lassen andere warten. Unbewusst geht es Ihnen vielleicht darum, dass Sie sich häufig fremdbestimmt und zu wenig autonom fühlen. Statt sich Ihre „Macht“ zurückzuholen, indem Sie sich nicht an Verabredungen halten, könnten Sie sich mehr Zeit für sich selbst freischaufeln, in der Sie sich frei entfalten können, ohne Verpflichtungen, Erwartungen und Druck von außen. Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt.

Umgang mit spezifischen "Nervensägen"-Typen

Coach und Buchautor Attila Albert hat Strategien für den Umgang mit verschiedenen "Nervensägen"-Typen entwickelt:

  1. Ewige Opfer: Seien Sie feinfühlig mit Kritik, vermeiden Sie Drohungen und greifen Sie die Person nicht persönlich an. Geben Sie praktische Empfehlungen und ermutigen Sie sie.
  2. Verbissene Rechthaber: Gehen Sie nicht auf Konfrontationen ein, setzen Sie Grenzen und schlagen Sie einen versöhnlichen Ton an.
  3. Schlaffe Zögerer: Sagen Sie einfach, was Sie stört und warum - und locken Sie mit Vorteilen, wenn sie ihr Verhalten ändern.
  4. Fürsorgliche Helferseelen: Erkennen Sie zuerst ihre Bemühungen an, bevor Sie freundlich, aber klar Ihren Wunsch äußern.
  5. Übermotivierte Problemlöser: Beschreiben Sie sachlich, was Sie stört und warum. Äußern Sie danach einen konkreten Wunsch und wieso das für alle vorteilhaft wäre.
  6. Selbstgerechte Weltverbesserer: Stimmen Sie ihren idealistischen Zielen zu, verpflichten Sie sie danach auf ihre eigenen Ansprüche und nutzen Sie ihre Signalworte.
  7. Abgehobene Welterklärer: Überzeugen Sie diesen Typ inhaltlich mit schlüssigen Argumenten, die ohne Schuldzuweisungen auskommen.

Umgang mit Dauernörglern

Für manche Menschen ist Meckern fast schon ein Hobby. Um mit Dauernörglern umzugehen, können folgende Tipps helfen:

  1. Liebevolle Aufmerksamkeit: Schenken Sie der Person Ihre volle, ungeteilte Aufmerksamkeit.
  2. Freundliche Hinweise geben: Weisen Sie Ihr Gegenüber freundlich darauf hin, was er/sie tut.
  3. In den Spiegel schauen: Fragen Sie sich, an welcher Stelle Sie in Ihrem eigenen Leben zu kritisch oder beurteilend sind.
  4. Veränderungsmöglichkeiten erkennen: Bieten Sie Ihre Hilfe an, um Lösungsansätze zu entwickeln.
  5. Abgrenzen, wenn nötig: Ziehen Sie Ihre Grenze, wenn Sie von dem ständigen Gemecker einer anderen Person genervt sind.

Die Rolle von Introversion und Extraversion

Wie sehr soziale Interaktionen uns anstrengen, hängt grundsätzlich mit unserem Persönlichkeitstypen zusammen. Introvertierte Menschen laden ihre Akkus auf, wenn sie alleine sind, während Extrovertierte Energie aus der Gesellschaft ziehen. Es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und das Sozialleben entsprechend zu gestalten.

Weitere Strategien im Umgang mit schwierigen Menschen

  • Kontakte kurz und selten halten: Versuchen Sie die komplizierten Kontakte möglichst kurz und selten zu halten.
  • Nerviges Verhalten ignorieren: Ignorieren Sie das nervige Verhalten des Gegenübers und gehen Sie nicht darauf ein.
  • Ruhe bewahren: Versuchen Sie auch in emotional schwierigen Situationen, einen kühlen Kopf und Ruhe und Gelassenheit zu bewahren.
  • Verbalattacken nicht persönlich nehmen: Nörglerische, pessimistische und besserwisserische Menschen wollen, dass andere mitleiden oder sich dumm vorkommen.
  • Empathie zeigen: Versuchen Sie, sich in Ihr kompliziertes Gegenüber hineinzuversetzen.
  • Nach dem Zweck fragen, nicht nach dem Grund: Um eine bessere Beziehung zu schwierigen Menschen aufzubauen, ist es zielführender, nach dem Zweck für das Verhalten und nicht nach dem Grund zu fragen.
  • Zu sich stehen und Grenzen ziehen: Machen Sie sich nicht klein und zeigen Sie Stärke, indem Sie innerlich ruhig und sachlich mit der Situation umgehen.

Projektionen erkennen

"Sollen-Sätze", die uns in unserem Ärger überfallen, sagen viel mehr über uns aus als über unser Gegenüber. Denn sie sind oft Projektionen, also Eigenschaften, die wir zwar anderen zuschreiben, aber eigentlich unseren eigenen geheimen Wünsche und Bedürfnisse entstammen. Deshalb sollten wir uns immer wieder die Frage stellen, ob gerade die Eigenschaften, die uns an schwierigen Menschen am meisten nerven, nicht vielleicht unsere eigenen Triggerpunkte sind.

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Klare Grenzen setzen

Machen Sie deutlich, welche Verhaltensweisen für Sie nicht akzeptabel sind. Reagieren Sie nicht oder gleichgültig auf persönliche verbale Angriffe. Schränken Sie den Kontakt ein oder brechen Sie ihn ab.

Umgang mit Unterbrechungen

Von dominanten Kolleginnen und Kollegen ständig mitten im Satz unterbrochen zu werden, kann richtig nerven. Zeigen Sie Selbstbewusstsein durch Ihre Körperhaltung. Achten Sie auf Ihren Satzanfang und Ihre Sprechmelodie. Lassen Sie sich Unterbrechungen nicht gefallen.

Perspektivenwechsel

Es ist unwahrscheinlich, dass es das Ziel eines anderen Menschen ist, Sie zu nerven. Meistens ist dieser Mensch einfach wie er ist - und irgendetwas daran lässt Ihre inneren Alarmsirenen hochfahren. Versuchen Sie, das Verhalten anderer nicht persönlich zu nehmen und die Rolle des neugierigen Wissenschaftlers einzunehmen.

Gemeinsamkeiten suchen

Wollen oder sollen wir miteinander auskommen, lohnt es sich für eine gute Gesprächsbasis, nach positiven Schnittmengen Ausschau zu halten - und darauf aufzubauen.

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