Die Alzheimer-Demenz ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch den Verlust von kognitiven Fähigkeiten gekennzeichnet ist. Weltweit sind mehr als 55 Millionen Menschen von Demenz betroffen, und jährlich kommen schätzungsweise 10 Millionen neue Fälle hinzu. Die Forschung konzentriert sich intensiv auf die Suche nach wirksamen Therapien und Präventionsstrategien. In den letzten Jahren gab es vielversprechende Entwicklungen im Bereich der Impfungen und Medikamente, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen könnten.
Neue Medikamente zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit
Lecanemab: Ein Hoffnungsschimmer in der Alzheimer-Therapie
Am 15. April 2025 wurde von der EU-Kommission das Medikament Lecanemab mit dem Antikörper Lecanemab für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September. Die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte im April 2025. Lecanemab zielt darauf ab, schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn zu reduzieren, die als eine der Hauptursachen für die Alzheimer-Krankheit gelten. Studien haben gezeigt, dass Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann. Dies ist das erste zugelassene neue Alzheimer-Medikament seit 2002, als ein Medikament mit dem Wirkstoff Memantine eine EU-Zulassung für die Alzheimer-Therapie erhielt.
Wie Lecanemab wirkt
Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques. Es ist wichtig zu beachten, dass Lecanemab Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten kann. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen.
Wer kann mit Lecanemab behandelt werden?
Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz. Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.
Einschränkungen und Herausforderungen
Nach einer Einschätzung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von Mai 2025 erfüllt etwa 1 von 100 Menschen mit einer Alzheimer-Demenz alle Voraussetzungen für eine Behandlung mit Leqembi, also in etwa 12.000 Erkrankte. Neuere Berechnungen von August 2025 - etwa des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (ZI) - sprechen von bis zu 73.000 Patientinnen und Patienten in Deutschland, was bei 1,2 Millionen Erkrankten etwa 6 Prozent entspricht. Diese Zahl gilt jedoch als optimistische Obergrenze. In der Praxis wird die Zahl deutlich niedriger sein, da die aufwendige Diagnostik, mögliche Ausschlusskriterien und begrenzte ärztliche Kapazitäten berücksichtigt werden müssen. Neben den medizinischen Voraussetzungen ist zusätzlich die Teilnahme an einem EU-weiten Register verpflichtend.
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Gentest und Behandlungsablauf
Vor dem Beginn der Behandlung mit Leqembi wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das so genannte ApoE4-Gen besitzt. Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens (ApoE4-Homozygote) haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen und können deshalb nicht mit Leqembi behandelt werden. Der Gentest macht die Therapie sicherer. Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.
Mögliche Nebenwirkungen
In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen. Bei den für die EU-Zulassung relevanten Patientengruppen - also Menschen mit höchstens einer Kopie des ApoE4-Gens - kam es in rund 13 % der Fälle zu Hirnblutungen und in 9 % zu Hirnschwellungen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11 %) und Infusionsreaktionen (26 %).
Studienergebnisse und Expertenmeinungen
An der CLARITY AD-Studie hatten insgesamt 1.795 Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Alzheimer-Demenz teilgenommen. Während des 18-monatigen Untersuchungszeitraums wurde in regelmäßigen Abständen kognitive Fähigkeiten, wie das Gedächtnis, die Orientierung oder die Fähigkeit, Probleme zu lösen, von Fachleuten überprüft. Ergebnis der Studie war, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe. Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht.
Donanemab: Ein weiteres Antikörper-basiertes Medikament
Seit 25.09.2025 ist auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen. Es enthält den Antikörper Donanemab. Auch dieses Medikament kann Studien zufolge bei einer Anwendung im Frühstadium der Erkrankung das Fortschreiten verlangsamen.
Weitere Medikamente in der Entwicklung
Im Dezember 2024 wurde für ein drittes Alzheimermedikament das Zulassungsverfahren eröffnet. Rund 60 weitere Medikamente befinden sich für die Alzheimer-Therapie im vorangehenden Erprobungsstadium (Phase II), der Erprobung mit wenigen Kranken nach erfolglichen Tests mit Gesunden (Phase I). Viele davon sind Neuentwicklungen, andere sind bereits zur Behandlung anderer Krankheiten zugelassen (z. B. bei Schlafstörungen oder Bauchspeicheldrüsenkrebs).
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Frühe Diagnose und Behandlung sind entscheidend
Viel deutet darauf hin, dass die Behandlung sehr frühzeitig begonnen werden muss, wenn sie noch wirksam ins Krankheitsgeschehen eingreifen soll, und nicht erst, wenn die Alzheimer-Symptome schon ausgeprägt sind. Das ist möglich geworden, weil sich Zeichen der Krankheit (d.h. Beta-Amyloid und Tau-Fibrillen im Gehirn) mittlerweile mit nicht-invasiven bildgebenden Verfahren nachweisen lassen.
Biologische Definition von Alzheimer
Das National Institute on Aging and Alzheimer's Association Research Framework empfiehlt deshalb, bei klinischen Studien nur noch mit Patient:innen zu arbeiten, die die für Alzheimer charakteristischen Gehirnveränderungen aufweisen; die dafür anzuwendende biologische (statt Symptom-bezogene) Alzheimer-Definition hat das Research Framework 2018 in der Zeitschrift Alzheimer's & Dementia veröffentlicht.
Angriffspunkte der Medikamente
Die Medikamente, die zum Aufhalten oder Verlangsamen der Alzheimer-Demenz in Entwicklung sind, greifen an verschiedenen Stellen in den Krankheitsprozess ein. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Alzheimer auftretenden Plaques zwischen den Nervenzellen wesentlich zum Absterben von Nervenzellen beitragen. Deshalb setzen viele Arzneimittel-Kandidaten an der Substanz an, aus der sie bestehen: dem Beta-Amyloid-Protein. Ein Typ dieser Medikamente enthält gentechnisch hergestellte Antikörper, die sich an das Beta-Amyloid-Protein oder Vorstufen davon heften. Das Immunsystem baut dann das so markierte Protein ab, wodurch der Raum zwischen den Nervenzellen gereinigt wird. Dieser Ansatz wird auch „passive Immunisierung gegen Alzheimer“ genannt.
Impfung gegen Gürtelrose und das Demenzrisiko
Eine weitere vielversprechende Forschungsrichtung untersucht den Zusammenhang zwischen Impfungen und dem Demenzrisiko. Insbesondere die Impfung gegen Herpes zoster (HZ), allgemein als Gürtelrose bekannt, steht im Fokus.
Herpes Zoster und erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
Herpes zoster (HZ), allgemein als Gürtelrose bekannt, ist eine weit verbreitete Virusinfektion, die durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird. Nach der Erstinfektion mit dem Krankheitsbild der Windpocken wandern die Viren in die Nervenzellen der spinalen und kranialen Ganglien, wo sie vom Immunsystem nicht erkannt werden und lebenslang latent im Körper persistieren. Bei einer Schwächung des Immunsystems, z.B. durch den natürlichen Alterungsprozess, Stress oder eine Immunsuppression, kann es zur VZV-Reaktivierung kommen, wobei die Viren entlang der sensorischen Nerven zur Haut wandern und zum charakteristischen Bild des Zosters mit Erythemen und pustulösen Hautveränderungen führen. Neben bakteriellen Superinfektionen und dem Befall verschiedener Körperregionen gehört die postherpetische Neuralgie mit langanhaltenden und starken Schmerzen zu den häufigsten Spätkomplikationen, die sich in etwa 50 % der Fälle bei über-60-Jährigen entwickelt. HZ ist nicht nur mit Spätkomplikationen, sondern auch mit einem zeitabhängig erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) assoziiert, wie Schlaganfall und Myokardinfarkt. Das MACE-Risiko ist durch HZ im ersten Monat um 80 % erhöht, in den ersten 3 Monaten um 43 % und nach einem Jahr um 20 %, bevor sich das Risiko nach 3 Jahren dem Ausgangsstatus angleicht.
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Studien zeigen reduziertes Demenzrisiko durch HZ-Impfung
Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie aus Wales untersuchte, ob die HZ-Lebendimpfung das Demenz-Risiko reduziert. Während der 7-jährigen Follow-up-Dauer senkte die HZ-Impfung das Risiko einer neuen Demenz-Diagnose signifikant um 3,5 %, was einer relativen Risiko-Reduktion von 20,0 % (95%KI [6,5;33,4]) entsprach. Eine australische Studie mit ähnlichem Design bestätigte jetzt die Daten aus Wales. In den USA wurde die HZ-Impfung im Jahr 2017 vom Lebendimpfstoff auf einen rekombinanten Totimpfstoff umgestellt. Der rekombinante Totimpfstoff senkte das Demenz-Risiko gegenüber der Lebendimpfung signifikant um 17 %, was durchschnittlich 164 zusätzlichen Tagen ohne Demenz entsprach. Dieser protektive Effekt war bei Frauen ebenfalls stärker ausgeprägt als bei Männern (222 vs.
Erkenntnisse aus Wales: Ein natürliches Experiment
Vor zwei Jahren entdeckte Dr. Min Xie, Wissenschaftler am Heidelberg Institute of Global Health (HIGH) ein „natürliches Experiment“ in Wales. „In Wales begann am 1. September 2013 ein Impfprogramm, bei dem jeder, der zu diesem Zeitpunkt 79 Jahre alt war, ein Jahr lang Anspruch auf den Impfstoff gegen Gürtelrose hatte. Personen, die 78 Jahre alt waren, hatten im nächsten Jahr ein Jahr lang Anspruch darauf usw. Menschen, die am 1. September 2013 80 Jahre oder älter waren, hatten Pech - sie hatten keinen Anspruch auf den Impfstoff.“ Diese Regel hatte vor allem das Ziel, den begrenzten Vorrat an Impfstoff zu rationieren. Gleichzeitig ermöglichte sie, die Wirkung des Impfstoffs isoliert zu betrachten.
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass der Schutz vor Demenz durch die Impfung bei Frauen viel stärker zu seinen scheint als bei Männern. „Dieser Rückgang könnte möglicherweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Immunantwort zurückzuführen sein oder in der Art und Weise, wie sich Demenz entwickelt, so Geldsetzer. „Frauen haben im Durchschnitt eine stärkere Antikörperreaktion auf eine Impfung. Und wir wissen auch, dass sowohl Gürtelrose als auch Demenz bei Frauen häufiger vorkommt als bei Männern.“
Mögliche Wirkmechanismen
„Wir wissen im Moment noch nicht, wie der Impfstoff vor Demenz schützt“, sagt Geldsetzer. „Es könnte sein, dass er das Immunsystem insgesamt ankurbelt, dass er speziell verhindert, dass das schlummernde Varizella Zoster Virus reaktiviert wird, oder über einen ganz anderen Mechanismus funktioniert.“ Unbekannt ist auch, ob eine neuere Version des Impfstoffs, die nur bestimmte Proteine des Virus enthält und wirksamer vor Gürtelrose schützt, einen ähnlichen oder möglicherweise sogar größeren Schutz vor Demenz bietet.
Impfempfehlungen in Deutschland
In Deutschland wird die HZ-Impfung mit dem rekombinanten Totimpfstoff seit 2018 für alle Personen ab 60 Jahren sowie für Risikopersonen ab 50 Jahren empfohlen. Laut Robert-Koch-Institut betrug die HZ-Impfquote im Jahr 2024 für die beiden genannten Gruppen jeweils 20,6 % und 17,5 %. Die neuen Studiendaten sollten daher Anlass geben, einerseits die Anstrengungen zur Erhöhung der Impfquoten zu intensivieren, und andererseits über eine Ausweitung der Impfempfehlungen für jüngere Altersgruppen (z.B.
Weitere Forschungsansätze und Therapieoptionen
Neben den vielversprechenden Entwicklungen im Bereich der Antikörper-Therapien und Impfungen werden auch andere Forschungsansätze verfolgt, um die Alzheimer-Krankheit zu behandeln oder ihr Fortschreiten zu verlangsamen.
Modulation der Amyloid-Produktion
Hintergrund: beta-Amyloid entsteht aus einem größeren Vorläufer-Protein durch die Aktivität von zwei Enzymen (Sekretasen). Durch die Blockade dieser Enzyme könnte die Produktion von beta-Amyloid vermindert werden, sodass die Ablagerungen gar nicht mehr entstehen. Dem Ansatz nach ist das ein sehr plausibler Weg, die Krankheit zu behandeln. Ergebnisse klinischer Studien: Eine Schwierigkeit besteht darin, Hemmstoffe zu synthetisieren, die ausschließlich auf die Sekretasen wirken und nicht auf andere Ziele oder Organe. Die bisher entwickelten Substanzen haben zwar die Produktion von beta-Amyloid gedrosselt, beeinflussten aber nicht die Zunahme der Krankheitssymptome, wiesen Nebenwirkungen auf oder führten sogar zu einer Zustandsverschlechterung.
Therapieansätze rund um das Tau-Protein
Hintergrund: Tau ist ein kleines Protein, das die röhrenförmigen Transportstrukturen in den Nervenzell-Fortsätzen stabilisiert. Bei der Alzheimer-Krankheit wird Tau aus nicht ganz geklärten Gründen chemisch verändert, kann sich dadurch nicht mehr an die Röhrchen anheften und lagert sich zu unlöslichen Bündeln zusammen. Das sind die Neurofibrillenveränderungen, die Alois Alzheimer als erster beschrieben hat. Sie stehen in einer engeren Beziehung zu den klinischen Symptomen als die beta-Amyloid-Ablagerungen. Eigenartigerweise scheint das veränderte Tau normale Tau-Proteine „anzustecken“, sodass sich die Tau-Ablagerung im Gehirn ausbreitet. Ergebnisse klinischer Studien: Erste Untersuchungen mit Substanzen, die die Zusammenballung von Tau verhindern sollen, waren unwirksam, darunter der Farbstoff Methylenblau. Synthetische Antikörper und auch Impfungen gegen verändertes Tau werden gegenwärtig klinisch erprobt.
Schutz der Nervenzellen
Hintergrund: An der Fehlfunktion von Nervenzellen bei der Alzheimer-Krankheit sind die erwähnten Proteinablagerungen beteiligt, andererseits spielen aber auch altersbedingte Vorgänge und entzündliche Prozesse eine Rolle. Wachstums- und Reparaturvorgänge an Nervenzellen werden durch Nervenwachstumsfaktoren günstig beeinflusst. Im Gehirn gibt es einen speziellen Typ von Zellen, die die Aufgabe haben, Nervenzellen zu stützen und zu ernähren (Gliazellen). In frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit erfahren diese Zellen eine Aktivierung - besonders in der Nähe der Amyloid-Ablagerungen - und nehmen entzündungsfördernde Eigenschaften an, die die Schädigung der Nervenzellen vorantreiben. Die Normalisierung der Funktion von Gliazellen könnte also eine weitere Behandlungsstrategie sein. Ergebnisse klinischer Studien: Nervenwachstumsfaktoren sind verhältnismäßig große Proteine, die nicht unmittelbar aus der Blutbahn ins Gehirn gelangen können. Es gibt aber indirekte Wege, um solche Substanzen an ihr Ziel zu bringen. Hautzellen (Fibroblasten) lassen sich genetisch so modifizieren, dass sie Nervenwachstumsfaktoren erzeugen. Derartige Zellen wurden bei einer kleinen Gruppe von Patienten ins Gehirn eingepflanzt, leider jedoch ohne klinischen Erfolg und teilweise mit erheblichen Nebenwirkungen.
Hirnschrittmacher
Hintergrund: Durch die elektrische Stimulation von bestimmten Nervenzellverbänden mit Elektroden, die - ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher - dauerhaft in das Gehirn an einer für Bewegungsabläufe zentralen Schaltstelle eingepflanzt werden, können bei der Parkinson-Krankheit Motorik, Funktionsfähigkeit und Lebensqualität deutlich verbessert werden. Analog dazu wurde versucht, bei der Alzheimer-Krankheit den Fornix elektrisch anzuregen. Ergebnisse klinischer Studien: Das Verfahren wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren an 42 Menschen mit leichtgradiger Demenz bei Alzheimer-Krankheit erprobt. Die Behandlung bewirkte zwar keine Verbesserung kognitiver Fähigkeiten, aber bei den über 65-jährigen Patienten, die die aktive Behandlung erhielten, war die Verschlechterung während des ersten Jahres langsamer als bei der nicht stimulierten Vergleichsgruppe.
Blutwäsche (Plasmapherese)
Hintergrund: Die Blutwäsche (Plasmapherese) ist ein seit Langem bekanntes Verfahren zur Entfernung von krankhaften Bestandteilen aus dem Blut. Ergebnisse einer klinischen Studie: Bei Menschen mit mittelschwerer Demenz bei Alzheimer-Krankheit ließ sich durch die Blutwäsche eine deutliche Verlangsamung des Krankheitsverlaufs erreichen.
Einfluss der Darmbakterien
Hintergrund: Seit einiger Zeit weiß man, dass Darmbakterien eine wichtige Rolle für das Immunsystem spielen und Wirkungen auf verschiedene Körperorgane haben. Ergebnisse einer klinischen Studie: Patienten mit leichtgradiger bis mittelschwerer Demenz bei Alzheimer-Krankheit zeigten unter der Behandlung mit der Seetang-Substanz eine Verlangsamung des Fortschreitens der Symptome.
Co-Aggregation von Medin und Amyloid-β
In den Blutgefäßen des Gehirns von Alzheimer-Patienten lagert sich zusammen mit dem Protein Amyloid-β auch das Protein Medin ab. Diese sogenannte Co-Aggregation haben Forschende am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) entdeckt. „Medin könnte ein therapeutisches Ziel sein, um vaskuläre Schäden und kognitive Verschlechterungen zu verhindern, die aus Amyloid-Ansammlungen in den Blutgefäßen des Gehirns resultieren“, lautet ihre Schlussfolgerung.
Frühere Studien und Fehlschläge
Vor der Zulassung für Lecanemab gab es über lange Zeit nur Fehlschläge. Eine 2014 publizierte Untersuchung über die von 2002 bis 2012 in klinischen Studien erprobten Medikamente ergab eine Misserfolgsquote von 99,6 %.
Prävention und Lebensstiländerungen
Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten.