Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, von der in Deutschland etwa 250.000 Menschen betroffen sind. Die Erkrankung ist durch eine fehlgeleitete Immunreaktion gekennzeichnet, bei der das Immunsystem die Myelinscheiden, die die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark umhüllen, angreift. Dies führt zu Entzündungen und Schädigungen, die eine Vielzahl neurologischer Symptome verursachen können. Die Forschung im Bereich der MS-Therapie konzentriert sich auf verschiedene Ansätze, darunter Immunmodulation, Entzündungshemmung und die Förderung der Remyelinisierung. Ein vielversprechender Forschungsbereich ist die Entwicklung von Impfstoffen gegen MS, sowohl im Sinne einer präventiven Impfung als auch einer therapeutischen Impfung zur Modulation des Immunsystems.
Sicherheit von Impfungen bei MS-Patienten
In der Vergangenheit gab es Bedenken hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs zwischen Impfungen und der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie MS. Umfangreiche epidemiologische Studien haben jedoch gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Eine Metaanalyse konnte keinen Zusammenhang zwischen einer Tetanus-Impfung und der Entstehung von MS feststellen, sondern deutete sogar auf einen möglichen schützenden Effekt hin. Die Analyse umfasste neun Fall-Kontroll-Studien aus verschiedenen Ländern, die das Risiko der Entstehung einer MS nach Tetanusimpfung untersucht hatten. Die Ergebnisse deuteten auf ein mittleres Odds Ratio von 0,67 hin, was auf ein geringeres Risiko für MS nach Tetanusimpfung hindeutet. Es wird diskutiert, ob die Fähigkeit von Tetanustoxoid (TT), eine T-Helfer-Zell-Aktivierung auszulösen und dabei die sogenannte Th2-Zellen gegenüber den Th1-Zellen zu begünstigen (sogenannte"Th1->Th2-shift"), eine Rolle spielen könnte. Es gibt Hinweise, dass bei der Entstehung und dem Fortschreiten von MS myelinreaktive Th1-Zellen eine Rolle spielen. Es wird vermutet, dass diese von den in Th2-Zellen produzierten Botenstoffen (anti-inflammatorische Zytokine) unterdrückt werden und dass dadurch die Entstehung der MS verhindert werden könnte.
Auch bezüglich eines möglichen Zusammenhangs zwischen einer Impfung und einer Schubauslösung bei bestehender MS belegt eine neuere Metaanalyse aller durchgeführten Studien die Sicherheit von Impfungen: Für die Tetanus-, BCG-, Hepatitis B- und Varizella-Impfung gibt es keine Evidenz für ein erhöhtes Risiko, nach der jeweiligen Impfung einen MS-Rückfall zu erleiden, für die Influenza-Impfung zeigen die Daten sogar eine klare Evidenz gegen ein erhöhtes Risiko.
Eine Studie des Universitätsklinikums Jena (UKJ) untersuchte, wie diese Empfehlungen bei Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose umgesetzt werden. Die kurz als MS bezeichnete Erkrankung ist eine autoimmun bedingte chronische Entzündung, die das zentrale Nervensystem erfasst und oft in Schüben verläuft. In Deutschland gibt es etwa 250.000 Betroffene. Sie werden in der Regel in spezialisierten MS-Zentren oder neurologischen Praxen behandelt. Dafür stehen je nach Erkrankungsphase über 20 verschiedene Therapien und Wirkstoffe zur Verfügung, die unterschiedlich stark in das Immunsystem eingreifen. Neben den allgemein empfohlenen Standardimpfungen sollten MS-Erkrankte auch mit Impfungen speziell für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem geimpft sein.
Die neue Beobachtungsstudie erfasste in sechs spezialisierten MS-Behandlungszentren in unterschiedlichen Regionen in Deutschland den Impfstatus von knapp 400 Patientinnen und Patienten, ihren Informationsstand und ihre Einstellung zum Impfen. Befragt wurden auch die behandelnden Hausärztinnen und Hausärzte, die die Impfungen durchführen. Im Ergebnis hatten MS-Erkrankte nur gut die Hälfte der empfohlenen Standardimpfungen. In einer altersangepassten gesunden Vergleichsgruppe lag die Impfrate sogar leicht höher. Weniger als jeder fünfte MS-Erkrankte war ausreichend gegen Gürtelrose, Grippe oder andere Atemwegserkrankungen geimpft. Das galt auch für MS-Patienten mit hochwirksamen immunsupprimierenden Medikamenten.
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Anders sah es bei den 109 an der Studie teilnehmenden Hausarztpraxen aus: 82 Prozent gaben an, dass sie wegen möglicher Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit Medikamenten Bedenken haben, ihre MS-Patienten zu impfen. Diese Unsicherheit ist nachvollziehbar, da jede Hausarztpraxis im Durchschnitt nur weniger als zehn MS-Patienten betreut. „Wir hören sowohl von Hausärzten als auch von Patienten immer wieder Befürchtungen, dass Impfungen Schübe auslösen oder den Verlauf der MS verschlechtern könnten“, so der Studienleiter PD Dr. Florian Rakers. „Dafür gibt es keinerlei Belege. Dass Infektionen die MS negativ beeinflussen können, ist dagegen gesichert.“ Der Neurologe schlägt deshalb vor, einige MS-Behandlungszentren als spezialisierten Impfzentren zu etablieren.
Aktuelle Impfempfehlungen für MS-Patienten
Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch Institut (RKI) gibt kontinuierlich Impfempfehlungen heraus, die im Internet abrufbar sind. Dabei wird grundsätzlich zwischen Standardimpfungen (z.B. gegen Wundstarrkrampf, Diphterie, Kinderlähmung, Influenza) und Indikationsimpfungen (bei besonderen Erkrankungen oder speziellen Berufen: wie Haemophilus influenzae, Hepatitis A und B) beziehungsweise Reiseimpfungen (z.B. gegen Gelbfieber, Typhus) unterschieden.
Virale Infektionskrankheiten wie die Grippe (Influenza), die den Krankheitsverlauf der MS per se oder durch Auslösung eines Schubs ungünstig beeinflussen können, lassen sich durch Schutzimpfungen leicht vermeiden oder in ihrem Verlauf deutlich abmildern: Impfungen senken so das Schubrisiko und verringern daraus resultierende gesundheitliche Einschränkungen und sozioökonomische Belastungen. Zahlreiche Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Influenza-Impfung bei MS sicher ist. Die STIKO am RKI empfiehlt daher eine regelmäßige saisonale Grippeschutzimpfung für alle MS-Patienten. Der Ärztliche Beirat der DMSG schließt sich uneingeschränkt dieser Empfehlung an. Totimpfstoffe, wie sie bei Influenza zum Einsatz kommen, können in der Regel problemlos angewendet werden. Nach gegenwärtigem Wissensstand wird auch unter den gängigen MS-Immunbasistherapeutika eine Impfantwort gegen Influenza aufgebaut.
Seit Sommer 2023 sind zwei rekombinante proteinbasierte Impfstoffe zur Schutzimpfung gegen die RSV-Erkrankung zugelassen, im August 2024 kam ein mRNA basierter Impfstoff hinzu. Oftmals ist RSV eher von schweren Krankheitsverläufen bei Babys und Kleinkindern bekannt. Jedoch können auch ältere Menschen und solche mit bestimmten Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) ein deutlich erhöhtes Risiko für eine schwer verlaufende RSV-Erkrankung haben. Daher empfiehlt die STIKO eine einmalige Impfung ab dem Alter von 75 Jahren (Standardimpfung). Personen ab 60 Jahren mit schweren Formen folgender Grunderkrankungen oder die in einer Einrichtung der Langzeit-Pflege leben, sollten ebenfalls eine einmalige RSV-Impfung als Indikationsimpfung möglichst vor der RSV-Saison (d.h. idealerweise im September/Anfang Oktober) erhalten:
- chronische Erkrankungen der Atmungsorgane,
- chronische Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen,
- chronische neurologische und neuromuskuläre Erkrankungen,
- hämato-onkologische Erkrankungen,
- Diabetes mellitus (mit Komplikationen)
- angeborene oder erworbene Immundefizienz.
Leichte oder unkomplizierte bzw. medikamentös gut kontrollierte Formen dieser chronischen Erkrankungen gehen nach jetzigem Wissensstand nicht mit einem deutlich erhöhten Risiko für einen schweren RSV-Krankheitsverlauf einher. Eine Impfung wird in diesen Fällen gegenwärtig nicht empfohlen. Eine mögliche Einzelfallentscheidung für die Impfung außerhalb der Empfehlung ist nach individueller Abwägung (Nutzen-Risiko-Verhältnis) mit Ihrem Arzt grundsätzlich möglich. In diesen Fällen kommen die STIKO-Empfehlungen zum Off-labeluse zur Anwendung. Zur Notwendigkeit von Auffrischungen der RSV-Impfung kann nach aktueller Datenlage noch keine Aussage durch die STIKO getroffen werden.
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Eine Koadministration (gleichzeitige Verabreichung) einer RSV- und Influenza-Impfung ist möglich.
Inverse Impfung: Ein neuer Therapieansatz
Neben den traditionellen Impfstrategien, die darauf abzielen, das Immunsystem gegen Krankheitserreger zu stärken, wird intensiv an einer "inversen Impfung" geforscht. Dieser Ansatz zielt darauf ab, das Immunsystem zu beruhigen und die fehlgeleitete Immunreaktion bei Autoimmunerkrankungen wie MS zu unterdrücken. Das Immunsystem soll hierbei, im Unterschied zu herkömmlichen Impfungen, nicht "scharf" gemacht werden auf bestimmte Erreger, um diese dann schnell und gründlich beseitigen zu können. Sondern umgekehrt: Das zu fleißige Immunsystem, welches sich versehentlich gegen den eigenen Körper richtet, soll gelassener werden, soll damit aufhören, körpereigenes Gewebe anzugreifen. Soll wieder toleranter werden. Eine umgekehrte Impfung als Umerziehungsmaßnahme für aus der Reihe tanzende Immunsysteme sozusagen.
Bei der inversen Impfung werden körpereigene Antigene, die bei der Entstehung von MS eine Rolle spielen, in der Leber als unschädlich gekennzeichnet. Sie erhalten ein Etikett, ein Label namens "unschädlich". Das erreichten die US-amerikanischen Forscher in Tiermodellen, indem sie dem körpereigenen, schädlichen Antigen einen als unschädlich bekannten Zucker anhefteten, den das periphere Immunsystem immer toleriert: N-Acetyl-Galactosamin, kurz: pGal (über diesen Zucker hatte amsel.de bereits in anderem Zusammenhang berichtet).
Der Schweizer Biotech-Entwickler Anokion SA hat eine Methode entwickelt, die sowohl bei Nagern wie bei Primaten funktionierte, und sogar dann, wenn sie die Tiere erst nach Start der (künstlich hervorgerufenen) Erkrankung geimpft haben. Nach den positiven Studien aus Mausmodellen und solchen mit Primaten, läuft im Moment eine Phase-1-Studie mit MS-betroffenen Patientinnen und Patienten. Oberstes Ziel dieser Phase-1-Studie ist die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes namens ANK-700.Die Rekrutierung der Probanden und Probandinnen ist nun abgeschlossen. Und es liegen bereits Daten aus dem ersten Teil der Phase-1-Studie vor. Demnach zeigte sich ANK-700 bei allen getesteten Dosierungen sicher und gut verträglich ist. Vorläufige Biomarkerdaten deuten außerdem auf eine antigenspezifischen Immuntoleranz hin und es gibt Hinweise auf die Unterdrückung verwandter Myelin-Antigene, ein gewollter Nebeneffekt, der für die Behandlung komplexer Autoimmunerkrankungen wie MS wichtig ist.
Es gibt jedoch noch viele offene Fragen bezüglich der inversen Impfung:
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- Ob sich die positiven Ergebnisse aus den Tierstudien überhaupt auf den Menschen übertragen lassen.
- Wie stark die Wirkung sein wird, für den Fall, dass man die Methode vom Tier auf den Menschen übertragen kann.
- Ob sich die Impfung zusätzlich zu Immunmodulatoren verabreichen ließe.
- Welche Nebenwirkungen diese Impfung haben wird.
- Wie lange sie anhält und ob man überhaupt "nachimpfen" könnte.
- Welche Wechselwirkungen mit bereits verabreichten MS-Mitteln bestehen.
- Wieviel sie Menschen mit bereits zahlreichen Behinderungen bringen würde.
Die Hoffnung der Wissenschaftler ist natürlich, eine bessere Therapie als die bereits zugelassenen zu finden. Nicht ganze Teile des Immunsystems zu unterdrücken (und damit zum Beispiel eine erhöhte Infektanfälligkeit in Kauf zu nehmen), sondern gezielt nur die Bereiche zu ändern, die bei einer MS "schieflaufen". Mit der Methode möglicherweise auch andere Autoimmunerkrankungen zu lindern. Neben Multipler Sklerose ist vom gleichen Entwickler derzeit auch eine Impfung gegen Zöliakie in der Entwicklung. Hierzu sind Phase-1-Daten bereits veröffentlicht (Arbeitsname KAN-101).
Anokion geht davon aus, die vollständigen Ergebnisse seiner klinischen Studie in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 zu veröffentlichen. In Phase-1 geht es zunächst um die Sicherheit des Wirkstoffes. Daten zur Wirksamkeit werden zwar auch erhoben, sind bei kleiner Patientenzahl (33) und kurzer Studiendauer (1 Jahr) jedoch noch nicht aussagekräftig, auch wenn man versucht, daraus Trends abzulesen. Mit einer Zulassung von ANK-700, sollte alles passen, ist erfahrungsgemäß erst in rund zehn Jahren zu rechnen.
mRNA-Impfstoffe gegen MS
Eine aktuelle Studie zieht gerade in Fachkreisen viel Aufmerksamkeit auf sich, denn wenige Wochen nach der Einführung der ersten mRNA-basierten Corona-Impfstoffe wird von einer mRNA-Impfung gegen Multiple Sklerose (MS) berichtet. Die tierexperimentelle Studie gilt bei Experten als interessant und weckt Hoffnungen auf einen Durchbruch bei der Behandlung der Autoimmunerkrankung. Dennoch handelt es sich nicht um eine greifbare Therapieoption, die schnell umgesetzt werden kann.
Nun ist es Forschern gelungen, an einem MS-Mausmodell durch die kontrollierte Zufuhr des auslösenden Autoantigens (ein Myelinprotein) die autoimmune Gehirn- und Rückenmarksentzün-dung (Enzephalomyelitis) zu verhindern bzw. sogar rückgängig zu machen. Anstelle des fertigen Antigens wurde aber nur dessen genetischer Bauplan mittels Nukleosid-modifizierter Boten-RNA („m1Ψ-mRNA“) verabreicht. Im Körper wird daraus dann das Antigen/Protein gebildet, an das sich das Immunsystem (wieder) gewöhnen soll.
„An dieser Stelle sollte bereits angemerkt werden, dass die Studie zwar wissenschaftlich hoch interessant ist, aber es ist nicht so, dass wir nun auch in Kürze eine Impfung gegen MS haben werden“, kommentiert Prof. Dr. med. Frauke Zipp, Mainz. „Die Daten dürfen nicht zu der falschen Hoffnung führen, dass eine MS-Impfung kurz vor der Zulassung steht oder binnen weniger Monate entwickelt werden könnte.“
Der Wirkmechanismus des m1Ψ-mRNA-Impfstoffs gegen MS ist nicht mit einem Corona-Impfstoff zu vergleichen: „Bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen ist eine Toleranzinduktion gegen das Antigen das Ziel“, betont Prof. Dr. med. Ralf Gold, Bochum, „dagegen ist bei einer Impfung gegen Viren oder gegen Krebs genau das Gegenteil erwünscht: das Immunsystem soll lernen, den Feind künftig zu erkennen, anzugreifen und zu vernichten.“ Die Gemeinsamkeit der beiden Impfprinzipien besteht lediglich im Einbringen der Antigene in den Körper und sie dem Immunsystem bekanntzumachen. Der weitere Ablauf im Immunsystem ist dann völlig unterschiedlich bzw. in entgegengesetzte Richtungen („Angriff“ oder „Toleranz“).
„Bei der Multiplen Sklerose gibt es außerdem sehr viele Antigene, gegen die das Immunsystem gerichtet ist, die wir gar nicht alle kennen und die sich im Verlauf der Erkrankung höchstwahrscheinlich verändern“, so Prof. Zipp. Daher haben die Wissenschaftler der aktuellen Studie gezielt spezielle Techniken entwickelt, damit in den MS-Mäusen der Weg der Immuntoleranz eingeschlagen wird: Zunächst wurde die Myelin-mRNA mit Pseudouridin modifiziert („m1Ψ-mRNA“) und dann eingebettet in liposomale Nanopartikel den Tieren gespritzt. So gelangte die m1Ψ-mRNA gezielt in die sogenannten antigenpräsentierenden Zellen (APC) der Milz; die APCs stellten dann das fertige Antigen dem Immunsystem vor - ohne dabei gleichzeitig co-stimulatorische (verstärkende) Entzündungssignale zu vermitteln. Genau solche APCs sorgen auch physiologischerweise für Immuntoleranz gegenüber Umweltantigenen und Autoantigenen. Es kam zur Abnahme entzündungsauslösender Immunzellen, der sogenannten T-Effektor-Zellen (Teff) und zur verstärkten Bildung von regulatorischen T-Zellen (Treg). Die Treg-Zellen lösten eine starke „Bystander-Reaktion“ aus, das bedeutet, sie unterdrücken Autoimmunreaktionen auch gegen verwandte Autoantigene.
BioNTech SE gab heute die Veröffentlichung präklinischer Daten zu seinem neuartigen mRNA-Impfstoffansatz gegen Autoimmunkrankheiten in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Science bekannt. In der Studie wurde ein entzündungshemmender Nanopartikel-mRNA-Impfstoffkandidat, der für ein MS-assoziiertes Antigen kodiert, per Infusion an Mäuse mit experimenteller Autoimmun-Enzephalomyelitis (EAE) verabreicht. EAEs sind klinisch relevante Mausmodelle für humane MS. Der mRNA-Impfstoffkandidat wurde so konzipiert, dass er das kodierte Zielantigen, welches mit der Autoimmunkrankheit assoziiert ist, zu Antigen-präsentierenden Zellen in den Lymphknoten im ganzen Körper liefert, wobei eine Entzündungsreaktion vermieden wird. Der Impfstoff konnte in allen untersuchten EAE-Mausmodellen eine symptomatische Krankheit verhindern oder, in Mäusen mit bestehender Krankheit im Frühstadium, das Fortschreiten der Krankheit verhindern und motorische Funktionen wiederherstellen.
Zusammenhang zwischen EBV und MS
Eine jüngst in der Fachzeitschrift Science publizierte Studie (DOI: 10.1126/science.abj8222) zum Zusammenhang von Multipler Sklerose (MS) und einer vorangegangenen Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) hat die Diskussion um eine Impfung gegen MS angeregt. Die Infektion mit dem Erreger aus der Familie der Herpesviren erhöhte das MS-Risiko bei den US-Soldaten um das 32-fache. Die Studiengruppe merkt an, dass eine künftige Impfung gegen EBV eine Option sein könnte, um die MS-Inzidenz potenziell zu senken.
Die Impfung gegen EBV könnte auch deshalb interessant und effizient sein, da sie womöglich nicht nur der MS, sondern auch verschiedenen Krebserkrankungen vorbeuge. Zwar existiere noch kein zugelassener EBV-Impfstoff, aber verschiedene Unternehmen arbeiteten daran.
Bedeutung von Impfungen für MS-Patienten unter Immuntherapie
Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die entzündliche Aktivität bei der MS kann mit einer Anti-CD20-Therapie oft gut unterdrückt werden - einer Behandlung, die die Zahl der B-Zellen des Immunsystems reduziert. Da B-Zellen aber auch für die Bildung von Antikörpern gegen neue Erreger verantwortlich sind, produzieren Menschen unter Anti-CD20-Therapie sowohl bei Infektionen als auch bei Impfungen deutlich weniger Antikörper als Gesunde. Das ist auch nach einer zweimaligen COVID-19-Impfung der Fall.
Auch nach drei oder vier COVID-19-Impfungen bilden Menschen mit MS, die mit Anti-CD20-Therapien behandelt werden, weniger Antikörper gegen SARS-CoV-2 als gesunde Impflinge. Dennoch entwickelte jeder fünfte Betroffene, der nach zwei Impfungen keine Antikörper im Blut hatte, diese doch noch nach einer dritten Impfung. Interessanterweise verbesserte sich auch die Funktionalität der vorhandenen SARS-CoV-2-Antikörper nach einer dritten oder vierten Impfung - die Antikörper banden stärker an das Virus und neutralisierten neuere SARS-CoV-2-Varianten besser. Unsere Studie zeigt, dass anti-CD20-behandelte MS-Patient:innen von Boosterimpfungen profitieren, besonders auch im Hinblick auf neue Virusvarianten. Die Ergebnisse unterstützen damit die Leitlinien-Empfehlungen für zusätzliche Auffrischungsimpfungen bei dieser Personengruppe.
Risiko senken durch Impfung der wichtigen Kontaktpersonen Alle engen Kontaktpersonen von Patienten unter immunsuppressiver oder -modulierender Therapie, also Lebenspartner, weitere Familienangehörige ebenso wie Pflegende, sollten einen ebenso vollständigen Impfschutz haben wie die Patienten selbst.