Impfung als Herzschutz: Risikominderung von Herzinfarkt und Schlaganfall

Impfungen sind ein wichtiger Bestandteil der Prävention von Infektionskrankheiten, aber sie bieten auch einen deutlichen Schutz für das Herz-Kreislauf-System. Die European Society of Cardiology (ESC) betrachtet Impfungen in einem Konsensuspapier als vierte Säule der kardiovaskulären Prävention. Die Bedeutung von Impfungen für die Herzgesundheit wird zunehmend erkannt und sollte sowohl von medizinischem Fachpersonal als auch von der Bevölkerung stärker berücksichtigt werden.

Der Zusammenhang zwischen Infektionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Erhöhte Entzündungsmarker im Blut sind ein Risikofaktor für atherosklerotische Herzerkrankungen. Infektionen können Entzündungsreaktionen auslösen, die das Herz-Kreislauf-System belasten. Virusinfektionen wie Grippe oder COVID-19 können das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich erhöhen. Eine große Analyse von 155 Studien hat gezeigt, dass bestimmte virale Infekte - sowohl akute (kurzfristige) als auch chronische (langfristige) - das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich erhöhen können.

Nach einer Grippeinfektion ist das Risiko für einen Herzinfarkt im ersten Monat bis zu vierfach und das Risiko für einen Schlaganfall bis zu fünffach erhöht. Besonders in den ersten sieben Tagen ist das Risiko für einen Herzinfarkt sehr stark erhöht. Nach einer Infektion mit COVID-19 ist das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall im Zeitraum der ersten 14 Wochen etwa dreifach höher. Das Risiko kann zum Teil bis zu einem Jahr erhöht bleiben. Langfristig ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit (KHK) um ca. 74 % erhöht, das Schlaganfallrisiko um ca. 69 %. Auch andere Viren wie HIV, Hepatitis C oder Gürtelrose erhöhen das Risiko, wenn auch weniger stark.

Empfohlene Impfungen zum Schutz des Herzens

Grippeimpfung

Die jährliche Grippeimpfung wird klar empfohlen, um schweren kardiovaskulären Ereignissen, Herzrhythmusstörungen sowie einer Herzschwäche vorzubeugen. Eine Influenzaimpfung ist bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit klar empfohlen, bei akutem Koronarsyndrom sogar mit der höchsten Empfehlungsstufe, heißt es in den ESC-Leitlinien. Die Grippeimpfung senkt das Risiko für einen schweren Infektionsverlauf deutlich. In Studien kam es auch bei Geimpften seltener zu schweren kardiovaskulären Ereignissen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) im Vergleich zu Patienten ohne Impfung. Und bei Patientinnen und Patienten, die während des Krankenhausaufenthalts nach einem akuten Herzinfarkt geimpft wurden, konnte die kardiovaskuläre Sterblichkeit verringert werden.

Pneumokokken-Impfung

Die Pneumokokken-Impfung verhindert invasive Krankheitsverläufe einer bakteriellen Lungenentzündung zu 60-70 Prozent. Eine Pneumokokken-Impfung wird grundsätzlich allen Personen über 60 Jahren empfohlen. Die ESC rät alle fünf bis zehn Jahre zur Auffrischimpfung, insbesondere bei Herzinsuffizienz. Die Impfung verhindert nicht nur schwere Lungenentzündungen, sondern verringert bei Menschen ab 65 Jahren auch die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse.

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COVID-19-Impfung

Die Covid-19-Impfung bietet nicht nur Schutz vor der Erkrankung selbst, sondern reduziert auch signifikant das Risiko schwerwiegender Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall. Ungeimpfte Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Herzinsuffizienz, haben einen deutlich schwereren Covid-Verlauf als Geimpfte und ein um etwa 30 Prozent höheres Risiko, an Long-Covid zu erkranken. Eine Studie ergab, dass nach der ersten Dosis eines Covid-19-Impfstoffs arterielle Thrombosen, einschließlich Herzinfarkten und Schlaganfällen, bis zu 10% seltener auftraten als bei nicht geimpften Personen. Bei der zweiten Dosis wurde eine noch größere Reduktion beobachtet.

RSV-Impfung

Das Atemwegsvirus RSV (Respiratorisches Syncytial-Virus) trifft neben Kindern hauptsächlich auch Erwachsene über 60 Jahre, insbesondere solche mit Komorbiditäten wie kardiovaskulären Erkrankungen. Bei 20 Prozent dieser Personen können kardiale Ereignisse auftreten.

Herpes Zoster-Impfung

Herpes Zoster (Gürtelrose) wird mit kardiovaskulären Komplikationen wie akutem Herzinfarkt, Schlaganfall und vorübergehender ischämischer Attacke in Verbindung gebracht.

HPV-Impfung

Eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) ist mit einem bis zu vierfach erhöhten Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall verbunden. Eine HPV-Impfung scheint bei fast 100 Prozent der Personen wirksam zu sein - gerade bei Frauen wird damit das Herz-Kreislauf-Risiko einer Impfung verhindert.

Wer sollte sich impfen lassen?

Grundsätzlich gelten die Impfempfehlungen der Allgemeinbevölkerung auch für Herzkranke. Besonders aufmerksam sollten Menschen ab 65 Jahren, mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz), koronarer Herzkrankheit (KHK), Diabetes oder in immunsupprimierten Situationen sein - hier wird der Schutz ausdrücklich nahegelegt.

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Wann impfen?

Die ESC gibt eine praktische Orientierung: Vor jedem Winter an den Grippeschutz denken, vor allem wenn bereits ein erhöhtes Herzrisiko besteht, etwa bei einer koronaren Herzerkrankung. Eine Pneumokokken-Impfung wird grundsätzlich allen Personen über 60 Jahren empfohlen. Die ESC rät alle fünf bis zehn Jahre zur Auffrischimpfung, insbesondere bei Herzinsuffizienz.

Bei Herztransplantation ist durch die nötige Einnahme von Immunsuppressiva das Infektionsrisiko erhöht. Nach den Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft für Herz- und Lungen-Transplantation sollte daher vor der Transplantation die Impfung mit Lebendimpfstoffen (MMR, Varizellen, Zoster, Rotavirus) spätestens 4 Wochen vorher abgeschlossen sein. Die Impfung mit inaktivierte Vakzinen (z. B.

Impfungen und Schlaganfall: Was Sie wissen sollten

Auswirkungen von Corona-Infektionen auf Schlaganfall-Betroffene

Grundsätzlich sind die Verläufe einer Corona-Infektion sehr individuell und unterschiedlich ausgeprägt. Bei Schlaganfall-Betroffenen kann es gewisse Faktoren geben, die das Risiko für einen schwereren Verlauf oder ausgeprägtere Spätfolgen erhöhen - dies hängt unter anderem auch von den Ursachen und Folgen des Schlaganfalls ab. Zum Beispiel: Bei bestimmten Lähmungen kann es sein, dass die Atmung nicht mehr so kräftig ist wie bei gesunden Menschen. Eine etwas verminderte Lungenleistung kann zu schwereren Auswirkungen einer Corona-Infektion führen. Zudem ist das Gehirn bereits vorgeschädigt.

Impfempfehlungen für Schlaganfall-Betroffene unter Gerinnungshemmern

Schlaganfall-Betroffene haben allein aufgrund des Schlaganfalls kein erhöhtes Risiko für Impf-Nebenwirkungen. Viele Patienten mit Vorhofflimmern oder Schlaganfällen nehmen allerdings Gerinnungshemmer zur Blutverdünnung. Grundsätzlich rät das Expertengremium der Ständigen Impfkommission auch Patienten unter Antikoagulation (Gerinnungshemmer) zur Covid-19-Impfung. Die Impfung muss intramuskulär, also in den Muskel, verabreicht werden. Andere Methoden - zum Beispiel unter die Haut oder in die Venen - kommen nicht infrage. Bei einer intramuskulären Impfung besteht für Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, eine erhöhte Gefahr von Einblutungen. Deswegen sollte eine sehr feine Injektionskanüle genutzt werden und die Einstichstelle sollte nach der Impfung mindestens zwei Minuten fest komprimiert werden. Bei den betroffenen Patienten ist eine verlängerte Nachbeobachtungszeit von bis zu 30 Minuten (statt 15 Minuten) nach der Impfung empfohlen.

Booster-Impfungen

Die Booster-Impfung stellt nicht nur den Immunisierungszustand nach der 2. Impfung wieder her, sondern die Immunität wird besser als nach der 2. Impfung. Vier Wochen nach der 3. Impfung sind die Antikörper wesentlich erhöht. Damit ist man auch besser vor der Delta-Variante geschützt. Es würde jeder - unabhängig von Alter oder Vorerkrankung - von einer dritten Impfung profitieren. Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem ist die 3. Impfung allerdings relevanter. Außerdem bilden ältere Menschen weniger Antikörper, weswegen auch bei ihnen die 3. Impfung relevanter ist. Bei jüngeren, gesunden Menschen ist der Booster noch nicht notwendig. Die 3. Impfung verringert das Risiko zur Weitergabe des Virus noch erheblicher als die ersten Impfungen. Deswegen ist eine 3. Impfung auch für junge, gesunde Menschen jetzt bereits ratsam, die im ärztlichen, pflegerischen oder therapeutischen Bereich arbeiten. Bei der einmaligen Impfung mit Johnson&Johnson gibt es die meisten Impf-Durchbrüche, also Menschen, die trotz Impfung am Corona-Virus erkranken. Deswegen sollen diese Personen ab vier Wochen nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ein zweites Mal geimpft werden. Eine dritte Impfung kann bei der Omikron-Variante die meisten schweren Verläufe verhindern - auch bei Risiko-Patienteninnen und Patienten. Eine vierte Impfung kann für Schlaganfall-Betroffene trotzdem sinnvoll sein. Denn das Ansteckungsrisiko ist durch die neue Virusvariante hoch.

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Impfung als Ursache für Schlaganfall?

Jedes Jahr erleiden etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Da bereits etwa 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, ist es - rein statistisch - wahrscheinlich, dass einzelne Menschen kurz nach ihrer Impfung einen Schlaganfall erleiden. Ob ein Schlaganfall in direktem Zusammenhang mit der Impfung steht, muss individuell abgeklärt werden. Wenn der Verdacht besteht, dass es sich um eine Nebenwirkung der Impfung handelt, kann dies dem Paul-Ehrlich-Institut mitgeteilt werden.

Eine im Oktober 2021 publizierte Auswertung zeigte ein erhöhtes Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle (sogenannte Hirnblutungen) an den Tagen 1-7 und den Tagen 15-21 nach Impfung mit BNT162b2. Seitdem haftet allen Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 das Stigma an, sie könnten Schlaganfälle auslösen, eine Sorge, die verständlicherweise zu Ängsten führt und zur Impfskepsis beiträgt. Eine systematische Übersicht und Meta-Analyse ergab jedoch, dass die Schlaganfallrate nach Impfung mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar ist. Eine aktuelle Auswertung des „French National Health Data System“ zeigte, dass es keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten von schweren kardiovaskulären Komplikationen wie Myokardinfarkten, Lungenembolien oder Schlaganfällen gab. DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit schlussfolgert: „Die vorliegenden Daten zeigen zumindest für die mRNA-Impfstoffe keinerlei Sicherheitssignale in Bezug auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Ganz im Gegenteil: Der Experte betont, dass die SARS-CoV-2-Infektion mit einer höheren Schlaganfallrate einhergeht und die Impfung somit vor Schlaganfällen schütze.

Mechanismen, die Infektionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbinden

Virale Infektionen können eine Entzündungsreaktion im Körper auslösen. Diese Entzündung kann dazu führen, dass sich Plaques in den Gefäßen destabilisieren oder Blutgefäße geschädigt werden. Zudem kann die Infektion Blutgerinnungs­prozesse aktivieren und das Gefäßsystem stärker belasten. Dadurch erhöht sich das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Was kann man tun?

  • Impfstatus prüfen: Lassen Sie Ihren Impfstatus überprüfen und вакцинироваться Sie sich gegen Grippe, Pneumokokken, COVID-19, RSV, Herpes Zoster und HPV gemäß den Empfehlungen.
  • Risikofaktoren optimieren: Behandeln Sie Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und Diabetes. Achten Sie auf eine gesunde Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung, ausgewogener Ernährung und Rauchstopp.
  • Aufmerksam sein nach Infektionen: Achten Sie nach einer Virusinfektion auf Symptome wie ungewöhnliche Atemnot, Brust‑/Herzschmerzen, Herzstolpern oder neurologische Ausfälle - und suchen Sie ggf. sofort ärztliche Hilfe.
  • Kardiologen in der Verantwortung: Gerade die Kardiologen, so die Fachgesellschaft, müssten in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen, ihre Patienten aktiv über Impfungen informieren und sie idealerweise direkt in der Praxis durchführen.

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