Demenz ist eine komplexe Erkrankung, die weit über den Verlust kognitiver Fähigkeiten hinausgeht. Sie verändert die Wahrnehmung, das Verhalten und das Erleben der Betroffenen. Umso wichtiger ist es, den Menschen mit Demenz so anzunehmen, wie er ist, und zu akzeptieren, was er leisten kann. Empathie spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie schafft Nähe, Verständnis und trägt maßgeblich zum Wohlbefinden des Gegenübers bei.
Was ist Validation? Eine Definition
Der Begriff "Validation" stammt vom lateinischen "valere" ab und bedeutet so viel wie "den Wert festlegen, etwas für gültig erklären, anerkennen". In der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz bezeichnet Validation eine Kommunikationsmethode bzw. -technik, die den Umgang mit älteren, hochbetagten, verwirrten oder dementen Menschen erleichtern soll. Dabei umfasst die Validation sowohl eine verbale als auch eine nonverbale Kommunikationsform und konzentriert sich auf die Beziehungsebene. Validation bedeutet, sich in das Erleben und die Emotionen des Gegenübers einzufühlen und dessen Realität zu akzeptieren bzw. zu respektieren. Im Kern ist Validation eine Kommunikationsmethode, die auf mehreren verbalen sowie nonverbalen Konzepten basiert. Einfach ausgedrückt handelt es sich bei der validativen Herangehensweise um eine Anleitung zu einem menschlicheren Umgang mit alten und kranken Menschen.
Die Ursprünge der Validation: Feil und Richard
Validationstechniken wurden sowohl von der amerikanischen Gerontologin Naomi Feil als auch von der deutschen Psychogerontologin Nicole Richard entwickelt. Naomi Feil verfolgt dabei den Ansatz, dass Demenzpatienten durch immer wiederkehrende Handlungen noch nicht abgeschlossene Lebenssituationen verarbeiten. Sie definiert vier Stadien der Desorientierung von älteren Menschen, an denen sich die Validation/Interaktion der Pflegekräfte orientieren sollte:
- Stadium 1 (mangelhafte/unglückliche Orientierung): Die Betroffenen sind örtlich sowie zeitlich orientiert, erkennen aber ihre Defizite und versuchen, diese durch eine Art "Hochhaltung einer Maske" zu überspielen. Hier hilft es, offene Fragen zu stellen, um die Gefühlslage des Gegenübers zu erkunden.
- Stadium 2 (Zeitverwirrtheit): Die dementen Menschen ziehen sich zurück und leben in ihren eigenen Erinnerungen. Sie sind an Orten und zu Zeiten ihrer eigenen Vergangenheit. Emotionen wie Liebe, Trauer, Trennungsängste, Hass oder das Streben nach Identität stehen im Fokus.
- Stadium 3 (sich wiederholende Bewegungen): Das Denk- und Sprachvermögen geht nach und nach verloren. Die dementen Menschen drücken sich jetzt nur noch über körperliche Zeichen aus. Dazu gehört zum Beispiel das rhythmische Schlagen, das ständige Auf und Ab gehen, etc.
- Stadium 4 (Vegetieren): Die Menschen mit Demenz benehmen sich laut Naomi Feil wie "lebende Tote". Sie sitzen zum Beispiel apathisch in einem Stuhl, starren vor sich hin, oder liegen teilnahmslos im Bett. Eine Teilhabe am Leben haben sie vollkommen aufgegeben.
Nicole Richard hingegen sieht die Ursachen der Demenz in psychologischen Problemen wie ungelösten Konflikten, jedoch nicht in hirnorganischen Veränderungen. Ihr validativer Ansatz empfiehlt, die Situation aus der Perspektive des Betroffenen zu betrachten bzw. "in den Schuhen des anderen" zu gehen. Sie entwickelte die integrative Validation (IVA), die den Ansatz verfolgt, dass Menschen mit ursächlich hirnorganischer Demenz ab einem gewissen Stadium nicht mehr in der Lage sind, Konflikte und Krisen zu bewältigen. Die integrative Validation zielt deshalb darauf ab, Demenzpatienten zu entlasten und in der Annahme ihres Schicksals zu unterstützen, aber nicht zu heilen.
Die Grundhaltung der Validation: Wertschätzung und Akzeptanz
Wichtiger als die korrekte Anwendung von Validationstechniken ist die Grundeinstellung gegenüber desorientierten Menschen mit einem hohen Maß an Wertschätzung und Akzeptanz. Insbesondere im Umgang mit Menschen, die unter einer fortgeschrittenen Demenz leiden, kann Validation helfen. Typisch für Demenzerkrankungen im späteren Stadium ist ein Rückzug in die Vergangenheit, der nach den Grundsätzen der Validation angenommen werden sollte. Menschen mit Demenz leben manchmal in ihrer eigenen Welt. Beim Validieren wird darüber nicht geurteilt oder korrigiert, sondern eine Realität für gültig erklärt.
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Die drei Haupthaltungen sind sodann:
- Akzeptanz
- Empathie
- Kongruenz
Diese leiten sich aus der humanistischen Psychologie ab. Weiterhin haben diese drei Haupthaltungen eine Verankerung in der klienten - zentrierten Psychotherapie nach Rogers an der sich die Validation außerdem orientiert. Weitere theoretische Hintergründe finden sich in der humanistischen Psychologie, der Identitätstheorie nach Erikson und in Arbeiten von Freund und Jung.
Ziele der Validation: Stärkung des Selbstwertgefühls und der Würde
Ziel der Validation ist die Stärkung des Selbstwertgefühls und der Würde sowie die Unterstützung bei der Bewältigung innerer Konflikte. Dem vielleicht verwirrten oder desorientierten Menschen wird ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermittelt, was Stress und Anspannungen löst. Demente Menschen bekommen das Gefühl, akzeptiert zu werden und dazu zu gehören. Zu den positiven Effekten der Validation gehört des Weiteren eine verbesserte Kommunikation, ein gesteigertes Selbstwertgefühl sowie eine vermehrte geistige sowie soziale Aktivität.
Die Ziele der Validation bei Patienten mit Demenz sind:
- Vermittlung eines Gefühls von Sicherheit
- Reduktion von Anspannung und Stress
- Akzeptanz des Demenzkranken
- Spürbarwerden von Gefühlen wie Zugehörigkeit und Geborgenheit
- Würdigung und Unterstützung der persönlichen Identität
- Verbesserung der Beziehungs- und Kontaktqualität
Validation in der Praxis: Techniken und Beispiele
Validation wird in erster Linie in der Pflege angewendet, wobei sich die jeweiligen Techniken am Zustand bzw. der Phase des Gegenübers orientieren. Aber auch überall dort, wo mit Senioren, Hochbetagten und Pflegebedürftigen umgegangen werden muss, kann der validative Ansatz hilfreich sein.
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Einige Beispiele für Validation in der Praxis:
- Ein an Demenz erkrankter Mann möchte zu seiner Mutter, die bereits verstorben ist: Statt zu sagen "Ihre Mutter ist tot" oder den Mann zu vertrösten, ist es sinnvoller, die Gefühle des Mannes als Realität anzuerkennen und zu akzeptieren. Eine Möglichkeit wäre es, mit dem Mann ein Gespräch über seine Familie zu beginnen.
- Eine ältere Dame möchte im Winter in den Garten und Beeren pflücken gehen: Statt ihr zu sagen, dass es im Winter keine Beeren gibt, lässt sich die Pflegekraft auf die Gedankenwelt der Bewohnerin ein, hilft ihr in den Wintermantel und geht danach mit ihr in den Garten. Dort bemerkt die Frau, dass es zu kalt sei, es sicherlich keine Beeren gibt und es besser wär, wieder in den Wohnbereich nach drinnen zu gehen.
- Ein älterer Herr räumt persönliche Utensilien immer von A nach B und wieder zurück: Eine Art der Verbalisierung kann hier sein: "Ordnung ist das halbe Leben!" oder "Sie haben alles genau im Blick."
Praktische Anwendung der Integrativen Validation (IVA)
In einer Pflegeeinrichtung (regionales Wohn- und Pflegezentrum Schüpfheim) im Kanton Luzern wird seit ca. 2007 in der Kommunikation mit dementen Bewohnern die IVA angewendet. Die Wohngruppe besteht aus einem geschützten Rahmen. Das heißt, dass die Abteilung nach außen geschlossen, aber nach innen (Richtung Garten) geöffnet ist. Die Einrichtung möchte somit den erkrankten Bewohnern das Recht auf freie Bewegung weiter erhalten. Es wird aber erwähnt, dass zur Nacht Sturzmatten vor die Betten der Bewohner gelegt werden, damit im Notfall reagiert werden kann. Aber wenn man zum Beispiel in der Nacht aktiv sein will, sei es kochen, stricken, etc. lässt man die Patienten gewähren. Weiterhin besticht diese Wohngruppe durch ein extra durchdachtes Farb- und Lichtkonzept, welches die Bewohner aktiviert, aber auch vor übermäßigen Reizen schützt. Zum Thema Kommunikation wird der Ansatz von Nicole Richard beschrieben. Jeder Bewohner wird individuell gesehen und anerkannt.
Die Grenzen der Validation
Natürlich kann Validation nicht als Allheilmittel für den Umgang mit allen betroffenen Senioren, Kranken, Pflegebedürftigen und Demenzkranken betrachtet werden. Validation ist vorrangig für alte, verwirrte und desorientierte Menschen geeignet, die zum Beispiel unter der spät einsetzenden Alzheimer-Krankheit oder einer anderen Form der Demenz leiden. Bei Menschen mit anderen psychiatrischen oder neurologischen Krankheiten sowie einer früh einsetzenden Demenz sind Techniken der Validation eher nicht geeignet. Dies gilt auch, wenn Verwirrtheitszustände und Desorientierung durch Drogen, Alkohol oder Medikamente hervorgerufen wurden.
Validation als Haltung im Pflegealltag
Die Validation ist mehr als eine Methode; sie ist eine Haltung. Sie basiert auf Empathie, Akzeptanz und Authentizität. Validation bedeutet, dass Sie die Äußerungen, Handlungen und Sichtweisen des Menschen mit Demenz gelten lassen, für gültig erklären, sie nicht korrigieren oder an unserer Realität überprüfen. Der an Demenz Erkrankte wird von Ihnen in seiner Erlebniswelt ernst genommen, wertgeschätzt und akzeptiert. Dabei sollten Sie die Annahme voraussetzen, dass es unterschiedliche Realitäten gibt.
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