Demenz wird oft als eine Erkrankung des höheren Lebensalters wahrgenommen, doch sie kann auch jüngere Menschen betreffen. Obwohl Demenzerkrankungen im Alter von unter 65 Jahren seltener auftreten, sind in Deutschland etwa 24.000 Menschen in dieser Altersgruppe betroffen. Diese frühe Form der Demenz bringt besondere Herausforderungen für die Betroffenen und ihre Familien mit sich. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Demenz im frühen Lebensalter, von den Ursachen und Symptomen bis hin zu den spezifischen Herausforderungen und Unterstützungsangeboten.
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Syndrom, das durch den Verlust kognitiver Funktionen wie Gedächtnis, Denkvermögen, Orientierung und Sprache gekennzeichnet ist. Es handelt sich nicht um eine eigenständige Krankheit, sondern um einen Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die diese Symptome verursachen. Demenz ist keine normale Alterserscheinung, auch wenn das Risiko mit zunehmendem Alter steigt.
Demenz im jüngeren Lebensalter: Definition und Häufigkeit
Von einer Demenz im jüngeren Lebensalter spricht man, wenn die ersten Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten. Obwohl Demenz hauptsächlich ältere Menschen betrifft, sind schätzungsweise über 100.000 Menschen unter 65 Jahren in Deutschland an Demenz erkrankt (Stand 2022). Dies entspricht etwa 1,4 Prozent der 65- bis 69-jährigen Menschen in Deutschland.
Ursachen von Demenz im frühen Lebensalter
Grundsätzlich können alle Demenzformen auch vor dem 65. Lebensjahr auftreten. Die Ursachen für Demenz sind vielfältig und hängen von der jeweiligen Demenzform ab. Im jüngeren Lebensalter sind jedoch bestimmte Demenzformen häufiger anzutreffen als im höheren Alter.
Alzheimer-Krankheit
Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache für Demenz, insbesondere im höheren Alter. Im jüngeren Alter spielt sie jedoch eine geringere Rolle und ist nur für etwa ein Drittel der Fälle verantwortlich. Bei Alzheimer sterben aus bislang ungeklärten Gründen nach und nach Nervenzellen im Gehirn ab, was zu den typischen Symptomen wie Gedächtnisverlust führt.
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Frontotemporale Demenz (FTD)
Die Frontotemporale Demenz (FTD), auch Morbus Pick genannt, ist eine häufigere Ursache für Demenz im jüngeren Lebensalter. Sie betrifft vor allem den Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns, was zu Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und der Sprache führt. Die FTD tritt oft bei Menschen zwischen 45 und 60 Jahren auf, kann aber auch schon früher oder später beginnen.
Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz entsteht durch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die zu Schädigungen des Hirngewebes führen. Ursachen hierfür können Schlaganfälle oder chronischer Bluthochdruck sein. Die vaskuläre Demenz kann in jedem Alter auftreten, ist aber im jüngeren Lebensalter seltener als die Alzheimer-Krankheit oder die FTD.
Lewy-Körper-Demenz
Die Lewy-Körper-Demenz ist eine weitere neurodegenerative Erkrankung, die durch Ablagerungen von Lewy-Körperchen in den Nervenzellen des Gehirns gekennzeichnet ist. Typische Symptome sind optische Halluzinationen, motorische Störungen und ein rascher Wechsel von Wachheit zu Müdigkeit.
Seltene Demenzursachen
Im jüngeren Lebensalter ist der Anteil an seltenen Demenzursachen höher als bei älteren Menschen. Dazu gehören unter anderem:
- Erbliche Formen von Demenzerkrankungen
- Neurologische Erkrankungen
- Infektionserkrankungen des Gehirns
- Alkoholmissbrauch (Korsakow-Demenz)
Risikofaktoren für Demenz
Obwohl die genauen Ursachen vieler Demenzformen noch nicht vollständig geklärt sind, gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die das Risiko einer Demenzerkrankung erhöhen können. Dazu gehören:
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- Alter
- Genetische Veranlagung
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen)
- Übergewicht
- Rauchen
- Alkoholmissbrauch
- Vitamin-D-Mangel
- Schwerhörigkeit
- Soziale Isolation
- Depressionen
- Kopfverletzungen
Es ist wichtig zu beachten, dass das Vorliegen eines oder mehrerer dieser Risikofaktoren nicht zwangsläufig zu einer Demenzerkrankung führt. Viele dieser Faktoren können jedoch durch einen gesunden Lebensstil beeinflusst werden.
Symptome von Demenz im frühen Lebensalter
Die Symptome von Demenz können je nach Demenzform und betroffenem Hirnbereich variieren. Im Allgemeinen äußert sich Demenz durch eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten, die den Alltag beeinträchtigt.
Häufige Symptome
- Gedächtnisverlust (insbesondere Kurzzeitgedächtnis)
- Schwierigkeiten mit der Sprache (Wortfindungsstörungen, Sprachverständnis)
- Probleme mit dem Denkvermögen (Planen, Problemlösen, logisches Denken)
- Orientierungsprobleme (zeitlich, räumlich, personell)
- Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens (Reizbarkeit, Aggressivität, Antriebslosigkeit, emotionale Verflachung)
- Beeinträchtigung des Urteilsvermögens
- Verlust des Interesses an Hobbys und sozialen Aktivitäten
Untypische Symptome im jüngeren Lebensalter
Bei jüngeren Menschen mit Demenz können die Symptome untypisch sein und sich von denen älterer Menschen unterscheiden. So treten beispielsweise bei der frontalen Variante der Alzheimer-Krankheit zunächst Änderungen im Verhalten und im Umgang mit anderen Menschen auf, während das Gedächtnis nicht beeinträchtigt ist. Bei der sprachbetonten Variante stehen Wortfindungsstörungen und eine Verlangsamung des Sprechens im Vordergrund.
Frühzeitige Diagnose als Chance
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu verzögern, Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Betroffene und Angehörige sollten daher auffällige Wesensveränderungen, Sprachprobleme oder psychische Beeinträchtigungen immer ernst nehmen und ärztlich abklären lassen.
Diagnose von Demenz im frühen Lebensalter
Die Diagnose von Demenz im frühen Lebensalter kann eine Herausforderung sein, da Ärzte bei jüngeren Menschen mit Gedächtnisproblemen oder Konzentrationsschwäche oft zunächst andere Ursachen wie Depressionen oder Burnout vermuten. Betroffene berichten häufig von einer langen Odyssee, bis sie die endgültige Diagnose erhalten. Im Durchschnitt dauert diese Irrfahrt zwei bis drei Jahre.
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Anamnese und körperliche Untersuchung
Die Diagnosestellung beginnt mit einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) mit dem Patienten und seinen Angehörigen, um die Krankheitsgeschichte und die aktuellen Beschwerden zu erfassen. Anschließend erfolgt eine körperliche Untersuchung, um mögliche körperliche Ursachen für die Symptome auszuschließen.
Neuropsychologische Tests
Neuropsychologische Tests dienen dazu, die kognitiven Fähigkeiten des Patienten zu überprüfen und das Ausmaß der Beeinträchtigungen zu bestimmen. Es gibt verschiedene Tests, die unterschiedliche Bereiche wie Gedächtnis, Sprache, Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen erfassen.
Bildgebende Verfahren
Mithilfe von bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) können Veränderungen im Gehirn sichtbar gemacht werden, die auf eine Demenzerkrankung hindeuten.
Liquordiagnostik
Bei der Liquordiagnostik wird Nervenwasser (Liquor) entnommen und auf bestimmte Biomarker untersucht, die auf eine Alzheimer-Krankheit hinweisen können.
Genetische Tests
Bei Verdacht auf eine erbliche Form der Demenz können genetische Tests durchgeführt werden, um bestimmte Genveränderungen nachzuweisen.
Herausforderungen bei Demenz im frühen Lebensalter
Eine Demenzerkrankung im frühen Lebensalter stellt Betroffene und ihre Familien vor besondere Herausforderungen.
Berufstätigkeit und finanzielle Situation
Jüngere Menschen mit Demenz stehen oft noch im Berufsleben und sind auf ihr Einkommen angewiesen. Der vorzeitige Ausstieg aus dem Beruf kann zu erheblichen finanziellen Einbußen führen. Wenn zusätzlich finanzielle Verpflichtungen wie ein Kredit für ein Eigenheim bestehen, kann die Situation für die Familien sehr schwierig werden.
Familie und Kinder
Oft leben noch minderjährige Kinder in den betroffenen Familien. Für sie ist es besonders schwierig zu verstehen und zu akzeptieren, wenn ein Elternteil an einer Demenz erkrankt. Es ist wichtig, offen mit der Krankheit umzugehen und die Fragen der Kinder zu beantworten.
Partnerschaft und soziale Beziehungen
Eine Demenzerkrankung hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Beziehung in Ehe und Partnerschaft. Die gemeinsame Lebensplanung wird umgeworfen und einer der Partner wird vom anderen zunehmend abhängig. Auch soziale Beziehungen können durch die Krankheit beeinträchtigt werden.
Stigmatisierung und mangelnde Akzeptanz
Demenzerkrankungen sind für Jüngere schwerer zu akzeptieren. Sie schämen sich, wollen es nicht wahrhaben und glauben, es müsse eine Heilung geben. Problematisch ist auch, dass die meisten Pflege- und Betreuungsangebote nicht auf die Bedürfnisse von jüngeren Menschen mit Demenz ausgerichtet sind.
Behandlung und Unterstützung
Obwohl die meisten Demenzformen nicht heilbar sind, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf zu verzögern, Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Medikamentöse Therapie
Je nach Demenzform und Stadium können Medikamente eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Bei der Alzheimer-Krankheit werden beispielsweise Cholinesterase-Hemmer und NMDA-Rezeptorblocker eingesetzt.
Nicht-medikamentöse Therapien
Nicht-medikamentöse Therapien spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Demenz. Dazu gehören:
- Kognitives Training: Übungen zur Verbesserung der Gedächtnisleistung und anderer kognitiver Fähigkeiten.
- Ergotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben und Förderung der Selbstständigkeit.
- Physiotherapie: Verbesserung der körperlichen Beweglichkeit und Koordination.
- Musiktherapie: Einsatz von Musik zur Förderung der emotionalen und kognitiven Fähigkeiten.
- Kunsttherapie: Einsatz von kreativen Medien zur Förderung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit.
- Soziale Aktivierung: Teilnahme an sozialen Aktivitäten und Gruppenangeboten zur Förderung der sozialen Interaktion und des Wohlbefindens.
Beratung und Unterstützung für Betroffene und Angehörige
Eine Demenzerkrankung ist eine große Belastung für Betroffene und ihre Familien. Es ist wichtig, sich frühzeitig professionelle Hilfe und Unterstützung zu suchen. Anlaufstellen sind:
- Hausarzt
- Gedächtnissprechstunde
- Memory-Klinik
- Alzheimer-Gesellschaften
- Pflegestützpunkte
- Sozialpsychiatrischer Dienst
Spezialisierte Angebote für jüngere Menschen mit Demenz
Bisher gibt es nur sehr wenige Beratungs- und Unterstützungsangebote, die sich speziell an jüngere Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen richten. Es ist jedoch wichtig, sich über lokale Angebote zu informieren und gegebenenfalls nach spezialisierten Einrichtungen oder Gruppen zu suchen. Projekte wie eine Tagespflegeeinrichtung für jüngere Demenzkranke, die gerade in Hamburg geplant wird, sind sehr zu begrüßen.
Prävention von Demenz
Obwohl nicht alle Demenzformen verhindert werden können, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die das Risiko einer Demenzerkrankung senken können. Dazu gehören:
- Regelmäßige körperliche Aktivität
- Gesunde Ernährung
- Geistige Aktivität
- Soziale Kontakte
- Vermeidung von Übergewicht
- Kontrolle von Blutdruck und Cholesterinspiegel
- Verzicht auf Rauchen
- Maßvoller Alkoholkonsum
- Vermeidung von Kopfverletzungen
- Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen
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