Inkognito: Die geheimen Eigenleben unseres Gehirns – Eine Zusammenfassung

David Eaglemans "Inkognito" entführt den Leser in die verborgenen Tiefen des menschlichen Gehirns. Der Neurowissenschaftler David Eagleman, der am Baylor College of Medicine in Houston forscht und lehrt, präsentiert in seinem Buch "Inkognito - Die geheimen Eigenleben unseres Gehirns" eine faszinierende Reise in die Welt des Unbewussten. Das Buch, ein "New-York-Times"-Bestseller, der auch den Sprung auf die "Spiegel"-Bestsellerliste anvisiert, demontiert die Vorstellung vom Verstand als alleinigen Dirigenten unserer Entscheidungen. Stattdessen enthüllt Eagleman, dass unser Bewusstsein nur einen winzigen Bruchteil dessen ausmacht, was sich tagtäglich in unserem Gehirn abspielt.

Das unbewusste Gehirn: Ein verborgener Akteur

Tag für Tag treffen wir Hunderte von Entscheidungen. Die wenigsten davon treffen wir bewusst und rational - auch wenn wir uns das oft einreden. "Über die meisten unserer Handlungen, Gedanken und Empfindungen haben wir keinerlei bewusste Kontrolle", schreibt David Eagleman in seinem Buch "Inkognito". Das Gehirn surrt dabei rund um die Uhr und sammelt und verarbeitet Daten auf allen Prozessebenen. Es arbeitet dabei im Verborgenen und steuert den Menschen inkognito. Das Bewusstsein ist dabei nur Beobachter am Rande und "nimmt das Geschehen bestenfalls als leises Flüstern wahr".

Eagleman vergleicht unser Bewusstsein mit einem blinden Passagier auf einem Ozeandampfer, der fälschlicherweise glaubt, das Schiff zu steuern, obwohl er nicht einmal den Maschinenraum kennt. Es hält sich für den Kapitän unserer täglichen Vorgänge, bekommt aber tatsächlich nur einen Bruchteil davon mit, geschweige denn hat es darauf einen Einfluss. Längst nicht alle unsere Handlungen werden bewusst von uns gesteuert. Atmen, Lachen, Laufen - diese Dinge tun wir quasi vollautomatisch, ohne dass wir uns darüber im Klaren sind, welche Muskeln da eigentlich in welcher Reihenfolge arbeiten. Das Kommando übernimmt in diesem Fall nämlich unser Unterbewusstsein.

Die Rolle des Bewusstseins

Das Bewusstsein ist laut Eagleman wie eine Zeitung, die dabei hilft, das Wichtige aus der Fülle der täglich auf den Menschen einströmenden Informationen zu filtern. Es steht nicht im Mittelpunkt unseres Gehirns, sondern ist eher ein nachgelagerter Prozess. Kaum etwas von dem, was sich in unserem Gehirn abspielt, können wir bewusst kontrollieren.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und Beispiele aus dem Alltag

Seine Thesen erläutert er mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Experimente und mit eindrucksvollen Beispielen aus dem Alltagsleben; dabei greift er auch auf Ergebnisse seiner eigenen Forschungen zurück. Im Gro­ßen und Ganzen ist es eine lange Liste psychologischer Experimente oder ungewöhnlicher Erkrankungen, die alle zeigen, dass wir unsere Handlungen gar nicht bewusst kontrollieren können. Die Auswahl der Beispiele bietet dem Leser dabei nur wenig Neues oder Unerwartetes. Bei den meisten von ihnen handelt es sich schlicht um klassische Fälle aus dem Lehrbuch. Weil all diese Beispiele so schön sind, muss Eagleman sie offenbar ständig wiederholen. Und so hätte er seine Kernaussagen problemlos auf einem Bruchteil des Papiers unterbringen können.

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Schuld, freier Wille und die Konsequenzen für das Rechtssystem

Nach sechs Kapiteln seichter Unterhaltung zieht der Autor schließlich sein Fazit: Da nahezu alle unsere Handlungen von unserem Unterbewusstsein bestimmt werden, kann es so etwas wie den freien Willen eigentlich nicht geben - oder zumindest gibt es dafür keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte. Irritierend sind besonders die Forderungen, die Eagleman daraus ableitet. Er stellt nicht zuletzt unser ganzes Rechts-system in Frage. Warum ist der demenzkranke Dieb schuldunfähig und der einfache Einbrecher nicht, wenn wir doch eigentlich alle nur Sklaven unserer un­bewussten Handlungen sind? Diesen Gedanken spinnt er noch weiter: Sicherlich lägen bei anderen Straftätern auch neuronale Schädigungen vor, nur seien unsere Messmethoden noch nicht sensibel genug, um sie zu entdecken. Als Rehabilitationsmaßnahme schlägt der Autor präfrontales Training vor, um Verbrechern zu helfen, ihre Impulskontrolle zu stärken. Bleibt nur die Frage, wie das denn gehen soll, wenn wir doch eigentlich keinen freien Willen haben.

Im letzten Kapitel diskutiert er schließlich, wie verantwortlich wir eigentlich für unser Handeln sind, und überlegt, ob wir eine Seele haben, die unabhängig ist von der Biologie unseres Körpers. Möglicherweise rudert Eagleman deshalb im letzten Kapitel wieder ein wenig zurück, indem er die Sichtweise von Reduktionisten verurteilt, die den Menschen auf sein Gehirn reduzieren. Ebendiesen Eindruck, den der Autor selbst zuvor rund 300 Seiten lang vermittelt hat, vermag er damit aber nicht wettzumachen.

Kritik und offene Fragen

Wie unser Denken und Handeln tatsächlich zu Stande kommen, erfährt der Leser bis zum Schluss nicht. Vereinzelt fallen Schlagworte wie Neurone, Nervensystem oder Temporallappen, doch ohne letztendlich in einen größeren Zusammenhang eingeordnet zu werden - da hilft auch die Hirngrafik am Ende des Buchs wenig. Außerdem weiß man nach 300 Seiten immer noch nicht, was das Unterbewusstsein denn nun eigentlich ist.

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