Das Spielen eines Musikinstruments ist mehr als nur ein Hobby. Es ist eine Reise zur persönlichen Bereicherung, die kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten auf einzigartige Weise stärkt. Die Neurowissenschaft der Musik zeigt, wie Melodien und Rhythmen unser Gehirn formen und verändern können.
Was passiert im Gehirn beim Musikhören und -machen?
Bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) ermöglichen es, einen Blick ins Gehirn zu werfen und zu sehen, was beim Musikhören passiert. Hört ein Mensch Musik, werden die Strukturen zuerst im Hirnstamm verarbeitet. Auf dieser Ebene ist die Musik noch nicht ins Bewusstsein gedrungen. Das geschieht erst, wenn die Reize das Hörzentrum, den sogenannten Hörkortex, erreichen.
Beim Musizieren oder Musikhören werden Endorphine ausgeschüttet. Das sind körpereigene Glückshormone, die auch beim Essen und Sport, bei Sex und durch Drogen produziert werden.
Aktivierung verschiedener Hirnareale
Es gibt nicht das eine Musikzentrum im Gehirn. Musik aktiviert die unterschiedlichsten Hirnregionen gleichzeitig, da das Musikmachen ein kompliziertes Zusammenspiel sehr verschiedener Fähigkeiten beansprucht: den Hörsinn, den Sehsinn, den Tastsinn und die Feinmotorik. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Verarbeitung von Musik sogar das Broca-Areal beteiligt ist, eines der beiden Sprachzentren.
Unterschiede in der Hirnaktivität je nach Musikgenre
Welche Musik wir hören, verrät das Muster unserer Hirnaktivität. Ob und wie sich das Muster der Aktivität auch zwischen verschiedenen Musikgenres unterscheidet, hat im August 2013 ein Forscherteam um den Studienleiter Vinoo Alluri von der Universität von Iyväskylä in Finnland untersucht. Für ihre Studie spielten sie Probanden mehrere unterschiedliche Musikstücke vor, darunter Ausschnitte aus einem Vivaldi-Konzert, ein Jazzstück von Miles Davis, Blues, einen argentinischen Tango und ein Stück von den Beatles. Während die Teilnehmer der Musik lauschten, zeichneten die Forscher ihre Hirnaktivität mittels der fMRT auf. Wie erwartet, gab es einige Areale, die von allen Musikarten aktiviert wurden: Bereiche in der Hörrinde, im Emotionen verarbeitenden limbischen System und im motorischen Kortex. Aber es gab auch Unterschiede: Besonders komplexe Musikstücke lösten eine höhere Aktivität im rechten Schläfenlappen aus.
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Unterschiede im Gehirn von Musikern und Nicht-Musikern
Forscher der Universität Jena haben in Zusammenarbeit mit Gottfried Schlaug von der Harvard Medical School in Boston herausgefunden, dass sich die Gehirne von Berufsmusikern auffällig von jenen der Nichtmusiker unterscheiden. Bereiche, die für das Hören, das räumliche Sehen und das Umsetzen von Bewegung zuständig sind, waren bei Musikern deutlich vergrößert. Mithilfe der Schnittbilder des menschlichen Gehirns zeigte sich, dass in Musikerhirnen die Verbindung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte, das sogenannte Corpus callosum, deutlich kräftiger ausgebildet ist.
Die Vorteile des Musizierens für Kinder
Das Erlernen eines Musikinstruments kann einen starken Einfluss auf die Gehirnentwicklung und somit die Entwicklung der kognitiven und sozialen Fähigkeiten von Kindern haben. Es erfordert eine Vielzahl von unterschiedlichen Fähigkeiten, die auch in anderen Bereichen äußerst vorteilhaft sind. Für das Spielen eines Instruments muss beispielsweise ein symbolischer Code schnell entschlüsselt werden, in eine Bewegungsabfolge übersetzt und eine Rückmeldung, die aus den wahrgenommenen Tönen gewonnen wird, genutzt werden. Zudem müssen die Bewegungen beider Hände zu einem bestimmten Rhythmus koordiniert werden. Um eine Melodie zu spielen, muss zusätzlich ein bestimmter Ton über einen längeren Zeitraum im Gedächtnis behalten werden.
Positive Auswirkungen auf die Gehirnstruktur
Bei diesen Ansprüchen, die das Spielen eines Instruments an den Praktizierenden stellt, überrascht es nicht, dass sich das Gehirn von Menschen, die bereits als Kind musiziert haben, stark von dem Gehirn von Menschen, die als Kind nicht musiziert haben, unterscheidet. So konnten Neurowissenschaftler beispielsweise feststellen, dass das Erlernen eines Instruments die strukturellen Eigenschaften von Gehirnregionen, die beispielsweise motorische Fähigkeiten, kognitive Fähigkeiten und rhythmische Fähigkeiten ermöglichen, positiv beeinflusst.
Verbesserte schulische Leistungen
Musizierende Kinder haben aus verschiedenen Gründen Vorteile in der Schule. Sie haben eine bessere Aufmerksamkeitssteuerung, können sich länger konzentrieren, machen weniger Rechtschreibfehler im Diktat und können besser vorlesen. Auch das Erlernen von Fremdsprachen fällt beispielsweise leichter, wenn man ein Instrument beherrscht. Der durch das Instrumentalspiel besser entwickelte verbindende Balken zwischen den beiden Gehirnhälften verleiht Musikern ein besseres Gedächtnis und hilft, strategischer zu planen oder Probleme im sozialen Umfeld effizienter zu lösen. Außerdem wirkt Musizieren im Kindesalter einer eventuellen Neigung zu Lese- und Schreibschwächen entgegen oder unterstützt beim Überwinden ebendieser.
Tipps zur Förderung des Musizierens bei Kindern
Psychologen haben herausgefunden, dass bestimmte Umstände Kindern das Erlernen eines Instruments erleichtern können. Es ist vorteilhaft, Kindern zu vermitteln, dass ihre Fähigkeiten durch Training verbessert werden können und weniger das Resultat von festen, unveränderbaren Charakteristiken sind. Es kann hilfreich sein, dem Kind Kontrolle über seinen oder ihren Lernprozess zu gewähren und dem Kind dennoch ein Gefühl erlebter Unterstützung und Kontrolle zu geben. Dein Kind wird dann das Ziel, ein Instrument zu erlernen mit mehr Elan und Zielstrebigkeit verfolgen, wenn er oder sie beispielsweise das zu erlernende Instrument selber auswählen kann oder Kontrolle über die zu spielenden Lieder hat. Zudem kann der Versuch, das Kind durch äußere Belohnungen oder Bestrafungen zu motivieren, den Lernprozess hindern.
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Die Vorteile des Musizierens für Erwachsene und ältere Menschen
Auch im Erwachsenenalter und im Alter bietet das Musizieren zahlreiche Vorteile für das Gehirn.
Schutz vor kognitiven Beeinträchtigungen
Wer im Laufe seines Lebens ein Instrument gespielt hat, verringert einer Studie zufolge vermutlich sein Risiko für kognitive Beeinträchtigungen im Alter. Menschen, die sich ein Leben lang mit Musik beschäftigen, haben wahrscheinlich im Alter ein leistungsfähigeres Gehirn als andere. Das legt zumindest eine britische Studie nahe, deren Ergebnisse im Fachblatt „Geriatric Psychiatry“ veröffentlicht wurden.
Verbesserte Gedächtnisleistung und andere kognitive Fähigkeiten
Tatsächlich zeigten die Tests, dass das Spielen eines Instruments - und hier insbesondere eines Klaviers oder Keyboards - mit einer Verbesserung des Gedächtnisses und der Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen, verbunden war. Ebenso wirkte sich das Musizieren mit Holz- oder Blechblasinstrumenten positiv aus. Der Nutzen war dabei größer, wenn das Spielen bis ins Alter fortgesetzt wurde. Die Studie ergab darüber hinaus Hinweise darauf, dass auch Singen mit einer verbesserten Hirngesundheit verbunden ist und hier vor allem mit Blick auf sprachliche Fähigkeiten.
Neuroplastizität im Alter
Auch noch im Alter kann man mit der Musik gewissermaßen die Degeneration aufhalten und Neuroplastizität erzeugen. An Eckart Altenmüllers Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin gab es dazu eine Studie: 65-Jährige bekamen ein Jahr lang Unterricht in "Musik erleben und verstehen". Der Verlust der Gehirnsubstanz war bei ihnen geringer als bei gleichaltrigen Menschen ohne passive Musikbeschäftigung.
Die Rolle der Musik bei der Rehabilitation
Die Vorteile des Musizierens für das Gehirn werden auch in der Rehabilitation genutzt. Musiktherapie kann beispielsweise Menschen helfen, die einen Schlaganfall erlitten haben oder an Demenz erkrankt sind.
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Die Wahl des richtigen Instruments
Die Welt der Musikinstrumente ist vielfältig und reichhaltig. Die Wahl des Instruments kann stark von der Persönlichkeit abhängen. Ob Klavier, Gitarre, Handpan oder ein anderes Instrument: Wichtig ist, dass es Freude bereitet und zum eigenen Lebensstil passt.
Persönliche Erfahrungen mit dem Musizieren
Das Erlernen eines Instruments ist nicht nur eine Freizeitaktivität; es fühlt sich an, als würde man an etwas Wichtigem und Wertvollem arbeiten. Jedes Mal, wenn man spielt, hat man das Gefühl, etwas Sinnvolles für sich und sein Wohlbefinden zu tun. Mit jedem kleinen Fortschritt auf einem Instrument wächst auch das Selbstvertrauen. Es gibt ein tiefes Gefühl von Stolz, zu sehen, wie man sich von anfänglichen Unsicherheiten zu einer Person entwickelt hat, die mit Leidenschaft und Geschick Musik macht. Insgesamt hat das Instrument lernen das Leben auf eine Art und Weise bereichert, die man nicht missen möchte.
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