Ischämischer Schlaganfall: MRT-Diagnostik im Fokus

Der Schlaganfall stellt in den westlichen Industrieländern die dritthäufigste Todesursache und die Hauptursache für Invalidität dar. Die zerebrale Ischämie, resultierend aus dem Verschluss einer hirnversorgenden Arterie, ist die häufigste Ursache. In den letzten Jahren haben klinische Studien gezeigt, dass Therapien in der Frühphase der Ischämie die Infarktgröße reduzieren und das klinische Ergebnis verbessern können. Die intravenöse Thrombolysetherapie, innerhalb der ersten drei Stunden nach Infarktbeginn durchgeführt (3-Stunden-Fenster), ist in Deutschland zugelassen. Auch für die intraarterielle Thrombolyse im 6-Stunden-Fenster wurde ein positiver Effekt nachgewiesen. Metaanalysen deuten darauf hin, dass auch im 3- bis 6-Stunden-Fenster die intravenöse Thrombolyse mit rt-PA (rekombinanter Gewebsplasminogenaktivator) Mortalität oder Behinderungen reduziert, wenn auch weniger stark als im 3-Stunden-Fenster.

Die meisten Therapieansätze bei akuter zerebraler Ischämie basieren auf der Existenz einer Penumbra, einem Konzept, das auf tierexperimentellen Daten beruht und verschiedene Ischämiezonen beschreibt. Im Infarktkern ist die Durchblutung so stark reduziert (zerebraler Blutfluss [CBF] < 12 mL/100 mg Hirngewebe/min), dass Neuronen irreversibel geschädigt sind. Um diesen Kern herum befindet sich ein Areal, die Penumbra, in dem der Funktionsstoffwechsel der Zellen gestört ist, die Restdurchblutung (CBF = 12 bis 20 mL/100 mg Hirngewebe/min) jedoch ausreicht, um den Strukturstoffwechsel aufrechtzuerhalten und das Absterben der Zellen zu verhindern. Die Restdurchblutung im ischämischen Territorium wird hauptsächlich durch Kollateralkreisläufe gewährleistet. Rekanalisierende Therapien zielen darauf ab, den Blutfluss in der Penumbra zu verbessern, um ein sekundäres Versagen der Kollateralen und eine Infarktausdehnung zu verhindern.

In der prätherapeutischen Phase ist die bildgebende Diagnostik entscheidend für die Indikationsstellung zur Rekanalisationstherapie. Die ideale bildgebende Methode sollte rund um die Uhr verfügbar sein, geringe Untersuchungszeit beanspruchen, eine dem Schweregrad der Erkrankung angemessene Überwachung ermöglichen und zuverlässig Informationen liefern über:

  • Nachweis oder Ausschluss einer zerebralen Ischämie bzw. einer intrakraniellen Blutung,
  • Nachweis (inklusive Lokalisation) oder Ausschluss eines der klinischen Symptomatik entsprechenden Gefäßverschlusses,
  • Größe des irreversibel geschädigten Infarktareals (Infarktkern),
  • Größe eines darüber hinausgehenden Perfusionsdefizits als bildmorphologisches Korrelat der ischämischen Penumbra (Risikogewebe).

CT-Diagnostik: Ein erster Schritt

Die nichtkontrastmittelverstärkte Computertomographie (Nativ-CT) hat seit vielen Jahren ihren festen Platz bei der frühen Diagnostik von Schlaganfallpatienten. Mit der Nativ-CT können primäre intrakranielle Blutungen oder Tumoren relativ zuverlässig ausgeschlossen werden. Mit CT-Geräten neuerer Bauart kann der erfahrene Diagnostiker Frühveränderungen am ischämischen Hirngewebe oder sogar den Thrombus selbst in den ersten sechs Stunden nach Infarktbeginn in circa zwei Dritteln der Fälle identifizieren. Da die meisten Ischämiefrühzeichen aber direkt von der Zunahme des Wassergehalts im ischämischen Hirngewebe abhängen, können sie erst nach frühestens zwei Stunden beobachtet werden.

Die Spiral-CT erlaubt bei gleichzeitiger Applikation eines intravenösen Kontrastmittelbolus die Berechnung von CT-Angiogrammen. Mit diesen Bildern können Gefäßverschlüsse auf der Ebene des Circulus Willisii relativ verlässlich dargestellt werden. Werden zur Interpretation nicht nur die 3-D-Rekonstruktionen der kontrastierten Gefäße, sondern auch die Einzelschichtbilder herangezogen, kann man mit dieser Technik auch qualitative Informationen zum Ausmaß der Perfusionsminderung und zur Qualität der Kollateralkreisläufe gewinnen.

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Bei der Perfusions-CT werden Spiraltechnik und Kontrastmittelbolusgabe benutzt, um Perfusionsbilder vom Hirngewebe zu erstellen. Minderperfundierte Areale können damit verlässlich erfasst werden, und die Methodik erlaubt auch eine relativ genaue Berechnung des aktuellen CBF. Aufgrund der Begrenzung des Verfahrens auf ein Schichtpaket von maximal 2 cm Breite pro Kontrastmittelapplikation, ist eine Perfusionsuntersuchung des gesamten Gehirnes noch nicht möglich.

Durch Kombination verschiedener CT-Techniken sind somit der Blutungsausschluss und die Erfassung des Gefäßstatus mit begrenzten Schlussfolgerungen über den aktuellen Perfusionstatus möglich. Erst jenseits des 2-Stunden-Fensters können jedoch positive Aussagen über das Vorliegen einer Ischämie und das Ischämieareal gemacht werden.

Schlaganfall-MRT: Detaillierte Einblicke in die Ischämie

Frühe Veränderungen des Wassergehalts im infarzierten Hirngewebe sind mit konventionellen MR-Techniken nicht besser nachzuweisen als mit der CT, teilweise sogar schlechter. Seit Mitte der 90er-Jahre stehen ultraschnelle MR-Geräte mit so genannter Echoplanar-Technik zur klinischen Verfügung (EPI), sodass zwei in der Ischämiediagnostik sehr wichtige funktionelle Verfahren in die klinische Routine eingeführt werden konnten: die diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) und die perfusionsgewichtete Bildgebung (PWI).

Diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI)

Die DWI ist ein Verfahren, mit dem Informationen zur Braunschen Molekularbewegung der extrazellulären Protonen gewonnen werden. Bei der akuten arteriellen zerebralen Ischämie kommt es rasch zum Versagen der Na+-/K+-Pumpe und nachfolgend zum Wassereinstrom in die ischämiegeschädigten Zellen; es entwickelt sich ein zytotoxisches Ödem. Das Volumen der Zellen nimmt auf Kosten des Extrazellulärraums zu, mit konsekutiver Einschränkung der Beweglichkeit der extrazellulären Protonen. Mit der DWI kann diese Veränderung sichtbar gemacht werden: Das zytotoxisch geschädigte Hirngewebe zeigt bereits wenige Minuten nach dem Gefäßverschluss eine deutliche Signalsteigerung in der DWI. In einem vereinfachten interpretativen Ansatz wird in der klinischen Routine angenommen, dass die stark diffusionsgestörten Anteile den Arealen mit einer irreversiblen ischämischen Schädigung entsprechen (Infarktkern). Bei dieser Annahme muss allerdings berücksichtigt werden, dass im Tierexperiment und vereinzelt auch bei der klinischen Anwendung reversible diffusionsgestörte Areale nachgewiesen wurden. Reversibilität von Arealen klinisch relevanter Größe wurden aber nur in der sehr frühen Ischämiephase (weniger als zwei Stunden) beobachtet.

Vergleichende Untersuchungen zwischen DWI und CT bezüglich der Erkennbarkeit frischer ischämischer Läsionen ergaben eine klare Überlegenheit der DWI. Vor allem sehr kleine mikroangiopathische Infarkte in der hinteren Schädelgrube können in Abhängigkeit von der Qualität der Untersuchung aber in einem geringen Prozentsatz falschnegative Befunde (weniger als sechs Prozent) liefern.

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Perfusionsgewichtete Bildgebung (PWI)

Bei der PWI wird wie bei der Perfusions-CT ein Kontrastmittelbolus in eine Kubitalvene injiziert. Anders als bei der CT kann bei der PWI die Passage des Kontrastmittels durch das Gehirn aber nicht nur in einer oder wenigen Schichten sondern im gesamten Neurokranium erfasst werden. Das Kontrastmittel verursacht in speziell empfindlichen Aufnahmen (so genannten Suszeptibilitäts-gewichteten Sequenzen) einen Signalabfall. Dieser Signalabfall kann für jeden Bildpunkt kontinuierlich erfasst und in eine relative KM-Konzentrations-Zeitkurve umgerechnet werden. Anhand dieser Kurven sind die Berechnungen von relativen Blutflussparametern möglich: zerebraler Blutfluss (rCBF), zerebrales Blutvolumen (rCBV) oder mittlere Passagezeit durch das Gewebe (rMTT). Aus den Kurvenberechnungen für jeden Bildpunkt können dann Parameterbilder (so genannte maps) des Gehirns berechnet werden. Für die visuelle Unterscheidung von normal- und minderdurchbluteten Gewebsarealen haben sich in der klinischen Routine vor allem die rMTT-maps bewährt.

Elemente und Befunde der Schlaganfall-MRT

Das Protokoll der Schlaganfall-MRT setzt sich aus vier verschiedenen Elementen zusammen, die alle entscheidende Informationen zur akuten Durchblutungssituation des Gehirns liefern:

  • Magnetresonanzangiographie zum Nachweis von Gefäßverschlüssen im Circulus Willisii einschließlich der proximalen Abschnitte der großen Arterien,
  • Schnelle T2-gewichtete Standardaufnahmen zum Ausschluss nichtischämischer Pathologien (zum Beispiel Tumor),
  • Diffusionsgewichtete Sequenz (DWI) zum Nachweis des Infarktkerns,
  • Perfusionsgewichtete Sequenz (PWI) zum Nachweis des minderperfundierten Hirnareals. Da die Einzelschichtbilder dieser perfusionsgewichteten Sequenz T2*-gewichtete Aufnahmen und daher sehr sensitiv gegenüber Suszebtibilitätsartefakten sind, können diese Aufnahmen auch zum Ausschluss akuter intrazerebraler Blutungen herangezogen werden.

Die Differenz oder Ratio (Mismatch) zwischen diffusionsgestörtem und perfusionsgestörtem Areal entspricht dem bildmorphologischen Korrelat der ischämischen Penumbra (Risikogewebe). Entspricht die PWI höchstens der DWI (match) wird angenommen, dass die Infarzierung bereits komplett ist und kein Risiko weiterer Infarktausdehnung besteht.

Schlaganfallpatienten mit nachgewiesenem Mismatch können prinzipiell zwei verschiedene Schicksale erleiden: Bleibt der ursächliche Gefäßverschluss bestehen, wird der Infarkt größer. Rekanalisiert die Arterie jedoch rechtzeitig und verbessert sich dadurch die Perfusion im Gebiet um den Infarktkern, kann eine entscheidende Vergrößerung des Infarkts verhindert werden.

Das Protokoll der Schlaganfall-MRT einschließlich der notwendigen Datennachverarbeitung ist bei neuen, EPI-fähigen MRT-Geräten als festes Softwarepaket installierbar. Für die gesamte Untersuchungszeit einschließlich Lagerung des Patienten, Eingabe der Untersuchungsparameter am Gerät, Datenakquisition und Datennachverarbeitung benötigt ein erfahrenes Untersucherteam nicht mehr als 15 bis 20 Minuten. Mit einem hoch motivierten und von der Notwendigkeit der Untersuchung überzeugten Team können so mehr als 95 Prozent aller Schlaganfallpatienten untersucht werden.

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Nachweis intrakranieller Blutungen im Schlaganfall-MRT

Die MRT ist der CT bei der Diagnose subakuter bis chronischer intrazerebraler Blutungen (ICB) und subarachnoidaler Blutungen (SAB) überlegen, besonders dann, wenn es um die Klärung einer der Blutung zugrunde liegenden Pathologie geht. Petechiale Blutungen, kleine Kontusionsherde und/ oder Residuen einer abgelaufenen ICB können im subakuten Stadium teilweise nur mit der MRT nachgewiesen werden.

Innerhalb der ersten sechs bis zwölf Stunden ist zur Differenzierung zwischen akuter zerebraler Ischämie und ICB oder SAB die CT der diagnostische Standard und die Modalität der Wahl. Die Unbehaglichkeit unter Klinikern und Radiologen den Blutungsausschluss primär mit der MRT durchzuführen ist mindestens teilweise durch die Komplexität der MRT-Charakteristika von ICB und SAB zu erklären. Das Erscheinungsbild einer ICB im MRT hängt von der verwendeten MR-Sequenz, der Feldstärke des MR-Tomographen, von den verschiedenen Oxydationsstadien beim Abbau des Hämoglobins, der Proteinkonzentration im Hämatom und anderen Faktoren ab. Mittlerweile gibt es mehrere experimentelle und klinische Studien, die gezeigt haben, dass mit der Wahl geeigneter MR-Sequenzen an Geräten ausreichender Feldstärke (= 1 Tesla) auch kleine Blutungen genauso zuverlässig wie mit dem CT nachgewiesen werden können. Die vorliegenden Daten zeigen, dass Deoxyhämoglobin in ausreichender Konzentration schon innerhalb der ersten Minuten im Hämatom vorliegt und so mit T2*-gewichteten Aufnahmen nachgewiesen werden kann. Zurzeit werden zwei multizentrische prospektive Studien durchgeführt, um zu beantworten, ob zukünftig mit dem Schlaganfall-MRT intrazerebrale Blutungen sicher ausgeschlossen werden können.

Künstliche Intelligenz (KI) beschleunigt die MRT-Diagnostik

Forschende der Universitätsmedizin Mainz haben eine KI-gestützte MRT-Methode untersucht, um akute ischämische Schlaganfälle effizienter zu detektieren. Dabei wurde ein Deep Learning-Algorithmus für die Bildrekonstruktion eingesetzt. Im Vergleich zur konventionellen MRT konnten die MRT-Bilder viermal schneller rekonstruiert werden. Zudem erzielte die KI-gestützte MRT eine höhere Bildqualität, so dass auch leichte Schlaganfälle zuverlässiger erkannt werden konnten.

In einer prospektiven Studie wurden 211 Patienten mit Verdacht auf einen akuten ischämischen Schlaganfall mit der konventionellen MRT sowie der neuen KI-beschleunigten MRT untersucht. Insgesamt benötigte die konventionelle MRT eine Untersuchungszeit von rund 14 Minuten. Diese konnte durch den Einsatz von Deep Learning um das Vierfache, auf etwa drei Minuten reduziert werden. Die Deep Learning-gestützte MRT lieferte verglichen mit der konventionellen Methode insgesamt eine bessere Bildqualität. Beide Methoden zeigten eine gute bis ausgezeichnete Zuverlässigkeit, um einen akuten ischämischen Infarkt zu diagnostizieren. Wobei eine exzellente diagnostische Sicherheit in 96 Prozent der Fälle durch die neuartige Methode erzielt werden konnte (konventionellen Methode 92 Prozent).

Die Forschenden schlussfolgern, dass der unterstützende Einsatz innovativer KI beim MRT das Potential hat, die Notfalldiagnostik, insbesondere bei leicht betroffenen Patienten mit Schlaganfall-Verdacht, zu revolutionieren. Es wird nicht nur der Diagnoseprozess beschleunigt, sondern verglichen mit der CT gleichzeitig auch eine Strahlenexposition vermieden. Im nächsten Schritt soll die KI-gestützte MRT sukzessive in die klinische Routine implementiert werden.

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