Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz und betrifft Millionen von Menschen weltweit. Die Krankheit stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Viele Menschen fragen sich, ob Alzheimer vererbbar ist, besonders wenn es in der Familie bereits Fälle gibt. Dieser Artikel beleuchtet die genetischen Ursachen und Risikofaktoren der Alzheimer-Krankheit und gibt Einblicke in die aktuelle Forschung.
Was ist Alzheimer?
Alzheimer ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch den Abbau von Gehirnzellen gekennzeichnet ist. Dies führt zu Gedächtnisverlust, Verwirrung und anderen kognitiven Beeinträchtigungen. Im Gehirn von Alzheimer-Patienten lagern sich bestimmte Proteine ab, darunter Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen, die die Nervenzellen schädigen.
Genetische Grundlagen der Alzheimer-Krankheit
Die Alzheimer-Krankheit lässt sich genetisch in zwei Hauptformen unterteilen:
- Familiäre (monogene) Alzheimer-Krankheit: Diese Form wird durch eine einzelne Genveränderung (Mutation) ausgelöst und ist für etwa 1 % aller Alzheimer-Fälle verantwortlich.
- Sporadische (polygenetische) Alzheimer-Krankheit: Bei dieser Form spielen mehrere genetische Risikofaktoren (Polymorphismen) eine Rolle. Das Alter ist hier der größte Risikofaktor.
Familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD)
Die familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD) ist selten und betrifft weniger als 3 % aller Alzheimer-Fälle. Sie tritt meist in jüngerem Alter auf, oft zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Die FAD wird autosomal-dominant vererbt, was bedeutet, dass eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass Kinder von betroffenen Eltern das mutierte Gen erben und somit erkranken.
Bisher sind drei Gene bekannt, deren Mutationen die FAD verursachen können:
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- APP (Amyloid-Precursor-Protein): Mutationen in diesem Gen auf Chromosom 21 können zu einer erhöhten Produktion von Beta-Amyloid führen, einem Proteinfragment, das sich im Gehirn ablagert und Plaques bildet. Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) haben aufgrund einer zusätzlichen Kopie des APP-Gens ein besonders hohes Risiko, an Alzheimer zu erkranken.
- PSEN1 (Presenilin 1): Mutationen in diesem Gen auf Chromosom 14 sind die häufigste Ursache für FAD.
- PSEN2 (Presenilin 2): Mutationen in diesem Gen auf Chromosom 1 sind seltener, können aber ebenfalls zu FAD führen. In der deutschen Bevölkerung wurde eine spezifische Mutation im PSEN2-Gen (c.422A>T) identifiziert, die auf eine Gründerwirkung zurückzuführen ist.
Es gibt auch Familien mit autosomal-dominanter EOFAD (Early-Onset FAD) ohne Mutationen in den bekannten Genen, was darauf hindeutet, dass es weitere, bisher unentdeckte ursächliche Gene für monogen vererbte Formen der Alzheimer-Demenz gibt.
Sporadische Alzheimer-Krankheit
Die sporadische Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form und tritt meist nach dem 65. Lebensjahr auf. Obwohl das Alter der größte Risikofaktor ist, spielen auch genetische Faktoren eine Rolle.
- APOE (Apolipoprotein E): Das APOE-Gen hat verschiedene Varianten (Allele), darunter APOE2, APOE3 und APOE4. APOE4 ist ein bekannter Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit, während APOE2 möglicherweise eine schützende Wirkung hat. Das APOE-Gen ist quasi der Bauplan für ein Eiweiß, das im menschlichen Körper bestimmte Fettmoleküle, sogenannte Lipoproteine, transportiert. Die "Epsilon-4-Variante" kommt weitaus häufiger bei Alzheimer-Erkrankten vor als in der Normalbevölkerung. Eine neue Studie aus Spanien hat gezeigt, dass das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, besonders hoch ist, wenn jemand die APOE4-Variante von beiden Elternteilen erbt. In diesem Fall könnte APOE4 nicht nur als Risikofaktor, sondern als ursächliches Gen für Alzheimer betrachtet werden.
- Weitere Risikogene: Neben APOE4 gibt es zahlreiche weitere Genveränderungen, die das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, erhöhen können. Derzeit sind etwa 80 solcher genetischen Veränderungen bekannt, und die Forschung in diesem Bereich ist intensiv.
Die Rolle von APOE4 im Detail
APOE4 beeinflusst, wie das Gehirn mit Amyloid umgeht, einem Protein, das sich bei Alzheimer-Patienten im Gehirn ablagert. APOE4 kann dazu beitragen, dass zu viel Amyloid gebildet oder zu wenig abtransportiert wird. Menschen, die von beiden Elternteilen APOE4 erben, haben ein besonders hohes Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Einige Forscher schlagen vor, diese Konstellation als eine weitere erbliche Form der Alzheimer-Demenz zu betrachten.
Eine Studie in "Nature Medicine" analysierte die Daten von über 10.000 Menschen und fand heraus, dass Personen mit zwei Kopien von APOE4 bereits ab dem 55. Lebensjahr Alzheimer-Biomarker aufweisen. Ab dem 65. Lebensjahr zeigten fast alle abnorme Amyloidwerte, und bei 75 % wurden Proteinablagerungen im Gehirn nachgewiesen.
Gentests und genetische Beratung
Gentests können die genetische Veranlagung für Alzheimer nachweisen. Eine genetische Beratung ist jedoch vor einer Testung zwingend erforderlich. Die Beratung hilft, die persönlichen und ethischen Implikationen eines solchen Tests zu verstehen. Fragen, die vor einem Gentest geklärt werden sollten:
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- Möchte ich das Risiko wissen, in Zukunft an Alzheimer zu erkranken?
- Wie beeinflusst dieses Wissen meine Lebensplanung und Versicherungsabschlüsse?
Aktuelle Leitlinien empfehlen Gentests in der Regel nicht, da es derzeit keine Möglichkeit gibt, die Krankheit zu verhindern oder zu heilen. Das Wissen um eine genetische Veranlagung kann jedoch für die Teilnahme an Therapiestudien oder für die persönliche Vorsorgeplanung (z.B. Patientenverfügung) relevant sein.
Was kann man tun, um das Demenzrisiko zu mindern?
Auch wenn die Genetik eine Rolle spielt, gibt es viele Lebensstilfaktoren, die das Demenzrisiko beeinflussen können:
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann das Risiko für Demenz verringern, selbst bei erblicher Veranlagung.
- Ernährung: Eine gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Omega-3-Fettsäuren kann das Gehirn schützen.
- Schlaf: Ausreichend Schlaf ist wichtig für die Gesundheit des Gehirns.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Nichtrauchen, mäßiger Alkoholkonsum, Gewichtskontrolle und die Reduzierung von Bluthochdruck können das Demenzrisiko senken.
Aktuelle Forschung und Therapieansätze
Die Alzheimer-Forschung ist ein sehr aktives Feld. Es gibt viele vielversprechende Therapieansätze, die darauf abzielen, die Krankheit zu verzögern oder aufzuhalten. Einige Beispiele:
- Antikörper-Therapien: Diese Medikamente zielen darauf ab, Amyloid-Plaques im Gehirn zu entfernen. Ein Beispiel ist Leqembi (Lecanemab), das in Deutschland zur Behandlung von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und im Frühstadium der Alzheimer-Demenz zugelassen ist.
- Impfstoffe: Forscher arbeiten an Impfstoffen, die das Immunsystem aktivieren sollen, um gegen Amyloid-Ablagerungen vorzugehen. Ein vielversprechender Kandidat ist Protollin, ein Nasenimpfstoff, der derzeit in klinischen Studien getestet wird.
- Früherkennung: Die Entwicklung von Bluttests, die Alzheimer frühzeitig erkennen können, ist ein wichtiger Fortschritt. Ein Beispiel ist der Precivity AD-Bloodtest, der in den USA bereits zugelassen ist.
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Da Alzheimer nicht heilbar ist und im Verlauf der Krankheit zu einem erhöhten Unterstützungs- und Pflegebedarf führt, ist es wichtig, frühzeitig Vorsorge zu treffen. Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass die medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden. Eine Vorsorgevollmacht ermöglicht es, eine Person des Vertrauens zu bestimmen, die im Fall der Entscheidungsunfähigkeit handeln kann.
Fazit
Die Alzheimer-Krankheit ist komplex und wird von genetischen und Umweltfaktoren beeinflusst. Während die familiäre Form der Alzheimer-Krankheit selten ist, spielen genetische Risikofaktoren wie APOE4 eine wichtige Rolle bei der häufigeren sporadischen Form. Durch einen gesunden Lebensstil und die Vermeidung von Risikofaktoren kann jeder sein Demenzrisiko beeinflussen. Die Alzheimer-Forschung ist weiterhin aktiv, und es gibt Hoffnung auf neue Therapien, die die Krankheit in Zukunft aufhalten oder sogar verhindern können.
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