Ist Epilepsie chronisch? Ein umfassender Überblick

Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems und betrifft Menschen jeden Alters. In der breiten Öffentlichkeit wird Epilepsie oft mit dramatischen Anfällen, wilden Zuckungen und Schaumbildung in Verbindung gebracht. Diese Darstellung ist jedoch nur eine von vielen möglichen Erscheinungsformen der Krankheit.

Epilepsie: Eine historische Perspektive

Bereits in der griechischen Antike wurde Epilepsie als "heilige Krankheit" angesehen. Menschen, die unter häufigen Krampfanfällen litten, wurden damals als von göttlicher Macht besessen betrachtet. Diese historische Perspektive zeigt, wie lange die Menschheit bereits mit dieser komplexen Erkrankung konfrontiert ist.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns, die durch spontan auftretende epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Jeder Mensch kann einen epileptischen Anfall erleiden - im Laufe des Lebens beträgt die Wahrscheinlichkeit etwa 5 %. Bei Epilepsie neigt das Gehirn dazu, spontan epileptische Anfälle auszulösen. Während solcher Anfälle ist die Großhirnrinde ganz oder teilweise übererregt, wodurch für kurze Zeit (10 Sekunden bis 2 Minuten) die Kontrolle über Bewusstsein, Bewegungen, Empfindungen oder andere Körperfunktionen beeinträchtigt sein kann.

Ein epileptischer Anfall entsteht, indem Nervenzellgruppen im Gehirn plötzlich, gleichzeitig und hochsynchron Signale senden und somit anderen Nervenzellen ihren Rhythmus aufzwingen. Es handelt sich hierbei um eine Reaktion des zentralen Nervensystems auf einen internen oder externen Reiz.

Vielfalt der Anfallserscheinungen und Ursachen

Epilepsien können bei Menschen in jedem Alter auftreten. Dabei können das Spektrum der Anfallserscheinungen sowie die Ursachen sehr unterschiedlich sein. Eine häufige Form sind die sogenannten fokalen Anfälle. Sie entstehen nur in begrenzten Teilen des Gehirns und äußern sich beispielsweise durch das Zucken einzelner Gliedmaßen. Nach wie vor sind jedoch die generalisierten Anfälle in Form des sogenannten Grand Mal Anfalls in der Bevölkerung besonders bekannt. Diese gehen mit Verkrampfungen des gesamten Körpers und vollständigem Bewusstseinsverlust einher.

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Ursachen von Epilepsie können Infektionen, Stoffwechselerkrankungen und genetische Veranlagungen sein. Auch Hirntumore und Schlaganfälle können zu den typischen Symptomen führen. Trotz verbesserter Diagnosemöglichkeiten bleibt die genaue Ursache von Epilepsie oft unklar.

Diagnose von Epilepsie

Um eine Epilepsie-Erkrankung feststellen zu können, müssen umfassende neurophysiologische Untersuchungen vorgenommen werden. Erst dann können Verdachtsdiagnosen gestellt und eine Epilepsie bestätigt werden. Die Epilepsiediagnostik ist ein Prozess, bei dem verschiedene Untersuchungen durchgeführt und deren Ergebnisse aufeinander bezogen werden müssen.

Grundlagen der Diagnostik einer Epilepsie sind das umfassende Gespräch über die Symptome und die Vorgeschichte sowie die Ableitung von elektrischer Hirnaktivität (Elektroenzephalografie, EEG). Ferner sind die sogenannten bildgebenden Verfahren wichtig, um Auskunft über die Gestalt und die Funktion des Gehirns zu erhalten.

Wann spricht man von Epilepsie?

Ein epileptischer Anfall ist ein einmaliges, plötzliches Ereignis, das meist nach wenigen Sekunden oder Minuten abklingt. Erst wenn mindestens zwei solcher Anfälle ohne erkennbare Ursache innerhalb von 24 Stunden auftreten, wird von Epilepsie gesprochen. Es treten mindestens zwei epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auf. Meist kommen diese Anfälle "aus dem Nichts" (unprovozierte Anfälle).

Arten von epileptischen Anfällen

Von der internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) werden die verschiedenen epileptischen Anfälle genau beschrieben. Unterschieden wird zwischen fokalen und generalisierten Anfällen. Bei fokalen Anfällen findet das Anfallsgeschehen in einer umschriebenen Region der Hirnrinde statt. Bei generalisierten Anfällen wird hingegen von Anfang an das ganze Gehirn von Entladungen der Nervenzellen erfasst. Je nachdem, in welchem Bereich des Gehirns der fokale Anfall stattfindet, äußern sich auch die Symptome. Breiten sich die Entladungen von Nervenzellen anschließend über das gesamte Gehirn aus, spricht man von einer Generalisierung des Anfalls.

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Behandlung von Epilepsie

Die Wahl der Behandlung hängt von der Art der Epilepsie, der Schwere der Anfälle und individuellen Faktoren ab. In der Regel werden zwei Hauptansätze verfolgt: medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapie.

Medikamentöse Therapie

Antiepileptische Medikamente sind oft die erste Wahl zur Kontrolle von epileptischen Anfällen. Diese Medikamente helfen, die elektrische Aktivität im Gehirn zu stabilisieren und das Auftreten von Anfällen zu reduzieren. Die derzeit eingesetzten Antiepileptika können die Erkrankung Epilepsie nicht heilen - sie sollen aber verhindern, dass im Rahmen der Erkrankung weitere epileptische Anfälle auftreten.

Nicht-medikamentöse Therapie

In Fällen, in denen medikamentöse Therapien nicht ausreichend wirksam sind oder nicht vertragen werden, können nicht-medikamentöse Ansätze in Betracht gezogen werden. Zu diesen Ansätzen gehören:

  • Epilepsiechirurgie: Hierbei werden epileptische Areale im Gehirn operativ entfernt.
  • Neurostimulation: Hierbei werden bestimmte Hirnstrukturen oder Nerven (z.B. der Vagusnerv) elektrisch stimuliert, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
  • Ketogene Diät: Diese spezielle Diät kann bei manchen Epilepsieformen helfen, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.

Unabhängig von der gewählten Behandlung ist eine kontinuierliche ärztliche Betreuung und Anpassung der Therapie erforderlich, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

Leben mit Epilepsie

Ein Leben mit Epilepsie bringt verschiedene Herausforderungen mit sich. Sie sind jedoch nicht alleine! Sich mit anderen Betroffenen auszutauschen hilft, neue Lösungen und Perspektiven zu finden. Neben den rein medizinischen Aspekten kann eine Epilepsie Auswirkungen auf viele andere Lebensbereiche haben, beispielsweise auf die Kraftfahrzeug-Fahrtüchtigkeit, das Berufsleben oder die Familienplanung.

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Europäischer Tag der Epilepsie

Der am 8. Februar stattfindende Europäische Tag der Epilepsie soll Betroffenen die Möglichkeit zum Austausch geben und die Gesellschaft sensibilisieren. Denn aufgrund des hilflosen Zustandes der Betroffenen während eines Anfalles können Kenntnisse über mögliche Maßnahmen zur ersten Hilfe sehr nützlich sein.

Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Das richtige Verhalten zu erlernen, ist nicht kompliziert und bereits wenige Handgriffe können vor weiteren Verletzungen schützen. In einigen Fällen empfinden Betroffene ein Anfallsvorgefühl und sind daher in der Lage, ihre Umgebung auf einen folgenden Anfall hinzuweisen. Sollte der Anfall plötzlich und ohne Vorwarnung auftreten, besteht die Aufgabe der Ersthelfenden darin, das Umfeld zu sichern und somit vor Verletzungen zu schützen. Betroffene sollten nicht festgehalten, sondern nach Möglichkeit nach Aufhören des Zuckens und weiterhin bestehender Bewusstlosigkeit in die stabile Seitenlage gebracht werden.

Epilepsie und Chronizität

Epilepsien sind chronische Erkrankungen, bei denen das Gehirn dazu neigt, spontan epileptische Anfälle auszulösen. Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems. Bei einer Epilepsie liegt eine langfristige Veränderung des Gehirns vor. Sie äußert sich durch wiederholt auftretende epileptische Anfälle, die nur mit geeigneten therapeutischen Maßnahmen wirksam behandelt werden können.

Auswirkungen auf den Alltag

Die Auswirkungen der Erkrankung auf den Alltag können je nach Anfallsform stark variieren. Einige der Betroffenen empfinden ihren Alltag als nahezu unverändert, andere erleben eine starke Einschränkung ihrer Berufswahl oder sind aufgrund des erhöhten Risikos eines auftretenden Anfalls in ihrer Mobilität mit dem PKW eingeschränkt. Anfälle mit Bewusstseinsstörung führen laut Gesetzgebung dazu, dass der Betroffene vorübergehend kein Kraftfahrzeug steuern darf. Dieser und andere Faktoren können wiederum die berufliche Einsatzfähigkeit einschränken.

Genetik und Vererbung

Das Risiko der Nachkommen aller Patienten mit Epilepsie, ebenfalls an einer Epilepsie zu erkranken, liegt bei 3 - 5 % und ist damit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (1 - 2 %) etwa doppelt so hoch. Die einzelnen Epilepsieformen unterscheiden sich jedoch z. T. erheblich in ihrem Vererbungsrisiko.

Alkohol und Epilepsie

Häufig wird Patienten nach einem ersten epileptischen Anfall dringend empfohlen, keinen Alkohol mehr zu konsumieren. Studien deuten jedoch darauf hin, dass der maßvolle Konsum von Alkohol keinen Einfluss auf das Auftreten von Anfällen bei Patienten mit einer Epilepsie hat. Insgesamt aber ist der maßvolle Konsum von Alkohol bei Patienten mit einer Epilepsie also eher unbedenklich. Der - auch gelegentliche - Konsum größerer Mengen Alkohol, der oft mit einem Schlafdefizit verbunden ist, kann jedoch das Anfallsrisiko deutlich erhöhen.

Antiepileptika und ihre Nebenwirkungen

Die Einnahme von Antiepileptika stellt nach wie vor die wichtigste Therapie bei Patienten mit einer Epilepsie dar. Diese neuen Antiepileptika sind zwar oft besser verträglich als die älteren, das "ideale" Antiepileptikum gibt es jedoch nicht. Die derzeit eingesetzten Antiepileptika können die Erkrankung Epilepsie nicht heilen - sie sollen aber verhindern, dass im Rahmen der Erkrankung weitere epileptische Anfälle auftreten.

Epilepsiechirurgie als Therapieoption

Studien und retrospektive Datenanalysen zeigen, dass die Chancen auf eine Anfallskontrolle bereits nach Versagen des zweiten Medikamentes sehr gering sind. Daher sollten alle Patienten mit chronischer Epilepsie, die nicht auf zwei oder mehr Medikamente angesprochen haben, in spezialisierten Zentren beraten werden. Nur dort ist die technische und fachliche Kompetenz einer umfassenden Diagnostik gegeben, die klären kann, welche zugrundeliegende Erkrankung vorliegt, ob ein epilepsiechirurgischer Eingriff Linderung bringen kann und wie die Prognose einzuschätzen ist.

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