Neurologische Ursachen von Schwindel: Ein Überblick

Schwindel ist ein weit verbreitetes und oft beunruhigendes Symptom. Viele Menschen erleben im Laufe ihres Lebens Schwindelgefühle, die von leichtem Unbehagen bis hin zu starker Beeinträchtigung reichen können. Schwindel ist nicht einfach nur Schwindel; es ist ein Symptom, das viele verschiedene Ursachen haben kann. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die neurologischen Ursachen von Schwindel und beleuchtet die verschiedenen Arten, Symptome, Diagnosemethoden und Behandlungsansätze.

Was ist Schwindel?

Schwindel ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symptom, das sich durch ein gestörtes Gefühl der räumlichen Orientierung oder eine falsche Wahrnehmung von Bewegung des Körpers oder der Umgebung äußert. Betroffene beschreiben ihre Empfindungen oft als Dreh-, Schwank- oder Benommenheitsschwindel. Manchmal treten Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Gangunsicherheit, Hörprobleme oder Kopfschmerzen auf.

Fachleute schätzen, dass etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland bereits moderaten bis starken Schwindel erlebt hat. Menschen über 70 Jahre sind fast dreimal so oft betroffen wie jüngere.

Arten von Schwindel

Es gibt verschiedene Arten von Schwindel, die sich in ihren Empfindungen und Ursachen unterscheiden:

  • Drehschwindel (Vertigo): Hierbei hat man das Gefühl, sich selbst oder die Umgebung dreht sich. Dies ist oft mit Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans im Innenohr verbunden.
  • Schwankschwindel: Betroffene fühlen sich, als würden sie schwanken oder unsicher auf den Beinen sein.
  • Benommenheitsschwindel: Dies ist ein unspezifischeres Gefühl von Desorientierung und Unsicherheit.

Neurologische Ursachen von Schwindel

Viele Fälle von Schwindel, insbesondere solche, die plötzlich auftreten, haben eine neurologische Ursache. Diese Ursachen können in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden:

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Peripherer Schwindel

Peripherer Schwindel entsteht durch Probleme im Innenohr oder mit dem Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis), der Informationen vom Innenohr an das Gehirn weiterleitet. Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Gutartiger paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV): Dies ist die häufigste Ursache für Drehschwindel. Er wird durch kleine Kalziumkristalle (Otolithen) verursacht, die sich in den Bogengängen des Innenohrs lösen und dort die Sinneszellen reizen. Typische Symptome sind kurze Drehschwindelattacken, die durch bestimmte Kopfbewegungen ausgelöst werden, z. B. beim Umdrehen im Bett oder beim Aufstehen.
  • Neuritis vestibularis: Eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs, oft durch ein Virus verursacht. Sie führt zu plötzlichem, heftigem Drehschwindel, der über Stunden oder Tage anhalten kann. Übelkeit und Erbrechen sind häufige Begleiterscheinungen.
  • Morbus Menière: Eine Erkrankung des Innenohrs, die durch einen erhöhten Flüssigkeitsdruck im Innenohr verursacht wird. Typische Symptome sind Drehschwindelattacken, Hörverlust, Tinnitus (Ohrgeräusche) und ein Druckgefühl im Ohr.

Zentraler Schwindel

Zentraler Schwindel entsteht durch Probleme im Gehirn, insbesondere im Hirnstamm oder Kleinhirn, die für die Verarbeitung von Gleichgewichtsinformationen zuständig sind. Zu den Ursachen gehören:

  • Schlaganfall: Eine Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns kann zu Schwindel führen, insbesondere wenn der Hirnstamm oder das Kleinhirn betroffen ist.
  • Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die zu Entzündungsherden im Gehirn und Rückenmark führen kann. Wenn diese Entzündungsherde das Kleinhirn oder den Hirnstamm betreffen, können sie Schwindel und Gleichgewichtsstörungen verursachen.
  • Tumoren: Tumoren im Gehirn, insbesondere im Kleinhirn oder am Gleichgewichtsnerv (Akustikusneurinom), können das Gleichgewicht beeinträchtigen und Schwindel verursachen.
  • Vestibuläre Migräne: Eine Form der Migräne, die mit Schwindel verbunden ist, auch ohne Kopfschmerzen.
  • Andere neurologische Erkrankungen: Seltenere Ursachen für zentralen Schwindel sind z. B. Kleinhirnatrophie, Basalganglienerkrankungen wie Parkinson und bestimmte genetische Erkrankungen.

Weitere Ursachen von Schwindel

Neben neurologischen Ursachen gibt es auch andere Faktoren, die Schwindel auslösen können:

  • Herz-Kreislauf-Probleme: Herzrhythmusstörungen, niedriger Blutdruck oder orthostatische Hypotonie (Blutdruckabfall beim Aufstehen) können zu Schwindel führen.
  • Metabolische Störungen: Diabetes (Unter- oder Überzuckerung), Schilddrüsenfunktionsstörungen und Eisenmangel können Schwindel verursachen.
  • Augenprobleme: Sehschwäche oder Augenmuskelstörungen können zu Schwindel führen, insbesondere wenn die Seheindrücke beider Augen nicht richtig zusammenpassen.
  • Medikamente: Viele Medikamente, insbesondere Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Antidepressiva und blutdrucksenkende Mittel, können als Nebenwirkung Schwindel verursachen.
  • Infektionen: Grippale Infekte oder COVID-19 können Schwindel durch Kreislaufstörungen oder Entzündungen des Gleichgewichtsnervs verursachen.
  • Psychische Faktoren: Angststörungen, Panikattacken und Depressionen können Schwindel auslösen oder verstärken. Man spricht dann von psychogenem oder somatoformen Schwindel.
  • Alkohol: Alkohol beeinträchtigt die Funktion des Kleinhirns und kann zu Schwindel und Gleichgewichtsstörungen führen.

Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Es ist ratsam, einen Arzt aufzusuchen, wenn:

  • Der Schwindel plötzlich und heftig auftritt.
  • Der Schwindel häufig auftritt oder lange anhält.
  • Der Schwindel die Lebensqualität beeinträchtigt.
  • Der Schwindel von anderen Symptomen wie Lähmungen, Sprach- oder Sehstörungen, starken Kopfschmerzen, Brustschmerzen oder Bewusstseinsverlust begleitet wird.

Diagnose von Schwindel

Die Diagnose von Schwindel erfordert eine sorgfältige Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte) und eine gründliche körperliche Untersuchung. Der Arzt wird Fragen zu Art, Dauer, Auslösern und Begleitsymptomen des Schwindels stellen.

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Folgende Untersuchungen können durchgeführt werden:

  • Neurologische Untersuchung: Überprüfung von Gleichgewicht, Koordination, Reflexen und Nervenfunktion.
  • Hörtest: Untersuchung des Hörvermögens, um Innenohrerkrankungen auszuschließen.
  • Gleichgewichtsprüfungen: Verschiedene Tests zur Beurteilung des Gleichgewichts, z. B. der Romberg-Test, der Unterberger-Tretversuch und der Kopfimpulstest.
  • Video-Okulographie (VOG): Aufzeichnung der Augenbewegungen, um Störungen des Gleichgewichtssystems zu erkennen.
  • Bildgebende Verfahren: Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) des Gehirns, um strukturelle Ursachen wie Tumoren oder Schlaganfälle auszuschließen.
  • Weitere Untersuchungen: Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen wie Elektrokardiogramm (EKG), Blutuntersuchungen oder eine Untersuchung beim Augenarzt erforderlich sein.

Ein Schwindeltagebuch kann hilfreich sein, um Muster und Auslöser des Schwindels zu erkennen.

Behandlung von Schwindel

Die Behandlung von Schwindel richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Es gibt verschiedene Behandlungsansätze:

  • Medikamentöse Behandlung: Medikamente können zur Linderung von Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Schwindel eingesetzt werden. Bei bestimmten Erkrankungen wie der Neuritis vestibularis können Kortikosteroide entzündungshemmend wirken.
  • Physiotherapie: Gleichgewichtstraining und Lagerungsübungen können helfen, das Gleichgewicht zu verbessern und Schwindel zu reduzieren. Bei gutartigem Lagerungsschwindel können spezielle Befreiungsmanöver (z. B. das Epley-Manöver) die Kristalle im Innenohr umlagern und die Beschwerden beseitigen.
  • Psychotherapie: Bei psychogenem Schwindel kann eine kognitive Verhaltenstherapie helfen, Ängste abzubauen und Vermeidungsverhalten zu reduzieren.
  • Chirurgische Behandlung: In seltenen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, z. B. bei Tumoren oder bei Morbus Menière, wenn andere Behandlungen nicht erfolgreich sind.
  • Anpassung der Lebensweise: Vermeidung von Auslösern wie Alkohol, Stress und bestimmten Medikamenten. Regelmäßige Bewegung und ausreichend Schlaf können ebenfalls hilfreich sein.

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