Myasthenia gravis, auch als schwere Muskelschwäche bekannt, ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die durch eine Störung der Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gekennzeichnet ist. Diese Störung wird durch fehlgesteuerte Antikörper verursacht, die die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln beeinträchtigen. Dies führt zu einer belastungsabhängigen Muskelschwäche, die sich in Ruhephasen vorübergehend bessern kann. Obwohl Myasthenia gravis nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Was ist Myasthenia Gravis?
Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Abwehrsystem fälschlicherweise gesunde Zellen und Gewebe angreift. Bei dieser Erkrankung greift das Immunsystem die Acetylcholinrezeptoren (AChR) an, die sich auf der Oberfläche von Muskelzellen befinden. Diese Rezeptoren sind entscheidend für die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln, da sie den Botenstoff Acetylcholin (ACh) binden, der von Nervenzellen freigesetzt wird, um Muskelkontraktionen auszulösen.
Wenn Antikörper die AChR blockieren oder zerstören, wird die Signalübertragung gestört, was zu Muskelschwäche führt. Die Erkrankung kann verschiedene Muskelgruppen betreffen, was zu einer Vielzahl von Symptomen führt.
Symptome von Myasthenia Gravis
Die Symptome von Myasthenia gravis können sehr unterschiedlich sein, da die Erkrankung verschiedene Muskelgruppen betreffen kann. Häufig sind die ersten Anzeichen im Gesichtsbereich zu beobachten. Zu den typischen Symptomen gehören:
- Hängende Augenlider (Ptosis): Dies ist oft eines der ersten Anzeichen der Erkrankung.
- Doppelbilder (Diplopie): Treten auf, wenn sich die Bewegungen der Augen nicht ausreichend koordinieren lassen.
- Veränderte Mimik: Die Gesichtsmuskeln können geschwächt sein, was zu einem spannungslosen Gesichtsausdruck führt, der leicht mit Müdigkeit oder Traurigkeit verwechselt werden kann.
- Sprachstörungen: Betroffene sprechen oft verwaschen, insbesondere wenn die Muskeln in Mund und Rachen betroffen sind.
- Schluckbeschwerden (Dysphagie): Viele Patienten haben Schwierigkeiten beim Schlucken von festen oder flüssigen Speisen.
- Allgemeine Muskelschwäche: Insbesondere in den Armen und Beinen, was das Treppensteigen, Aufstehen aus dem Sitzen oder Tragen von Gegenständen erschwert.
- Atemnot: In schwereren Fällen kann die Atemmuskulatur betroffen sein, was vor allem bei körperlicher Anstrengung zu Atemnot führt. Dies kann in seltenen Fällen lebensbedrohlich sein.
Die Intensität der Beschwerden kann im Laufe des Tages oder nach körperlicher Belastung zunehmen und sich nach Ruhephasen bessern. Diese Schwankungen sind typisch für Myasthenia gravis.
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Diagnose von Myasthenia Gravis
Die Diagnose von Myasthenia gravis erfordert eine gründliche und umfassende Untersuchung, da die Symptome oft unspezifisch sind und mit anderen Erkrankungen verwechselt werden können. Ein Neurologe ist der geeignete Facharzt, um die Diagnose zu stellen. Zu den diagnostischen Methoden gehören:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und typische Beschwerden des Patienten.
- Eisbeutel-Test: Ein Eisbeutel wird für einige Minuten auf das betroffene Augenlid gelegt. Bei Myasthenia gravis bessert sich die Schwäche des Lidhebers bei kühleren Temperaturen.
- Elektrischer Stimulationstest: Die elektrische Aktivität der Muskeln wird gemessen.
- Blutuntersuchung: Bei den meisten Betroffenen lassen sich im Blut Antikörper gegen Acetylcholinrezeptoren (AChR) oder andere relevante Antikörper wie Anti-MuSK-Antikörper nachweisen.
- Bildgebung: Eine Computertomographie (CT) des Brustkorbs kann Veränderungen der Thymusdrüse aufzeigen.
Die Kombination dieser Untersuchungen ermöglicht eine zuverlässige Diagnose.
Behandlungsmöglichkeiten bei Myasthenia Gravis
Obwohl Myasthenia gravis nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Therapieansätze, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die Behandlung wird in der Regel individuell auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt und kann medikamentöse und nicht-medikamentöse Methoden umfassen.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Behandlung ist ein Grundpfeiler der Therapie von Myasthenia gravis. Es stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung:
- Acetylcholinesterasehemmer: Diese Medikamente hemmen den Abbau von Acetylcholin (ACh) im synaptischen Spalt, wodurch mehr ACh zur Verfügung steht, um an die AChR zu binden. Dies verbessert die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel.
- Kortikosteroide: Kortison, ein körpereigenes Hormon, wird eingesetzt, um die Überaktivität des Immunsystems zu dämpfen.
- Immunsuppressiva: Diese Medikamente werden eingesetzt, um die Neubildung von Antikörpern zu bremsen. Sie haben in der Regel weniger starke Nebenwirkungen als Kortison, aber der Behandlungserfolg tritt erst mit einer gewissen Verzögerung ein.
- Biologika: Neuartige monoklonale Antikörper wie Rituximab und Eculizumab greifen spezifisch in den Krankheitsprozess ein und können das Krankheitsgeschehen in bestimmten Konstellationen nachhaltig positiv beeinflussen.
Nicht-medikamentöse Therapie
- Thymektomie: Bei vielen Patienten mit Myasthenia gravis ist die Thymusdrüse vergrößert oder verändert. Die operative Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie) kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, insbesondere bei jüngeren Patienten und Betroffenen mit einem kurzen Krankheitsverlauf.
- Plasmapherese: Bei schwereren Krankheitsverläufen oder einer akuten Verschlechterung (myasthene Krise) kann die Plasmapherese eingesetzt werden, um die Autoantikörper aus dem Blut zu filtern.
- Intravenöse Immunglobuline (IVIG): Die intravenöse Gabe von Immunglobulinen (Antikörper) kann das Immunsystem stabilisieren und die Symptome lindern.
- Logopädie: Die Logopädie ist ein wichtiger Bestandteil des Behandlungskonzepts, da mit ihr Schluckstörungen erkannt und daraus resultierende Gefahren vermieden werden können.
- Physiotherapie: Die Physiotherapie spielt eine eher untergeordnete Rolle, aber ein angemessener Umgang mit der Erkrankung ist entscheidend.
CAR-T-Zell-Therapie
In Einzelfällen, wie dem an der Universitätsmedizin Magdeburg behandelten Fall, wurde die CAR-T-Zell-Therapie erfolgreich eingesetzt. Bei dieser Therapie werden die T-Zellen des Patienten entnommen und genetisch so verändert, dass sie B-Zellen erkennen und zerstören, die Autoantikörper produzieren. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine lang anhaltende Remission zu erreichen. Allerdings sind größere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit dieser Therapie zu bestätigen.
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Begleitende Erkrankungen bei Myasthenia Gravis
In einigen Fällen können Patienten mit Myasthenia gravis an weiteren autoimmun bedingten Erkrankungen leiden, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Dazu gehören:
- Thymom: Ein Tumor der Thymusdrüse, der in etwa 10 Prozent der Fälle auftritt.
- Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse: Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow können die Muskelschwäche zusätzlich verstärken.
- Rheumatoide Arthritis: Eine chronisch-entzündliche Gelenkerkrankung, die selten bei Patienten mit Myasthenia gravis beobachtet wird.
- Systemischer Lupus Erythematodes: Eine systemische Autoimmunerkrankung, die verschiedene Organe und Gewebe betreffen kann.
Selbstmanagement und Lebensstil
Neben der medizinischen Behandlung können Betroffene auch selbst Maßnahmen ergreifen, um ihr Wohlbefinden zu verbessern und den Alltag besser zu gestalten:
- Aufgabenplanung: Teilen Sie Ihre täglichen Aufgaben gut ein und legen Sie regelmäßig Pausen ein, um Ihre Energiereserven zu schonen.
- Entspannungstechniken: Nutzen Sie gezielte Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, Atemübungen oder Meditation, um Stress abzubauen.
- Schlafhygiene: Achten Sie auf eine ausreichende Schlafdauer von mindestens sieben bis acht Stunden pro Nacht und schaffen Sie eine entspannte Schlafumgebung.
- Medikamentenmanagement: Beachten Sie, dass bestimmte Medikamente die Symptome verstärken können. Sprechen Sie vor der Einnahme neuer Medikamente immer mit Ihrem Arzt.
- Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung stärkt das Immunsystem und verbessert die allgemeine Belastbarkeit.
- Regelmäßige Bewegung: Wählen Sie moderate Aktivitäten wie Spaziergänge, Radfahren oder Schwimmen, die Sie nicht überfordern.
- Infektionsprävention: Minimieren Sie das Ansteckungsrisiko, indem Sie regelmäßig Ihre Hände waschen und Abstand zu infizierten Personen halten.
Die Rolle der Thymusdrüse bei Myasthenia Gravis
Die Thymusdrüse spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Myasthenia gravis. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen ist sie vergrößert, was auf eine gesteigerte Aktivität des Immunsystems hinweist. In etwa 10 Prozent der Fälle wird ein Thymom diagnostiziert. Die veränderte Thymusdrüse kann dazu führen, dass übermäßig viele fehlgesteuerte Antikörper gebildet werden. Daher wird in der Regel eine Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie) empfohlen, insbesondere bei Patienten unter 60 Jahren.
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