Kribbeln in den Füßen, Taubheitsgefühle oder unsicheres Gehen - eine Polyneuropathie kann vielfältige Symptome hervorrufen, die den Alltag oft deutlich erschweren. Umso wichtiger ist eine Behandlung, die genau zu Ihnen passt und Ihnen dabei hilft, möglichst viel Lebensqualität zurückzugewinnen.
Was ist eine Polyneuropathie?
Der medizinische Fachbegriff Neuropathie bedeutet Nervenkrankheit. Von einer Polyneuropathie spricht man, wenn viele („poly“) Nerven gleichzeitig betroffen sind. Der Begriff bezeichnet also verschiedene Erkrankungen des peripheren Nervensystems - das sind alle Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Bei einer Polyneuropathie sind die Nerven in ihrer Funktion gestört, sodass Signale zwischen Gehirn, Rückenmark und Körper nur eingeschränkt weitergeleitet werden können. Welche Beschwerden auftreten, hängt davon ab, welche Nerven betroffen sind - zum Beispiel solche, die für Bewegung, Empfindungen oder unbewusste Körperfunktionen zuständig sind. Die Erkrankung betrifft Männer und Frauen gleichermaßen und nimmt mit dem Alter zu. Etwa 5% der über 55-Jährigen leiden unter einer Polyneuropathie.
Das Nervensystem
Das Nervensystem empfängt Informationen von Sinneszellen aus der Außenwelt oder von spezialisierten Zellen (Rezeptoren) aus Geweben und Organen. Diese Informationen wandelt es in elektrische Impulse um, leitet sie weiter und verarbeitet sie. So kann das Nervensystem die Körperfunktionen und Reaktionen steuern. Man unterscheidet drei Bereiche des Nervensystems:
- zentrales Nervensystem
- periphere Nerven
- vegetative Nerven
Das zentrale Nervensystem, das aus dem Gehirn und dem Rückenmark besteht, verarbeitet die Informationen und steuert Handlungen, Muskelaktivität und Körperreaktionen. Die peripheren Nerven sind für die Körperperipherie zuständig, das heißt für alle Körperteile außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Die sensiblen peripheren Nerven übermitteln Informationen aus der Außenwelt und der Körperperipherie an das Gehirn. Die peripheren motorischen Nerven leiten Anweisungen von Gehirn und Rückenmark an die Muskulatur weiter. Das vegetative Nervensystem hat zentrale und periphere Anteile. Es ist für die Regulation vielfältiger Körperfunktionen, wie z. B. dem Herzschlag, der Atmung, dem Blutdruck, der Nierenfunktion und der Verdauung zuständig.
Ursachen von Polyneuropathien
Polyneuropathien können durch eine Vielzahl von Erkrankungen und Einflüssen entstehen. Häufig führen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronischer Alkoholmissbrauch zu Nervenschäden. Auch Schilddrüsen-, Nieren- oder Lebererkrankungen, Tumorerkrankungen und bestimmte Medikamente, etwa Chemotherapeutika, können eine Polyneuropathie auslösen. Weitere mögliche Ursachen sind Infektionen (z. B. HIV, Borreliose, Diphtherie oder Pfeiffersches Drüsenfieber), Vitaminmangel - insbesondere ein Mangel an Vitamin B12 - sowie Autoimmunerkrankungen, Vergiftungen oder Erkrankungen der Blutgefäße. Darüber hinaus gibt es erbliche Formen der Polyneuropathie. In etwa 20 % der Fälle bleibt die Ursache unklar. Diese Formen bezeichnet man als idiopathische Polyneuropathien. Insgesamt gibt es mehr als 300 Ursachen für eine Polyneuropathie. Die Wissenschaft kennt mittlerweile rund 600 Ursachen, die einer Polyneuropathie zugrunde liegen können. Trotz ausführlicher Diagnostik lässt sich bei rund einem Viertel der Betroffenen keine Ursache für die Polyneuropathie feststellen. In den meisten Fällen stellt die Polyneuropathie keine eigenständige Krankheit dar, sondern tritt als Folge oder Begleiterscheinung einer Grunderkrankung auf. Metabolische Polyneuropathien werden durch Stoffwechselstörungen hervorgerufen. Ein Vitamin-B12-Mangel kann eine Polyneuropathie begünstigen. Entzündliche Polyneuropathien werden überwiegend durch Autoimmun-Erkrankungen verursacht. Dazu zählen unter anderem das Guillain-Barré-Syndrom oder die chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie, kurz CIDP. Nach einer Corona-Erkrankung kann eine Small Fiber Neuropathie auftreten. Giftstoffe können ebenfalls eine Schädigung peripherer Nerven hervorrufen. Bei etwa jedem zweiten Patient mit Diabetes mellitus treten im Laufe des Lebens Nervenschäden auf. Die diabetische Polyneuropathie kann mit unterschiedlichen Symptomen einhergehen. Da die Symptome Körperbereiche betreffen, die am weitesten vom Rumpf entfernt (distal) sind und an beiden Füßen auftreten, sprechen Ärzte von einer distal-symmetrischen Polyneuropathie. Wenn Menschen über einen längeren Zeitraum regelmäßig und in übermäßigen Mengen Alkohol konsumieren, sodass körperliche, psychische und soziale Schäden entstehen, ist die Rede von chronischem Alkoholismus. Sie tritt symmetrisch auf und zeigt sich anfangs meist mit Beschwerden an Fußsohlen, Zehen und Vorderfuß. Häufig kommt es zu einem Schwund der Fuß- und Wadenmuskulatur und infolgedessen zu einer Gangstörung. Übermäßiger Alkoholkonsum ist oft auch mit einem Mangel an Vitamin B12, Folsäure sowie Vitamin B2 und Vitamin B6 verbunden. Zu der langen Liste möglicher Ursachen zählen auch Alkoholmissbrauch, Medikamente wie Chemotherapeutika, Infektionen sowie Auto-Immunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom, Zöliakie und monoklonale Gammopathie. Bei Polyneuropathien wird das Innere oder die Hülle der peripheren Nerven geschädigt.
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Polyneuropathie nach Brustkrebs
Viele Brustkrebspatientinnen entwickeln nach der Behandlung eine Polyneuropathie, eine häufige und belastende Nebenwirkung, besonders nach einer Chemotherapie.
Risikofaktoren für Polyneuropathien
Nicht alle genannten Ursachen führen automatisch zu einer Polyneuropathie. Sie können jedoch das Risiko für Nervenschäden deutlich erhöhen - insbesondere, wenn weitere belastende Faktoren hinzukommen. Wer diese Risikofaktoren meidet oder reduziert, kann die Entstehung einer Polyneuropathie möglicherweise verhindern oder verzögern:
- hoher Alkoholkonsum schädigt direkt die Nerven und die Leber
- Rauchen beeinträchtigt die Sauerstoffversorgung der Nerven
- Mangelernährung oder einseitige Kost führen zu Vitamin- und Nährstoffmangel
- Bewegungsmangel verringert die Durchblutung und damit auch die Sauerstoffversorgung
- starkes Übergewicht fördert Leber- und Gefäßschäden
- Drogen- oder Medikamentenmissbrauch schädigt Leber und Nieren
Symptome und Krankheitsverlauf einer Polyneuropathie
Die Symptome von Polyneuropathien sind äußerst vielfältig. Erste Anzeichen einer Polyneuropathie treten häufig an den Füßen oder den Händen auf. Es handelt sich meist um ein Gefühl der Taubheit, fehlendes Temperatur- oder Schmerzempfinden oder auch Missempfindungen wie Kribbeln - ein Gefühl, als ob „Ameisen über die Beine laufen“, wie es manche Patient*innen beschreiben. Muskelschwäche sowie allgemeine Schwäche können ebenfalls auftreten. Ein häufiges Symptom der Polyneuropathie ist der neuropathische Schmerz. Die ersten Anzeichen einer Polyneuropathie zeigen sich vorrangig an den vom Rumpf am weitesten entfernten Stellen.
Neuropathische Schmerzen
Schmerzen, die entstehen, wenn Nerven direkt geschädigt werden, bezeichnet man als Nervenschmerzen oder neuropathische Schmerzen.
- Der neuropathische Schmerz wird als durchdringend, brennend, stechend und/oder einschießend beschrieben.
- Er tritt häufig symmetrisch an Händen und Füßen oder im Bereich bestimmter Nervenversorgungsgebiete auf.
- Um den neuropathischen Schmerz auszulösen, genügt oft eine leichte Berührung.
- Neuropathische Schmerzen können nicht durch übliche Schmerzmittel gelindert werden.
Verschiedene Beschwerden je nach Art der Nerven
Die Art der Symptome einer Polyneuropathie weist darauf hin, welche peripheren Nerven erkrankt sind:
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Symptome bei Erkrankung motorischer Nerven:
- Muskelzucken
- Muskelkrämpfe
- Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen der Muskulatur
- Muskelschwund
Symptome bei Neuropathie sensibler Nerven:
Die Symptome beginnen meistens an den Füßen, etwas später an den Händen und steigen langsam Richtung Körpermitte auf.
- Kribbeln („Ameisenlaufen“)
- Stechen
- Gefühl der Taubheit der Haut
- Gefühlsstörungen an Händen oder Füßen
- Schwellungsgefühle
- Druckgefühle
- gestörter Gleichgewichtssinn
- Gangunsicherheit
- Verschlechterung der Feinmotorik
- Störung des Temperaturempfindens
Beschwerden, wenn vegetative Nerven betroffen sind:
- Herzrhythmusstörungen
- Völlegefühl und Appetitlosigkeit
- Aufstoßen
- Blähungen
- Durchfall und Verstopfung
- Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz
- Impotenz
- Störung der Schweißregulation
- Kreislaufprobleme, z. B mit Schwindel beim (raschen) Aufstehen
- Schwellung von Füßen und Händen
Diabetischer Fuß
Viele Menschen mit Diabetes mellitus entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung eine Polyneuropathie, die häufig an den Füßen beginnt. Erste Anzeichen sind Kribbeln, Brennen oder ein vermindertes Schmerzempfinden. Gefährlich ist, dass Verletzungen dadurch oft unbemerkt bleiben und sich schwer heilende Wunden bilden können (Diabetischer Fuß). Regelmäßige Fußpflege und tägliche Kontrolle auf Druckstellen oder Verletzungen helfen, Komplikationen vorzubeugen.
Krankheitsverlauf der Polyneuropathie
Von einer akuten Polyneuropathie spricht man, wenn die Beschwerden maximal vier Wochen anhalten. In vielen Fällen dauert eine Polyneuropathie jedoch deutlich länger. Bei chronischen Grunderkrankungen und bei erblichen Ursachen müssen die Beschwerden infolge der Polyneuropathie ein Leben lang behandelt werden. Akute Polyneuropathie: Die Symptome entwickeln sich innerhalb weniger Tage bis maximal vier Wochen. Typisch ist dies zum Beispiel beim Guillain-Barré-Syndrom.
Diagnose: Wie wird eine Polyneuropathie festgestellt?
Der Verdacht auf eine Polyneuropathie besteht bei den obengenannten Symptomen. Für die Diagnose Polyneuropathie werden verschiedene neurologische Tests und Untersuchungen durchgeführt.
- Test auf Berührungsempfindlichkeit: z. B. mit einem Nylonfaden, der leicht auf Hände und Füße gedrückt wird
- Test auf Vibrationsempfindlichkeit (Stimmgabeltest): Eine angeschlagene Stimmgabel wird an den Hand- oder den Fußknöchel gehalten. Der Stimmgabeltest prüft, ob die Tiefensensibilität erhalten ist.
- Untersuchung der Muskeleigenreflexe
- Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneurografie): Dabei misst man, wann ein absichtlich gesetzter Nervenreiz an einer bestimmten Stelle als Signal ankommt. Bei beginnenden Nervenschädigungen ist die Leitgeschwindigkeit vermindert.
- Untersuchung der Aktivität von Muskeln mithilfe der Elektromyografie
- Bei Bedarf werden auch Proben des Nervengewebes (Nervenbiopsien) und ggfls. Proben des Muskelgewebes, welches mikroskopisch und histochemisch untersucht wird, sowie das Druck- und Temperaturempfinden untersucht.
- Bildgebung: Mittels hochauflösender Sonographie können beispielsweise Veränderungen in der Dicke eines Nervs detektiert werden.
Wie wird die Ursache einer Neuropathie festgestellt?
Erste Hinweise auf die Ursache einer Polyneuropathie liefert das Gespräch zwischen Ärzt*in und Patient*in. Wichtig sind Informationen zur persönlichen Krankengeschichte (Anamnese) und zur Anamnese der Familie, zum Medikamentengebrauch, zu Symptomen und Entwicklung der Beschwerden sowie zur Ernährung, dem Lebensstil und Risikofaktoren wie dem Konsum von Alkohol. Darüber hinaus werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
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- Kontrolle des Blutzuckerspiegels
- weitere Blutuntersuchungen, z. B. Leber- und Nierenwerte, großes Blutbild, Entzündungswerte, gegebenenfalls auch auf Hinweise für Vergiftungen oder einen Vitamin-B-Mangel, spezielle Laboruntersuchungen des Immunsystems
- Urinuntersuchung
- Laboruntersuchungen auf infektiöse Ursachen
Behandlung der Polyneuropathie
Die Behandlung richtet sich immer nach der zugrunde liegenden Ursache. Wird diese erkannt und frühzeitig behandelt, können sich die Symptome häufig deutlich bessern. Bei idiopathischen Polyneuropathien, bei denen keine Ursache gefunden wird, konzentriert sich die Therapie auf die Linderung der Beschwerden und die Erhaltung der Lebensqualität. Ziel ist es, Schmerzen zu reduzieren, Beweglichkeit und Kraft zu fördern und den Alltag bestmöglich zu unterstützen. Akute Formen der Polyneuropathie können sich oft innerhalb weniger Wochen bessern oder vollständig ausheilen. Häufig verläuft die Erkrankung jedoch über einen längeren Zeitraum. Wenn bleibende Nervenschäden bestehen oder eine chronische Grunderkrankung wie Diabetes mellitus vorliegt, ist meist eine langfristige Behandlung erforderlich. Erbliche Polyneuropathien können bislang nicht geheilt werden. Hier gilt es, die Beschwerden zu lindern, das Fortschreiten der Neuropathie zu verlangsamen sowie die Körperfunktionen und die Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern. Eine Ausnahme ist die heriditäre Transthyretin Amyloidose (hATTR). Patient*innen mit dieser Erbkrankheit erleiden aufgrund einer fortschreitenden Amyloid-(Eiweiß)Ablagerung Schäden an multiplen Organen, die inzwischen erfolgreich behandelt werden können. Die Behandlung einer Polyneuropathie ist stets individuell und kann nicht verallgemeinert werden.
Therapie bei neuropathischen Schmerzen
Übliche Schmerzmedikamente wirken bei neuropathischen Schmerzen nicht. Bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen hat man gute Erfahrungen mit Medikamenten gemacht, die bei Depressionen oder zur Verhinderung von Krampfanfällen bei Epilepsie eingesetzt werden. Häufig muss man jedoch verschiedene Präparate ausprobieren, bis man das im Einzelfall wirksamste und verträglichste Mittel herausfindet.
- Pflaster mit lokalen Betäubungsmitteln können Nervenschmerzen punktuell lindern. Manchen Patient*innen helfen auch Capsaicin-Pflaster. Capsaicin stammt aus Chilischoten. Es kann Schmerzen lokal betäuben und fördert die Durchblutung. Capsaicin kann als Salbe auf die schmerzenden Stellen aufgetragen werden. Wichtig ist, dass lokale Betäubungsmittel und Capsaicin-Präparate nach ärztlicher Verordnung angewendet werden, um Nebenwirkungen zu vermeiden.
- Im Einzelfall können auch physikalische Therapien und Naturheilverfahren helfen, die Schmerzen zu lindern. Elektrotherapien können Nervenschmerzen lindern, indem sie die Schmerzempfindung in ein Kribbeln „umwandeln“. Tägliche Bewegung und Sport, zum Beispiel Wassergymnastik und Nordic Walking, sowie Physiotherapie unterstützen die medikamentöse Behandlung. Das gilt auch für Verfahren zur Schmerzbewältigung, wie z. B. Entspannungsmethoden.
Eine Alternative zu oralen Medikamenten können Schmerzpflaster mit hochdosiertem Capsaicin oder Lidocain sein, insbesondere bei lokalisierten Beschwerden wie Schmerzen und Missempfindungen. Seit 2017 können Ärzte in Deutschland medizinisches Cannabis auf Rezept verschreiben. Der Einsatz von medizinischem Cannabis bei chronischen neuropathischen Schmerzen wird kontrovers diskutiert.
Rehabilitation bei Polyneuropathie
In vielen Fällen ist die Polyneuropathie eine langwierige Erkrankung, die vielfältige Auswirkungen auf den Beruf und das Privatleben der Betroffenen hat. In einer stationären oder ambulanten Reha können sich Patient*innen ganz auf ihre Behandlung konzentrieren. Ziele der Rehabilitation bei Polyneuropathie sind
- Wiederherstellung gestörter Nervenfunktionen
- Wenn eine vollständige Heilung nicht möglich ist, lernen Sie, wie Sie Ihren Alltag im Rahmen Ihrer körperlichen Fähigkeiten bestmöglich bewältigen können.
- Falls Sie Hilfsmittel wie Gehhilfen oder einen Rollstuhl brauchen, passen wir diese genau an Ihre Bedürfnisse an. Sie lernen auch, wie Sie diese sicher und bequem nutzen.
- Heilung chronischer Wunden und Regeneration strapazierter Haut
Behandlungskonzept in der Reha
In den MEDICLIN Kliniken mit Fachbereich für neurologische Rehabilitation werden Patient*innen mit Polyneuropathie nach einem ganzheitlichen Konzept behandelt. Dabei arbeitet ein interdisziplinäres Team aus Ärzt*innen, Psycholog*innen, Physio-, Sport- und Ergotherapeut*innen sowie Fachpersonal mit spezieller Schmerzschulung eng zusammen. Gemeinsam mit Ihnen erstellen sie einen Therapieplan, der genau auf Sie und Ihre Erkrankung abgestimmt ist. Zur Therapie bei einer Polyneuropathie gehören je nach Bedarf
- Behandlung der Ursachen
- physikalische Therapie: Bäder, Elektrotherapie und Wärmeanwendungen können die Symptome der Polyneuropathie lindern.
- Physiotherapie und Krankengymnastik: Die Muskulatur wird gestärkt, die Beweglichkeit gesteigert, Gleichgewicht und Gangsicherheit werden verbessert und Fehlhaltungen korrigiert.
- Schmerztherapie: Neben physikalischer Therapie helfen individuell angepasste Medikamente sowie Strategien zur Schmerzbewältigung.
- Wundbehandlung: Chronische Wunden behandelt unser spezialisiertes Fachpersonal. Sie werden außerdem darin geschult, chronische Wunden zu vermeiden.
- Ergotherapie: verbessert die Feinmotorik und unterstützt dabei, alltägliche Aufgaben trotz körperlicher Einschränkungen - mit oder ohne Hilfsmittel - besser zu meistern
- psychologische Therapie: psychische Krankheitsbewältigung in Gruppen oder Einzelsitzungen; wir unterstützen Sie auch bei spezifischen Problemen, z. B. nach einem Alkoholmissbrauch
- Bewegungstherapie: verbessert Ihre Beweglichkeit und Ihr Körpergefühl Sport und Krafttraining werden angepasst an Ihre persönlichen körperlichen Möglichkeiten und verbessern Ihre Ausdauer, Ihre allgemeine körperliche Kondition und Ihr Wohlbefinden
- individuell angepasste Ernährung bei Begleitbeschwerden, wie Verdauungsstörungen oder häufiger Übelkeit
- Schulungen z. B. zum gesunden Lebensstil, Alltag mit Polyneuropathie und vielen anderen Themen
- gemeinsame Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit mit dem Sozialdienst
Weitere Behandlungsmethoden
- Physiotherapie kann bei motorischen Einschränkungen und Gangunsicherheit dazu beitragen, die Beweglichkeit und Stabilität zu verbessern.
- Bei der transkutanen Elektrostimulation, kurz TENS, werden kleine Elektroden auf die Haut geklebt, die sanfte elektrische Impulse abgeben. TENS ist eine nicht-medikamentöse Therapie, die oft bei starken neuropathischen Schmerzen in Kombination mit anderen Behandlungen eingesetzt wird. Sollten Medikamente zur Linderung der neuropathischen Schmerzen nicht ausreichen, kann in Absprache mit dem Arzt ein Therapieversuch erwogen werden. Zu beachten ist, dass bei einer Polyneuropathie oftmals das Temperaturempfinden herabgesetzt ist.
Leben mit Polyneuropathie
Wenn Sie feststellen, dass Sie oder Ihr Angehöriger im Alltag zunehmend Unterstützung benötigen, haben Sie möglicherweise Anspruch auf einen Pflegegrad. Damit stehen Ihnen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zu. Diese und weitere Erkrankungen können die Selbstständigkeit im Alltag einer Person beeinträchtigen. Wenn dies bei Ihnen der Fall ist, haben Sie eventuellen Anspruch auf einen Pflegegrad, mit dem Ihnen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zustehen. In einem Pflegetagebuch können Sie die Beeinträchtigungen im Alltag genauer beobachten und dokumentieren. Ein Pflegetagebuch unterstützt Sie gegebenenfalls beim Antrag auf Pflegegrad.
Selbsthilfe und unterstützende Maßnahmen
Wenn Sie von einer Polyneuropathie betroffen sind, können Sie selbst einiges tun, um den Behandlungserfolg zu unterstützen. In einer Selbsthilfegruppe treffen Sie auf Menschen, die genau verstehen, was es bedeutet, mit Polyneuropathie zu leben. Hier können Sie sich mit anderen Betroffenen über ihre Erfahrungen austauschen und praktische Tipps für den Alltag erhalten. Informationen über regionale Selbsthilfegruppen finden Sie beim Deutschen Polyneuropathie Selbsthilfe e.V..
- Ein spezielles Ernährungskonzept ist bei Polyneuropathie im Allgemeinen nicht notwendig - mit einer ausgewogenen Ernährungsweise versorgen Sie Ihren Körper mit allen essenziellen Vitaminen und Nährstoffen. Eine Nahrungsergänzung mit Folsäure, B12 oder anderen B-Vitaminen ist nur angeraten, wenn bei Ihnen ein ärztlich nachgewiesener Mangel besteht.
- Regelmäßige Bewegung kann neuropathische Beschwerden lindern und die Regeneration der Nerven anregen. Ideal ist die Kombination aus einem moderaten Ausdauertraining und Krafttraining. Zur Verbesserung von Gleichgewicht und Mobilität können schon einfache Übungen wie das Stehen auf einem Bein oder Gehen auf einer Linie helfen.
- Bei Sensibilitätsstörungen ist eine tägliche Fußpflege unverzichtbar. Kürzen Sie die Fußnägel mit einer Nagelfeile anstatt mit der Schere, um Verletzungen zu vermeiden. Um Folgeschäden an den Füßen vorzubeugen, empfiehlt sich eine regelmäßige medizinische Fußpflege beim Podologen.
- Taubheitsgefühle oder eine eingeschränkte Schmerz- und Temperaturempfindung können das Risiko für Stürze und Verletzungen am Fuß erhöhen. Umso wichtiger ist es, dass Sie geeignetes Schuhwerk tragen. Wechseln Sie täglich die Socken.
- Verschiedene Hilfsmittel können das Leben mit Polyneuropathie erleichtern.
- Bei erheblichen Beeinträchtigungen durch eine Polyneuropathie kann Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis bestehen, mit dem Sie bestimmte Nachteilsausgleiche wie zum Beispiel Steuerermäßigungen erhalten. Der Ausweis steht Ihnen ab einem Grad der Behinderung, kurz GdB, von mindestens 50 zu.
- Für alle Polyneuropathien gilt: regelmäßige Kontrolle der Füße auf Druckstellen, Tragen von bequemem Schuhwerk, Meidung von Druck, Nutzung professioneller Fußpflege, Verbesserung des Lebensstils mit regelmäßiger körperlicher Betätigung (150 min Ausdauersport/Woche z. B.
Prognose und Verlauf
Ob eine Neuropathie heilbar ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Viele Polyneuropathien weisen einen chronischen Verlauf auf und begleiten Betroffene über eine lange Zeit. Ob eine Rückbildung möglich ist, können im individuellen Fall nur die behandelnden Ärzte abschätzen. Je nach Art und Schweregrad der Symptome kann die Lebensqualität betroffener Personen beeinträchtigt sein. Ebenso wie sich eine chronische Polyneuropathie schleichend über einen längeren Zeitraum entwickelt, dauert es eine Weile, bis sich der Körper an die verordneten Therapien gewöhnt hat. Ob Schmerzmittel oder nicht-medikamentöse Maßnahmen - oft braucht es einige Wochen, bis eine wesentliche Linderung der Beschwerden spürbar wird. Der Verlauf ist je nach Ursache der Polyneuropathie unterschiedlich. Es gibt akute Verläufe, bei denen sich die klinische Symptomatik auch wieder rasch bessert. Bei ca. einem Viertel der Polyneuropathien kann die Ursache nicht geklärt werden, meist haben diese Formen jedoch eine gute Prognose. In Abhängigkeit von der Ursache besteht nur begrenzt die Aussicht auf Heilung. Zum Beispiel sind die weniger häufig vorkommenden entzündlichen Neuropathien mit Medikamenten meist sehr gut zu behandeln, akute Formen heilen oft komplett aus. Polyneuropathien beeinflussen für gewöhnlich die Lebenserwartung nicht direkt, jedoch kann die Lebensqualität durch Symptome wie Schmerzen, verminderte Mobilität und die damit verbundene erhöhte Sturzgefahr eingeschränkt sein.
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