Hartnäckiges Jucken oder stark juckende Hautveränderungen sind ein häufiges Symptom in der Hautheilkunde und stellen auch in anderen medizinischen Disziplinen ein großes Problem dar. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Entstehung, Ursachen, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten von chronischem Jucken (Pruritus).
Was ist Juckreiz?
Juckreiz, medizinisch als Pruritus bezeichnet, ist ein unangenehmes Gefühl der Haut, das den Drang auslöst, sich zu kratzen oder zu reiben. Je nach Ursache und individueller Wahrnehmung kann sich Juckreiz unterschiedlich anfühlen, z. B. brennend, schmerzend oder stechend wie Nadelstiche. Er kann auf eine kleine Hautregion begrenzt sein oder am ganzen Körper mit oder ohne Rötung oder Ausschlag auftreten. Akuter Pruritus tritt häufig nur vorübergehend auf, während chronischer Pruritus länger als 6 Wochen andauert.
Wie entsteht Juckreiz?
Lange Zeit wurde Jucken als Untereinheit des Schmerzes betrachtet. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass Jucken eine eigenständige Sinnesempfindung ist. Im Mittelpunkt stehen die empfindlichen Nervenendigungen in der oberen Hautschicht (Epidermis) und ihre Rezeptoren. Die Nerven reagieren auf Botenstoffe aus der Haut und dem Blut mit der Entwicklung von Jucken. Diese Botenstoffe werden als "pruritogen" bezeichnet. Durch die unterschiedlichen Rezeptoren und Botenstoffe erklären sich die verschiedenen klinischen Pruritusformen wie reines, stechendes oder brennendes Jucken. Die Juckempfindung wird entlang der Nerven des Rückenmarks zum Gehirn transportiert, wo unmittelbar der Reflex „Kratzen“ ausgelöst wird.
Ursachen von chronischem Juckreiz
Die Ursachen für chronischen Juckreiz (Pruritus) sind vielfältig. Er kann durch Schädigung oder Erkrankung der Haut selbst verursacht werden, wie z. B. bei einer Störung der Hautbarriere durch zu trockene Haut. Teilweise ist Juckreiz aber auch nur ein Symptom, das sich auf der Haut bemerkbar macht, während der Auslöser ganz woanders im Körper liegt.
Mögliche Ursachen für chronischen Juckreiz sind:
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- Hauterkrankungen: Neurodermitis, Schuppenflechte, Knötchenflechte, trockene Haut, Ekzeme
- Allergische Kontaktreaktionen: Allergie gegen Nickel, Farbstoffe, Duftstoffe in Pflegeprodukten oder Latex
- Infektionen: Hautinfektionen mit Pilzen oder Parasiten, Virusinfektionen wie Windpocken
- Mechanische Hautreizung: Rasur, Kratzen, Kälte oder Wärme
- Hormonelle Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Eisenmangel
- Innere Erkrankungen: Erkrankungen der Niere, Leber oder Galle
- Neuropathischer Juckreiz: Starker Druck auf die empfindlichen Nervenfasern der Haut, z. B. bei einem Bandscheibenvorfall
- Psychische Ursachen: Stress, Angst- und Schlafstörungen, Depressionen
- Nebenwirkungen von Medikamenten: Antidepressiva, Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide oder Antibiotika
- Schwangerschaftsdermatosen: Erkrankungen der Haut, die speziell in der Schwangerschaft auftreten können
- Genussmittel: Alkohol und Nikotin
In vielen Fällen wird der Grund für chronischen Juckreiz nicht oder erst sehr spät erkannt.
Der Juck-Kratz-Teufelskreis
Chronisches Jucken führt zu ständigem Kratzen. Das Aufkratzen der Haut verursacht wiederum juckende, entzündliche Hautveränderungen und Jucken bei der Wundheilung, wodurch ein Juck-Kratz-Teufelskreis entstehen kann. Einige Patienten entwickeln sogar Juckknötchen (sog. Prurigo), die ständig weiter jucken.
Diagnose von chronischem Juckreiz
Die Diagnose von chronischem Juckreiz umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese: Der Arzt befragt den Patienten genau zur Geschichte des Juckreizes (Beginn, Verlauf, Charakteristik, bekannte Erkrankungen und Medikamenteneinnahme).
- Fragebögen: Der Patient füllt Fragebögen aus, um die Auswirkungen des Juckreizes auf sein Leben besser zu erfassen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Haut und den gesamten Körper des Patienten.
- Zusätzliche Untersuchungen: Je nach Verdacht werden Blut-, Ultraschall-, Röntgenuntersuchungen und Hautbiopsien durchgeführt.
Therapie von chronischem Juckreiz
Die Therapie von chronischem Juckreiz zielt darauf ab, die Ursache des Juckreizes zu behandeln und die Symptome zu lindern. Da es oft schwer ist, die Ursache zu finden, ist die Therapie meist langwierig.
Allgemeine Maßnahmen
- Hautpflege: Wenig und nicht zu heiß duschen oder baden, milde Seifen und feuchtigkeitsspendende Pflegemittel verwenden, Haut sanft abtrocknen, Haut regelmäßig mit rückfettenden Cremes oder Lotionen einreiben. Wichtig ist, dass die Cremes oder Lotionen Harnstoff (Urea), Glycerin oder Milchsäure enthalten. Meiden sollte man trockenes Raumklima, häufiges oder sehr warmes Duschen sowie langes und warmes Baden, Saunagänge oder alkoholhaltige Pflegeprodukte.
- Kühle Umgebung: Auf ausreichend Feuchtigkeit in der Raumluft und eine kühle Umgebung achten.
- Vermeidung von Reizstoffen: Direkten Kontakt mit Dingen vermeiden, die die Haut reizen können, z. B. Kleidung aus Wolle oder Putzmittel.
- Stressabbau: Entspannungstechniken können helfen, dass weniger Juckreiz entsteht und er milder ausgeprägt ist. Auch Yoga oder alternative Therapieformen wie Akupunktur können nützlich sein.
- Kratzverhalten kontrollieren: Um die Hautverletzungen, die vom Kratzen hervorgerufen wurden, zu reduzieren, kann versucht werden, das Kratzen tagsüber „umzuleiten“. Betroffene benutzen dazu kleine Kratzkissen, die Bettdecke oder das Sofa, um den Kratzreflex abzuarbeiten. Prinzipiell sollte versucht werden, die Haut bei Jucken zuerst mit kühlenden und lindernden Präparaten einzucremen statt zu kratzen. Einige Patienten kürzen die Nägel und tragen nachts Handschuhe, um den Schaden des Kratzens an der Haut zu begrenzen.
Therapien zur lokalen Anwendung
- Arzneimittel, die den Juckreiz direkt unterdrücken: Kühlende Lotionen mit Harnstoff (Urea), Menthol, Kampfer, Betäubungsmittel, Entzündungshemmer und Capsaicin.
- Phototherapie: Bei bestimmten Hautkrankheiten und verschiedenen inneren Erkrankungen kann eine Phototherapie hilfreich gegen den Juckreiz sein. Dabei wird die Haut mit UV-Licht bestrahlt.
Medikamente zum Einnehmen
- Antihistaminika: Lindern vor allem den allergischen Juckreiz.
- Medikamente gegen Depressionen oder Krampfanfälle: Können helfen, die Juckreizsignale im Gehirn zu dämpfen.
- Wirkstoffe, die die Weiterleitung von Schmerzsignalen oder die Immunabwehr beeinflussen.
- Colestyramin oder Rifampicin: Gegen leberbedingten Juckreiz.
- Difelikefalin, Gabapentin oder Cromoglycinsäure: Bei Nierenerkrankungen.
- Paroxetin, Aprepitant oder Naltrexon: Bei Krebserkrankungen.
Es gibt kein Medikament, das den Juckreiz bei allen Menschen zuverlässig beseitigt. Deshalb muss man individuell überlegen und probieren, was am besten wirkt.
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Psychotherapie
Eine Psychotherapie bei chronischem Juckreiz hat vor allem zum Ziel, das Kratzverhalten zu verändern.
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Jucken wird aufgrund seiner vielfältigen Ursachen als „interdisziplinäres Symptom“ bezeichnet. Bei der Ursachensuche sollten verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten (Dermatologen, Internisten, Neurologen, Psychosomatiker, Radiologen, Anästhesisten, Schmerztherapeuten, eventuell Gynäkologen und Kinderärzte).
Chronischer Juckreiz und Psyche
Chronischer Juckreiz kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Neben Schlafstörungen können Stimmungstiefs, Ängste und Depressionen auftreten. Daher ist bei chronischem Jucken oft eine psychosomatische Beratung sinnvoll.
Innovative Therapien
Um den Erfolg der Therapie zu überprüfen, dienen nicht nur Fragebögen, sondern auch Fotografien und ein Tagebuch, in dem die Juckstärke täglich eingetragen wird. Es laufen derzeit einige Studien zu neuen Medikamenten.
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