Kaffee, das beliebteste Heißgetränk der Deutschen, ist mehr als nur ein Muntermacher. Jährlich konsumiert jeder Deutsche etwa 160 Liter Kaffee, was die Frage aufwirft, welche Leidenschaft hinter diesem Konsum steckt. Neueste Forschungen deuten darauf hin, dass moderater Kaffeekonsum positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, insbesondere im Hinblick auf neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz und Alzheimer. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema und gibt einen umfassenden Überblick über die potenziellen Vorteile und Risiken des Kaffeekonsums.
Die biochemische Wirkung von Kaffee
Koffein, ein Hauptbestandteil des Kaffees, wirkt, indem es die Adenosinrezeptoren im Gehirn blockiert. Adenosin ist eine Substanz, die normalerweise die Nervenzellaktivität hemmt und Müdigkeit verursacht. Durch die Blockade dieser Rezeptoren stimuliert Koffein die Nervenzellen, was zu erhöhter Wachsamkeit und Konzentration führt. ATP (Adenosintriphosphat) dient als Treibstoff für unsere Zellen. Wenn wir aktiv sind und ATP abgebaut wird, bleibt Adenosin zurück, das unseren Körper sanft in den Schlaf entführt, indem es an spezielle Rezeptoren im Vorderhirn bindet. Koffein hat eine ähnliche Struktur wie Adenosin und kann an die gleichen Rezeptoren andocken, aktiviert sie jedoch nicht.
Es ist wichtig zu beachten, dass Koffein nicht der einzige wirksame Bestandteil im Kaffee ist. Kaffee enthält Hunderte von Verbindungen, die zu seinem Aroma und seiner Wirkung beitragen. Experimente mit gestressten Ratten haben gezeigt, dass allein der Geruch von frisch gerösteten Kaffeebohnen einen positiven Einfluss auf die Nervenzellen haben kann.
Kaffee und Lebergesundheit
Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal des Kaffees ist seine schützende Wirkung auf die Leber, insbesondere nach Alkoholkonsum. Studien haben gezeigt, dass Kaffee die Leber vor den schädlichen Auswirkungen von Alkohol schützen kann. Die Leberkrebs-Leitlinie empfiehlt bei chronischen Lebererkrankungen den Konsum von drei Tassen Kaffee pro Tag, um das Risiko für Leberkrebs zu reduzieren.
Stimmungsaufhellende Wirkung von Kaffee
Kaffee kann auch die Stimmung verbessern. Eine Studie mit über 50.000 Teilnehmerinnen ergab, dass Frauen, die zwei bis drei Tassen Kaffee täglich konsumierten, ein um 15 % geringeres Risiko hatten, an Depressionen zu erkranken. Bei einem Konsum von vier Tassen stieg dieser Wert sogar auf 20 %. Eine weitere Studie zeigte, dass Kaffeekonsum einen positiven Einfluss auf das Langzeitgedächtnis hat.
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Kaffee und das Risiko von Demenz und Alzheimer
Langzeitstudien deuten darauf hin, dass Kaffeekonsum einen signifikanten Schutzeffekt gegen Demenz und Alzheimer bieten kann. Eine Studie, die Teilnehmer über 21 Jahre lang beobachtete, zeigte, dass hoher Kaffeekonsum mit einem Rückgang des Demenzrisikos um 65 % verbunden war. Ähnliche Ergebnisse wurden bei Parkinson beobachtet, wo ein höherer Kaffeekonsum mit einem verringerten Risiko für diese Krankheit assoziiert ist.
Wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung von Kaffee auf Demenz
Kaffeetrinker erkranken seltener an Demenz. Diese günstige Assoziation wurde in den letzten Jahren mehrfach in epidemiologischen Studien gefunden, so beispielsweise in der FINMONICA-Studie, die für 3 bis 5 Tassen am Tag ein um 65 Prozent vermindertes Risiko ermittelte. Ein Beleg, dass Kaffee und das darin enthaltene Koffein tatsächlich vor der Erkrankung schützen, ist dies natürlich noch nicht. Kaffeetrinker könnten auch aus anderen Gründen vor einer Demenz geschützt sein.
Eine Beweisführung wäre nur durch klinische Studien möglich, in denen dann nach Möglichkeit ein Wirkstoff zum Einsatz käme, der die protektive Wirkung des anregenden Getränks auf eine einzelne Substanz reduziert. Diese Voraussetzungen könnten jetzt durch eine Untersuchung gegeben sein, die Prof. Christa Müller von der Universität Bonn mit Dr. David Blum von der Universität Lille an genetisch modifizierten Mäusen durchgeführt haben.
Die Forscher experimentierten mit THY-Tau22-Mäusen, bei denen es aufgrund eines Gendefekts frühzeitig zu Ablagerungen von Tau-Fibrillen kommt, einem zentralen pathologischen Merkmal des Morbus Alzheimer. Diese Entwicklung konnte zum einen durch die Gabe von Koffein im Trinkwasser verlangsamt werden. Eine ähnliche Wirkung zeigte eine eigens entwickelte wasserlösliche Substanz, die wie Koffein den Adenosin A2A-Rezeptor im Gehirn blockiert. Weil MSX-3, so die Bezeichnung des neuen Wirkstoffs, selektiver wirkt als Koffein, könnte es verträglicher sein und deshalb auch in einer höheren Dosis eingesetzt werden, hoffen die beiden Autoren.
Ihre Experimente zeigen, dass die Rezeptorblockade bei den transgenen Mäusen der Neurodegeneration entgegenwirkte. Insbesondere im Hippocampus, also dem Sitz des Gedächtnisses der Nagetiere, konnte eine Verbesserung der pathologischen Prozesse gezeigt werden. In den Gedächtnistests schnitten die behandelten Tiere deutlich besser ab als eine Vergleichsgruppe unbehandelter Tiere. Insbesondere das räumliche Erinnerungsvermögen wurde durch die Gabe des Rezeptorblockers messbar verbessert, schreiben die Forscher.
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Ob sich die Ergebnisse in Studien an Patienten mit beginnender Demenz bestätigen lassen, bleibt abzuwarten. Als erstes müssen die Forscher einen Pharmakonzern finden, der an der klinischen Entwicklung interessiert ist. Dies dürfte nicht einfach sein. Die allgemeine und kostengünstige Verfügbarkeit des Adenosin A2A-Antagonisten Koffein könnte hier ein Hemmnis sein. Denn bei der Billigkonkurrenz dürfte es eine Neuentwicklung schwer haben, nach einer Zulassung die hohen Ausgaben für die klinischen Studien zu erwirtschaften. Es sei denn die Wirkung wäre tatsächlich sehr viel stärker als die von Koffein.
Die Rolle von Genistein im Kaffee
Eine aktuelle Studie untersuchte die Wirkung von Espresso auf die Tau-Fibrillen, die sich bei Alzheimer abnorm ablagern. Die Ergebnisse zeigten, dass Espresso-Extrakt dosisabhängig eine starke Antiaggregationswirkung hat und mit zunehmender Konzentration des Kaffeeextrakts die Länge der Tau-Fibrillen abnahm. Zudem wirkte sich Kaffee auch auf die Reifung von Tau-Kondensaten aus und wie stabil sie waren und könnte damit bereits frühe Ereignisse der „pathologischen Anhäufung von Tau“ beeinflussen.
Bei den isolierten Inhaltsstoffen konnten die Wissenschaftler nur für Koffein und Genistein eine signifikante Wirkung auf Tau feststellen. Genistein in Kaffee kann den Tau bei Alzheimer hemmen.
Harvard-Studie: Kaffee und gesundes Altern bei Frauen
Laut einer neuen Studie der Harvard-Universität lässt regelmäßiger Kaffeekonsum Frauen gut altern. Der Konsum von bis zu 2,5 Tassen Kaffee pro Tag senke vor allem bei Frauen im mittleren Alter das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und könne Typ-2-Diabetes vorbeugen. Die Studie wertete Daten von rund 47.000 Frauen aus den letzten 30 Jahren aus. Es wurde festgestellt, dass koffeinhaltiger Kaffee - im Gegensatz zu Tee oder entkoffeiniertem Kaffee - einzigartig den Alterungsprozess unterstützen kann, sodass geistige und körperliche Funktionen erhalten bleiben.
Die Autoren der Harvard-Studie beschäftigen sich auch mit der Frage nach der Kausalität und der Korrelation: Altern die Frauen besser, weil sie regelmäßig Kaffee trinken? Oder beeinflussen andere Faktoren das gute Altern, während sie regelmäßig Kaffee trinken? Faktoren wie etwa eine gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität.
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Einschränkungen und Risiken des Kaffeekonsums
Trotz der potenziellen Vorteile gibt es auch Einschränkungen und Risiken, die mit dem Kaffeekonsum verbunden sind. Eine US-amerikanische Studie, die auf der Internationalen Konferenz der Alzheimer’s Association (AAIC) 2024 vorgestellt wurde, liefert beunruhigende Ergebnisse für Vieltrinker. Menschen, die regelmäßig vier oder mehr Tassen Kaffee täglich konsumieren, haben ab einem Alter von 60 Jahren ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken.
Die Studie untersuchte die „fluide Intelligenz“ der Teilnehmer und fand heraus, dass hoher Kaffeekonsum zu einem beschleunigten Abbau dieser Fähigkeiten führt. Besonders stark betroffen sind kognitive Funktionen wie Wortschatz und Allgemeinwissen, die schneller nachlassen.
Moderater Kaffeekonsum als Schlüssel
Interessanterweise fanden die Wissenschaftler auch heraus, dass ein moderater Kaffeekonsum, also ein bis drei Tassen pro Tag, den geistigen Abbau verlangsamen könnte. Dies deutet darauf hin, dass die Dosis entscheidend ist und dass ein maßvoller Kaffeekonsum positive Auswirkungen haben kann.
Tee als Alternative
Neben Kaffee wurde auch der Einfluss von Tee auf die geistige Gesundheit untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass Personen, die keinen Tee tranken, einen stärkeren Rückgang der „fluiden Intelligenz“ zeigten. Moderater bis hoher Teekonsum schien hingegen schützend zu wirken. Das Trinken von ein bis drei Tassen Tee täglich könnte demnach helfen, den Verlust von Problemlösungsfähigkeiten zu verlangsamen.
Bewegung und Hirngesundheit
Bewegung spielt eine entscheidende Rolle für die Hirngesundheit. Prof. Dr. Boris Wirths von der Universitätsmedizin Göttingen forscht, wie Bewegung und Koffein die Hirngesundheit beeinflussen. Bestätigt sich die Annahme, dass Koffein die positiven Effekte von Bewegung verstärkt, wäre dies ein großer Fortschritt für Prävention und Therapie von Alzheimer.
Praktische Tipps für den Umgang mit Demenz
Neben dem Kaffeekonsum gibt es weitere Maßnahmen, die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützen können:
- Strukturierter Tagesablauf: Ein vorhersehbarer Tagesablauf kann Menschen mit Alzheimer helfen, sich sicherer und orientierter zu fühlen.
- Leichte körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung unterstützt die körperliche Gesundheit und kann die Stimmung verbessern.
- Soziale Interaktion: Kontakte mit Familie und Freunden können das Wohlbefinden steigern und die Stimmung aufhellen.
- Anpassung der Umgebung: Eine sichere und vertraute Umgebung kann dazu beitragen, Verwirrung und Ängste zu reduzieren.
- Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben: Unterstützung bei Aufgaben wie Anziehen, Essen oder Körperpflege kann die Lebensqualität verbessern.