Schmerzen sind unangenehme Sinneswahrnehmungen, die die Lebensqualität Betroffener deutlich einschränken können. Viele Menschen greifen, bevor sie zu Schmerzmedikamenten greifen, auf natürliche Formen der Schmerzlinderung wie Wärme oder Kälte zurück. Dieser Artikel beleuchtet die Anwendung von Kälte bei Nervenschmerzen, ihre Wirkungsweise und die verschiedenen Anwendungsformen.
Akute vs. Chronische Schmerzen: Wann ist Kälte sinnvoll?
Bei akuten Schmerzen, die plötzlich auftreten, wie bei Verletzungen von Bändern, Muskeln oder Wundschmerzen nach Operationen, kann Kälte oft Linderung verschaffen. Bei chronischen, also dauerhaft auftretenden Beschwerden, ist hingegen eher Wärme sinnvoll. Es ist wichtig zu verstehen, dass Kälteanwendungen bei einigen rheumatischen Erkrankungen und Nervenschmerzen nur bedingt helfen.
Wie wirkt Kälte bei Schmerzen?
"Kälteanwendungen setzen die Aktivität von entzündungsfördernden Botenstoffen herab", erklärt Internist Univ.-Doz. Dr. Bertram Hölzl, wissenschaftlicher Berater des Gasteiner Heilstollen. "Das lindert in vielen Fällen den akuten Schmerz vor allem bei Sportverletzungen oder auch bei Schmerzen, die durch Entzündungen hervorgerufen werden." Die Kälte verringert die Schmerzempfindlichkeit und verlangsamt die Nervenleitgeschwindigkeit für Schmerzreize. Das gilt auch für die Muskulatur. Zudem werden bei längerer Kühlung die Erschlaffungsphasen der Muskeln verlängert und so die Spannung gesenkt, so dass sich Muskelverspannungen und Verkrampfungen lösen. In den Blut- und Lymphgefäßen wird die Durchblutung von der Kälte vermindert, da sich die Gefäße verengen und weniger Blut zirkulieren lassen. In den Venen erhöht sich dagegen der Blutfluss. Dadurch kommt es zu einer Förderung des Abflusses von Ödemen (Schwellungen). Die Applikation von Kälte bewirkt eine Verengung der Blutgefäße und vermindert somit die Durchblutung. Zudem blockiert Kälte die Schmerzrezeptoren, was zur verminderten Schmerzwahrnehmung beiträgt.
Anwendungsformen der Kältetherapie
Vor allem Eispackungen, Kaltkompressen oder auch Kältesprays kommen zum Einsatz. Die Anwendungen sollten jedoch nicht länger als fünf Minuten andauern. Generell gilt: Kälte in Form von Eis und Kühlkompressen darf nie in direktem Kontakt zur Haut stehen, sondern muss immer durch ein dazwischen liegendes Gewebe abgemildert werden. Andernfalls sind Verbrennungen unvermeidbar.
- Eisbeutel oder gefrorene Gel-Packs: Sie werden auf den schmerzenden Bereich gelegt, um eine lokale Kühlung zu erreichen.
- Kühlende Salben und Gels: Sie enthalten kühlende Inhaltsstoffe wie Menthol und werden auf die Haut aufgetragen.
- Kalte Wickel: Um den betroffenen Bereich wird ein kalter Wickel gelegt, um eine großflächige Kühlung zu ermöglichen.
- Kältesprays: Sie bieten eine schnelle Kühlung und sind praktisch für unterwegs.
- Cryo-Cuff-Kühlgeräte: Bei diesen Geräten wird eine von kalter Flüssigkeit durchströmte Manschette auf das erkrankte Gelenk aufgelegt.
- Kältekammer: Ein Aufenthalt in einer Kältekammer, bei dem man sich zuerst für eine halbe Minute in eine minus 60 Grad Celsius kalte Vorkammer und anschließend für etwa zweieinhalb Minuten in eine Kammer bei minus 110 Grad Celsius begibt, kann ebenfalls Linderung verschaffen.
Kälte bei spezifischen Nervenschmerzen
Kälte bei Rückenschmerzen
Bei akuten Rückenschmerzen kann Wärme oder Kälte eingesetzt werden. Wärme soll Verspannungen der Muskulatur lösen, die häufig die Ursache von akuten Rückenschmerzen sind. Liegt jedoch eine Entzündung vor, sollte keine Wärme angewendet werden, denn sie könnte den Entzündungsprozess verstärken. Kälte ist in diesem Fall die bessere Wahl. Sie hilft, wenn z.B. eine Prellung oder eine Verletzung die Ursache der Rückenschmerzen ist. Kälte vermindert die Durchblutung und hat eine entzündungshemmende Wirkung. Außerdem verzögert Kälte die Schmerzweiterleitung und trägt so zu einer verminderten Schmerzwahrnehmung bei.
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Kälte bei Nervenentzündungen
Auch als Hausmittel gegen Nervenschmerzen können Wechselbäder wirksam sein. Wenn Sie den Wechsel zwischen kaltem und warmem Wasser im Wannenbad aber scheuen, ist der Wechsel zwischen Eisbeutel und Wärmeauflage eine mögliche Alternative. Legen Sie dafür zunächst einen Eisbeutel auf die schmerzende Stelle und belassen ihn dort für einige Minuten, anschließend kommt ein warmer Wickel oder ein Wärmekissen dorthin. Sie können dies mehrmals im Wechsel wiederholen.
Wann ist Vorsicht geboten?
Bei einigen Rheumatikern wirkt Kälte gegen schmerzhafte, entzündliche Gelenkschmerzen. Die Behandlung sollte jedoch mit dem Arzt abgesprochen werden, denn kurze Kältereize können auch eine reaktive Hitze in den Gelenken verursachen. Patienten und Patientinnen, die an Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus oder anderen Erkrankungen leiden, sollten mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen, ob Wärme oder Kälte infrage kommen, die Rückenbeschwerden zu lindern. Tendenziell können sich Durchblutungsstörungen durch Kälteanwendungen verschlimmern und bei Diabetes ist teilweise das Temperaturempfinden gestört, sodass es zu Hautschäden durch zu viel Kälte oder Hitze kommen kann.
Paradoxe Effekte: Kälte als Auslöser oder Hemmer von Schmerzen
Während Kälte bei gesunden Menschen mit akutem Schmerz schmerzhemmend sein kann, existiert bei Patienten mit Nervenschmerzen ein gegenteiliger Effekt: Sie reagieren häufig überempfindlich auf Kälte und empfinden manchmal schon bei einem leichten Luftzug starke Schmerzen. Verantwortlich dafür sind Eiweiße der Zelloberfläche der Nerven, die die Nervensignale um ein Vielfaches steigern und zu der unangenehmen Wahrnehmung führen. Auch Patienten, die wegen eines Krebsleidens mit Platinsalz (Oxaliplatin) behandelt werden, empfinden die Abkühlung oft als viel stärker. Solange das Platinsalz im Körper wirkt, sind die Patienten ausgesprochen kälteüberempfindlich, und selbst kurze Kaltreize lösen ein lang andauerndes übersteigertes Kältegefühl aus.
Kryotherapie
Die Kältetherapie ist ein gezielter Einsatz von Kälte zur Erzielung eines therapeutischen Effekts. "Kryo" steht im medizinischen Zusammenhang für die Therapie mit Kälte. Bei der Kryoanalgesie wird ein Nerv durch Kälte von bis zu -65 Grad Celsius vereist. Dadurch wird die Reizweiterleitung längerfristig gehemmt. Der Vorteil zu anderen Verfahren ist, dass die Kryoanalgesie für bis zu 3-6 Monate wirken kann. Die Kryablation kann ambulant durchgeführt werden, sodass Sie nicht im Krankenhaus übernachten müssen. Schwerwiegende Komplikationen treten bei der Kryotherapie nur sehr selten auf. Die häufigste Nebenwirkung bei diesem Verfahren ist die Schädigung der Hautnerven. Diese sensiblen Nerven sind dafür da, dass Sie Empfindung und Gefühl an der Haut wahrnehmen. Aus diesem Grund kann es passieren, dass Sie auf der kleinen Fläche rundum der Einstichstelle ein reduziertes Gefühl haben.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei Nervenschmerzen
Neben der Kältetherapie gibt es noch weitere Behandlungsmöglichkeiten bei Nervenschmerzen:
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- Medikamentöse Therapie: Der Arzt kann Schmerzmittel wie Antikonvulsiva, trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer oder Opiate verschreiben.
- Krankengymnastik: Eine Physio- und/oder Ergotherapie hilft in vielen Fällen, Nervenschmerzen zu lindern.
- Akupunktur: Auch Akupunktur hilft bei Nervenschmerzen.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Auch die TENS soll Menschen mit Nervenschmerzen manchmal helfen.
- Entspannungsübungen: Entspannungstechniken setzen das Schmerzempfinden (zusätzlich) herab.
- Psychotherapie: Auch eine begleitende psychologische Unterstützung (z.B. eine Psychotherapie) wirkt unterstützend gegen Nervenschmerzen.
- Operation: Lassen sich die neuropathischen Schmerzen trotz verschiedener Therapieansätze nicht ausreichend lindern, hilft je nach Ursache nur eine Operation gegen die Nervenschmerzen.
Hausmittel gegen Nervenschmerzen
Einige Menschen mit Nervenschmerzen berichten, dass ihnen bestimmte Hausmittel Linderung verschaffen. Demnach können vor allem Wärme und/oder Kälte gegen die Schmerzen helfen. Für Kälteanwendungen eignen sich Kühlkompressen, für Wärmeanwendungen warme Bäder oder Heizkissen. Manche profitieren auch von Wechselbädern in warmem und kaltem Wasser. Auch eine gesunde Ernährung, die viele B-Vitamine enthält, ist bei Nervenschmerzen hilfreich. Vor allem Vitamin B6 und B12 benötigt der Körper für eine optimale Nervenversorgung.
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