Morbus Parkinson ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die motorische und nicht-motorische Symptome verursacht. Diese Symptome können die Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, beeinträchtigen und somit Fragen zur Fahreignung von Parkinson-Patienten aufwerfen. In Deutschland leben etwa 280.000 Menschen mit der Diagnose Morbus Parkinson. Da die Erkrankung sehr langsam verlaufen kann und dementsprechend die Symptome gerade zu Beginn sehr schwach ausgeprägt sein können, wird bei manchen Patienten erst nach Jahren die Diagnose „Morbus Parkinson“ gestellt. Erhält ein Patient eine solche Diagnose, möchte er, dass sein Leben so geregelt wie möglich weiter geht und sich nur wenig ändert. Dazu zählt es auch, mobil und selbstständig zu bleiben. Umso wichtiger ist es, möglichst lange Autofahren zu können - trotz Parkinson. Dieser Artikel beleuchtet die Aspekte der Fahreignung und Fahrfähigkeit bei Parkinson-Patienten in Deutschland, unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen, medizinischen Aspekte und praktischen Empfehlungen.
Fahreignung vs. Fahrfähigkeit
Es ist wichtig, zwischen Fahreignung und Fahrfähigkeit zu unterscheiden. Die Fahreignung bezieht sich auf die generelle geistige, körperliche und charakterliche Eignung einer Person, ein Kraftfahrzeug zu führen. Die Fahrfähigkeit hingegen beschreibt die aktuelle psychophysische Leistungsfähigkeit des Patienten und kann durch äußere Faktoren oder vorübergehende Beeinträchtigungen beeinflusst werden.
Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung (BASt) ist ein Parkinson-Patient ab Diagnosestellung unabhängig von der Schwere der Erkrankung fahruntauglich für die Führerscheinklasse der Gruppe 2 (Lkw > 3,5 t; Bus) sowie für die Fahrgastbeförderung (Taxi). Fahrzeuge der Gruppe 1 (Pkw, Motorrad, Traktor) dürfen prinzipiell bei erfolgreicher Therapie oder leichter Ausprägung der Symptomatik gefahren werden.
Medizinische Aspekte der Fahreignung bei Parkinson
Parkinson-Patienten verschulden häufiger Unfälle als Personen vergleichbaren Alters. Krankheitsbedingt können fahr- und sicherheitsrelevante körperliche Einschränkungen durch Tremor, Akines, allgemeine motorische Verlangsamung oder Dyskinesen bestehen. Ferner führen nichtmotorische Symptome, wie kognitive Störungen, verlangsamtes Denken, reduzierte Reaktionsfähigkeit, Halluzinationen, Impulskontrollstörungen oder Sehstörungen häufig zur Einschränkung der Fahreignung. Die Patienten realisieren diese Defizite häufig nicht, schätzen sie falsch ein oder sprechen diese nicht von sich aus an - aus Angst, man könne ihnen das Autofahren „verbieten“.
Einfluss der Erkrankung
Ähnlich wie in der Normalbevölkerung korreliert auch bei Parkinson-Patienten das Alter negativ mit den Fahrleistungen im Fahrsimulator, in kombinierten Prüfungen aus klinischem Test und aktiver Fahrprüfung und bei Fahrprüfungen auf der Straße.
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Eine zunehmende motorische Behinderung geht mit der Reduktion von Fahrhäufigkeit und Fahrstrecke einher, jedoch fehlt eine klare Korrelation von Schweregrad der motorischen Beeinträchtigung und Fahrgenauigkeit, Reaktionszeit und Unfallrate. Skalen für die Behinderung - wie die von Hoehn und Yahr, Webster oder Unified Parkinson’s Disease Rating Scale - allein sind ungeeignet, die individuelle Fahreignung abzubilden.
Kognitive Störungen verschlechtern Orientierung, Konzentration, Aufmerksamkeit, Auffassungstempo, Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit, vermindern die Fahreignung und erhöhen das Unfallrisiko mit zunehmendem Demenzgrad. Jedoch kann selbst bei geringen kognitiven Störungen die Fahreignung gefährdet sein, obwohl dies weder vom Patienten noch Arzt vermutet wird.
Sehstörungen sind häufig bei Parkinson-Patienten und verringern die Fahreignung. Hierzu zählen eine Verminderung von Sehschärfe und Kontrastsehen, eine reduzierte visuelle Explorationsfähigkeit, Doppelbilder und subjektiv inapparente visuell-räumliche Defizite. Störungen des Kontrastsehens zeigten in Studien verlässlicher eine verminderte Fahrfähigkeit bei Parkinson-Patienten an als eine reduzierte Sehschärfe, was für Fahrten in der Dämmerung oder bei Dunkelheit berücksichtigt werden sollte.
Einfluss der Medikation
Die Parkinson-Medikation kann durch die Verbesserung der Motorik und - sofern durch den Dopaminmangel bedingt - Kognition zu einer Verbesserung der Fahrfähigkeit führen.
Andererseits können medikamentös bedingte Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit oder Schlafattacken, zum Beispiel unter höherer L-Dopa-Dosis oder insbesondere unter Therapie mit Dopaminagonisten, das Unfallrisiko bei Parkinson-Patienten erhöhen.
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Patienten müssen vor Einleitung oder bei Dosiserhöhung von Dopaminergika hierüber aufgeklärt werden. Zu beachten ist, dass Schlafattacken in der Hälfte der Fälle ohne Vorwarnung (Prodromi) auftreten und somit das Argument „ich fahre rechts ran, wenn ich müde werde“ nicht zählt.
Bei Schlafattacken darf kein Kraftfahrzeug geführt werden (Fahrunfähigkeit). Die im Praxisalltag leicht anzuwendende deutsche Version der Epworth Sleepiness Scale erfasst als Selbstevaluationstest Tagesmüdigkeit und auch recht sensitiv vorausgegangene Schlafattacken beim Autofahren.
Insbesondere Dopaminagonisten können zu Impulskontrollstörungen führen, die die Fahrfähigkeit einschränken.
Selten kann unter höher dosierter L-Dopa-Therapie ein Dysregulationssyndrom mit rücksichtslosem und Risiko suchendem Fahren auftreten.
Die Tiefe Hirnstimulation (THS) birgt nach bisheriger Kenntnis abseits der allgemeinen Empfehlungen für Parkinson-Betroffene kein spezifisches fahrrelevantes Risiko. Eine Untersuchung von Patienten mit THS im Nucleus subthalamicus zeigte sogar bessere Leistungen im Fahrsimulator bei operierten versus rein medikamentös behandelten Parkinson-Patienten und unter Stimulation versus Medikation mit L-Dopa. Nach einer tiefen Hirnstimulation besteht automatisch ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten. Ob danach erneute Fahrtüchtigkeit besteht, richtet sich nach dem Gesundheitszustand des Patienten.
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Rechtliche Aspekte und Verantwortlichkeiten
Der behandelnde Arzt ist medizinisch und gesetzlich verpflichtet, den Patienten von sich aus hinsichtlich des Führens eines Kraftfahrzeuges aufzuklären und zu beraten. Die Aufklärung soll in einem persönlichen Gespräch („mündlich“) erfolgen und in der Patientenakte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung dokumentiert werden. Das Überreichen eines Informationsblattes zur Eigenlektüre reicht nicht aus.
Aufzuklären ist über die generelle Fahreignung hinsichtlich der geistigen, körperlichen und charakterlichen Eignung im Sinne einer Diagnoseaufklärung (zum Beispiel bei Parkinson-Demenz) oder über die situations- und zeitbezogene Fahrfähigkeit als Therapieaufklärung (zum Beispiel bei Schlafattacken durch Dopaminergika).
Grundsätzlich gilt eine einmal erteilte PKW-Fahrerlaubnis zeitlich unbeschränkt. Dies bedeutet, dass der Führerschein nicht gleich bei der Diagnose abgegeben werden muss. Klare rechtliche Regelungen gibt es deshalb nicht. Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) hält in ihrer vierten Anlage dazu fest, dass bei leichten Fällen und erfolgreicher Therapie dem Autofahren mit Parkinson nichts im Wege steht. Liegen bereits Beschränkungen oder Auflagen vor und werden im Zuge der Parkinsonerkrankung festgehalten, erfolgt eine Nachuntersuchung in Abständen von ein, zwei oder vier Jahren.
Wird die Fahrerlaubnisbehörde auf den Patienten aufmerksam, weil der Arzt oder Dritte die Erkrankung meldeten oder ein Unfall passiert, verlangt diese ein Gutachten eines Neurologen. Dieser muss eine Zusatzqualifikation im Bereich der Verkehrsmedizin vorweisen. Das Gutachten muss dann der Behörde vorgelegt werden. Symptome wie Bewegungsstarre, ein starker Tremor, Demenz oder Aufmerksamkeitsstörungen können dazu führen, dass die Fahrerlaubnis entzogen wird. Unter Umständen wird ein Attest des Gesundheitsamtes verlangt. In Betracht kommt ebenfalls eine MPU mit Fahrprobe, sofern die Fahrerlaubnisbehörde dies für angemessen hält.
Es gilt das Prinzip der Selbstverantwortung. Nach § 2 FeV muss jeder Verkehrsteilnehmer selbst Vorsorge für eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr tragen. Zudem darf laut Straßenverkehrsgesetz (StVG) nur derjenige ein Fahrzeug steuern, der die notwendigen körperlichen und psychischen Voraussetzungen erfüllt. Jeder Verkehrsteilnehmer (insbesondere also auch jeder Patient) hat somit die Pflicht, seine Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr zu prüfen und bei Unsicherheit ärztlichen Sachverstand einzuholen.
Wer an einer Krankheit leidet, die die Fahrtauglichkeit einschränken kann, muss regelmäßig seine Fahreignung überprüfen lassen. Und das gilt nicht nur für berufstätige Fahrer, also LKW-, Bus- oder Taxifahrer, sondern auch für alle, die privat Auto fahren wollen.
Patienten und Angehörigen müssen wissen, dass das Führen eines Kraftfahrzeugs im Zustand der Fahruntüchtigkeit einen Strafbestand darstellen kann. Denn gemäß § 315 c Absatz 1 Ziffer 1b StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft, wer infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen.
Beurteilung in der Praxis
Für den Arzt ist die Beratung hinsichtlich der Fahreignung schwer, da es keine standardisierte, für die Fahreignung prädiktive Testbatterie gibt. Eine Beurteilung durch verschiedene kognitive, visuelle und motorische Tests kann im Einzelfall möglich sein, ist aber im Praxisalltag kaum umsetzbar. Die Einschätzung der Angehörigen ist wichtig und als Prädiktor für die Fahreignung standardisierten klinischen Messparametern gegenüber oft überlegen. Ein deutliches Warnsignal ist nach Ansicht von Buhmann, wenn Angehörige nicht mehr als Beifahrer mitfahren wollen. „Ein solcher Hinweis ist besser als jede Testbatterie.“
Neben der Fremdanamnese (Angehörige als Beifahrer!) sollte gezielt vom Arzt nach fahrrelevanten Defiziten gefragt (Tagesmüdigkeit, Schlafattacken, Impulskontrollstörungen, Halluzinationen) und darauf hin untersucht (motorische Defizite, Sehstörungen, visuo-konstruktive Probleme, kognitive Defizite, verlangsamte Reaktionen) werden.
Symptome, die eine fehlende Fahreignung anzeigen
Symptome wie Bewegungsstarre, ein starker Tremor, Demenz oder Aufmerksamkeitsstörungen können dazu führen, dass die Fahrerlaubnis entzogen wird. Eine generell fehlende Fahreignung durch Nebenwirkungen der Medikation besteht bspw. bei unvermittelt auftretendem Sekundenschlaf, aggressiven Impulskontrollstörungen oder durchgehenden Halluzinationen.
Eine Fahreignung kann individuell unter Auflagen bedingt gegeben sein, zum Beispiel:
- für Fahrten nur bei Tageslicht
- in einem begrenzten Umkreis
- begrenzt auf Fahrzeuge mit bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit oder
- behindertengerechter baulicher Umrüstung. Berufstätige Parkinson-Patienten, welche in einem leichten Stadium der Erkrankung sind und ihr Fahrzeug zum Erreichen des Arbeitsplatzes benötigen, haben Anspruch auf Förderung, sollte ein Umbau erforderlich sein (z.B. von Fuß- auf Handbremse). Die Kraftfahrzeughilfeverordnung informiert im Detail, welche Leistungen bezuschusst werden.
Praktisches Vorgehen bei Zweifeln
Der Arzt kann eine informelle Abklärung mit neuropsychologischer Untersuchung und/oder eine Fahrprobe bei einer Fahrschule oder beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) vorschlagen. Diese erfolgt unter Wahrung der Schweigepflicht, so dass negative Ergebnisse nicht an die Behörde gemeldet werden. Eine Liste von Fahrschulen mit Erfahrung bei Fahrproben auch von behinderten Kraftfahrern findet sich auf der Homepage der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e. V. (BVF).
Eine positive Bewertung der Fahreignung dokumentiert den Willen des Patienten, seine Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr zu prüfen (Vorsorgepflicht) und schützt im Falle eines Unfalls vor dem Vorwurf der Fahrlässigkeit, ist aber keine formelle und somit keine rechtsverbindliche Abklärung.
Eine negative Einschätzung des Fahrlehrers kann für den Arzt eine Objektivierung seiner Einschätzung der fehlenden Fahreignung sein und somit auch eine Argumentationshilfe dem Patienten gegenüber.
Tipps für Betroffene
Sie möchten trotz Parkinson Autofahren? Dem Autofahren bei Parkinson steht also erst einmal nichts im Wege. Allerdings wird dabei auf die Eigenverantwortung der Patienten gesetzt. Betroffene sollten Rücksprache mit ihrem Arzt halten und die Problematik besprechen. Fühlen sich Parkinsonpatienten beim Führen eines Fahrzeugs unsicher, so kann ein Fahrlehrer objektiv die Fahreignung bewerten. Merken Patienten, dass sie beim Autofahren plötzlich müde und unkonzentriert werden, sollten diese Kontakt zum Neurolegen aufnehmen.
Bestehen Zweifel an der eigenen Fahreignung, sollte dies gegenüber dem Arzt unbedingt thematisiert werden. Die Beurteilung, inwieweit eine Einschränkung der generellen Fahreignung (Fahrtauglichkeit) oder temporären Fahrfähigkeit (Fahrtüchtigkeit) vorliegt, muss durch einen in dem Gebiet erfahrenen Neurologen/Nervenarzt erfolgen, gegebenenfalls ist ein psychologisches Gutachten einzuholen oder eine Fahrprobe durchzuführen. In Abhängigkeit von der Dynamik und Schwere der Erkrankung ist eine ärztliche Nachbeobachtung in vom Gesetzgeber festgelegten Zeitintervallen notwendig.
Auch Fahrsimulatoren könnten das reale Autofahren in der Stadt oder auf der Autobahn nicht exakt abbilden.Parkinsonpatienten könnten aber ihre Fahrtauglichkeit in Fahrschulen prüfen lassen, die speziell auf Menschen mit Handicap ausgerichtet sind. Auch der TÜV bietet laut der DGN solche Fahrstunden mit einem Fahrlehrer an.
Alternativen zum Autofahren
Für die meisten Menschen ist es ein großer Einschnitt, nicht mehr selbst Auto fahren zu dürfen. Man verliert nicht nur an Mobilität und Bequemlichkeit, sondern auch an Selbstwert und Lebensgefühl: Autofahren steht noch immer für Unabhängigkeit und Freiheit.
Wenn die Fahreignung nicht mehr gegeben ist, gibt es verschiedene Alternativen, um mobil zu bleiben:
- Öffentliche Verkehrsmittel: Busse und Bahnen bieten eine gute Möglichkeit, um unabhängig zu bleiben.
- Fahrdienste: Es gibt spezielle Fahrdienste für Menschen mit Behinderungen.
- Taxis: Taxis sind eine bequeme, aber auch teure Alternative.
- Mitfahrgelegenheiten: Freunde und Familie können bei Bedarf aushelfen.
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