Die Früherkennung von Demenzerkrankungen, insbesondere der Alzheimer-Krankheit, ist ein zentrales Anliegen der medizinischen Forschung. Da es bisher keine Heilung gibt, konzentrieren sich die Bemühungen darauf, die Krankheit so früh wie möglich zu erkennen, um präventive Maßnahmen zu ergreifen und den Krankheitsverlauf möglicherweise zu verlangsamen. Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von Bluttests, die eine einfache und kostengünstige Alternative zu aufwendigeren und belastenderen Diagnoseverfahren darstellen könnten.
Die Notwendigkeit der Früherkennung
Alzheimer ist eine unheilbare Hirnerkrankung, die sich langfristig zu einer Demenz entwickelt. Die Diagnose erfolgt in der Regel auf der Grundlage neuropsychologischer Tests, die das Gedächtnis und andere geistige Fähigkeiten auf die Probe stellen. Diese werden bei Auffälligkeiten idealerweise durch Untersuchungen des Gehirns und der Rückenmarksflüssigkeit ergänzt.
André Fischer, Forschungsgruppenleiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Göttingen und Professor für Epigenetik neurodegenerativer Erkrankungen an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), betont die Notwendigkeit neuer Ansätze zur Früherkennung: „Wir brauchen nicht nur bessere Therapien zur Behandlung von Alzheimer, sondern auch neue Ansätze, um diese Erkrankung zu erkennen - und zwar frühzeitig, wenn Symptome einer Demenz, wie Gedächtnisstörungen, zwar noch nicht auftreten, sich die Krankheit aber bereits im Verborgenen entwickelt.“
Aktuelle Diagnosemethoden
Die Diagnose von Demenz umfasst in der Regel mehrere Schritte:
Anamnese: Ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt über aktuelle Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamente und mögliche Risikofaktoren.
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Körperliche Untersuchung: Eine allgemeine körperliche Untersuchung zur Beurteilung des Gesundheitszustands.
Kognitive Tests: Neuropsychologische Tests, die wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung geben können. Diese Tests prüfen Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache und andere höhere Hirnfunktionen. Es gibt sowohl Kurztests als auch ausführlichere Testverfahren.
Weitere Untersuchungen: Je nach vermuteter Demenzform können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie z.B. der Nachweis bestimmter Biomarker im Nervenwasser (Liquor) oder Blut, bildgebende Verfahren (MRT, PET, SPECT) oder genetische Beratungen.
Bluttests als vielversprechende Alternative
Bluttests bieten die Möglichkeit, Demenzrisiken frühzeitig und minimalinvasiv zu erkennen. Sie könnten eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Diagnosemethoden sein und helfen, teure und oft unangenehme Untersuchungen zu vermeiden.
MicroRNAs im Blut
Ein deutsch-amerikanisches Forschungsteam hat gezeigt, dass eine Alzheimer-Demenz und ihre Vorstufe durch die Messung sogenannter MicroRNAs im Blut erkannt werden können. MicroRNAs sind Moleküle mit regulierender Wirkung, die die Herstellung von Proteinen und damit zentrale Abläufe des Stoffwechsels beeinflussen.
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Die Forschenden haben festgestellt, dass bestimmte MicroRNAs für die Diagnose entscheidend sind. Aus dem Gesamtmuster ihrer Konzentrationen wurde mithilfe von Machine Learning eine Art molekularer Fingerabdruck erstellt. Anhand dieser Signatur konnten Menschen mit Alzheimer-Demenz und auch solche mit hohem Demenzrisiko identifiziert werden.
Beta-Synuclein als Biomarker
Forschungsgruppen der Universitätsmedizin Halle und Ulm haben das Protein Beta-Synuclein als Kandidaten für eine frühzeitige und minimalinvasive Alzheimer-Diagnose identifiziert. Beta-Synuclein ist ein präsynaptisches Protein, also ein Bestandteil der Nervenenden. Die Konzentration von Beta-Synuclein im Nervenwasser ist bei der Alzheimer-Erkrankung frühzeitig erhöht.
Es zeigte sich eine gute Korrelation zwischen den für die Alzheimer-Erkrankung typischen Atrophiemustern im Schläfenlappen und dem Anstieg des Proteins Beta-Synuclein im Blut. Mittels einer eigens entwickelten und hochsensitiven Methode lässt sich dieses Protein auch in einer Blutprobe nachweisen.
Phosphoryliertes Tau-Protein (p-Tau)
Die Tau-Protein-Varianten p-Tau 181 und 217 gelten als frühe Warnsignale für Alzheimer, wenn sie vermehrt im Nervenwasser auftreten. Ein internationales Forscherteam hat gezeigt, dass das Protein ptau-217 im Blutplasma von Probanden deutlich erhöht war, wenn auch die für Alzheimer typischen Ablagerungen im Gehirn gefunden wurden.
Allerdings wurde auch festgestellt, dass die Konzentrationen von p-Tau 181 im Blut von ALS-Patienten erhöht war, nicht aber im Nervenwasser, wie man es von Menschen mit Alzheimer kennt. Die p-Tau-Proteine sind zwar wertvolle Kandidaten für eine Alzheimer-Frühdiagnose mittels Bluttest, aber eben nicht so spezifisch, wie man sich das wünscht.
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Amyloid-Beta-Peptide
Ein in den USA bereits zugelassener Bluttest misst das Verhältnis der Peptide Beta-Amyloid-40 (Aβ40) und Beta-Amyloid-42 (Aβ42) zueinander. Ein höherer Anteil von Aβ42 deutet bei Patienten mit ersten Symptomen einer Demenz daraufhin, dass es sich wahrscheinlich um eine Alzheimer-Erkrankung handelt.
Immuno-Infrarot-Sensor
Ein von Prof. Dr. Gerwert und seinem Team der Ruhr-Universität Bochum entwickelter Test misst mit Hilfe des Immuno-Infrarot-Sensors die für Alzheimer charakteristische Fehlfaltung des Peptids Beta-Amyloid, die der Bildung von Plaques vorausgeht und bereits vor dem Auftreten von Symptomen messbar ist.
Herausforderungen und ethische Bedenken
Obwohl Bluttests vielversprechend sind, gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen:
Spezifität: Einige Biomarker sind nicht spezifisch für Alzheimer, sondern können auch bei anderen Erkrankungen erhöht sein.
Vorhersagekraft: Verdächtige Marker im Blut sagen nicht immer zuverlässig voraus, ob jemand tatsächlich noch zu Lebzeiten dement werden wird.
Ethische Bedenken: Solange es keine heilende Therapie gibt, gibt es ethische Bedenken bezüglich Langzeittests, die bereits viele Jahre im Voraus das Risiko für Demenzerkrankungen aufzeigen. Es besteht die Gefahr, dass dies bei Betroffenen vor allem Panik schürt.
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