Die moderne Neuroradiologie spielt eine entscheidende Rolle bei der Untersuchung und Behandlung von Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems sowie des Kopf- und Halsbereiches. Sie umfasst die Diagnostik und Therapie des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven und Blutgefäße mittels verschiedener bildgebender Verfahren. Zu diesen Verfahren gehören die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT). Die Neuroradiologie ist ein spezialisierter Bereich der Radiologie, der eine zusätzliche Weiterbildung erfordert.
Bildgebende Verfahren in der Neuroradiologie: CT und MRT im Vergleich
Zur Untersuchung von Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems haben sich vor allem die Computertomographie (CT) und in zunehmendem Maße die Magnetresonanztomographie (MRT) durchgesetzt. Beide Methoden bieten unterschiedliche Vor- und Nachteile, die je nach Fragestellung und Patientensituation berücksichtigt werden müssen.
Computertomographie (CT)
In akuten Notfallsituationen, wie beispielsweise bei Verdacht auf einen Schlaganfall, steht in der Regel die Computertomographie (CT) am Anfang der Diagnostik. Je nach Fragestellung kann es erforderlich sein, ein Röntgenkontrastmittel zu verabreichen. Die Vorteile der CT liegen in ihrer breiten Verfügbarkeit und der schnellen, unkomplizierten Durchführbarkeit. Die eigentliche Untersuchung dauert normalerweise nur wenige Minuten.
Allerdings muss aufgrund der mit diesem auf Röntgenstrahlen basierenden Verfahren einhergehenden Strahlenbelastung, vor allem bei jüngeren Patienten, stets eine strenge Abwägung von Nutzen und Risiko erfolgen.
Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Magnetresonanztomographie (MRT) bietet den Vorteil, ohne Strahlenbelastung kontrastreiche, hochauflösende Bilder des Gehirns, des Rückenmarks und der Wirbelsäule liefern zu können. Daher stellt die MRT bei den meisten Krankheitsbildern und Fragestellungen des Nervensystems das Verfahren der ersten Wahl dar. Auch hier erhöht sich die Aussagekraft häufig durch die Gabe eines Kontrastmittels.
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Der Nachteil des Verfahrens liegt zum einen in der je nach Fragestellung deutlich längeren Untersuchungsdauer (ca. 15 - 45 Minuten). Zum anderen dürfen sich aufgrund des herrschenden starken Magnetfeldes nicht alle Patienten im Kernspintomographen untersuchen lassen (z.B. Patienten mit Herzschrittmachern).
Integrative Bildgebung des Nervensystems
Die integrative Bildgebung des Nervensystems umfasst die Klärung von Erkrankungen und Funktionsstörungen des Nervensystems durch bildgebende Verfahren. Untersuchungsgegenstand sind z. B. eine drohende Durchblutungsstörung im Gehirn (Schlaganfall), die Risikoeinschätzung einer Verengung der Halsschlagader, Entzündungen von Gehirn und Rückenmark, Gedächtnisstörungen (Demenz), Tumorerkrankungen und Verlaufskontrollen nach einer Behandlung, unklare neurologische Symptome und Erkrankungen peripherer Nerven. Für die Untersuchung stehen modernste Geräte zur Verfügung, wie z.B. das 3 Tesla MRT „Lumina“ von Siemens. Gestochen scharfe und hochauflösende Bilder bei kürzeren Untersuchungszeiten ermöglichen eine Diagnostik auf höchstem Niveau.
Anwendung der MRT in der Neuroradiologie
Die MRT findet in der Neuroradiologie breite Anwendung bei der Diagnose verschiedener Erkrankungen des Nervensystems. Einige Beispiele sind:
Entzündungen des zentralen Nervensystems
Mittels MRT des Gehirns und des Rückenmarks können Entzündungen des zentralen Nervensystems, wie die Multiple Sklerose, dargestellt werden. MS-Läsionen können mit computergestützter Auswertung objektiv bestimmt und im Verlauf verglichen werden. Weitere Erkrankungen sind Gefäßentzündungen (Abklärung von Kopfschmerzen, Schlaganfall und Vaskulitis) sowie Hirn- und Hirnhautentzündungen.
Demenz und neurodegenerative Erkrankungen
Viele Menschen leiden unter Gedächtnisstörungen, ausgelöst durch eine Erkrankung des Gehirns. Betroffen sind Kurzzeitgedächtnis, Denkvermögen, Sprache, Motorik und häufig auch die Persönlichkeitsstruktur. Es wird u. a. zwischen der Alzheimer-Krankheit als häufigste Form einer Demenz und der gefäßbedingten (vaskulären) Demenz unterschieden. Zur Untersuchung dieser Krankheitsbilder kommt das MRT des Gehirns inklusive computerassistierter Gehirnvolumetrie zum Einsatz, um Muster verschiedener Formen von Demenz und neurodegenerativen Erkrankungen objektiv zu bestimmen. Die SWI (Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung) hilft zudem, typische Muster degenerativer Veränderungen zu erfassen und alte Mikroblutungen nachzuweisen.
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Erkrankungen des peripheren Nervensystems
Die MR-Neurographie ist eine moderne neuroradiologische Methode zur Untersuchung peripherer Nerven. Sie hilft bei der Diagnose von Lähmungen der peripheren Nerven, wie z. B.:
- Peroneuslähmung der Wadenmuskulatur
- Carpaltunnelsyndrom
- Armplexuslähmung
- Meralgia-Paraesthetika (Nervenkompressionssyndrom)
Erkrankungen der Blutgefäße
Typische Krankheitsbilder sind Verengungen der Halsschlagader, Aneurysmen der Hirnarterien, chronische Durchblutungsstörungen sowie Mikro-Blutungen bei Erkrankung der kleinen Blutgefäße. Zur Diagnose und Therapie dieser Erkrankungen werden vor allem folgende Verfahren durchgeführt:
- Gefäßuntersuchungen (MR- und CT-Angiographie)
- Messungen der Hirndurchblutung (Perfusionsmessung)
- Detaildarstellung einer Verengung der Hirnschlagadern (Plaque-Imaging)
- Erkennung von akut durchblutungsgestörtem Hirngewebe (Diffusionsbildgebung)
- Nachweis von Mikro-Blutungen (SWI = suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung)
Hirntumoren und Verlaufskontrollen
Zur Diagnose von Hirntumoren und Verlaufskontrollen nach Therapie werden Spezialverfahren der MR-Bildgebung angewendet.
MR-Neurographie: Detaillierte Darstellung peripherer Nerven
Die MR-Neurographie, auch Nerven-MRT genannt, ist ein innovatives, neuroradiologisches Untersuchungsverfahren, mit dem das periphere Nervensystem hochaufgelöst dargestellt werden kann.
Wann ist eine MR-Neurographie sinnvoll?
Eine MR-Neurographie kann bei verschiedenen Beschwerden angebracht sein, wie z.B.:
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- Unklare Schmerzen, wenn trotz verschiedener Untersuchungen keine Ursache gefunden werden konnte
- Andauernde (chronische) Schmerzen
- Schmerzen an mehreren Stellen gleichzeitig (Polyneuropathien)
- Stechende Schmerzen und Missempfindungen in Fingern und Händen
- Stechende Schmerzen und Missempfindungen in Beinen und Füßen
- Starke Schmerzen, die nicht auf Medikamente ansprechen
- Lähmungen
Ablauf einer MR-Neurographie
Bei der Nerven-MRT (auch MR Neurographie) werden betroffene Körperregionen gezielt untersucht. So können zum Beispiel die Nerven ausgehend von der oberen Wirbelsäule/Nacken über das Arm-Nerven-Geflecht und den Arm bis in die Finger dargestellt werden. Zudem werden die anatomischen Nachbarstrukturen wie Gelenke, Knochen und Muskeln mituntersucht.
Die MR-Untersuchung wird entsprechend der individuellen Schmerzanamnese von Spezialisten geplant und sorgfältig ausgewertet. Die Untersuchung wird in der Rückenlage durchgeführt und dauert in der Regel ca. 30 Minuten.
Vorteile der MR-Neurographie
Die Nerven-MRT ist oft die beste Untersuchungsmethode, wenn es darum geht, eine geeignete Therapie einzuleiten, um Schmerzen zu beheben oder zumindest zu lindern. Mit dem Nerven-MRT lassen sich gezielt längere Nervenabschnitte darstellen. Mit diesem Scan kann der Zustand eines Nervs bis auf Ebene der Nervenbündel beurteilt werden. Zudem werden alternative Ursachen für den jeweiligen Schmerz mit abgeklärt.
Die MRT Untersuchungen der Nerven werden in Zusammenarbeit mit international anerkannten Experten für die neurologische Bildgebung fortlaufend weiterentwickelt. So können die Aufnahmen vor Ort mit modernster Aufnahmetechnik und nach neuestem Stand der Wissenschaft angefertigt werden. Die Auswertung der Aufnahmen wird durch Neuroradiologie-Experten durchgeführt.
Myelographie und Myelo-CT
Die Myelographie ist ein Röntgenverfahren, bei dem der Rückenmarkskanal und die Nervenaustrittskanäle durch Einbringung eines Kontrastmittels sichtbar gemacht werden. In der Ära vor der Computer- und Magnetresonanztomographie wurde das Verfahren vor allem zur Beurteilung von Bandscheibenvorfällen und Raumforderungen im Wirbelkanal eingesetzt. Heute kommt die Methode nur noch bei speziellen Fragestellungen oder in Kombination mit einer CT-Untersuchung zum Einsatz.
Indikationen
- Kontraindikation für eine CT- oder MRT-Untersuchung
- Fehlende Beurteilbarkeit der Wirbelsäule in CT- oder MRT-Aufnahmen bei metallischen Implantaten
- Beurteilung von Wirbelkanaleinengungen sowie Nervenwurzelkompressionen bei Bewegung, sog. dynamische Myelographie (z.B. beim Vornüberbeugen oder Zurückneigen der Wirbelsäule)
- Darstellung des Rückenmarkes bzw. der Nervenfasern bei metallischen Implantaten (auch unter Nutzung eines Dual-Energy-CTs)
- Lagebeziehung von Nervenfasern zu vorgewölbten Bandscheiben
Ablauf des Eingriffs
Die Untersuchung wird im Sitzen (in vornübergebeugter Sitzposition), in Seitenlage (in Rundrückenposition mit angezogenen Knien) oder in Bauchlage durchgeführt. Die Punktionshöhe wird anhand anatomischer Landmarken (Beckenkamm), dem Tastbefund der Wirbelkörperdornfortsätze und vorhandener Röntgenaufnahmen festgelegt.
Nach gründlicher Desinfektion (ggf. zusätzliche Lokalanästhesie) und sterilem Abdecken wird eine dünne Punktionskanüle zwischen den Dornfortsätzen der unteren Lendenwirbelkörper in Richtung Rückenmarkskanal vorgeschoben. Nach Rücklauf von Nervenwasser wird über die Punktionskanüle ein wasserlösliches, nichtionisches, jodhaltiges Kontrastmittel in den Rückenmarkskanal eingebracht und die Punktionskanüle entfernt.
Anschließend werden Röntgenaufnahmen in verschiedenen Projektionen und ggf. Funktionsaufnahmen angefertigt. In Abhängigkeit der Untersuchungsregion verbleibt das Kontrastmittel in der Lendenwirbelsäule oder wird unter Kopftieflagerung in die Brust- oder Halswirbelsäule befördert.
Heutzutage wird nach Gabe von Kontrastmittel in den Rückenmarkschlauch häufig eine CT-Untersuchung der Wirbelsäule (ein sog. Myelo-CT) durchgeführt. Dabei lassen sich dann Nervenfasern im Wirbelkanal millimetergenau abgrenzen. Für eine Myelo-CT-Untersuchung muss man sich nach Einbringung des Kontrastmittels über eine kurze Zeit im Liegen drehen, damit sich das Kontrastmittel im Rückenmarksschlauch gut verteilt.
Wichtige Hinweise
Die Untersuchung wird in der Regel stationär durchgeführt. Patienten erhalten mindestens einen Tag vor der geplanten Untersuchung ein Aufklärungsgespräch, bei dem das Verfahren sowie mögliche Risiken (wie z.B. Nachblutung, Nervenverletzung, Infektion und Liquorverlust-Syndrom besprochen werden). Bestehende Unverträglichkeiten (Allergien) auf Desinfektionsmittel, jodhaltiges Kontrastmittel und Pflaster müssen im Vorfeld mitgeteilt werden.
Für die Untersuchung müssen folgende Blutwerte bekannt sein (Blutgerinnung: Quick, PTT, INR-Wert, Thrombozytenzahl; Schilddrüse: TSH). Die Laborwerte sollten nicht älter als vier Wochen sein und können bereits ambulant bestimmt werden.
Diagnostik von Nervenschädigungen durch Neurologen
Auch wenn Symptome wie Schmerzen, Taubheitsgefühle, Störungen in den Bewegungsabläufen und ein verminderter Tastsinn bereits auf eine Nervenschädigung hinweisen können, gibt es zahlreiche sehr gute Verfahren zur sicheren Diagnosestellung. Experte für die Feststellung von Nervenschädigungen ist der Neurologe. Er ist auf Störungen und Erkrankungen des Nervensystems spezialisiert. Zum einen versucht der Facharzt herauszufinden, ob, wo und in welchem Ausmaß eine Nervenschädigung vorliegt.
Untersuchungsmethoden des Neurologen
Der Neurologe führt zunächst ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, in dem er sich nach dessen Krankengeschichte und den aktuellen Beschwerden erkundigt. Während des Gesprächs werden zudem die Art und die Intensität der Schmerzen klassifiziert.
Anschließend führt der Neurologe verschiedene neurologische Tests durch, um die Funktion der Nerven zu überprüfen. Dazu gehören beispielsweise die Überprüfung der Reflexe, der Muskelkraft und der Sensibilität.
Elektrophysiologische Untersuchungen
Zur weiteren Abklärung können elektrophysiologische Untersuchungen durchgeführt werden, wie z.B.:
- Elektroneurographie (ENG): Bei einer Elektroneurographie misst der Mediziner die Nervenleitgeschwindigkeit - also die Fähigkeit eines Nervs, elektrische Impulse zu leiten.
- Elektromyographie (EMG): Bei einer Elektromyographie wird die elektrische Muskelaktivität (also das Zusammenspiel von versorgenden Nerven und Muskelpartie) bestimmt.
Weitere diagnostische Maßnahmen
Ist eine Nervenschädigung erkannt, muss der auslösende Faktor ermittelt werden. Spezielle Messwerte und Parameter des Bluts können Hinweise auf die Ursache einer Nervenschädigung geben. Mithilfe der Liquoruntersuchung kann entschieden werden, ob Gehirn und Rückenmark von den Nervenschädigungen betroffen sind. Bei einer Nervenbiopsie wird während eines kurzen chirurgischen Eingriffs unter örtlicher Betäubung eine Gewebeprobe direkt aus einem Nerv entnommen.
In der Regel ist eine Kombination der genannten Methoden nötig, um eine Nervenschädigung und deren Ursache zu erkennen und daraus eine gezielte Behandlung abzuleiten.