Märchen als wertvolle Aktivierung für Menschen mit Demenz

Märchen sind für viele Menschen ein Leben lang ein treuer Begleiter. Oftmals sind es die ersten Geschichten, die in der Kindheit erzählt oder vorgelesen werden. Diese frühen Erfahrungen und die damit verbundenen Erinnerungen bleiben tief in uns verankert. Rituale wie das Vorlesen vermitteln Sicherheit und Geborgenheit, Gefühle, an die sich Menschen bis ins hohe Alter gerne erinnern. Daher können Märchen eine wertvolle Ressource in der Betreuung von Menschen mit Demenz darstellen.

Warum Märchen für Menschen mit Demenz geeignet sind

  • Erinnerungen werden wach: Bekannte Märchen, Märchensprüche, Figuren und Elemente der Geschichten sind oft tief im Langzeitgedächtnis von Senioren verankert. Gerade frühe Erinnerungen und damit auch die Erinnerung an Märchen aus der Kindheit, sind bei dementen Menschen meistens noch erhalten und positiv behaftet.
  • Emotionale Zugänglichkeit: Märchen bieten einen niedrigschwelligen und emotionalen Zugang zu Menschen mit Demenz. Die Geschichten sind seit Generationen unverändert und werden weitergegeben, sodass sich fast jeder daran erinnert.
  • Einfache Handlungen und klare Symbole: Märchen haben oft eine einfache Handlung und sind mit klaren Symbolen und Bildern ausgestattet, die leicht zu verstehen sind. Beispielsweise: Ein Königspaar, das sich ein Kind wünscht, eine böse Fee, die eine Prophezeiung ausspricht, ein Fluch, der sich erfüllt und eine wunderschöne Prinzessin, die von einem tapferen Prinzen gerettet wird.
  • Vertrautheit und Geborgenheit: Das Wiedererkennen bekannter Geschichten vermittelt ein Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit.
  • Anregung zur Kommunikation: Märchen können Erinnerungen und Gespräche auslösen. Zuhörer erinnern sich vielleicht an ähnliche Geschichten aus ihrer Kindheit oder haben eigene Interpretationen.
  • Positive Auswirkungen: Die Märchenstunde kann positive Auswirkungen haben, wie die Stärkung der kognitiven Fähigkeiten, Verbesserung der psychischen Gesundheit, Förderung des Wohlbefindens, soziale Interaktionen, Optimierung der motorischen Kompetenzen, Unterstützung der Gemeinschaftsbildung, Reduzierung von herausforderndem Verhalten und Vorbeugung von Depressionen.
  • Seniorengerechte Texte: Bei der Seniorenarbeit sollten möglichst alte Märchen und Geschichten von früher eingesetzt werden, da diese Texte vorhandene Erinnerungen anstoßen können. An Texte die erst zur heutigen Zeit geschrieben wurden, können sich Senioren nicht erinnern, weil sie sie nicht kennen und verbinden damit auch nichts. Schreibweise, Wortgebrauch und Inhalte alter Texte sind eher seniorengerecht als die Texte heutiger Autoren, denen manches Mal die nötige Empathie für den Bedarf älterer und demenzieller Menschen fehlt.

Gestaltung von Aktivierungen mit Märchen

Um die Aktivierung von Senioren und Menschen mit Demenz mit dem Thema Märchen zu unterstützen, gibt es zahlreiche Materialien und Ideen, die beliebig kombiniert und genutzt werden können. Das Thema Märchen kann sowohl in Bewegungseinheiten als auch in das Gedächtnistraining oder Seniorenspiele integriert werden.

Gesprächsrunden

Zum Einstieg in das Thema Märchen ist es immer schön, mit den Senioren ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, welche Erinnerungen sie an Märchen aus der Kindheit und im Erwachsenenalter haben und welche Assoziationen ihnen dazu in den Sinn kommen. In einem angenehmen Rahmen können sich sehr schöne und persönliche Gespräche entwickeln.

Gedächtnistraining

Das Gedächtnistraining mit Senioren rund um das Thema Märchen ist sehr beliebt und gut umzusetzen, da die Märchen, bekannte Märchensprüche, die Figuren und bestimmte Elemente der einzelnen Geschichten tief im Langzeitgedächtnis der Senioren verankert sind. So ist das Angebot auch sehr gut für Menschen mit Demenz geeignet (an die jeweiligen Ressourcen angepasst).

  • Arbeitsblätter: Arbeitsblätter lassen sich sehr gut und auf die individuellen Bedürfnisse der Mitmachenden zugeschnitten in das Gedächtnistraining integrieren. Beispiele sind ABC-Übungsblätter zum Thema Märchen, das Vervollständigen von Sprüchen, Ergänzen von Liedern oder Vokalen. Beliebte Märchen wie Froschkönig oder Rapunzel können als Grundlage dienen.
  • Märchenquiz: Es gibt fertige Märchenquizze mit Rätselfragen auf Rätselkarten.
  • Stichworträtsel: Hier soll ein Wort erraten werden, das durch lediglich vier Stichwörter umschrieben wird.
  • Übungen zu bestimmten Märchen: Zahlreiche Übungen können sich auf bestimmte Märchen beziehen.
  • Mittelwörter: Finden von Mittelwörtern zum Thema Märchen.
  • Märchenrätsel: Verschiedene Beschäftigungsangebote für Senioren in Form von Märchenrätseln.

Spiele

Es gibt zahlreiche Spiele, die in Aktivierungseinheiten rund um das Thema Märchen mit den Senioren gespielt werden können. Die Spiele sind so vorbereitet, dass sie mit nur wenig Aufwand ein- und umsetzbar sind.

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  • "Was bin ich?": Der Klassiker "Was bin ich?" aus der gleichnamigen Fernsehserie kann zum Beispiel zu dem Thema Märchen abgewandelt werden.
  • Reimrätsel und Mitsprechgedichte: Reimrätsel und Mitsprechgedichte sind in der Seniorenarbeit erfahrungsgemäß sehr beliebt.
  • Welche Märchenfigur?: Zuordnungsspiele mit Märchenfiguren wie die Bremer Stadtmusikanten oder Rotkäppchen.

Bewegung

Auch in Bewegungsangebote kann man mit Ideen zu dem Thema Märchen frischen Wind in die Sitzgymnastik mit Senioren bringen.

  • Bewegungsgeschichten: Das Märchen "Der Froschkönig" kann als Bewegungsgeschichte gestaltet werden.
  • Übungen zum Märchen: Es gibt Ideen für Übungen, die sich beim Vorlesen des Märchens Rotkäppchen gut umsetzen lassen.

Entspannung

Zur Entspannung nach Bewegungseinheiten oder auch nach einer Konzentrationsphase während des Gedächtnistrainings eignen sich Entspannungsgeschichten oder Fantasiereisen, die speziell auf die Bedürfnisse von Senioren und Menschen mit Demenz zugeschnitten sind.

Vorlesen und virtuelle Märchenstunden

Das Vorlesen von Märchen ist für Menschen mit Demenz eine hervorragende Aktivität.

  • Geeignete Märchen: Die Geschichte von Dornröschen ist dafür gut geeignet, da sie emotional ansprechend und leicht verständlich ist.
  • Virtuelle Märchenstunden: Inzwischen gibt es auch virtuelle Märchenstunden, bei denen eine virtuelle Märchenerzählerin Märchen vorliest. Solche Angebote schaffen ein wiederkehrendes Ritual und ermöglichen es, Veränderungen bei den Bewohnern besser zu beobachten.
  • Märchenland-Boxen: Ergänzend zu virtuellen Märchenstunden gibt es Märchenland-Boxen, die einen alten Märchen-Spielfilm, ein Hörbuch, ein Memory und eine Malvorlage enthalten. Diese Utensilien unterstützen das kognitive Gedächtnistraining und lassen die Märchen mit allen Sinnen erlebbar werden. Für jeden Bewohner kann etwas aus der Box herausgenommen werden.
  • Individuelle Angebote: USB-Sticks mit Kurzgeschichten können am Tablett eingesteckt und den Bewohnern individuell vorgespielt werden.

Weitere Ideen

  • Handarbeiten und Märchen: Integration des Themas Märchen in Handarbeitsaktivitäten.
  • Aktivierungskarten mit Märchensprüchen: Einsatz von Aktivierungskarten mit bekannten Märchensprüchen.
  • Märchenbücher und Utensilien: Einsatz von Märchenbüchern, Märchenmantel und Glöckchen, um die Märchenstunde mit allen Sinnen erlebbar zu machen.

Professionelles Märchenvorlesen

Damit die (nicht-virtuelle) Märchenstunde auch dauerhaft ihren Platz im Betreuungsangebot findet, werden einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu professionellen Märchenvorleserinnen und Märchenvorleser ausgebildet. Denn insbesondere das Geschichtenerzählen bei Demenzerkrankten will gelernt sein - durch Sprechtempo, Lautstärke, Aussprache und Auftreten wird auf die verschiedenen Situationen und individuellen Bedürfnisse der Zuhörenden eingegangen.

Wissenschaftliche Begleitung

Die wissenschaftliche Begleitung von Projekten mit Märchenstunden ermöglicht es, die positiven Auswirkungen auf die Bewohner und die Mitarbeitenden zu dokumentieren und zu analysieren.

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Fazit

Märchen sind ein wertvolles Werkzeug in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Sie bieten einen emotionalen Zugang, wecken Erinnerungen und fördern das Wohlbefinden. Durch die vielfältigen Möglichkeiten der Aktivierungsgestaltung können Märchen individuell an die Bedürfnisse und Ressourcen der Zuhörer angepasst werden. Die Einbeziehung von Märchen in den Alltag von Menschen mit Demenz kann somit einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität leisten.

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