Ketamin Langzeitfolgen für das Gehirn: Eine umfassende Analyse

Ketamin, ursprünglich als Narkosemittel entwickelt, findet in der Human- und Tiermedizin breite Anwendung. Aufgrund seiner bronchialmuskelentspannenden Wirkung wird es in der Notfallbehandlung schwerer Asthma-Anfälle eingesetzt. Seit 2019 ist Esketamin, ein S-Ketamin-haltiges Nasenspray, in Kombination mit oralen Antidepressiva zur Behandlung therapieresistenter Depressionen zugelassen. Unter ärztlicher Aufsicht kann Ketamin bei selbstmordgefährdeten Patienten den Schweregrad der Suizidalität verringern und ihnen helfen, sich von ihren suizidalen Gedanken zu befreien.

Trotz seiner medizinischen Vorteile birgt Ketamin Risiken, insbesondere bei missbräuchlicher Verwendung. Die halluzinogenen Nebenwirkungen, die bis zu Nahtoderfahrungen reichen können, machen es zu einer beliebten Rauschdroge. Dieser Artikel beleuchtet die Langzeitfolgen von Ketamin auf das Gehirn, basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Ketamin als Rauschdroge: Formen, Wirkung und Risiken

Als Straßendroge verbreitete sich Ketamin bereits ab Mitte der 1970er Jahre und wird in der Technoszene konsumiert. Es ist unter Namen wie „Special K“, „Vitamin K“, „Kate“ oder einfach „K“ bekannt und wird meist als weißes, kristallines Pulver gesnieft oder in Form von Flüssigkeiten oder Tabletten geschluckt. Auch das Rauchen des Pulvers oder das Spritzen der Flüssigkeit gehört zu den Konsumformen.

Die psychoaktive Wirkung von Ketamin ist vielschichtig und dosisabhängig. Niedrige Dosen erzeugen ein „beschwipstes“ Gefühl, während mittlere Dosierungen schmerzmindernde und betäubende Wirkungen hervorrufen, begleitet von einer Einschränkung der motorischen Fähigkeiten. Hohe Dosierungen führen zu einem traumartigen Rausch, in dem sich Umwelt und Ich-Wahrnehmung auflösen.

Ketamin wirkt auf verschiedene Rezeptorsysteme im Gehirn. Es blockiert Glutamat-Rezeptoren (NMDA-Rezeptoren), was die dissoziative Wirkung erklärt, und aktiviert teilweise Opioid- und Dopamin-Rezeptoren, was die schmerzhemmenden und euphorisierenden Wirkungen auslöst. Bei höherer Dosierung wird eine immer stärkere Trennung der Psyche vom Körper erlebt (Dissoziation), bis hin zu einer „Out-of-body experience“.

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Die Gefahr des K-Hole

Eine besonders riskante Erfahrung ist das sogenannte „K-Hole“, bei dem Konsumenten das Gefühl haben, in einem Loch zu sein, den eigenen Körper zu verlassen oder aus ihm herauszutreten. Die Halluzinationen werden oft als beängstigend erlebt, was zu Angstzuständen, Panikattacken und Horrortrips führen kann. Im K-Hole ist es möglich, die Umgebung noch teilweise wahrzunehmen, aber der Körper kann nicht mehr kontrolliert werden. Diese Kontrollverlust birgt Gefahren, da von außen nicht erkennbar ist, ob sich jemand im K-Hole befindet, schläft oder bewusstlos ist.

Akute Risiken und Nebenwirkungen

Neben den gewünschten Rauschwirkungen birgt Ketamin zahlreiche akute Risiken:

  • Wahrnehmungsveränderungen: Starke Wahrnehmungsveränderungen können Angstzustände bis hin zur Todesangst auslösen.
  • Eingeschränkte Fähigkeiten: Durch die eingeschränkte Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit in Kombination mit dem herabgesetzten Schmerzempfinden ist die Verletzungsgefahr erhöht.
  • Weitere körperliche Auswirkungen: Erhöhung von Blutdruck und Herzfrequenz, Zittern des Augapfels, Übelkeit und Erbrechen, Schwindel, Lähmungserscheinungen, Narkose, epileptische Anfälle und Koma.

Mischkonsum: Eine zusätzliche Gefahr

Besonders gefährlich ist der Mischkonsum von Ketamin mit anderen Substanzen, die das Atemzentrum beeinflussen, wie Alkohol, Heroin oder Gammahydroxybuttersäure (GHB). Dies kann zu lebensbedrohlichen Zuständen wie Ohnmacht, Atemdepression und Atemstillstand führen.

Langzeitfolgen von Ketamin auf das Gehirn

Langzeitfolgen eines regelmäßigen Ketaminkonsums sind noch wenig erforscht. Es gibt jedoch zunehmend Hinweise auf Schädigungen des Gehirns, der Harnwege und der Blase (Inkontinenz). Eine Kohortenstudie dokumentiert außerdem eine Neigung zur chronischen Psychose.

Strukturelle Veränderungen im Gehirn

Eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit, die 16 Studien mit insgesamt 440 chronischen Ketaminkonsumenten und 259 drogenfreien Vergleichspersonen analysierte, ergab, dass sich die Gehirne von chronisch Konsumierenden strukturell von denen abstinenter Vergleichspersonen unterscheiden. Die Dicke der Hirnrinde (graue Substanz) ist in manchen Bereichen dünner, und auch die Vernetzung zwischen Hirnregionen und die weiße Substanz ist teils weniger gut ausgeprägt. Viele der beobachteten Hirnveränderungen waren umso ausgeprägter, je länger und je mehr die Personen konsumiert hatten.

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Auswirkungen auf Kognition und Psyche

Diese Hirnveränderungen stehen in Zusammenhang mit negativen Folgen für die geistigen Leistungen und die psychische Gesundheit. Konsumierende wiesen schlechtere Gedächtnisleistungen auf als Vergleichspersonen und litten häufiger unter Depressionen. Eine Studie mit 150 Personen zeigte, dass regelmäßiger Ketaminkonsum mit deutlichen kognitiven Einbußen assoziiert war, die sich im Verlauf eines Jahres verschlimmerten. Gestört waren das Kurzzeitgedächtnis, das episodische Gedächtnis und einige exekutive Funktionen (Verstand).

Ketaminkonsum im Jugendalter: Besondere Risiken

Eine Studie aus Taiwan deutet darauf hin, dass Ketaminkonsum im Jugendalter besonders schädlich sein könnte. Da sich das Gehirn Jugendlicher in einer wichtigen Entwicklungsphase befindet, könnte der Konsum von Ketamin die Gehirnentwicklung beeinflussen. Die Studie ergab, dass bei Ketaminkonsumierenden bestimmte Bereiche der grauen Substanz kleiner ausgeprägt waren als bei abstinenten Vergleichspersonen, wobei dieser Effekt bei Früheinsteigern (Konsumbeginn vor dem 20. Lebensjahr) stärker ausgeprägt war. Besonders betroffen war der Precuneus, eine wichtige Schaltstelle für komplexe geistige Leistungen.

Das Forschungsteam vermutet, dass das Gehirn bei Jugendlichen empfindlicher auf Ketamin reagiert als bei Erwachsenen, da die durch Ketamin verursachte Blockade von NMDA-Rezeptoren im noch unreifen Gehirn länger anhält und Nervenzellen dadurch absterben können.

Konsumformen und ihre Auswirkungen

Ketamin kann auf verschiedene Arten konsumiert werden, wobei jede Konsumform unterschiedliche Wirkungsweisen und Risiken birgt:

  • Nasal (Schnupfen): Wirkungseintritt nach einigen Minuten, Wirkdauer 1-2 Stunden.
  • Oral (Schlucken): Pulver wird in Wasser oder Saft aufgelöst und getrunken. Wirkungseintritt nach 5-20 Minuten, Wirkdauer variabel.
  • Intravenös (Spritzen in die Vene): Wirkungseintritt nach wenigen Sekunden. Nur Fertigarzneimittel für Injektionen verwenden und auf sterile Utensilien achten.
  • Rektal ("Up your Bum"): Ketamin-Lösung wird mit einer Spritze ohne Kanüle in den Po gespritzt. Gilt als effektiv und schonend.

Rechtliche Situation in Deutschland

In Deutschland fällt Ketamin als Arzneimittel nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Trotzdem macht sich strafbar, wer die Droge ohne Rezept illegal erwirbt. Ketaminhaltige Fertigarzneimittel sind verschreibungspflichtig, der unerlaubte Handel damit ist eine Straftat. Gemäß dem Legal High Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurde die Stoffgruppe der Arylcyclohexylamine dem Neue psychoaktive Stoffe Gesetz (NpSG) unterstellt, zu der auch Ketamin zählt.

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Prävention und Hilfsangebote

Angesichts der potenziellen Risiken ist es wichtig, sich über Ketamin und seine Auswirkungen zu informieren. Folgende Tipps können helfen, Risiken zu minimieren:

  • Nutze Drugchecking: Lasse auf dem Schwarzmarkt erworbenes Ketamin auf Streckmittel und Verunreinigungen prüfen.
  • Dosiere vorsichtig: Beginne mit einer niedrigen Dosis, um die Wirkung besser einschätzen zu können.
  • Konsumiere nicht auf vollen Magen: Iss zwei Stunden vor dem Konsum nichts.
  • Verwende saubere Utensilien: Beim nasalen Konsum ein eigenes, sauberes Ziehröhrchen ohne scharfe Kanten benutzen. Beim intravenösen Konsum immer eigene, unbenutzte Konsumutensilien (Spritze, Kanüle, Alkoholtupfer) verwenden.
  • Konsumiere nicht alleine: Intramuskulärer und intravenöser Konsum sollte nicht alleine durchgeführt werden, damit im Notfall jemand helfen kann.
  • Vermeide gefährliche Tätigkeiten: Unter Ketamin-Einfluss keine gefährlichen Tätigkeiten ausüben.
  • Achte auf deinen Körper: Bei Auffälligkeiten sofort zum Arzt gehen.

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