Kleinhirnataxie: Test, Diagnose und Behandlung

Die Kleinhirnataxie ist eine neurologische Störung, die das Kleinhirn betrifft, ein wichtiges Areal im Gehirn, das für die Koordination von Bewegungen und das Gleichgewicht zuständig ist. Die Erkrankung kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern, die von Person zu Person variieren können. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Kleinhirnataxie, einschließlich ihrer Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten.

Was ist Ataxie?

Ataxie ist ein Oberbegriff für Bewegungsstörungen, die durch eine Störung der Bewegungskoordination gekennzeichnet sind. Betroffene leiden unter unkontrollierten, überschießenden oder ungenauen Bewegungen, die nicht auf Muskelschwäche zurückzuführen sind, sondern auf eine gestörte Steuerung und Abstimmung der Bewegungen. Je nach Ursache und betroffener Struktur im Nervensystem werden verschiedene Formen von Ataxien unterschieden.

Formen von Ataxien

Ataxien können nach verschiedenen Kriterien unterschieden werden, darunter:

  • Ursache: Genetisch bedingt, erworben (z.B. durch Schlaganfall, Trauma, Entzündungen, toxische Einflüsse) oder degenerativ.
  • Lokalisation im zentralen Nervensystem (ZNS): Zerebelläre Ataxie (Kleinhirn), spinale Ataxie (Rückenmark).
  • Art der betroffenen Bewegung: Rumpfataxie, Gangataxie, Standataxie, Zeigeataxie, Gliedmaßenataxie, optische Ataxie, Sprechataxie.

Die zerebelläre Ataxie

Die zerebelläre Ataxie ist eine neurologische Störung, die durch pathologische Veränderungen im Kleinhirn entsteht. Das Kleinhirn befindet sich im hinteren Teil des Schädels und ist für die Koordination von Bewegungen und die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts von entscheidender Bedeutung. Es sammelt Informationen über die Position und Bewegung der Muskeln und Gelenke des Körpers und koordiniert diese Informationen, um eine präzise und flüssige Motorik zu ermöglichen. Bei der zerebellären Ataxie ist das Kleinhirn in seiner Fähigkeit, Bewegungen zu koordinieren, beeinträchtigt, was zu einer unkontrollierten und ungeschickten Motorik führen kann.

Ursachen der zerebellären Ataxie

Die zerebelläre Ataxie kann auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Die Identifizierung der spezifischen Ursache ist oft entscheidend für die Behandlung und das Verständnis des Krankheitsverlaufs. In einigen Fällen bleibt die Ursache der zerebellären Ataxie auch ungeklärt und wird als idiopathische Ataxie bezeichnet.

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Genetische Ursachen

Eine der häufigsten Ursachen für die zerebelläre Ataxie sind genetische Mutationen oder Veränderungen. Es gibt eine Vielzahl von Genen, die an der normalen Entwicklung und Funktion des Kleinhirns beteiligt sind, und Mutationen in diesen Genen können zu Ataxie führen. Die erbliche Ataxie kann in verschiedenen Formen auftreten, wie der Friedreich-Ataxie oder der spinozerebellären Ataxie (SCA). Häufig vererben sich diese innerhalb von Familien. Bei einem rezessiven Erbgang (z.B. Friedreichsche Ataxie) müssen beide Eltern das gleiche veränderte Gen haben und es an das Kind weitergeben, damit die Krankheit auftritt. Hat das Kind nur ein verändertes Gen, erkrankt es nicht, kann dieses aber weitergeben. Bei einem dominanten Erbgang (spinozerebelläre Ataxien und Morbus Huntington) genügt es, wenn ein Elternteil das veränderte Gen trägt. Es reicht zum Ausbruch der Krankheit aus, wenn nur ein verändertes Gen vorhanden ist. Dies bedeutet aber auch, dass nur Eltern, die selbst erkrankt sind oder eventuell noch erkranken werden, das Gen weitergeben können. Die dominant vererbten SCA können derzeit aufgrund der vorliegenden Genmutation in die SCA 1-28 unterschieden werden (Stand 2007).

Erworbene Ursachen

  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall im Bereich des Kleinhirns oder der zugehörigen Blutgefäße kann die Funktion des Kleinhirns beeinträchtigen und zu einer Ataxie führen.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen durch Unfälle, Stürze oder äußere Gewalteinwirkung können das Kleinhirn oder seine Verbindungen schädigen.
  • Entzündungen: Entzündliche Erkrankungen wie Multiple Sklerose, infektiöse Meningitis oder Autoimmunerkrankungen können das Kleinhirn betreffen und die Ataxie verursachen.
  • Toxische Einflüsse: Substanzen wie Alkohol, bestimmte Medikamente, Schwermetalle oder Chemikalien können das Kleinhirn schädigen und zur Entwicklung von Ataxie beitragen. Eine der häufigsten Ursachen verschiedener Ataxien ist der chronische Missbrauch von Alkohol. Nur mäßiger Genuss von Alkohol oder konsequenter Verzicht sind dementsprechend mögliche Vorsorgemaßnahmen
  • Tumorbedingte Ursachen: Auch Tumore im Bereich des Kleinhirns oder in benachbarten Regionen können den normalen Betrieb des Kleinhirns beeinträchtigen und Ataxie verursachen.

Degenerative Ursachen

Bei degenerativen Ursachen verschlechtert sich das Kleinhirn im Laufe der Zeit aufgrund von nicht genetischen Faktoren. Dies kann in späteren Lebensjahren auftreten oder durch andere degenerative Erkrankungen wie die sporadische Ataxie oder die altersbedingte Ataxie verursacht werden.

Zerebelläre Ataxie: Symptome

Die zerebelläre Ataxie beeinträchtigt in erster Linie die Bewegungskoordination und das Gleichgewicht. Die Symptome können dabei vielfältig sein und variieren von Person zu Person.

Störungen des Gleichgewichtssinns

Eine der auffälligsten Symptome der zerebellären Ataxie sind Gleichgewichtsstörungen. Betroffene haben Schwierigkeiten, aufrecht zu stehen und zu gehen. Aufgrund der Schädigung sind sie häufig anfällig für Stürze. Dies führt zu Unsicherheit bei der Fortbewegung und zu erheblichen Einschränkungen in der Mobilität. Ein erstes vom Patienten wahrgenommene Symptom ist meistens eine Stand- und Gangunsicherheit.

Koordinationsprobleme

Die Fähigkeit, Bewegungen präzise zu steuern, ist stark beeinträchtigt. Die Betroffenen können unkontrollierte und zittrige Bewegungen in den Armen und Beinen zeigen. Alltägliche Aufgaben wie das Schreiben, Greifen von Gegenständen oder das Anziehen von Kleidung werden zu einer Herausforderung. Im Verlauf treten Störungen des Sprechens und der Extremitätenkoordination auf. Diese zeigt sich meist in Veränderungen der Feinmotorik.

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Sprachstörungen

Die zerebelläre Ataxie kann auch die Sprache beeinflussen. Betroffene haben oft Schwierigkeiten beim Sprechen, da die Muskelkoordination für die Artikulation von Lauten gestört ist. Dies kann zu einer undeutlichen Aussprache und Verständigungsschwierigkeiten führen. Das Sprechen wird langsam und verwaschen.

Augenbewegungsstörungen

Das Kleinhirn spielt eine entscheidende Rolle bei der Koordination der Augenbewegungen. Bei einer zerebellären Ataxie können unkontrollierte Augenbewegungen auftreten, die das Sehen und Lesen erschweren können. Häufig finden sich auch bereits früh Störungen der Okulomotorik.

Muskelsteifheit und Muskelschwäche

Zusätzlich können Betroffene auch Muskelsteifheit und Muskelschwäche entwickeln. Diese Begleiterscheinungen erschweren nicht nur die Bewegungskoordination, sondern beeinträchtigen auch die Kraft und Flexibilität der Muskulatur.

Zerebelläre Ataxie: Verlauf der Erkrankung

Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome der zerebellären Ataxie in der Regel fortschreitend sind. Das bedeutet, dass sie sich im Laufe der Zeit verschlimmern können, was sich stark auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirkt. Der Verlauf der Krankheit kann von Person zu Person stark variieren, jedoch gibt es einige allgemeine Merkmale, die einen typischen Krankheitsverlauf beschreiben können.

Beginn und Frühstadium

Die meisten Fälle von zerebellärer Ataxie beginnen schleichend und entwickeln sich oft über Jahre hinweg. In den frühen Stadien können die Anzeichen mild sein und werden möglicherweise kaum bemerkt. Dies führt manchmal zu einer verzögerten Diagnostik, da die Probleme anfänglich leicht als normale Alterserscheinungen oder andere Gesundheitsprobleme fehlinterpretiert werden können.

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Fortschreitende Verschlechterung

Mit der Zeit neigen die Symptome dazu, sich zu verschlechtern. Die Koordinationsprobleme beim Gehen und Bewegen werden ausgeprägter, was zu wiederholten Stürzen und einer Zunahme der Mobilitätseinschränkungen führen kann. Die Muskelschwäche kann sich verstärken und das Alltagsleben immer anspruchsvoller werden.

Variabilität der Symptome

Ein bemerkenswertes Merkmal der zerebellären Ataxie ist die große Variabilität der Symptome und des Verlaufs. Dies hängt oft mit der zugrunde liegenden Ursache zusammen. Einige Patienten können schneller fortschreitende Symptome haben, während andere über viele Jahre hinweg relativ stabil bleiben. Zusätzlich zu den primären motorischen Symptomen können auch begleitende Symptome auftreten, die den Krankheitsverlauf weiter komplex gestalten.

Ataxie: Wann zum Arzt?

Wenn Sie bei sich eine oder mehrere der folgenden Bewegungsstörungen feststellen, ist es ratsam, zum Arzt zu gehen und dies abklären lassen:

  • Das Gefühl der Instabilität im Stehen, Sitzen oder Gehen
  • Breitbeiniger, taumelnder Gang mit ungleichmäßigen Schritten
  • Probleme, abwechselnde Bewegungen nacheinander auszuführen, zum Beispiel das Drehen der Handfläche nach oben und unten (Dysdiadochokinese)
  • Zittern der Hände, wenn Sie eine Bewegung ausführen möchten, wobei das Zittern umso stärker wird, je näher Sie dem Ziel der Bewegung kommen. Beispielsweise wenn die Hand mit einer Kaffeetasse kurz vor Erreichen des Mundes immer stärker zittert.
  • Probleme beim Schreiben oder andere motorische Störungen
  • Augenbewegungsstörungen (Nystagmus)
  • Sprechstörungen mit abgehackter Sprache (Dysarthrie)

Treten diese Symptome plötzlich aus heiterem Himmel auf, handelt es sich möglicherweise um Anzeichen eines Schlaganfalls. Suchen Sie dann schnellstmöglich einen Arzt auf beziehungsweise alarmieren Sie den Notarzt!

Ataxie: Untersuchungen und Diagnose

Ataxie ist ein Symptom verschiedener neurologischer Erkrankungen. Deshalb ist hier ein Facharzt für Neurologie der richtige Ansprechpartner. Zunächst verschafft er sich durch gezielte Fragen einen Überblick über die Krankengeschichte des Patienten (Anamnese). Anschließend folgen die körperliche Untersuchung sowie eventuelle weiterführende Untersuchungen:

  • Allgemeine neurologische Untersuchung: Der Arzt verschafft sich einen Überblick über die generelle Funktion von Gehirn, Rückenmark und Nerven. Dazu leuchtet er beispielsweise mit einer Taschenlampe in die Augen oder prüft mit einem kleinen Gummihammer die Reflexe.
  • Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) des Schädels: Um strukturelle Veränderungen im Gehirn festzustellen. Untersuchungen im Magnetresonanztomografen (MRT) zeigten einen deutlichen Substanzverlust des angegriffenen Kleinhirns.
  • Elektroneurografie (ENG): Um die Funktion der Nerven zu überprüfen.
  • Blutuntersuchungen (Vitamine E und B12, Infektionen etc.): Um mögliche Ursachen wie Vitaminmangel oder Infektionen auszuschließen.
  • Nervenwasseruntersuchung (Liquorpunktion): Um Entzündungen oder andere Auffälligkeiten im Nervenwasser festzustellen. Bei allen stellten die Neurologen eine sehr hohe Anzahl von Abwehrzellen im Nervenwasser fest, was eigentlich auf eine bakterielle oder virale Infektion hindeutet.
  • Molekularbiologische Untersuchungen: Zum Nachweis erblich bedingter Ataxieformen. Die molekulargenetische Diagnostik hatte stets einen großen Stellenwert in der Abklärung der Ataxien des Erwachsenenalters. Durch neue Methoden wurden in den letzten drei Jahren zwei weitere Ursachen für hereditäre Ataxien beschrieben, die eine hohe Prävalenz auch in der europäischen Bevölkerung aufweisen. Mittels einer neu etablierten Methodik können die o.g. neu beschriebenen Repeatloci zusammen mit 15 weiteren gemeinsam analysiert werden (Ataxie ONT Repeat-Assay 988.01).

Der Romberg-Test

Der Romberg-Test dient zur Diagnose von Störungen des Gleichgewichts und der Bewegungskoordination (Ataxie). Beim Test steht der Patient aufrecht mit nebeneinanderliegenden Füßen. Diese Position muss 30 Sekunden lang bei geöffneten Augen beibehalten werden. Dann bleibt der Patient weitere 30 Sekunden in dieser Stellung, hält dabei aber die Augen geschlossen. Während des Versuchs können die Arme entweder ausgestreckt am Körper, vom Körper weg gestreckt oder so gehalten werden, dass sie einen rechten Winkel zum Oberkörper bilden, oder die Arme können auf dem Oberkörper gekreuzt werden, sodass die rechte Hand auf der linken Schulter und die linke Hand auf der rechten Schulter zu liegen kommt. In beiden Phasen des Tests (mit geöffneten und mit geschlossenen Augen) gibt die Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten, oder die Tendenz zu schwanken oder eventuell hinzufallen, dem Facharzt, der die Untersuchung durchführt, deutlich Aufschluss über das Vorhandensein eventueller Krankheiten. Ein Schwanken bei geöffneten Augen könnte auf eine zerebelläre Läsion hinweisen, während Schwankungen bei geschlossenen Augen Symptom für eine Erkrankung in Verbindung mit dem Vestibularsystem sein können.

Ein positives Romberg-Zeichen liegt vor, wenn es dem Patienten mit geschlossenen Augen nicht gelingt, das Gleichgewicht zu halten. In diesen Fällen wird eine Informationsataxie diagnostiziert, die durch ein Defizit in der Eigenwahrnehmung verursacht werden kann; sie bewirkt, dass der Patient in alle Richtungen schwankt; Ursache kann aber auch eine Funktionsstörung des Vestibularsystems sein; in diesem Fall neigt der Patient dazu, immer in die gleiche Richtung zu schwanken, also auf die vom Defizit betroffene Seite.

Ein weiterer Nachweis kann durch den Finger-Nase-Versuch erbracht werden; der aufrecht stehende Patient streckt den Arm aus und berührt dann mit dem Zeigefinger die Spitze seiner Nase. Eine Ataxie macht diese einfache Aktion kompliziert.

Behandlung und Therapie

Obwohl die zerebelläre Ataxie derzeit nicht heilbar ist, stehen verschiedene Therapieansätze zur Verfügung, die darauf abzielen, die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehören:

  • Physiotherapie: Um die Muskelkraft, Koordination und das Gleichgewicht zu verbessern.
  • Ergotherapie: Um die Selbstständigkeit im Alltag zu fördern und Hilfsmittel anzupassen.
  • Medikamente zur Symptomkontrolle: Zum Beispiel gegen Muskelsteifheit oder Zittern.
  • Spezialisierte Hilfsmittel: Wie Gehhilfen oder Rollstühle, um die Mobilität zu unterstützen.

Ein Forschungsteam hat eine neue Art der zerebellären Ataxie entdeckt. Der Autoantikörper namens Anti-DAGLA richtet sich gegen Kleinhirnzellen und führt so zu einer schweren Entzündung mit den entsprechenden Symptomen. Nach einer Behandlung mit entzündungshemmenden Medikamenten und einer Immuntherapie mit dem Wirkstoff Rituximab, der seit einigen Jahren erfolgreich zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, besserte sich der Gesundheitszustand bei drei der vier Betroffenen nachhaltig.

Die therapeutischen Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen jedes Betroffenen bestmöglich zu berücksichtigen. Eine frühe Diagnose sowie eine regelmäßige, fachärztliche Betreuung sind entscheidend, um den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.

Ataxie: Vorbeugung

Es gibt keine grundsätzliche Form der Vorbeugung von Ataxien. Einige Formen allerdings lassen sich durchaus vermeiden.

Gegen viele Infektionskrankheiten, die unter Umständen Auslöser von Ataxien sind, gibt es etablierte Impfungen. Ferner lassen sich Ataxien infolge von Vitaminmangel durch eine ausgewogene gesunde Ernährung vermeiden. Bei einigen genetischen, stoffwechselbedingten Ursachen lassen sich Ataxien als mögliche Folgen etwa durch konsequente Diäten vermeiden.

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