Hirnmetastasen sind eine häufige Komplikation bei Krebserkrankungen und treten bei 20 bis 30 % aller Krebspatienten mit systemischer Metastasierung auf. Besonders häufig stammen sie von Bronchialkarzinomen (40-60 %) und Mammakarzinomen (10-41,5 %). Das maligne Melanom weist die höchste Prävalenz für zerebrale Metastasierung auf. Autopsiestudien zeigen, dass bis zu 70 % der Patienten mit Krebserkrankungen zerebrale Absiedlungen aufweisen. Die Prognose bei Kleinhirnmetastasen hängt von verschiedenen Faktoren ab, die im Folgenden detailliert erläutert werden.
Fortschritte in der Neurochirurgie
In den letzten zwei Jahrzehnten wurden bedeutende Fortschritte in der neurochirurgischen Operationstechnik erzielt. Eine der wichtigsten Neuerungen ist die Neuronavigation, eine computergestützte Methode, die präoperativ über Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) gewonnene Daten als "virtuelle Welt" in die "physikalische intraoperative Welt" überträgt. Diese Methode ermöglicht es, tief gelegene oder multiple Raumforderungen zielgerichtet aufzusuchen, den Zugangsweg sicher zu planen und so eine operationsbedingte iatrogene Schädigung zu vermeiden. Zunehmende Kenntnisse in der bildgebende Darstellung sowie elektrophysiologischen Identifizierung von Bahnsystemen haben zu einer zusätzlichen prä- und intraoperativen Sicherheit geführt.
Therapieoptionen bei Hirnmetastasen
Zur Therapie von Hirnmetastasen stehen heute mehrere Verfahren zur Verfügung:
- Operative Exstirpation
- Radiochirurgie
- Radiotherapie (Whole Brain Radiation Therapy [WBRT])
- Chemotherapie
- Supportive Maßnahmen
Die Wahl der geeigneten Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des Ausmaßes der extrazerebralen Metastasierung, der Anzahl der Hirnmetastasen, dem Zeitintervall zwischen dem Auftreten des Primärtumors und der zerebralen Metastase, dem Karnofsky Performance Score, dem Alter und der Histologie des Tumors.
Prognostische Faktoren
Hirnmetastasen treten meist im Endstadium des Metastasierungsprozesses auf, was die Lebenserwartung der Patienten in der Regel limitiert. In den letzten Jahren wurden verschiedene prognostische Faktoren erarbeitet, die neben der Bedeutung für die Überlebensprognose auch eine wichtige Rolle in der Therapieentscheidung spielen. Zu diesen Faktoren zählen:
Lesen Sie auch: Symptome von Hirnmetastasen durch Lungenkrebs erkennen
- Das Ausmaß der extrazerebralen Metastasierung
- Die Anzahl der Hirnmetastasen
- Das Zeitintervall zwischen Auftreten des Primärtumors und der zerebralen Metastase
- Der Karnofsky Performance Score
- Das Alter
- Die Histologie
Therapie von solitären/singulären Hirnmetastasen
Bei einer einzelnen Hirnmetastase ist es sinnvoll, die Möglichkeit einer operativen Exstirpation zu prüfen. Für die Überlebenszeit ist von Bedeutung, ob es sich um eine solitäre oder um eine singuläre zerebrale Absiedlung handelt. Unter einer solitären Metastase versteht man eine einzelne Hirnmetastase bei fehlenden weiteren Absiedlungen in anderen Organen.
In einer prospektiv randomisierten Studie aus dem Jahr 1990 zeigten Patchell et al., dass durch die operative Exstirpation einer einzelnen Hirnmetastase mit anschließender Ganzhirnbestrahlung eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit von 3,5 Monaten unter WBRT auf 9 Monate erreicht werden konnte.
Eine weitere prospektiv randomisierte Studie von Patchell et al. aus dem Jahr 1998 untersuchte die Frage, ob nach vollständiger Entfernung einer zerebralen Absiedlung eine postoperative Ganzhirnbestrahlung notwendig ist. In dieser Studie wurde der alleinigen Operation die Operation plus WBRT gegenübergestellt. Es fand sich keine Verlängerung der medianen Überlebenszeit in der zusätzlich bestrahlten Gruppe (46 Wochen versus 48 Wochen), allerdings war die zerebrale Rezidivrate in der bestrahlten Gruppe signifikant erniedrigt.
Die Histologie hat sich im Zusammenhang mit der Diagnose eines kleinzelligen Bronchialkarzinoms als wesentlicher, die Therapie beeinflussender Faktor herausgestellt. Dieser Tumor ist ausgesprochen strahlen- und chemosensibel. Sobald die Diagnose eines solchen Tumors gesichert ist, wird man von einem operativen Vorgehen absehen und der Strahlen- bzw. Chemotherapie den Vorzug geben.
Therapie der multiplen Hirnmetastasen
Bei multiplen Metastasen ist es wesentlich schwieriger, eine adäquate Therapie anzuwenden. In früheren Zeiten wurden Patienten mit multiplen Metastasen einer Ganzhirnbestrahlung oder lediglich einer supportiven Therapie zugeführt. Durch die Möglichkeit der Neuronavigation und der damit verbundenen Fähigkeit, multiple Metastasen in einer operativen Sitzung zu exstirpieren, stellt die chirurgische Therapie eine Therapiealternative dar.
Lesen Sie auch: Gleichgewicht und das Kleinhirn
Heute steht neben der operativen Maßnahme als weitere fokussierte Behandlung die Radiochirurgie zur Verfügung. Durch dieses Verfahren können Metastasen während einer einzigen Bestrahlung mit dem Gamma Knife oder dem Linearbeschleuniger zielgerichtet therapiert werden. Damit unterscheiden sich letztlich die Indikationsstellungen zur Operation und Radiochirurgie kaum. Bei beiden Behandlungsformen werden gefordert:
- Karnofsky Score > 60
- Alter < 70
- Anzahl der zerebralen Metastasen 3 bis maximal 4
- Stabile extrazerebrale Metastasierung
Lediglich bei der Größe der Tumoren und der Lokalisation kommt es zu unterschiedlichen Entscheidungskriterien. Für die Radiochirurgie sollten die Raumforderungen einen Durchmesser von drei Zentimetern nicht überschreiten, während operativ alle Tumoren entfernt werden können, jedoch größer als 1 cm im Durchmesser sein sollten. Hinsichtlich der Lokalisation können durch die Radiochirurgie Tumoren in allen Regionen des Gehirns behandelt werden, während sie operativ nur dann angegangen werden sollten, wenn es durch die chirurgische Maßnahme nicht zu einer Verschlechterung des neurologischen Befundes kommen kann. Damit sind Metastasen im Hirnstamm und in den Stammganglien von einer operativen Exstirpation ausgeschlossen.
Die medianen Überlebenszeiten, die durch beide Therapieformen bei einzelnen und multiplen Metastasen erzielt werden, sind vergleichbar und liegen zwischen sechs Monaten und einem Jahr, sofern die Selektionskriterien berücksichtigt werden.
Therapie des Hirnmetastasenrezidives
Schließlich stellt sich noch die Frage nach der Therapie des zerebralen Rezidives. Auch hier wurden Prognosefaktoren erarbeitet, welche die Entscheidung erleichtern können:
- Die Operation der ersten zerebralen Metastase sollte wenigstens vier Monate zurückliegen
- Der Karnofsky Score des Patienten sollte über 60 sein
- Das Alter < 70
In einer Studie von Bindal (1995) konnte unter selektionierten Kriterien bei 48 Patienten nach Rezidivoperation eine mediane Überlebenszeit von nochmals 11,5 Monaten erreicht werden. Dies ist deutlich besser als die palliative Therapie, bei der die Patienten eine mediane Überlebenszeit von 2,8 Monaten aufwiesen. Sofern der Patient bereits eine Ganzhirnbestrahlung erhielt, steht diese Therapieoption nicht mehr zur Verfügung.
Lesen Sie auch: Kleinhirninfarkt: Was Sie über postischämische Defekte wissen sollten
Chemotherapie/supportive Therapie
Eine Chemotherapie ist auf Grund der systemischen Metastasierung unbedingt zu unterstützen. In der Regel richtet sich die Wahl des Zytostatikums nach der Sensitivität des Primärtumors. Eine spezifische Chemotherapie für Hirnmetastasen steht nicht zur Verfügung.
Patienten mit schlechtem klinischen Zustand, d.h. niedrigem Karnofsky Score und progressiver Metastasierung werden in der Regel von den oben erwähnten Therapiemaßnahmen nicht mehr profitieren können. In diesen Fällen sollte sich die Behandlung auf eine Linderung der Symptome beziehen.
Interdisziplinäre Therapiestrategie am Beispiel eines metastasierenden malignen Melanoms
Ein 18-jähriger junger Mann erkrankt an einem malignem Melanom am Oberschenkel. Es erfolgt die operative Exstirpation. 13 Jahre später entsteht eine frontale Hirnmetastase. Der Patient wird durch einen Krampfanfall auffällig. Operative Entfernung der Hirnmetastase. Postoperativ wird keine Ganzhirnbestrahlung angeschlossen. Sieben Monate später tritt eine periphere Fazialisparese rechts auf. Im MRT wird eine Metastase im Kleinhirnbrückenwinkel festgestellt. Es erfolgt eine radiochirurgische Therapie. Auf eine operative Therapie wird verzichtet. Ein halbes Jahr später tritt eine linksseitige Hemiparese auf. In der MRT zeigt sich rechts zentral eine erneute Metastase. Der Tumor im Kleinhirnbrückenwinkel hat nicht an Größe zugenommen. Auch links frontal im alten Operationsbereich wird ein unauffälliger Befund erhoben. Die zentrale Metastase wird operativ exstirpiert. Danach erfolgt eine postoperative Ganzhirnbestrahlung. Die neurologische Symptomatik bildet sich zurück. Ein halbes Jahr später stellt sich der Patient erneut mit starken Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich vor. In der MRT werden nun multiple Metastasen intradural in der BWS, LWS und dem Os sacrum nachgewiesen. Es erfolgt eine Bestrahlung der spinalen Achse.
Weitere Aspekte der Prognose und Behandlung
Die Prognose bei Hirnmetastasen hängt stark von der Art des Primärtumors ab. Einige Krebsarten, wie beispielsweise Brustkrebs und Keimzellkrebs, weisen tendenziell einen besseren Verlauf auf als andere. Eine gute Kontrolle der Grunderkrankung, das Vorliegen einer einzelnen Metastase, ein spätes Auftreten der Metastasen nach der ersten Krebsdiagnose und ein guter Allgemeinzustand des Patienten sind ebenfalls positive prognostische Faktoren.
Die Behandlung von Hirnmetastasen erfordert eine enge Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten, darunter Onkologen, Neurologen, Neurochirurgen und Strahlentherapeuten. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen mittels MRT oder CT sind unerlässlich, um das Ansprechen auf die Therapie zu überwachen und ein Rezidiv frühzeitig zu erkennen.
Symptome und Diagnose
Die Symptome von Hirnmetastasen können vielfältig sein und hängen von der Lokalisation und Größe der Metastasen ab. Häufige Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, neurologische Ausfälle wie Lähmungen, Sprachstörungen oder Sensibilitätsstörungen sowie epileptische Anfälle.
Die Diagnose erfolgt in der Regel durch bildgebende Verfahren wie CT oder MRT. In einigen Fällen kann eine Biopsie erforderlich sein, um die Diagnose zu sichern und die Art des Primärtumors zu bestimmen.
Zusammenfassung
Hirnmetastasen stellen eine schwerwiegende Komplikation bei Krebserkrankungen dar. Die Prognose ist oft ungünstig, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art des Primärtumors, die Anzahl und Lokalisation der Metastasen, der Allgemeinzustand des Patienten und die Verfügbarkeit geeigneter Therapien. Fortschritte in der Neurochirurgie, Radiochirurgie und Strahlentherapie haben die Behandlungsmöglichkeiten verbessert und können in einigen Fällen zu einer Verlängerung der Überlebenszeit und einer Verbesserung der Lebensqualität führen. Eine interdisziplinäre Betreuung durch erfahrene Spezialisten ist entscheidend für eine optimale Behandlung von Patienten mit Hirnmetastasen.
tags: #Metastasen #Kleinhirn #Prognose