Lungenkrebs mit Hirnmetastasen: Behandlung, Prognose und aktuelle Forschungsansätze

Hirnmetastasen, Absiedelungen von Krebszellen in Gehirn, Hirnhäuten oder Rückenmark, stellen eine gefürchtete Komplikation bei Krebserkrankungen dar, insbesondere bei Lungenkrebs. Sie entstehen, wenn sich einzelne Krebszellen vom Primärtumor lösen, über das Blut transportiert werden und sich im Gehirn ansiedeln, wo sie sich vermehren und zu Metastasen heranwachsen. Diese Metastasen können das Nervengewebe schädigen, Druck auf das Gehirn ausüben und verschiedene neurologische Symptome verursachen.

Definition und Entstehung von Hirnmetastasen

Metastasen sind Absiedelungen von Krebszellen, die an anderen Stellen als dem Ursprungsort auftreten. Hirnmetastasen entstehen durch den Transport von Krebszellen über das Blut ins Gehirn, die Hirnhäuten oder das Rückenmark. Dort vermehren sie sich und bilden Metastasen. Sie werden nach ihrer Anzahl in Einzelmetastasen oder multiple Metastasen unterteilt. Oft werden sie im Rahmen von Untersuchungen bei einer neu entdeckten Krebserkrankung gefunden, noch bevor Symptome auftreten.

Ursachen und Häufigkeit

Die Ursache für Hirnmetastasen ist immer ein Primärtumor, also Krebs in einem anderen Organ. Die häufigsten Tumore, die ins Gehirn streuen, sind:

  • Bei Männern: Bronchialkarzinom (Lungenkrebs)
  • Bei Frauen: Mammakarzinom (Brustkrebs)
  • Bei beiden Geschlechtern an zweiter Position: Melanom (schwarzer Hautkrebs)

Diese Tumore machen zusammen bis zu 80 % der Hirnmetastasen aus. Bei bestimmten Krebsarten kommt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 20-40 % zu Hirnmetastasen, falls der Tumor bereits gestreut hat (Lungenkrebs, schwarzer Hautkrebs, Brustkrebs und Nierenkrebs). Metastasen im Gehirn treten häufiger auf als Tumore, die direkt aus den Nervenzellen des Gehirns entstehen. 80 % der Metastasen sitzen im Großhirn, 15 % im Kleinhirn, der Rest im Hirnstamm. Metastasen im Rückenmark treten bei 3-10 von 100.000 Einwohnern pro Jahr auf.

Symptome von Hirnmetastasen

Die auftretenden Beschwerden sind unterschiedlich, je nach Größe und Lokalisation der Metastase. Meist entwickeln sich die Symptome langsam über Wochen bis Monate. Die häufigsten Symptome sind:

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  • Kopfschmerzen (50 %)
  • Halbseitenlähmung oder halbseitige Gefühlsstörung (50 %)
  • Neuropsychiatrische Symptome (30 %) wie Gedächtnisstörungen, Wesensveränderungen, Verwirrtheit
  • Epileptische Anfälle (Krampfanfälle) (10-25 %)
  • Seltener Sprachstörungen, Erbrechen, Benommenheit oder Lähmungen der Augen- oder Gesichtsmuskulatur

Bei Metastasen im Rückenmark kommt es zu Rückenschmerzen und Lähmungen ("Querschnitt"). Bei Metastasen der Gehirnhaut kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Kopf- oder Nackenschmerzen oder Lähmungen.

Diagnostik von Hirnmetastasen

Bei Symptomen, die auf eine Schädigung der Gehirnzellen hinweisen, wird der Arzt/die Ärztin genau nach den Symptomen fragen und gegebenenfalls eine neurologische Untersuchung veranlassen. Besteht der Verdacht auf Metastasen, werden meist folgende Untersuchungen veranlasst:

  • MRT (Magnetresonanztomografie) des Gehirns mit Kontrastmittelgabe: Genaue Darstellung des Gehirns und der Metastasen, eventuell bereits Aussage zu möglichen Ursprungskrebs. Dies ist die empfindlichste Bildgebungsmethode.
  • CT (Computertomografie des Gehirns): Weniger empfindlich als MRT, falls kein MRT möglich, CT als Methode der zweiten Wahl.
  • Labordiagnostik: Nur selten sinnvoll bei bereits klarem Verdacht. Bestimmung von Tumormarkern für den vermuteten Krebs, keine allgemeine Suchmethode.
  • Biopsie (Probeentnahme) mit histologischer Untersuchung: Bei unklarem Ursprungskrebs erneute Sicherung über Untersuchung der Zellen unter dem Mikroskop. Bei lange zurückliegendem Ursprungskrebs, um andere Möglichkeiten auszuschließen.
  • Spezialdiagnostik in seltenen Fällen: CT der Schädelbasis bei Verdacht auf Knochenbefall, Untersuchung der Liquorflüssigkeit ("Hirnwasser") auf Krebszellen, PET-Untersuchung (Positronenemissionstomografie) zur Unterscheidung von Narben und Metastase.
  • Ein komplettes aktuelles Staging sollte in jedem Fall durchgeführt werden. Nur so lässt sich die Tumorausbreitung diagnostisch genau erfassen. Hinzu kommen individuell verschiedene Überprüfungen der Funktion Ihres Nervensystems, darunter Tests hinsichtlich der Muskelkraft, der Reflexe oder des Gleichgewichts. Außerdem Seh- und Hörtests oder eine Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten.

Behandlung von Hirnmetastasen

Die Therapie ist sehr individuell und unterscheidet sich je nach Ursprungskrebs, Anzahl der Metastasen im Gehirn und im restlichen Körper, Allgemeinzustand und Alter des Patienten, Therapiewunsch und Begleiterkrankungen.

Ziele der Behandlung

  • Symptome der Metastasen lindern
  • Das weitere Wachstum verzögern und damit Lebensverlängerung
  • In seltenen Fällen die Metastasen und den Krebs entfernen

Methoden der Behandlung

  • Operation: Entfernung der Metastase
  • Radiochirurgie oder Cyberknife/ZAP-X: Zerstörung von Metastasen durch gezielte, meist einmalige Bestrahlung
  • Strahlentherapie: Klassische Strahlentherapie des gesamten Gehirns oder stereotaktische Radiotherapie
  • Medikamentöse Tumortherapie: Chemotherapie, zielgerichtete Substanzen und Immuntherapie
  • Symptomlinderung: Medikamente wie Kortison zum Abschwellen, Schmerzmedikamente, Medikamente gegen Epilepsie

Operative Entfernung

Bei Einzelmetastasen ist die Operation oft besser geeignet als die Strahlentherapie des gesamten Gehirns. Ein Vorteil ist auch, dass nach der Operation eine genaue Untersuchung der Metastase erfolgen kann. Daher ist sie vor allem bei einzelnen Metastasen sinnvoll oder falls noch kein Ursprungskrebs gefunden wurde. Auch bei großer Metastase mit Druck aufs Gehirn wird die Operation oft eingesetzt. Nicht empfohlen ist die Operation beim kleinzelligen Lungenkrebs oder Lymphknotenkrebs. Die Risiken der Operation sind z. B. Infektionen oder Blutungen.

Radiochirurgie und Strahlentherapie

Als Radiochirurgie mit einer einzelnen hohen Strahlendosis (Gamma-Knive, Cyber-Knive) ist sie der Operation gleichwertig. Sie ist empfohlen bei wenigen Metastasen, die eher kleiner sind und einer Operation nicht leicht zugänglich. Als Komplikation kann es im weiteren Verlauf zu einem Untergang von Nervenzellen kommen, der sog. Strahlennekrose.

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Operation und Radiochirurgie werden oft danach ergänzt durch die Ganzhirnbestrahlung oder klassische Strahlentherapie. Durch diese kann eine Überlebensverlängerung und Verbesserung der neurologischen Symptome (wie Nervenausfälle, Kopfschmerzen, epileptische Anfälle) erreicht werden. Manche Krebsarten sprechen besser auf Bestrahlung an (Brustkrebs, Lungenkrebs), manche weniger. Sie ist insbesondere bei mehreren Metastasen empfohlen.

Insbesondere für Patienten mit Hirnmetastasen eines maximalen Durchmessers bis ca. 3 cm kann die CyberKnife- oder ZAP-X-Therapie eine sehr gute Behandlungsoption darstellen. Ebenso, wenn die Metastasen einer Operation nicht zugänglich sind. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen belegen auch, dass die innovative Präzisionsbehandlung, wie sie bei uns im ERCM durchgeführt wird, einer operativen Therapie von Hirnmetastasen grundsätzlich nicht unterlegen ist. Auch gegenüber einer herkömmlichen Strahlentherapie in Fällen mit bis zu 10 Hirnmetastasen, kann die radiochirurgische Behandlung mit dem CyberKnife bzw. ZAP-X eine gute Alternative sein. Bei Metastasen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen funktionellen Hirnarealen, kann die Radiochirurgie ebenfalls eine gute Wahl sein. Die lokale Tumorkontrolle mit der Radiochirurgie liegt insgesamt bei ca. 80-90%.

Medikamentöse Therapie

Chemotherapie: Chemotherapie ist die Therapie mit Zytostatika (zelltötenden Wirkstoffen). Sie wirkt im gesamten Körper und wird je nach Ursprungskrebs mit unterschiedlichen Substanzen empfohlen. Die Wirkung im Gehirn ist meist begrenzt, da viele Stoffe schlecht ins Gehirn gelangen. Manche Medikamente der Chemotherapie wie Methotrexat können direkt in den Liquor (Hirnflüssigkeit) gegeben werden.

Zielgerichtete Substanzen und Immuntherapie: Hier werden die zelltötenden Medikamente über bestimmte Eiweiße so gebunden, dass sie vor allem an die Tumorzellen andocken können. Diese Therapie zeigt sich bei manchen Krebsarten als sehr effektiv, ist aber auch nur bei bestimmten Krebsarten möglich. Die Immuntherapie wirkt über eine Hochregulierung des Immunsystems, sodass es den Krebs besser angreifen kann.

Symptomlindernde Therapie

Schmerzen und Symptome der Hirnmetastasen können oft sehr gut behandelt werden. Es gibt Mittel wie Kortison, um Schwellung und Hirndruck zu reduzieren und Übelkeit zu bekämpfen. Schmerz- und Beruhigungsmittel können bei Schmerzen oder Ängsten eingesetzt werden. Antiepileptika wirken gegen Krampfanfälle.

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CyberKnife- und ZAP-X-Therapie

Die robotergeführte, radiochirurgische CyberKnife-Therapie oder ZAP-X-Therapie sind sehr gut erprobt und weltweit anerkannt. Die Basis bilden höchste Genauigkeitsanforderungen, gezielte Algorithmen zur exakten Planung Ihrer Behandlung sowie eine hochpräzise Applikation der Therapie. Dank der modernen hochauflösenden, digitalen Bildkontrolle und Bildführung in Echtzeit während der Therapie sowie der flexiblen Robotersteuerung ist es möglich, die Behandlung mit einer Genauigkeit im Submillimeterbereich zu applizieren. Umliegendes gesundes Gewebe wird geschont, wodurch auch mögliche notwendige Folgebehandlungen schneller eingeleitet werden können. Eine einzelne Behandlungssitzung dauert etwa 10 bis 25 Minuten.

Bei einer radiochirurgischen Behandlung wird die gesamte Metastase behandelt, die Metastasen vernarben und bilden sich zurück. Die Therapie wird meist als einmalige Behandlungssitzung durchgeführt, insbesondere bei kleinen Hirnmetastasen. Die hohe Präzision der Robotersysteme ermöglicht es, eine hohe Strahlendosis auf die Metastasen zu konzentrieren, während das umliegende gesunde Gewebe geschont wird.

Prognose und Verlaufskontrollen

Die Prognose ist abhängig vom Ursprungskrebs. Das mittlere Überleben schwankt je nach Krebsart zwischen wenigen Wochen und 4 Jahren. Oft heißt aber eine Metastasierung, dass keine komplette Heilung mehr möglich ist. Sowohl Operation als auch Ganzhirnbestrahlung führen zu einer Lebensverlängerung. Für einen besseren Verlauf spricht eine gute Kontrolle der Ursprungskrebserkrankung, eine einzelne Metastase, spätes Auftreten lange nach der ersten Krebsdiagnose, guter Allgemeinzustand und bestimmte Krebsarten wie Brustkrebs oder Keimzellkrebs.

Verlaufskontrollen müssen bei verschiedenen Spezialisten erfolgen. Es sollte aber eine klare Ansprechpartnerin/Ansprechpartner geben. Regelmäßig muss mit MRT oder CT das Gehirn kontrolliert werden. Onkologen (Krebsspezialisten), Neurologen und Neuropsychologen sollten in bestimmten Abständen Kontrollen durchführen, um neue Symptome oder Probleme zu erkennen und die medikamentöse Therapie zu überprüfen. Eventuell sollte unterstützend ein palliativmedizinischer Dienst hinzugezogen werden, zum Beispiel, um die Schmerztherapie zu optimieren.

Aktuelle Forschungsansätze

Die Forschung konzentriert sich darauf, die Mechanismen der Metastasierung besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Dazu gehören:

  • Antiangiogenese: Substanzen, die die Gefäßneubildung hemmen, um das Wachstum der Metastasen zu unterdrücken.
  • Hirngängige Medikamente: Entwicklung von Medikamenten, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, um die Metastasen direkt im Gehirn zu bekämpfen.
  • Immuntherapien: Stärkung des Immunsystems, um die Krebszellen besser zu erkennen und zu bekämpfen.
  • Präventive Strategien: Erforschung von Möglichkeiten, die Entstehung von Hirnmetastasen von vornherein zu verhindern.

Antiangiogenese im Gehirn

Da die Angiogenese gerade bei Lungenmetastasen im Gehirn eine so entscheidende Rolle spielt, untersuchen Winkler und sein Team Substanzen, die die Gefäßneubildung hemmen. Eine der (bei anderen Indikationen) zugelassenen Angiogenese-Inhibitoren ist Bevacizumab, ein Antikörper gegen den Gefäßwachstumsfaktor VEGF. So habe eine retrospektive Analyse der Phase-3-Studie AVAiL ergeben, „dass Lungenkrebspatienten weniger Gehirnmetastasen unter Antiangiogenese bekommen“. Die Forscher untersuchten, ob eine frühzeitige Gabe von Bevacizumab möglicherweise große Metastasen verhindern kann.

Hirngängige Medikamente

Ein weiterer Ansatz ist ein PI3K/mTOR-Inhibitor, der hirngängig gemacht wurde (GNE-317). Während man bei den meisten Medikamenten bekanntlich nicht will, dass sie die Blut-Hirn-Schranke (BHS) passieren, ist dies notwendig für Substanzen, die Hirnmetastasen angreifen sollen (wenn die BHS nicht bereits durch eine Ganzhirnbestrahlung zerstört wurde). Der Kinase-Inhibitor wurde durch eine kleine chemische Veränderung so verändert, dass er hirngängig wurde.

Radioimmuntherapie

Einige Studien zeigten, dass synergistische Effekt der Radioimmuntherapie das Risiko von RBI erhöhen. Es war bisher nicht klar, ob die CRT in Kombination mit ICIs bei Patienten mit Hirnmetastasen aufgrund von Lungenkrebs das Risiko für RBI erhöht. Anhand ihrer Auswertungen stellten die Wissenschaftler fest, dass ICIs das Risiko für das Auftreten von RN erhöhen können, insbesondere wenn sie innerhalb von drei Monaten nach einer CRT gegeben werden. Die kumulative Strahlendosis für die metastasierenden Läsionen stand in engem Zusammenhang mit der Entwicklung von RN. Ebenso nahm eine wiederholte Strahlentherapie Einfluss darauf.

Bedeutung molekulargenetischer Marker

Molekulargenetische Marker beschreiben eine Krebsart noch genauer und sind die Basis, um zielgerichtete Wirkstoffe entwickeln zu können. Diese ermöglichen es, Krebspatienten individuell im Sinne einer personalisierten Medizin behandeln zu können. Allerdings steht nicht für jeden bekannten molekulargenetischen Marker ein passendes Medikament zur Verfügung. Für den nicht-kleinzelligen Lungenkrebs sind verschiedene molekulargenetische Marker bekannt, die unterschiedlich oft vorkommen. Zwei molekulargenetische Marker, die Gemeinsamkeiten haben, sind ALK (Anaplastische Lymphomkinase) und ROS1. Beide kommen vor und sind eher bei jüngeren Patienten zu finden.

Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung von ALK- und ROS1-Fusions-positivem Lungenkrebs ist die Testung auf diese Genfusionen. Dafür sprechen sich auch die wichtigsten deutschen Leitlinien zur Behandlung von Lungenkrebs aus. Die molekulargenetischen Marker können mit verschiedenen Analysemethoden nachgewiesen werden. So kann die individuelle Ursache für den Lungenkrebs bestimmt werden. Eine der sensitivsten Methoden zum Nachweis vieler molekulargenetischer Marker ist das NGS (Next Generation Sequencing: Bestimmung des genetischen Codes von mehreren Genen gleichzeitig) das die Erstellung von sogenannten „Tumorprofilen“ ermöglicht. Auch herkömmliche Methoden, wie FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung: Fluoreszierende Marker werden an bestimmte Stellen eines Gens gebunden) oder IHC (Immunhistochemie: Sichtbarmachen von Proteinen durch spezifische Marker) können - in Abhängigkeit vom jeweiligen Marker und der Fragestellung - für die Diagnostik eingesetzt werden.

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