Epilepsiebehandlung im Klinikum Bayreuth: Eine umfassende Betrachtung

Das Klinikum Bayreuth, insbesondere der Standort Hohe Warte, steht im Fokus von Diskussionen um die Qualität der Epilepsiebehandlung. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte, von Vorwürfen der Patientengefährdung bis hin zuFortschritten in der Diagnostik und Therapie.

Kontroverse um Patientengefährdung und den Fall Victoria H.

Im Jahr 2017 kam es am Klinikum Bayreuth zu einem Todesfall der 19-jährigen Epilepsie-Patientin Victoria H., der eine Reihe von Kontroversen auslöste. Zwei hochqualifizierte Neurologen, Silvia Vieker und Jörg Schmitt, erhoben Vorwürfe gegen das Klinikum, Patienten zu gefährden, und wurden daraufhin entlassen. Sie rekonstruierten den Fall von Victoria H. anhand ihrer Krankenakte und warfen dem Klinikum ein Mitverschulden an ihrem Tod vor.

Die Mutter von Victoria H. äußerte sich erstmals und gab an, sich vom Klinikum oft alleingelassen gefühlt zu haben. Im Jahr vor ihrem Tod hatte Victoria H. immer wieder anfallsartige Zustände mit Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit. Trotz Anrufen in der Klinik sei eine stationäre Aufnahme als nicht notwendig erachtet worden.

Das Klinikum Bayreuth wies die Vorwürfe zurück und berief sich auf ein externes Gutachten, das die Klinik von jeglicher Schuld freisprach. Dieses Gutachten wurde jedoch unter Verschluss gehalten und stieß auf Kritik, da es angeblich nur stichprobenartig erfolgte und keine Patientenakten eingesehen oder Einzelgespräche mit Mitarbeitern geführt wurden. Die Mutter von Victoria H. und ihr Verlobter wurden laut eigenen Angaben ebenfalls nicht befragt.

Die Staatsanwaltschaft Hof leitete nach einer anonymen Anzeige ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung im Zusammenhang mit dem Klinikum Bayreuth ein. Die Anzeige bezog sich auch auf den Fall der 19-jährigen Patientin.

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Juristische Auseinandersetzung und Vorwürfe der Qualitätsmängel

Die entlassenen Oberärzte wandten sich Ende 2017 an den Bayreuther Stadtrat, da sie Patienten in Gefahr sahen. Sie kritisierten Qualitätsmängel bei der Diagnose und Behandlung von Epilepsiepatienten. Das Klinikum wies diese Vorwürfe zurück und stützte sich dabei auf ein Gutachten vom Februar 2018, dessen Inhalt es unter Verschluss hält.

Das Arbeitsgericht Bayreuth verurteilte das Klinikum Ende August dazu, die Neuropädiaterin wieder anzustellen. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Vorwürfe einer konkreten beziehungsweise generellen Patientengefährdung durch ausreichende Indizien gestützt seien.

Fortschritte in der Epilepsie-Diagnostik und -Therapie im Klinikum Bayreuth

Trotz der Kontroversen hat das Klinikum Bayreuth bedeutende Fortschritte in der Epilepsiebehandlung erzielt. In der Klinik Hohe Warte steht jetzt eine umfassende Diagnostik für Patienten mit Krampfanfällen im neuen EEG- und Schlaflabor zur Verfügung.

EEG- und Schlaflabor

Dr. Heinrich Jörg, Spezialist auf dem Gebiet der Epilepsie, leitet das EEG- und Schlaflabor. Dort können sich Patienten mit Anfallsleiden oder Schlafstörungen aufgrund neurologischer Erkrankungen untersuchen lassen.

Das EEG- und Schlaflabor bietet umfassende Diagnostikverfahren bei speziellen Fragestellungen. Durch die Kombination von Elektroenzephalografie (EEG) - Labor, zur Messung von Gehirnaktivitäten bei gleichzeitigem Videomonitoring, und Schlaflabor können die Ursachen der Anfälle auf den Grund gegangen werden. Diese reichen von Missbildungen im Gehirn über Narben nach Schädel-Hirnverletzungen bis hin zu Gehirntumoren.

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Für aussagekräftige Ergebnisse werden die Patienten mit zahlreichen Sensoren ausgestattet und verbringen bis zu drei Tage und Nächte im EEG- und Schlaflabor. In Langzeituntersuchungen werden die Anfälle gefilmt und gleichzeitig mit den Hirnstrombildern während eines Anfalls aufgezeichnet. Die Auswertungen der differenzierten Daten von bis zu 72 Stunden sind sehr aufwendig, bringen den Patienten aber ein hohes Maß an Diagnosesicherheit. Zusätzlich kann die optimale Dosierung von Medikamenten herausgefunden werden, mit dem Ziel die Häufigkeit von Anfällen zu reduzieren und so die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen.

Vagusnerv-Stimulator

In der Klinik Hohe Warte Bayreuth ist erstmals eine Epilepsie-Patientin mit dem sogenannten Vagusnerv-Stimulator versorgt worden. Die Behandlung führten Spezialisten aus der Klinik für Neurologie und der Klinik für Neurochirurgie in Zusammenarbeit durch.

Das Therapieverfahren mittels Vagusnerv-Stimulator empfehlen Mediziner Patienten, bei denen die gängigen Medikamente das Anfallsleiden nicht ausreichend reduzieren und ein epilepsiechirurgischer Eingriff am Gehirn nicht möglich ist. Bei etwa der Hälfte aller Patienten reduzierte der Vagusnerv-Stimulator deren Anfallsfrequenz um bis zu 75 %. Nachweislich wirkt sich der Stimulator positiv auf Menschen aus, die zusätzlich an einer Depression leiden.

Der Vagusnerv-Stimulator ist ein batteriebetriebener Taktgeber, ähnlich einem Herzschrittmacher, der unterhalb des linken Schlüsselbeins unter der Haut eingesetzt wird. Mit einem kleinen Kabel wird der linke Vagusnerv am Hals mit dem Stimulator verbunden. Die Stimulation erfolgt dann nicht kontinuierlich, sondern in Intervallen, beispielsweise alle fünf Minuten für 30 Sekunden. Über den Vagusnerv werden die elektrischen Reizungen an das Gehirn weitergeleitet. Dort beeinflussen die Impulse die Erregbarkeit der Nervenzellen, wodurch die Anfallsreduktion erreicht werden kann.

Kooperationen und zukünftige Entwicklungen

Die Klinikum Bayreuth GmbH arbeitet bei der Behandlung von an Epilepsie erkrankten Kindern mit Spezialisten eines Krankenhauses aus der Region zusammen. Ärzte dieser Klinik, die über einen neuropädiatrischen Bereich verfügt, werden ihre Bayreuther Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg der Telemedizin unterstützen und im Not- oder Bedarfsfall vor Ort am Klinikum Bayreuth sein, um Kinder zu behandeln. Die Klinikum Bayreuth GmbH ist darüber hinaus mit Hochdruck dran, eine Neuropädiaterin oder einen Neuropädiater für ihr Haus zu gewinnen.

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Die Selbsthilfegruppe Epilepsie und die Klinikum Bayreuth GmbH haben ein gemeinsames Interesse an einer möglichst optimalen Behandlungsqualität sowohl für Kinder als auch für erwachsene Epilepsiepatienten. Die Selbsthilfegruppe wird daher in naher Zukunft eine Liste mit Verbesserungsvorschlägen vorlegen, die die Klinikum Bayreuth GmbH prüfen wird. Die Einrichtung eines Epilepsiezentrums bleibt ein Ziel der Selbsthilfegruppe.

Das Engagement für ein Epilepsie-Register

Bianca Gehr, Mitarbeiterin in der Patientenverwaltung der Klinikum Bayreuth GmbH, setzt sich für die Einführung eines Epilepsie-Registers ein. Sie sammelt Unterschriften für ihre Petition, mit der sich der Bundestag befassen wird.

Für Krebs, Diabetes und eine Reihe von anderen Erkrankungen gibt es bereits Register. Für Epilepsie nicht, obwohl aktuell etwa 660.000 Menschen in Deutschland an Epilepsie erkrankt sind und die Zahl weiter zunimmt.

Ein Epilepsie-Register soll eine breitere und klarere Datenbasis schaffen, um die Therapie für Epilepsiepatienten zu verbessern und die Forschung voranzutreiben. Welche Vorboten deuten auf einen Anfall hin? Was ist der Auslöser? Welche Therapie findet statt? Diese und andere Fragen sollen für eine Vielzahl von Patienten beantwortet und ausgewertet werden.

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