Längst ist klar: Wer fit sein will, muss seinen Körper regelmäßig trainieren. Aber auch unser Gehirn ist eines der Organe, welches es liebt, benutzt zu werden. Das menschliche Gehirn kann Erstaunliches: Es lernt, es steuert unsere Motorik, es merkt sich Dinge über längere Zeit. Aber es möchte auch gefordert werden - denn wie andere Muskeln in unserem Körper, kann auch das Gehirn trainiert und damit leistungsfähiger gemacht werden. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Aspekte kognitiver Fähigkeiten, ihre Bedeutung für unser tägliches Leben und wie wir sie durch gezieltes Training und eine gesunde Lebensweise optimieren können.
Was bedeutet kognitiv?
Das Wort kognitiv heißt „das Denken, Verstehen oder Wissen betreffend“. Kognitive Prozesse sind also all die mentalen Vorgänge, die bei uns im Kopf ablaufen. Die kognitive Wahrnehmung umfasst Hören, Sehen, Riechen, Tasten und Schmecken als sinnliche Informationsquellen und die Art, wie wir sie dann erfassen und verarbeiten. Erfahrenes generiert neue Gedächtnisinhalte und unsere Kognition ordnet die Situation ein und bewertet sie. Vergangenheit wird mit Gegenwart und Zukunft verknüpft und logische Schlussfolgerungen entstehen. Wer gute kognitive Fähigkeiten hat, kann sich gut konzentrieren, lässt sich wenig ablenken und kann sich Dinge gut merken. Schlechte Fähigkeiten führen zum Beispiel zu langsamer Informationsverarbeitung und Vergesslichkeit.
Die Vielfalt kognitiver Funktionen
Kognitive Funktionen sind die mentalen Prozesse, die notwendig sind, um Informationen zu erwerben, zu verarbeiten und zu speichern. Diese Prozesse umfassen eine Vielzahl von geistigen Aktivitäten, die täglich unbewusst von dir ausgeführt werden. Zu den grundlegenden kognitiven Fähigkeiten gehören:
- Aufmerksamkeit: Das Gehirn muss täglich entscheiden, welche Eindrücke und Informationen relevant sind und welche nicht. Aufmerksamkeit dient der Selektion von Wahrnehmungsinhalten und der Fokussierung der Verarbeitungsressourcen, um gezielt und effizient handeln zu können. Aufmerksamkeit stellt nach klassischen Modellvorstellungen eine notwendige Voraussetzung für effiziente und bewusste Informationsverarbeitung dar.
- Wahrnehmung: Die bewusste Informationsaufnahme, bei der die verschiedenen Sinnesorgane des Menschen zum Einsatz kommen. Die Kognitive Psychologie ist ein Sammelbegriff für alle Theorien und Befunde, die erklären sollen, was den Menschen zur Erkenntnis über seine Umwelt und zum vernünftigen Umgang damit befähigt.
- Lernen: Die Lernfähigkeit beschreibt die Fähigkeit des Menschen, sich Verhaltensweisen anzueignen, sie ist eng verbunden mit der Merkfähigkeit. Lernen kann als kognitiver Prozess definiert werden, der auf Erfahrung, Übung und Beobachtung beruht und zu überdauernden Änderungen (1) des Verhaltens bzw. des Verhaltenspotenzials (Lernen als Verhaltensänderung) bzw. (2) der kognitiven Strukturen (Lernen als Wissenserwerb; Aufbau und Gebrauch komplexer Wissensstrukturen) führt.
- Erinnern, Merken (Gedächtnis): Das ist die Fähigkeit von Menschen, Informationen im Gedächtnis zu speichern, um sie später wieder hervorzurufen. Das Gedächtnis ist für die Enkodierung, Speicherung, Transformation und den Abruf von Informationen zuständig.
- Abstraktion: Hier kann das Gehirn Situationen oder Erlebtes auf allgemeingültige Eigenschaften reduzieren. Die Abstraktionsfähigkeit arbeitet in zwei Richtungen. Die Abstraktion, d.h. die Reduzierung auf allgemeingültige Eigenschaften, kann sowohl vom Menschen getätigt werden, als auch von ihm rückgängig gemacht.
- Sprache: Sprache ist eine grundlegende kognitive Fähigkeit des Menschen, die der Kommunikation, dem Erwerb neuen Wissens und dem Denken dient. Die Sprachpsychologie befasst sich mit der Beschreibung und Erklärung der an Sprachverarbeitung beteiligten Prozesse und Wissensrepräsentationen.
Kognitives Training im Alltag: Gehirnfunktionen nutzen
Jeder Mensch trainiert sein Gehirn täglich unbewusst im Alltag: Wenn du versuchst, dir Telefonnummern zu merken oder an Termine denken musst, ist das beispielsweise eine Leistung unseres Gedächtnisses. Aber auch, wenn du dir neue Namen merkst, denn hier verknüpft das Gehirn ein Bild mit einem Wert.
Im Laufe eines Tages verwenden wir also quasi ununterbrochen unsere Gehirnfunktionen. In diesen Situationen setzt du zum Beispiel deine kognitiven Fähigkeiten ein:
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- Beim Kochen: Wenn du für Gäste kochst, musst du verschiedene Töpfe bewachen, die Rezepte lesen und richtig umsetzen, dich gleichzeitig aber auch um deine Gäste kümmern.
- Besprechungen: Gerade im Berufsleben müssen wir oft Besprechungen organisieren und leiten. Eine komplexe Aufgabe für unser Gehirn, bei der verschiedene neuronale Funktionen aktiviert werden - Konzentration, Aufmerksamkeit, aktive Zuhörfähigkeit, Reaktionszeit und mehr.
- Autofahren: Auch, wenn du ein erfahrener Autofahrer bist, brauchst du bestimmte kognitive Fähigkeiten, damit du ohne Unfall zum Ziel kommst - darunter Konzentration, Aufmerksamkeit und Reaktionszeit.
Erst wenn wir unserem Gehirn neue Herausforderungen geben, also solche, die es nicht sowieso jeden Tag vollführen muss, wird es geschult und eine Leistungssteigerung wird erreicht. Vergleichbar zum Sport, bei dem der Körper auch nur mehr Muskel und Ausdauer erlangt, wenn er an seine Grenzen getrieben wird. Mental kann das durch zielgerichtete Übungen passieren, die du wunderbar in deinen Alltag integrieren kannst.
Versuche zum Beispiel mal, im Büro auf deinen Schreibtisch zu schauen und dir fünf Gegenstände zu merken. Gehe dann in einen anderen Raum und zähle die Gegenstände auf. Das ist schon eine erste Übung.
Kognitive Entwicklung: Warum verlieren wir unsere Fähigkeiten?
Unsere kognitive Leistungsfähigkeit wird durch mehrere Faktoren begrenzt. Wenn du zum Beispiel müde, abgelenkt oder unmotiviert bist, ist deine kognitive Leistung geringer. Auch, wenn wir über einen längeren Zeitraum konzentriert sein müssen, nimmt die kognitive Fähigkeit für einen begrenzten Zeitraum ab. Gleichzeitig werden unsere kognitiven Leistungen generell im Laufe unseres Lebens immer schlechter.
Durch gezieltes kognitives Training kannst du die Leistung steigern und Konzentration, logisches Denken, Informationsverarbeitung und Problemlösung trainieren. Das kann präventiv gegen den Verlust der kognitiven Fähigkeit im Alter wirken, aber auch gegenwärtig für eine Leistungssteigerung sorgen.
Kognitive Übungen für zwischendurch
Im Grunde ist unsere Gedächtnisleistung unbegrenzt, wir müssen wieder lernen zu lernen. Experten sagen, dass nur 10 Minuten gezieltes Training schon große Effekte haben kann. Um sein Gehirn zu trainieren, gibt es jede Menge kognitive Übungen, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen und zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit, im Auto oder in der Pause durchgeführt werden können.
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Hier sind einige Übungen, die verschiedene kognitive Fähigkeiten schulen:
- Buchstaben streichen: Nimm eine Tageszeitung oder Zeitschrift, einen Stift und einen Timer zur Hand. Schlage eine beliebige Seite der Zeitung auf und streiche einen festgelegten Buchstaben in jedem Wort durch. Um zu sehen, ob du Fortschritte gemacht hast, stoppe deine Zeit - je länger du die Übung machst, desto schneller wirst du werden. Fördert die Konzentrationsfähigkeit.
- Schnelle Antworten: Stelle dir im Alltag verschiedene Fragen, die Alltagssituationen betreffen, die schon weiter zurücklegen. Beantworte sie schnell. Als Beispiel: „Was gab es vorgestern zu Abend?“ „Welches Geschenk habe ich vor zwei Jahren von meinen Eltern zum Geburtstag bekommen?“ Fördert das Erinnerungsvermögen und die Konzentration.
- Rückwärtssprechen: Denke dir einen beliebigen Satz aus und versuche diesen rückwärts zu sprechen - beginne mit dem letzten Wort und ende beim ersten. Fördert das Sprachzentrum und die Konzentrationsfähigkeit.
- Zuhören und wiederholen: Stelle das Radio oder den Fernseher für fünf Minuten sehr leise. Versuche das Gesprochene zu verstehen und etwas zeitversetzt zu wiederholen - wie eine Art Simultandolmetscher. Schult das Kurzzeitgedächtnis.
Gehirntraining durch Bewegung
Auch einfaches Spazierengehen kann ein kognitives Training sein. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Bewegung nicht nur den Körper trainiert, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Gehirns fördert. Wer das noch zusätzlich fördern will, kann zum Beispiel die Übung „Rückwärtssprechen“ währen dem Spazierengehen durchführen.
Die Rolle der Neuroplastizität
Die Fähigkeit des Gehirns, seine Struktur und die Funktionen durch die Bildung von Zellen und Synapsen so zu verändern, dass es sich immer wieder auf Einflüsse von außen einstellen kann, beschreiben Mediziner als Neuroplastizität. Sie lässt sich auch im Alter noch gezielt fördern. Forscher sehen dies als wichtige Voraussetzung dafür, um dem altersbedingten Abbau der Hirnleistung vorzubeugen und geistig fit zu bleiben.
Musik als Gehirnnahrung
Musik beflügelt Körper und Geist. So sehr, dass sie im Rahmen der Therapie bei einer Vielzahl von psychischen Störungen und Nervenerkrankungen eingesetzt wird. Klar ist jedoch, dass Musik die Hirnnerven stimuliert, sowohl bei ungeborenen Föten als auch bei Kindern und Erwachsenen. Außerdem wirkt sie sich auf die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe wie Cortisol, Testosteron und Östrogen aus. Diese sogenannten Steroidhormone beeinflussen die Neuroplastizität und somit die Anpassungsfähigkeit des Gehirns.
Fremdsprachen lernen
Wer eine neue Sprache lernt, nutzt eine Vielzahl umfangreicher Nervennetzwerke im Gehirn. Das fördert die Neuroplastizität und kann die Gehirnleistung verbessern - und zwar in jedem Alter. Italienische Forscher untersuchten Senioren, die zuvor noch keine Fremdsprache erlernt hatten, vor und nach einem Englischkurs. Ihr Ergebnis: Nach einem Zeitraum von vier Monaten erhöhten sich bei den Senioren, die einen Sprachkurs absolviert hatten, bestimmte kognitive Leistungen und die einzelnen Gehirnregionen waren enger miteinander vernetzt.
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Körperliche Aktivität und geistige Fitness
Wer Sport treibt und aktiv lebt, tut auch etwas für seine geistige Fitness. Körperliche Aktivität begünstigt ein gesundes Gehirn. Regelmäßige Bewegung und Sport kann die Hirngesundheit fördern - und den Alterungsprozess verlangsamen: Menschen, die regelmäßig Sport treiben, haben ein geringeres Risiko für kognitive Einbußen als ihre unsportlichen Altersgenossen.
Kognitive Funktionen im Alter erhalten
Kognitive Funktionen im Alter können durch regelmäßige geistige Aktivitäten, körperliche Bewegung, gesunde Ernährung und soziale Interaktion erhalten bleiben. Auch Entspannungstechniken wie Meditation und ausreichend Schlaf tragen zur Erhaltung der kognitiven Gesundheit bei.
Schlaf und kognitive Funktionen
Schlafmuster beeinflussen kognitive Funktionen erheblich, da ausreichender und regelmäßiger Schlaf die Gedächtniskonsolidierung, Problemlösungsfähigkeiten und Konzentration fördert. Schlafmangel kann dagegen zu verminderter Aufmerksamkeit, schlechterer Gedächtnisleistung und erhöhter Reizbarkeit führen. Insbesondere der REM-Schlaf ist wichtig für emotionale Verarbeitung und Kreativität.
Ernährung und ihre Auswirkungen auf das Gehirn
Die Ernährung spielt eine fundamentale Rolle in der Optimierung unserer kognitiven Funktionen. Unsere Gehirnleistung ist nicht nur während geistiger Anstrengungen, wie sie in Prüfungen oder komplexen Arbeitsaufgaben vorkommen, von Bedeutung. Auch für sportliche Leistungen ist eine optimale kognitive Funktion von entscheidender Bedeutung - sei es bei der Entscheidungsfindung während eines Spiels oder bei der Aufrechterhaltung von Konzentration und Koordination unter körperlicher Belastung. Das menschliche Gehirn ist ein wahrer Energiefresser, das bis zu 20 % des täglichen Energieumsatzes des Körpers verbraucht. Und das bei gerade mal etwa 2 % des Körpergewichts. Die primäre Energiequelle des Gehirns ist Glucose, wovon es pro Tag ca.130 Gramm verbraucht.
Bedeutung von Proteinen
Proteine sind mehr als nur Bausteine für Muskeln und Gewebe; sie sind unentbehrlich für die Gesundheit und Funktion des menschlichen Gehirns. Neurotransmitter wie Dopamin, Adrenalin, Gaba, Glutamat oder Serotonin sind chemische Botenstoffe des Gehirns, die unsere Stimmung, Motivation und unser Lernvermögen regulieren. Eine ausgewogene Zufuhr von Protein ist für die Neurotransmittersynthese somit unerlässlich.
Mikronährstoffe
Mikronährstoffe spielen eine wesentliche Rolle im Gehirnstoffwechsel und unterstützen eine Vielzahl kognitiver Prozesse. Die Gruppe der B-Vitamine, insbesondere Vitamin Cholin, B6, B12 und Folsäure spielen eine Zentrale Rolle. Eine ausreichende Versorgung mit diesen Stoffen ist daher für die Aufrechterhaltung und Förderung der kognitiven Leistungsfähigkeit entscheidend.
Flüssigkeitszufuhr
Eine adäquate Flüssigkeitszufuhr ist für die Aufrechterhaltung der kognitiven Funktionen und der Gehirngesundheit von grundlegender Bedeutung. Das Gehirn besteht zu ca. 80 % aus Wasser und eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für die elektrochemische Leitfähigkeit der Neuronen, den Transport von Nährstoffen und den Abbau von Abfallprodukten entscheidend. Schon eine Dehydration von 1-2 % des Körpergewichts kann zu Müdigkeit, einer Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit sowie der psychomotorischen Fähigkeiten führen.
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