Komplexbehandlung Parkinson: Voraussetzungen, Therapieansätze und Ziele

Die Behandlung von Morbus Parkinson und verwandten Bewegungsstörungen erfordert ein umfassendes, ganzheitliches Therapiekonzept, das individuell auf die Patienten abgestimmt ist. Diese Behandlungsstrategien basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und werden kontinuierlich an das wechselnde klinische Bild des Patienten angepasst, wobei die persönliche Lebenssituation, das Alter, Begleiterkrankungen und bisherige Erfahrungen mit Medikamenten berücksichtigt werden.

Was ist eine Parkinson-Komplexbehandlung?

Die Parkinson-Komplexbehandlung ist ein intensiver, interdisziplinärer Behandlungsansatz, der darauf abzielt, motorische und nicht-motorische Defizite durch eine Kombination medizinischer Maßnahmen deutlich zu verbessern. Ziel ist es, den Alltag der Patienten zu erleichtern und ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten. Ein besonderes Angebot vieler Kliniken ist diese spezielle Therapieform, bei der neben umfassender ärztlicher Betreuung intensive Therapien über einen Zeitraum von zumeist zwei bis drei Wochen erfolgen.

Interdisziplinäres Team

In einem multidisziplinären Team, bestehend aus Ärzten, spezialisiertem Pflegepersonal (Parkinson Nurses) und Therapeuten (Physiotherapie, Ergotherapie, Sprachtherapie, Neuropsychologie), werden gemeinsam mit den Patienten individuelle Therapieziele und ein Behandlungsplan erarbeitet, der zu einer Verbesserung von Lebensqualität und Eigenständigkeit führen soll. Das Team besteht überwiegend aus Fachärzten für Neurologie, Neuropsychologen, einem interdisziplinären Therapeutenteam (Physio-, Sport- und Ergotherapie, Logopädie) sowie einem engagierten Pflegeteam.

Therapieinhalte und -methoden

An allen Werktagen finden Behandlungen statt, die an das individuelle Beschwerdebild angepasst werden. Hierzu gehören:

  • Intensive Physiotherapie: Gehtraining, Sturzprophylaxe, Antifreezing-Training. In der Physiotherapie werden neue wissenschaftliche Erkenntnisse in den Einzeltherapien berücksichtigt, unter anderem das Trainieren mit großen, ausladenden Bewegungen. Ein Schwerpunkt ist außerdem das Training von Gangsicherheit und Gleichgewicht, um eine Sturzneigung zu reduzieren. Ergänzend zu den physiotherapeutischen Einzeltherapien gibt es außerdem ein Gruppentherapieangebot, das ebenfalls speziell auf die Bedürfnisse von Parkinson-Patienten ausgerichtet ist.
  • Logopädie: Logopädische Sprechübungen und Schlucktherapie. Durch eine intensive Sprachtherapie können im Rahmen eines stationären Aufenthaltes Verbesserungen erzielt werden. Bildgebende Diagnostikverfahren wie Röntgen und endoskopische Untersuchungen ermöglichen individuelle Behandlungen im Rahmen einer funktionellen Dysphagie-Therapie, die speziell auf die Bedürfnisse von Parkinson-Patienten ausgerichtet ist.
  • Ergotherapie: Optimierung der Feinmotorik, Verbesserung von Abläufen im alltäglichen Leben. Die Ergotherapeuten passen daraufhin die Therapie so an, dass die beeinträchtigten Komponenten, die für eine korrekte Ausführung des Schreibens wichtig sind, gezielt geübt werden. Hierdurch wird der Patient befähigt, seine für ihn bedeutungsvolle Handlung wieder durchzuführen. Zusätzlich erhalten die Patienten ein feinmotorisches Eigentrainingsprogramm zur eigenständigen Durchführung.
  • Neuropsychologie: Einschätzung des kognitiven und emotionalen Zustandes. In Abhängigkeit von den Ergebnissen wird ggf. ein individueller Behandlungsplan zur Stabilisierung und Verbesserung der kognitiven Funktionen und / oder zur Unterstützung der Krankheitsverarbeitung erstellt. Die Behandlung erfolgt dann als Einzel- bzw. Gruppentherapie.
  • Musiktherapie: Kontakt und Beziehung, vegetative/emotionale Regulation, Grob-Feinmotorik, Sprechen, Gedächtnis und Aufmerksamkeit, Verbesserung von Stimmung und Motivation, Aktivierung persönlicher Ressourcen. Insbesondere die standardisierte Methode „Rhythmisch akustische Stimulation“ (RAS) nach Michael Thaut (neurologische Musiktherapie, NMT) wird in rhythmisch-akustischen Übungen, dem rhythmisch-akustischen Gangtraining und im Rahmen einer Rhythmik-Gruppe geübt.
  • Weitere Angebote: Beratung und Unterstützung durch den Sozialdienst, Massagen und physikalische Anwendungen sowie Ernährungsberatung.

Das Training erfolgt in täglich mehrfach stattfindenden spezialisierten Einzel- und Gruppentherapien. Therapeuten der Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie verfügen jeweils über spezielle Zusatzqualifikationen bzw. Weiterbildungen und können bei der Umsetzung ihrer Therapien auf ein breites Spektrum modernster Trainingsgeräte zurückgreifen.

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Medikamentöse Einstellung

Im Rahmen der täglichen ärztlichen Visiten wird die medikamentöse Einstellung überprüft und je nach Bedarf und in Absprache mit dem Patienten angepasst. Das besonders geschulte Pflegepersonal (Parkinson Nurses) unterstützt durch eine aktivierend-therapeutische Pflege, erstellt ein Bewegungsprotokoll und steht jederzeit beratend zur Seite.

Ziele der Komplexbehandlung

Die Patienten formulieren ihre individuellen Beeinträchtigungen, bei kognitiven Einschränkungen erfolgt dies durch ihre Angehörigen. Anschließend erfolgt ein gemeinsames Erarbeiten und die Festlegung der persönlichen Therapieschwerpunkte und -ziele.

Die wöchentliche Therapiezeit während des Klinikaufenthaltes beträgt ein Minimum.

Voraussetzungen für eine Parkinson-Komplexbehandlung

Die Parkinson-Komplexbehandlung kann dann durchgeführt werden, wenn die Lebensqualität trotz umfassender ambulanter Maßnahmen eingeschränkt bleibt und wenn eine optimale Medikamenten-Einstellung ambulant nicht möglich war. Im Spektrum zwischen ambulanter und akutstationärer Behandlung ist die Komplextherapie geeignet, um Patienten bei subakuter krisenhafter Verschlechterung oder aufwendiger Medikamentenumstellung effektiv zu unterstützen. Für eine Indikationsstellung sollten daher die ambulanten Möglichkeiten ausgeschöpft sein. Voraussetzung ist die Notwendigkeit eines stationären Krankenhausaufenthaltes mit der Notwendigkeit diagnostischer Maßnahmen, der stationären schrittweisen Optimierung der medikamentösen Therapie in Kombination mit intensiven therapeutischen Maßnahmen.

Geeignete Patientengruppen und Krankheitssituationen

Die akutstationäre Komplexbehandlung eignet sich für Patienten mit Parkinson-Krankheit und atypischen Parkinsonsyndromen wie Multisystematrophie, progressive supranukleäre Blickparese, kortikobasale Degeneration. In seltenen Fällen werden auch Patienten mit anderen extrapyramidalen Bewegungsstörungen aufgenommen. Auch Patienten mit Tiefenhirnstimulatoren oder mit Pumpentherapien (jeweils alle Hersteller) können behandelt werden.

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Dauer des stationären Aufenthalts

Die Parkinson-Komplex-Therapie erfordert in der Regel einen stationären Aufenthalt von mindestens 14 Tagen. Einige Kliniken bieten auch eine dreiwöchige (18 Tage) Komplexbehandlung an.

Notwendige Dokumente und Vorbereitung

Zur Vorstellung zur Parkinsonkomplextherapie sind mitzubringen:

  • Chipkarte
  • Medikamentenplan
  • Einweisungsschein vom Hausarzt oder ambulanten Neurologen
  • Gegebenenfalls Befunde und Untersuchungsergebnisse von früheren Krankenhausaufenthalten, Arztbriefe, CD mit CCT-/MRT-Vorbefunden
  • Geeignete Kleidung und rutschfestes Schuhwerk

Weitere Voraussetzungen

  • Eine Parkinsonerkrankung muss bereits im Vorfeld diagnostiziert worden sein.
  • Die Bereitschaft, über einen längeren Zeitraum im stationären Umfeld (mindestens zwei Wochen) an der Verbesserung der Symptomatik zu arbeiten.

Gründe für eine stationäre Komplexbehandlung

  • Wirkverlust der oralen Parkinson-Medikamente
  • Wiederholte akinetische Krisen
  • Auftreten klinischer Fluktuationen
  • Zunehmende Dyskinesien mit Beeinträchtigung im Alltag
  • Therapierefraktärer Tremor
  • Wiederholte Sturzgeschehen
  • Zunehmende Immobilisation
  • Komplikationen der dopaminergen Therapie
  • Freezing mit Sturzneigung
  • Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie
  • Aufnahme zur Pumpenversorgung/ Pumpeneinstellung

Während des stationären Aufenthaltes können auch differentialdiagnostische Aspekte, wie zum Beispiel die Abgrenzung von atypischen Parkinsonsyndromen, dementiellen Erkrankungen und Tremor-Syndromen geklärt werden. Dabei stehen moderne Verfahren zur Verfügung (zum Beispiel DaTSCAN, PET-CT), welche ambulant oft schwer erhältlich sind. Auch kann auf Wunsch die Eignung für invasive Substitutionsverfahren (Duodopa-, Produodopa-, Lecigon, Apomorphinpumpe) geprüft werden und die Anlage während des stationären Aufenthaltes erfolgen. Zudem vermitteln Kliniken bei Eignung Patienten zur Tiefenhirnstimulation.

Leistungsspektrum einer Parkinson-Komplexbehandlung

  • Früherkennung von Parkinsonerkrankungen durch Expertise und moderne Diagnostikverfahren
  • Individuelle Behandlung und Therapieempfehlung in jedem Stadium der Parkinsonerkrankung
  • Tägliche Therapieeinheiten (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) nach individuellem Behandlungsplan
  • Optimierung der ambulanten Versorgung sowie Erprobung und Anpassung spezifischer Hilfsmittel
  • Abgrenzung von atypischen Parkinsonsyndromen und dementiellen Erkrankungen sowie Tremor-Syndromen
  • Moderne apparative Diagnostikverfahren (zum Beispiel DAT-SCAN, IBZM-SPECT, 3-Tesla-MRT)
  • Erstversorgung und Einstellung von Therapiepumpen (Apomorphin-, Duodopa-, Produodopa-, Lecigon-Pumpe)
  • Behandlung von Komplikationen der Parkinson-Erkrankung wie akinetische Krisen, Halluzinationen, Dyskinesien, Delir und Sturzneigung

Ziele der Parkinson-Komplexbehandlung

  • Erhalt der Selbstständigkeit der Patientinnen und Patienten
  • Fortlaufende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, im Beruf und in der Familie ermöglichen
  • Training von Motorik und Koordination
  • Schulung von Gedächtnis, Sprache, Schluckprozessen und Gangsicherheit
  • Umfassende Behandlung der auftretenden Beschwerden, einschließlich nicht-motorischer Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Depressionen, Verdauungsprobleme, kognitive Leistungsminderung und Veränderungen des Blutdruckes.
  • So kann oft ein Umzug in eine Pflegeeinrichtung vermieden werden.
  • Benötigte Hilfsmittel werden beantragt und deren Einsatz bereits während der stationären Komplextherapie erprobt.

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