Die Behandlung von Morbus Parkinson und atypischen Parkinson-Syndromen erfordert einen umfassenden und multidisziplinären Ansatz. Die multimodale Komplexbehandlung, wie sie im Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-97d definiert ist, stellt einen solchen Ansatz dar. Dieser Artikel beleuchtet die Strukturmerkmale, Mindestmerkmale und Abrechnungsmodalitäten dieser speziellen Behandlungsform.
Strukturmerkmale der multimodalen Komplexbehandlung
Die Strukturmerkmale der multimodalen Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson und atypischem Parkinson-Syndrom umfassen mehrere wesentliche Aspekte, die die Qualität und Effektivität der Behandlung gewährleisten sollen.
Team mit Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie
Ein zentrales Element ist ein Behandlungsteam, das von einem Facharzt für Neurologie geleitet wird. Dieser Facharzt trägt die Verantwortung für die Koordination der verschiedenen Therapiebereiche und die individuelle Anpassung der Behandlung an die Bedürfnisse des Patienten.
Vorhandensein verschiedener Therapiebereiche
Ein weiteres wichtiges Strukturmerkmal ist das Vorhandensein von mindestens Physiotherapie/Physikalische Therapie und Ergotherapie. Diese Therapiebereiche sind essenziell, um die motorischen Fähigkeiten und die Alltagsfunktionalität der Patienten zu verbessern.
Mindestmerkmale der multimodalen Komplexbehandlung
Neben den Strukturmerkmalen sind auch bestimmte Mindestmerkmale definiert, die erfüllt sein müssen, um die OPS 8-97d zu kodieren und abzurechnen.
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Wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation
Eine wöchentliche Teambesprechung ist obligatorisch. In dieser Besprechung werden die bisherigen Behandlungsergebnisse und die weiteren Behandlungsziele dokumentiert. Dies dient dazu, den Behandlungsprozess kontinuierlich zu evaluieren und anzupassen. Laut Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 14.06.2017, L 9 KR 203/14) müssen die Besprechungsvermerke ausreichend sein, um die Teilnahme aller relevanten Berufsgruppen (Ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte) nachzuweisen. Eine differenzierende Zusammenstellung der Behandlungsergebnisse und -ziele nach Therapierichtungen ist erforderlich.
Einsatz von mindestens drei Therapiebereichen
Ein weiteres Mindestmerkmal ist der Einsatz von mindestens drei Therapiebereichen. Zu den möglichen Therapiebereichen zählen:
- Physiotherapie/Physikalische Therapie
- Ergotherapie
- Sporttherapie
- Logopädie
- Künstlerische Therapie (Kunst- und/oder Musiktherapie)
- Psychotherapie
Die Therapiebereiche müssen patientenbezogen in unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden, mit einer Therapiedichte von mindestens 7,5 Stunden pro Woche, davon müssen 5 Stunden in Einzeltherapie stattfinden.
Ersteinstellung mit L-Dopa-Gel
Die Ersteinstellung mit L-Dopa-Gel ist ein weiteres Mindestmerkmal. Hierbei erfolgt eine Dosisermittlung für das Levodopa/Carbidopa-Gel durch einschleichende Titrierung.
Neuropsychiatrische und kognitive Untersuchung
Vor Beginn der Behandlung ist eine neuropsychiatrische und kognitive Untersuchung mit standardisierten Skalen erforderlich.
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Abrechnung der OPS 8-97d
Die Abrechnung der OPS 8-97d ist ein komplexes Thema, das verschiedene Aspekte berücksichtigt. Die OPS 8-97d.1 und die 8-97d.2 sind hierbei erlösrelevant (DRG B49Z - Tagesentgelt).
Tagesentgelt und Behandlungstage
Für alle erforderlichen Tage der Behandlung sind die mit den Kostenträgern entsprechend KHEntgG §6(1) vereinbarten fall- oder tagesbezogenen Entgelte abzurechnen. Bei einer sachgerechten Kalkulation der krankenhausindividuell zu kalkulierenden Fallpauschalen wird der durchschnittliche Aufwand pro Tag oder pro Fall über die Gesamtheit der Fälle oder Behandlungstage eines Jahres ermittelt.
Beispielrechnung und Fragestellungen
Ein Krankenhausaufenthalt mit einer Gesamtlänge von 27 Tagen, von denen der Patient 23 Behandlungstage in der Parkinson Komplexbehandlung verbringt, wirft Fragen hinsichtlich der Abrechnung auf. Wenn die Mindestmerkmale für die Kodierung der OPS 8-97d nur für die 23 Behandlungstage erfüllt sind, stellt sich die Frage, ob der gesamte Aufenthalt (27 Tage) in der DRG B49Z (Tagesentgelt) abgerechnet werden kann oder nur die 23 Behandlungstage, in denen die Mindestmerkmale erfüllt sind.
In diesem Szenario würde bei einer Abrechnung über 27 Tagen nicht die Vorgabe von 7,5 Stunden bzw. 5 Stunden Therapie pro Woche erfüllt, sondern lediglich über die ausgewiesenen 23 Behandlungstage der Komplexbehandlung.
Weitere relevante OPS-Kodes und Behandlungen
Neben der multimodalen Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson gibt es eine Vielzahl weiterer relevanter OPS-Kodes und Behandlungen, die im Kontext der neurologischen Versorgung von Bedeutung sind.
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Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls
Die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (OPS 8-98b ff.) ist ein wichtiger Bestandteil der Akutversorgung von Schlaganfallpatienten. Diese Kodes können auch beim Vorliegen einer TIA angegeben werden. Wenn über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation besteht, kann die dortige Behandlungszeit auch für die Kodierung der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden, wenn die Mindestmerkmale dieses OPS-Kodes erfüllt sind.
Die Strukturmerkmale umfassen eine spezialisierte Einheit mit einem multidisziplinären Team, 24-stündige ärztliche Anwesenheit, Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie und Rekanalisation, sowie Verfügbarkeit von Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Mindestmerkmale sind die Behandlung auf der spezialisierten Einheit mit mindestens viermaliger Erhebung und Dokumentation des neurologischen Befundes pro 24-Stunden-Intervall.
Intensivmedizinische Komplexbehandlung
Die intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur) umfasst die kontinuierliche, 24-stündige Überwachung und spezielle intensivmedizinische Prozeduren. Die Anzahl der Aufwandspunkte errechnet sich aus der Summe des täglichen SAPS II (ohne Glasgow Coma Scale) über die Verweildauer auf der Intensivstation (total SAPS II) plus der Summe von 10 täglich ermittelten aufwendigen Leistungen aus dem TISS-Katalog über die Verweildauer auf der Intensivstation.
Palliativmedizinische Komplexbehandlung
Die palliativmedizinische Komplexbehandlung umfasst die ganzheitliche Behandlung zur Symptomkontrolle und psychosozialen Stabilisierung von Patienten mit einer progredienten, fortgeschrittenen Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung. Strukturmerkmale sind die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin. Mindestmerkmale sind die Durchführung eines standardisierten palliativmedizinischen Basisassessments (PBA) zu Beginn der Behandlung, die Erstellung und Dokumentation eines individuellen Behandlungsplans, die patientenindividuelle Verlaufsdokumentation palliativmedizinischer Behandlungsziele und Behandlungsergebnisse, sowie wöchentliche multiprofessionelle Teambesprechungen.
Multimodale rheumatologische Komplexbehandlung
Die multimodale rheumatologische Komplexbehandlung beinhaltet den Einsatz von mindestens 3 Therapiebereichen (Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Schmerztherapie, kognitive Verhaltenstherapie, Gesprächspsychotherapie) mit einer Therapiedichte von mindestens 11 Stunden pro Woche. Prozessorientiertes Behandlungsmanagement mit standardisierter Befunderhebung und Bestimmung der Krankheitsaktivität sind ebenfalls erforderlich.
Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE)
Die Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE) umfasst die Durchführung von speziellen Untersuchungen zur Feststellung der Trägerschaft von MRE bzw. der erfolgreichen Sanierung der Kolonisierung bzw. Infektion sowie zur Prävention einer Weiterverbreitung. Strukturmerkmale sind speziell eingewiesenes medizinisches Personal und ein Krankenhaushygieniker und/oder eine Hygienefachkraft. Mindestmerkmale sind die Durchführung von strikter Isolierung und ein dokumentierter durchschnittlicher Mehraufwand von mindestens 2 Stunden täglich während der Behandlungstage mit strikter Isolierung.
Weitere Therapieansätze
Neben den oben genannten Komplexbehandlungen gibt es weitere Therapieansätze, die im Rahmen der Behandlung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen oder anderen komplexen Gesundheitsproblemen eingesetzt werden können.
Ganzkörper-Dermatotherapie, Balneotherapie und Lichttherapie
Diese Therapieansätze können bei Patienten mit Hauterkrankungen oder anderen dermatologischen Problemen eingesetzt werden. Die Ganzkörper-Dermatotherapie umfasst die Anwendung von topischen Medikamenten auf der gesamten Hautoberfläche, während die Balneotherapie die Anwendung von Bädern mit medizinischen Zusätzen beinhaltet. Die Lichttherapie nutzt ultraviolettes Licht zur Behandlung von Hauterkrankungen.
Allergologische und diätetische Maßnahmen
Allergologische Maßnahmen umfassen die Diagnostik und Behandlung von Allergien, während diätetische Maßnahmen die Anpassung der Ernährung an die individuellen Bedürfnisse des Patienten beinhalten. Karenzdiäten können bei Nahrungsmittelallergien oder -unverträglichkeiten eingesetzt werden.
Psychosomatische Maßnahmen
Psychosomatische Maßnahmen zielen darauf ab, die psychischen und emotionalen Belastungen zu reduzieren, die mit chronischen Erkrankungen einhergehen können. Diese Maßnahmen können Entspannungstechniken, kognitive Verhaltenstherapie oder andere psychotherapeutische Ansätze umfassen.
Spezifische parenterale Infusionstherapie
Die spezifische parenterale Infusionstherapie umfasst die Verabreichung von Medikamenten oder Nährstoffen direkt in die Blutbahn. Diese Therapie kann bei Patienten eingesetzt werden, die nicht in der Lage sind, Medikamente oder Nährstoffe oral aufzunehmen.
Patientenschulung
Die Patientenschulung ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung chronischer Erkrankungen. Sie umfasst die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, die es dem Patienten ermöglichen, seine Erkrankung besser zu verstehen und aktiv an der Behandlung mitzuwirken.
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