Neuropathie nach Bestrahlung: Ursachen und Behandlung

Eine Neuropathie nach Bestrahlung ist eine Nervenschädigung, die als Folge einer Strahlentherapie auftreten kann. Die Symptome können vielfältig sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten der Neuropathie nach Bestrahlung.

Einführung

Die Diagnose Krebs stellt für viele Menschen einen tiefen Einschnitt in ihr Leben dar und löst Gefühle wie Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst aus. Die Behandlung von Krebs kann jedoch auch eine Reihe von Nebenwirkungen mit sich bringen, darunter die Neuropathie. Mamma Mia! möchte Betroffenen und Angehörigen helfen, einen Weg mit der Erkrankung zu finden und Mut machen, sich der Erkrankung zu stellen. Mit wissenschaftlich fundierten Informationen, die eine Auseinandersetzung mit der Erkrankung, den Therapiemöglichkeiten und dem Leben mit Krebs ermöglichen, will Mamma Mia! unterstützen.

Ursachen von Neuropathie nach Bestrahlung

Eine Neuropathie tritt auf, wenn Nerven geschädigt werden und Reize verstärkt oder vermindert weitergeleitet werden. Bei Krebspatienten entsteht eine Neuropathie meist als Folge einer Behandlung mit Chemotherapeutika. Aber auch eine Strahlentherapie oder der Tumor selbst können die Nerven schädigen.

Strahlentherapie als Auslöser

Eine Bestrahlung kann Nervenbahnen schädigen, die im Bestrahlungsfeld liegen. Dies geschieht vergleichsweise häufig, wenn größere Nervengeflechte mitbestrahlt werden müssen. Die Nerven werden dadurch entweder selbst unmittelbar geschädigt, oder das bestrahlte Gewebe verhärtet sich auf Dauer und drückt auf die Nerven. Ob es zu einer Nervenschädigung kommt und wie schwer diese nach einer Strahlentherapie ausfällt, ist von folgenden Faktoren abhängig:

  • Wie hoch ist die tägliche Dosis der Strahlentherapie, die man erhält?
  • Wie hoch ist die Gesamtstrahlendosis?
  • Erhält man gleichzeitig nervenschädigende Medikamente oder hat früher schon welche bekommen?
  • Liegen Vor- und Begleiterkrankungen vor, die Nervenschädigungen begünstigen?

Weitere Ursachen

Neben der Strahlentherapie können auch andere Faktoren eine Neuropathie verursachen:

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  • Chemotherapie: Die Behandlung mit einer Chemotherapie kann die Schädigung von Nervenzellen zur Folge haben. Viele Chemotherapeutika sind Substanzen, die in höherer Dosierung Zellen zerstören oder schädigen sollen. Einige von Ihnen sind neurotoxisch. In diesem Fall spricht man von einer Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie (CIPN).
  • Operation: Bei einer Operation lassen sich Nervenverletzungen nicht immer vermeiden. Auch diese können zu Taubheit oder Missempfindungen in den von den betroffenen Nerven versorgten Bereichen des Körpers führen.
  • Tumor: Drückt ein Tumor auf Nervenbahnen oder wächst er in diese hinein, werden sie dadurch in ihrer Funktion beeinträchtigt, schlimmstenfalls sogar zerstört.

Symptome der Neuropathie

Die Symptome einer Neuropathie können vielfältig sein und sich von Patient zu Patient unterscheiden. Am häufigsten sind die Nerven in Händen und Füßen betroffen.

Typische Symptome

  • Missempfindungen: Kribbeln, Taubheit, Brennen, Überempfindlichkeit
  • Schmerzen: Brennende oder stechende Schmerzen
  • Motorische Störungen: Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Schwierigkeiten beim Gehen oder Greifen
  • Hör-, Seh- und Gleichgewichtsstörungen: Bei Schädigungen von Hirnnerven können Hör- und Sehvermögen betroffen sein. Insbesondere Cisplatin wirkt sich auf das Innenohr aus: Dies führt zu klingenden Ohrgeräuschen (Tinnitus) oder einem Hörverlust vor allem im Hochtonbereich. Auch Gleichgewichtsstörungen können Betroffene belasten.

Auswirkungen im Alltag

Die Symptome einer Neuropathie können erhebliche Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen haben:

  • Feinmotorische Schwierigkeiten: Das Zuknöpfen eines Hemdes, das Aufdrehen einer Flasche oder Schreiben wird zur großen Herausforderung.
  • Gleichgewichtsstörungen: Man kann nicht mehr stabil gehen, verliert häufiger das Gleichgewicht oder stürzt sogar.
  • Verletzungsrisiko: Oberflächliche Verletzungen an Händen und Füßen bleiben oft unbemerkt, wenn das Gefühl fehlt. Unversorgte Wunden werden leichter zur Eintrittspforte von Krankheitserregern.
  • Eingeschränkte Lebensqualität: Betroffene sind durch diese belastenden Symptome einer Nervenschädigung in ihrem Alltag und in ihrer Lebensqualität oft stark eingeschränkt.

Diagnose der Neuropathie

Treten unter einer Krebsbehandlung Anzeichen einer Nervenschädigung auf, ist es wichtig, umgehend den behandelnden Arzt zu konsultieren. Dieser kann die Dosis des Zytostatikums reduzieren oder die Behandlung unterbrechen, damit sich die Nerven erholen können.

Untersuchungen zur Diagnose

Zur Diagnose einer Neuropathie stehen verschiedene Untersuchungsmethoden zur Verfügung:

  • Testung des Vibrationsempfindens: Ob man Vibrationen spürt, testet der Arzt mit einer Stimmgabel. Ein vermindertes Vibrationsempfinden ist während und kurz nach einer Krebsbehandlung oft ein erster Hinweis auf eine Neuropathie, noch bevor man die Empfindungsstörungen im Alltag wahrnimmt.
  • Prüfung von Reflexen: Der Arzt kann verschiedene Muskeleigenreflexe prüfen, wie etwa den Achillessehnenreflex. Ist der Achillessehnenreflex abgeschwächt oder ganz erloschen, fehlt diese Bewegung. Dies kann auf eine Schädigung peripherer Nerven hinweisen.
  • Messen der oberflächlichen Reizwahrnehmung: Ob man an der Körperoberfläche Reize normal wahrnehmen kann, testet der Arzt, indem er das Schmerz-, Temperatur-, Berührungs- und Druckempfinden untersucht.
  • Motorik und funktionale Beeinträchtigungen testen: Der Arzt schaut sich an, ob eine Muskelschwäche beim Fuß- und Zehenheber oder Fingerspreizer erkennbar ist. Möglicherweise muss man auch einen Gehtest machen.
  • Elektroneurografie (ENG): Bei Patienten mit ausgeprägten Neuropathien wird gemessen, wie schnell und wie gut Nerven Reize weiterleiten.
  • Elektromyografie (EMG): Insbesondere bei Patienten mit Muskelschwächen kann eine Elektromyografie (EMG) zum Einsatz kommen. Damit messen Neurologen die elektrische Aktivität eines Muskels und stellen fest, ob der Muskel selbst erkrankt ist, oder ob der Nerv geschädigt ist, der diesen Muskel mit Informationen versorgt.
  • Hörtest: Was tun, wenn man klingende Ohrgeräusche hat oder schlechter hört? Dann sollte ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt einen Hörtest durchführen.

Behandlung der Neuropathie

Die Behandlung der Neuropathie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Da bereits geschädigte Nerven schwer zu behandeln sind, steht die Vorbeugung von dauerhaften Schäden im Vordergrund.

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Medikamentöse Behandlung

  • Medikamente zur Behandlung neuropathischer Schmerzen: Übliche Schmerzmittel wie etwa Acetysalicylsäure (ASS) helfen bei neuropathischen Schmerzen nicht. Stattdessen kommen spezielle Medikamente zum Einsatz, wie beispielsweise Duloxetin, Venlafaxin und Amitryptilin.
  • Antikonvulsiva: Bei Nervenschäden durch eine Chemotherapie kann man auch Mittel erhalten, die eigentlich gegen Krampfanfälle entwickelt wurden. Dazu zählen beispielsweise Gabapentin und Pregabalin.
  • Opioide: Schwache und starke Opioide sind bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen wirksam und können bei Chemotherapie-bedingten Nervenschmerzen eingesetzt werden.
  • Pflaster und Cremes: Ergänzend stehen Substanzen in Pflastern oder Salben zur Verfügung, die örtlich wirken, zum Teil direkt an den betroffenen Schmerzfasern.

Nicht-medikamentöse Behandlung

  • Bewegungsübungen: Wer unter neuropathischen Beschwerden leidet, dem empfiehlt eine Leitlinie Bewegungsübungen. In der Leitlinie raten Fachleute zu sogenanntem sensomotorischem Training oder Vibrationstraining.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Maßnahmen können Betroffenen dabei helfen, wieder etwas sicherer beim Gehen zu werden, ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen und ihr Sturzrisiko zu senken.
  • Ergotherapie: Manche Betroffenen profitieren auch von Ergotherapie. Bei der Ergotherapie kommen Hilfsmittel wie etwa Fußrollen, Bürsten oder Igelbälle zum Einsatz, oder Patienten gehen etwa durch eine mit Bohnen, Erbsen und Körnern gefüllte Wanne.
  • Elektrotherapie: Bei einer Elektrotherapie werden die Nerven elektrisch stimuliert.
  • Akupunktur: Als experimentelles Behandlungsverfahren für neuropathische Schmerzen gilt etwa die Akupunktur.

Weitere Maßnahmen

  • Kälte vermeiden: Wer vor allem unter Kälteempfindlichkeit leidet, sollte sich vor Kälte schützen, beispielsweise durch warme Kleidung und Handschuhe.
  • Sich schützen: Bei Schmerzunempfindlichkeit kann es sein, dass man kleine Wunden an Händen oder Füßen nicht bemerkt. Diese können sich entzünden.

Was man selbst tun kann

  • SENSI-Bäder: SENSI-Bäder dienen der Stimulierung Ihrer Nerven durch das Setzen verschiedener Reize. Sie können beispielweise in Schüsseln mit Linsen, Tannenzapfen, Watte, etc.
  • Bewegung: Bewegung hilft vielen Betroffenen besser mit den Nervenschmerzen zurechtzukommen. Besonders nützlich sind Übungen und Bewegungsformen, die Gleichgewicht und Koordination schulen, also beispielsweise Qi Gong, Tai Chi oder Yoga. Aber auch Laufen oder Nordic Walking wirkt sich positiv auf Ihr Gangbild aus.

Vorbeugung der Neuropathie

Bislang ist es nicht möglich, nervenschädigenden Nebenwirkungen einer Chemotherapie mit Medikamenten vorzubeugen. Wissenschaftler suchen seit Jahren nach Medikamenten, die Nervenschädigungen verhindern oder wenigstens lindern.

Maßnahmen zur Vorbeugung

  • Früherkennung: Kribbeln, Taubheit oder Überempfindlichkeit in den Fingerspitzen und Zehen. So äußert sich eine beginnende Neuropathie, also Nervenschädigung, die durch eine Chemotherapie, Strahlentherapien oder auch den Tumor selbst ausgelöst werden kann.
  • Balanceübungen, Koordinations- und sensomotorisches Training: Balanceübungen, Koordinations- und sensomotorisches Training auch schon vorbeugend empfohlen. Hierzu zählen beispielsweise Übungen mit dem Igelball, Standübungen, Fußkreisen, stehen auf einem Bein oder auch das Öffnen von Knoten.
  • Kältehandschuhe und -socken: Geprüft wird in Studien außerdem, ob sich periphere Nervenschäden vermeiden lassen, wenn man während der Infusion von Zytostatika die Blutzufuhr in den besonders empfindlichen Händen drosselt.

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