Multimodale Parkinson-Komplexbehandlung: Ein umfassender Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität

Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem durch motorische Symptome wie verlangsamte Bewegungen (Bradykinese), Bewegungslosigkeit (Akinese), Muskelsteifheit (Rigor), Muskelzittern (Tremor) und posturale Instabilität gekennzeichnet ist. Diese Symptome können die Alltagstätigkeiten erheblich erschweren und die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen. Die multimodale Parkinson-Komplexbehandlung bietet einen umfassenden und individuellen Ansatz zur Behandlung dieser Erkrankung, indem sie verschiedene Therapieformen kombiniert und auf die spezifischen Bedürfnisse jedes Patienten eingeht.

Was ist eine multimodale Parkinson-Komplexbehandlung?

Die multimodale Komplexbehandlung bei Morbus Parkinson verbindet eine medikamentöse Therapie mit Elementen aus Physiotherapie und Physikalischer Therapie, Sport- und Ergotherapie, Neuropsychologie und Logopädie. Der Therapieplan wird immer individuell zusammengestellt und richtet sich nach den Bedürfnissen des einzelnen Patienten und nach dem Schweregrad bzw. dem Stadium der Erkrankung. Ziel ist es, sowohl die motorischen als auch die nicht-motorischen Symptome der Parkinson-Krankheit zu lindern, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und ihre Angehörigen zu entlasten.

Die Säulen der Parkinson-Komplexbehandlung

Die Therapie der Parkinson-Syndrome basiert auf drei Säulen:

1. Medikamentöse Therapie

Zunächst wird die aktuelle Medikation des Patienten durch einen neurologischen Facharzt überprüft und, wenn nötig, angepasst. Zum Einsatz kommen Medikamente, die den Mangel an Dopamin in den betroffenen Nervenzellen ausgleichen. Sie werden meist in Tablettenform verabreicht und im Körper durch ein bestimmtes Enzym in Dopamin umgewandelt.

Pumpentherapie

Die Pumpentherapie mit Apomorphin oder L-Dopa-Gel gehört, wie die tiefe Hirnstimulation, zu den intensivierten Therapieformen beim Morbus Parkinson. Die Möglichkeit, ein Medikament über eine Pumpe unter die Haut zu verabreichen oder über ein dünnes Schlauchsystem direkt in den Zwölffingerdarm, sind die beiden zur Verfügung stehenden Therapieoptionen.

Lesen Sie auch: Parkinson-Medikamente: Was Sie beachten müssen

Die Pumpentherapie wird verwendet, wenn die Parkinson-Erkrankung bereits fortgeschritten ist. Dabei wird eine Kanüle im Bauchbereich unter die Haut ins Fettgewebe gegeben. Die Pumpe enthält die benötigte Medikation und gibt das Präparat dann automatisch kontinuierlich ab. Dadurch wird eine gleichmäßige Wirkung gewährleistet.

2. Nicht-medikamentöse Therapien

Die medikamentöse Therapie wird durch verschiedene Therapiemodule ergänzt. Dabei kommen in der Neurologischen Klinik Sorpesee krankengymnastische Therapien, Sprech- und Schlucktrainings sowie ergotherapeutische Sitzungen zum Einsatz. Die wöchentliche Therapiezeit während des Klinikaufenthalts beträgt in der Regel mindestens 7,5 Stunden.

  • Physiotherapie/Krankengymnastik: Durch die physiotherapeutische Behandlung wird die Beweglichkeit verbessert. Auch bereits verloren gegangene motorische Fähigkeiten können durch die intensive Therapie zurückgewonnen werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier bei der Sturzprophylaxe und Gangschule. Dadurch gelingt es oft, die Mobilität und Alltagskompetenz zu erhalten. Physiotherapie hilft bei der Verbesserung von Gleichgewicht, Körpergefühl, Beweglichkeit und Gangbild und dient der Sturzprophylaxe. Auch Wärmetherapie und Massagen kommen zum Einsatz.
  • Ergotherapie: Es werden gezielt die Alltagsaktivitäten und Routinen wie Waschen, Anziehen, Nahrungsaufnahme trainiert. Insbesondere wird dabei auf den Erhalt der feinmotorischen Fähigkeiten geachtet, welche für die Patientinnen und Patienten im Alltag von großer Bedeutung sind. Auch bestehende kognitive Defizite können gezielt erfasst und behandelt werden. Daneben gehört Ergotherapie zum Programm, unter anderem als Training der Feinmotorik und zur Verbesserung von Gedächtnisstörungen.
  • Logopädie: Das im fortgeschrittenen Stadium typische monotone, undeutliche, leise Sprechen kann durch die qualifizierte logopädische Therapie verbessert werden. Denn die flüssige, verständliche Kommunikation ist die Basis zum Erhalt der sozialen Strukturen und der Interaktion mit den Angehörigen und Freunden. Schluckstörungen werden fiberendoskopisch frühzeitig identifiziert und kompensatorische Schlucktechniken erlernt. Bei entsprechenden Beschwerden stehen auch logopädisches Sprachtraining und Schlucktherapie und -diagnostik auf dem Plan.
  • Neuropsychologie: Die Merkfähigkeit, Kognition und andere Ressourcen werden durch neuropsychologische Testverfahren überprüft. So kann festgestellt werden, ob beispielsweise eine begleitende Parkinson-Demenz vorliegt, wodurch sich weitere Therapieoptionen ergeben. Das psychotherapeutische Team unterstützt zudem bei seelischen Krisen und bei der Krankheitsverarbeitung. Die Neuropsychologie wird hinzugezogen, um mögliche kognitive Störungen zu beurteilen.

3. Sozialmedizinische Betreuung

Beratung soll helfen, die Autonomie der Patient:innen zu erhalten. In Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst können Betroffene und Angehörige die häusliche oder institutionelle Versorgung verbessern. Benötigte Hilfsmittel werden beantragt und deren Einsatz bereits während der stationären Komplextherapie erprobt. So kann oft ein Umzug in eine Pflegeeinrichtung vermieden werden. Wichtig sind Informationen zu Ernährung und deren Einfluss auf Darm und Nervensystem. Ergänzt wird der stationäre Aufenthalt durch Gesprächsangebote zum Umgang mit der Erkrankung für Betroffene und Angehörige.

Gründe für eine stationäre Komplexbehandlung

In vielen Fällen ist die ambulante Behandlung von Parkinson-Patienten, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung, nicht mehr ausreichend. Gründe für eine stationäre Komplexbehandlung können sein:

  • Wirkverlust der oralen Parkinson-Medikamente
  • Wiederholte akinetische Krisen
  • Auftreten klinischer Fluktuationen
  • Zunehmende Dyskinesien mit Beeinträchtigung im Alltag
  • Therapierefraktärer Tremor
  • Wiederholte Sturzgeschehen
  • Zunehmende Immobilisation
  • Komplikationen der dopaminergen Therapie
  • Freezing mit Sturzneigung
  • Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie
  • Aufnahme zur Pumpenversorgung/Pumpeneinstellung

Während des stationären Aufenthaltes können auch differentialdiagnostische Aspekte, wie zum Beispiel die Abgrenzung von atypischen Parkinsonsyndromen, dementiellen Erkrankungen und Tremor-Syndromen geklärt werden. Dabei stehen moderne Verfahren zur Verfügung (zum Beispiel DaTSCAN, PET-CT), welche ambulant oft schwer erhältlich sind. Auch kann auf Wunsch die Eignung für invasive Substitutionsverfahren (Duodopa-, Produodopa-, Lecigon, Apomorphinpumpe) geprüft werden und die Anlage während des stationären Aufenthaltes erfolgen. Zudem werden bei Eignung Patienten zur Tiefenhirnstimulation vermittelt.

Lesen Sie auch: Die Stadien der Parkinson-Krankheit erklärt

Vorteile der Parkinson-Komplexbehandlung

Die Parkinson-Komplexbehandlung bietet eine Reihe von Vorteilen für die Patienten:

  • Koordinierte Betreuung: Die integrierte Zusammenarbeit von Ergotherapie, Logopädie, Musiktherapie, Neurologie, Neuropsychologie, Pflege und Physiotherapie ermöglicht eine Behandlung, die speziell auf die komplexen und vielfältigen Symptome der Parkinson-Krankheit ausgerichtet ist. Diese Koordination verbessert nicht nur die Behandlungsqualität, sondern vereinfacht auch den Zugang zu verschiedenen Therapieformen innerhalb einer Einrichtung.
  • Individualisierte Therapiepläne: Jeder Patient erhält einen maßgeschneiderten Therapieplan, der auf seine spezifischen Bedürfnisse und Krankheitsstadien zugeschnitten ist. Dies berücksichtigt nicht nur die motorischen und nicht-motorischen Symptome der Krankheit, sondern auch individuelle Lebensumstände und Ziele.
  • Frühe Intervention und präventive Behandlung: Durch die frühzeitige und ganzheitliche Intervention können Verschlechterungen der Krankheitssymptome oft verlangsamt und die Lebensqualität der Patienten länger erhalten bleiben. Präventive Maßnahmen, die in der Parkinsonkomplexbehandlung angewendet werden, können langfristig zu einer Reduzierung von Krankheitskosten und einer geringeren Belastung für das Gesundheitssystem führen.
  • Schulung und Unterstützung für Angehörige: Ein wichtiger Bestandteil der Parkinsonkomplexbehandlung ist auch die Einbeziehung und Schulung von Angehörigen. Dies hilft, das Verständnis der Krankheit zu verbessern und bietet den Familienmitgliedern praktische Anleitungen im Umgang mit der Erkrankung, was die häusliche Pflege erleichtert und die Betreuung zu Hause optimiert.
  • Kontinuierliche Betreuung und Nachsorge: Die Patienten profitieren von einer kontinuierlichen Betreuung, die regelmäßige Bewertungen und Anpassungen des Therapieplans umfasst, um auf Veränderungen im Krankheitsverlauf reagieren zu können.

Voraussetzung für eine Parkinson-Komplexbehandlung

Voraussetzung für die Durchführung einer Komplexbehandlung ist die Bereitschaft, über einen längeren Zeitraum im stationären Umfeld (mindestens zwei Wochen) an der Verbesserung der Symptomatik zu arbeiten. Eine Parkinsonerkrankung muss bereits im Vorfeld diagnostiziert worden sein.

Zur Vorstellung zur Parkinsonkomplextherapie sind mitzubringen:

  • Chipkarte
  • Medikamentenplan
  • Einweisungsschein vom Hausarzt oder ambulanten Neurologen
  • gegebenenfalls Befunde und Untersuchungsergebnisse von früheren Krankenhausaufenthalten, Arztbriefe, CD mit CCT-/MRT-Vorbefunden
  • geeignete Kleidung und rutschfestes Schuhwerk

Parkinson-Netzwerke und Kompetenzzentren

Das Parkinsonnetz Rhein-Neckar PLUS (PNRN+) mit seinen Netzwerkteilnehmern aus Medizin, Pharmazie, Therapie, Pflege und Sozialmedizin sowie universitären Einrichtungen ist ein durch das biopharmazeutische Unternehmen AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG unterstütztes medizinisches Versorgungsnetzwerk für Patient:innen mit Parkinson-Erkrankungen in der Metropolregion Rhein-Neckar. Ziel des PNRN+ ist die Sicherung der Teilhabe betroffener Menschen durch individuelle Bedarfsermittlung und die Durchführung zielgerichteter Diagnostik und Therapie in einem multiprofessionellen Team aus Mitarbeiter:innen aller Gesundheitsberufe.

Das SRH Kurpfalzkrankenhaus ist mit seinem breiten Angebot an diagnostischen und therapeutischen Leistungen rund um die Parkinson-Erkrankung Zentrum im bundesweiten Kompetenznetz Parkinson. In diesem Netzwerk profitieren Patientinnen und Patienten von Wissenschaft und Forschung.

Lesen Sie auch: Überblick zur Dopamin-Erhöhung bei Parkinson

tags: #Parkinson #Komplexbehandlung