Kompressionssocken bei Polyneuropathie: Erfahrungen, Anwendung und Empfehlungen

Polyneuropathie, ein Sammelbegriff für Erkrankungen der peripheren Nerven, äußert sich oft durch Kribbeln, Schmerzen und Missempfindungen in Händen und Füßen. Besonders bei Chemotherapie-Patienten, insbesondere bei der Behandlung mit Taxanen, kann Polyneuropathie als Nebenwirkung auftreten. Kompressionssocken und andere Kompressionsmittel werden zunehmend als präventive und therapeutische Maßnahme in Betracht gezogen. Dieser Artikel beleuchtet die Erfahrungen mit Kompressionssocken bei Polyneuropathie, aktuelle Studien und Empfehlungen, um Betroffenen und Behandlern einen umfassenden Überblick zu bieten.

Einführung in die Polyneuropathie und ihre Behandlung

Polyneuropathie betrifft die peripheren Nerven, die außerhalb des Gehirns und Rückenmarks liegen und für die Übertragung von Signalen verantwortlich sind. Schädigungen dieser Nerven können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter Schmerzen, Kribbeln, Taubheitsgefühle und Muskelschwäche. Die Ursachen für Polyneuropathie sind vielfältig, wobei Diabetes mellitus zu den häufigsten Auslösern zählt. Auch Chemotherapien, insbesondere mit Taxanen, können eine Polyneuropathie verursachen.

Die Behandlung der Polyneuropathie zielt in erster Linie darauf ab, die Ursache zu behandeln und die Symptome zu lindern. Neben medikamentösen Therapien und physikalischen Maßnahmen rücken komplementäre Ansätze wie die Kompressionstherapie immer mehr in den Fokus.

Kryotherapie und Kompression zur Vorbeugung von Neuropathie

Aktuelle Leitlinien empfehlen Kryotherapie (Kälteanwendungen) und Kompression als präventive Maßnahmen bei Chemotherapie-induzierter peripherer Neuropathie. Studien haben gezeigt, dass diese Verfahren die Häufigkeit und den Schweregrad der Neuropathie senken können, auch wenn die Datenlage noch nicht vollständig eindeutig ist.

Kryotherapie

Bei der Kryotherapie werden Kühlhandschuhe und Kühlsocken eingesetzt, um die Gefäße in Händen und Füßen zu verengen. Dadurch soll die Aufnahme von Chemotherapeutika in diese Bereiche reduziert und somit Schädigungen an den Nervenstrukturen vorgebeugt werden. Die Anwendung erfolgt während der Chemotherapie-Gabe sowie 15 bis 30 Minuten davor und danach.

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Kompression

Die Kompressionstherapie setzt auf eng anliegende chirurgische Handschuhe und Kompressionsstrümpfe, um die Gefäße mechanisch zu verengen. Auch hier soll die neurotoxische Schädigung minimiert werden. Die Kompressionstherapie ist in der Regel einfacher umzusetzen als die Kryotherapie.

Studien, die Kryotherapie direkt mit Kompression verglichen haben, zeigen ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der Verringerung neurologischer Beschwerden.

Kompressionssocken bei Polyneuropathie: Erfahrungen und Empfehlungen

Anwendung bei Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie

Frau Dr. Michel vom NCT der Universität Heidelberg führte eine Studie durch, die sogenannte POLAR Studie, um zu untersuchen, inwiefern eine Kompression der Hände das Risiko einer Polyneuropathie verringern kann. Hierbei wurden während der Chemotherapie zwei zu kleine OP-Handschuhe übereinander angezogen, um den Blutfluss zur Hand zu reduzieren.

Anwendung bei diabetischer Polyneuropathie

Auch bei diabetischer Polyneuropathie können Kompressionsstrümpfe eingesetzt werden, jedoch ist hier besondere Vorsicht geboten. Dr. med. Giovanna Eilers, Fachärztin für Innere Medizin, betont, dass eine fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) ein absolutes Ausschlusskriterium für die Kompressionstherapie darstellt. Bei Diabetespatienten mit arteriellen Problemen im Anfangsstadium sollte die Therapie in Absprache mit einem Angiologen erfolgen.

Neuropathie ist laut Dr. Eilers keine absolute, sondern lediglich eine relative Kontraindikation für eine Kompression. Wichtig ist, dass der Patient über mögliche Risiken aufgeklärt wird und in der Lage ist, seine Beine regelmäßig auf Einschnürungen und Druckstellen zu kontrollieren.

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Praktische Hinweise zur Anwendung von Kompressionsstrümpfen

  • Anziehen: Diabetiker mit Polyneuropathie benötigen möglicherweise gut anziehbare Strümpfe oder Anziehhilfen, da ihre Grob- und Feinmotorik oft eingeschränkt ist.
  • Hautverträglichkeit: Patienten mit empfindlicher Haut sollten auf hautfreundliche Materialien achten, um Trockenheit und die Entstehung offener Stellen zu vermeiden.
  • Motivation: Es ist wichtig, die Patienten zu motivieren, die Kompressionsstrümpfe regelmäßig zu tragen. Dr. Eilers empfiehlt, den Patienten zunächst einen gut anziehbaren Strumpf wie den VenoTrain ulcertec zu verordnen, um die Akzeptanz zu erhöhen.

Auswahl des richtigen Kompressionsstrumpfes

Professor Dr. med. Kröger betont die Bedeutung einer patientenindividuellen Versorgung mit Kompressionsstrümpfen. Die Wahl des richtigen Materials und der passenden Kompressionsklasse sollte unter Berücksichtigung von Komorbiditäten, Alter, Mobilität, Gewicht und der Schwere der Venenerkrankung erfolgen.

Kriterien für die Auswahl

  • Kompressionsdruck: Je höher der Kompressionsdruck, desto besser ist die Therapie - dies ist die gängige Lehrmeinung. Andererseits sinkt mit der Höhe des Kompressionsdrucks die Therapietreue des Patienten. Es gilt, einen Mittelweg zu finden.
  • Material: Das Material des Strumpfes sollte atmungsaktiv, hautfreundlich und leicht anzuziehen sein.
  • Passform: Der Strumpf sollte nicht rutschen oder einschnüren.
  • Komorbiditäten: Bei Patienten mit pAVK oder Polyneuropathie ist besondere Vorsicht geboten.

Die Rolle des Arztes bei der Verordnung

Der Arzt sollte die Materialbeschaffenheit des Strumpfes bestimmen und idealerweise eine namentliche Verordnung vornehmen, um sicherzustellen, dass der Patient den optimalen Strumpf erhält. Es ist wichtig, dass der Arzt weiß und versteht, warum er welches Material wählt.

Kontraindikationen der Kompressionstherapie

Die Kompressionstherapie ist eine nebenwirkungsarme Therapie, jedoch gibt es bestimmte Kontraindikationen, die beachtet werden müssen.

Absolute Kontraindikationen

  • Fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK)
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz (NYHA Stadien III und IV)
  • Phlegmasia coerulea dolens
  • Septische Phlebitis

Krankheitsbilder mit besonderen Risiken

Bei folgenden Krankheitsbildern sollte die Therapieentscheidung unter Abwägung von Nutzen und Risiko getroffen werden:

  • Ausgeprägte nässende Dermatosen
  • Unverträglichkeit auf Kompressionsmaterial
  • Fortgeschrittene periphere Neuropathie
  • Schwere Sensibilitätsstörungen der Extremität
  • Primär chronische Polyarthritis

Kompressionssocken bei Polyneuropathie: Was sagen die Erfahrungen der Patienten?

Die Erfahrungen der Patienten mit Kompressionssocken bei Polyneuropathie sind vielfältig. Einige berichten von einer deutlichen Linderung ihrer Beschwerden, während andere keine oder nur geringe Verbesserungen feststellen.

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Positive Erfahrungen

  • Reduzierung von Schwellungen und schweren Beinen
  • Linderung von Schmerzen und Kribbeln
  • Verbesserung des Temperaturempfindens
  • Stabilisierung des Fußgelenks

Negative Erfahrungen

  • Druckstellen und Einschnürungen
  • Juckreiz und Hautirritationen
  • Schwierigkeiten beim Anziehen
  • Keine spürbare Verbesserung der Symptome

Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirkung von Kompressionssocken individuell unterschiedlich sein kann. Eine sorgfältige Auswahl des Strumpfes, eine korrekte Anwendung und eine regelmäßige Kontrolle sind entscheidend für den Erfolg der Therapie.

Fazit

Kompressionssocken können bei Polyneuropathie eine wertvolle Unterstützung sein, sowohl zur Vorbeugung als auch zur Linderung von Symptomen. Es ist jedoch wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Risiken des Patienten zu berücksichtigen und die Therapie in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt durchzuführen. Eine sorgfältige Auswahl des Strumpfes, eine korrekte Anwendung und eine regelmäßige Kontrolle sind entscheidend für den Erfolg der Kompressionstherapie.

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