Der 12. Kongress der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) fand vom 10. bis 12. Oktober 2024 unter dem Motto „Demenz: Hinsehen. Helfen. Handeln.“ in Fürth statt. Mehr als 700 Teilnehmer, darunter haupt- und ehrenamtlich Engagierte aus Beratung, Betreuung, Pflege und Therapie, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen sowie Aktive aus Wissenschaft und Politik, kamen zusammen, um sich auszutauschen, zu diskutieren und gemeinsam nach Wegen zu suchen, das Leben mit Demenz zu verbessern.
Eröffnung und Grußworte
Der Kongress wurde mit einer klaren Forderung eröffnet: "Wir brauchen im Versorgungssystem einen Perspektivwechsel! Im Mittelpunkt muss die betroffene Person und ihre Familie stehen. Wir brauchen eine Haltung, die Ressourcen wahrnimmt, stärkt und unterstützt!", so Monika Kaus, Vorstandsvorsitzende der DAlzG. Ulrike Scharf, stellvertretende Ministerpräsidentin und Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, überbrachte die Grüße von Ministerpräsident Dr. Markus Söder und betonte die Erfolge der Bayerischen Demenzstrategie. Andreas Schulze vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, unterstrich die Notwendigkeit des Zuhörens, Befähigens und Weiterdenkens, um eine demenzsensible Gesellschaft zu gestalten. Bürgermeister Dietmar Helm hieß die Teilnehmenden in Fürth willkommen.
Perspektiven von Menschen mit Demenz
Mitglieder des Beirats „Leben mit Demenz“ der DAlzG teilten ihre persönlichen Strategien für ein „positives Leben mit Demenz“. Rainer Heydenreich sprach über den Schmerz des Rückzugs von Bekannten nach seiner Diagnose, aber auch über die entstandene tiefere Freundschaft mit wenigen engen Freunden. Manfred Heigl betonte die Bedeutung von Bewegung und Offenheit für neue Technologien. Bernd Heise plädierte für einen offenen Umgang mit der Krankheit und das Teilen von Hilfsbedürfnissen. Volkmar Schwabe unterstrich die aktive Auseinandersetzung mit der Krankheit durch gesunde Ernährung, Sport und Hirnleistungstraining. Ulla Legge hob die Unterstützung durch ihren Hund hervor, und Lieselotte Klotz betonte die Wichtigkeit der aktiven Einbindung von Menschen mit Demenz in Gremien und Forschung.
Aktuelle Forschung und Debatten
Eine Debatte zwischen den Demenzforschern Prof. Dr. Janine Diehl-Schmid und Prof. Dr. Timo Grimmer thematisierte die Hoffnungen und Grenzen neuer Anti-Amyloid-Antikörper in der Alzheimer-Therapie. Sie diskutierten über die begrenzte Wirkung, mögliche Nebenwirkungen und die Notwendigkeit, ebenso viel Energie in die Demenzprävention zu investieren. Diehl-Schmid betonte, dass bis zu 45 Prozent aller Demenzen vermieden werden könnten, wenn das Potenzial der Prävention voll ausgeschöpft würde.
Themenvielfalt des Kongresses
Der dreitägige Kongress bot ein breites Themenspektrum in 27 Symposien und sechs Workshops. Es gab Vorträge zu Demenzerkrankungen in jüngerem Alter, frühzeitiger Diagnose, Sinneseinschränkungen bei Demenz, vernetzter Versorgung im ambulanten Bereich und Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Teilhabeleistungen für Menschen mit Demenz und Strategien in Bund und Ländern wurden ebenfalls diskutiert.
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Fokus auf Einsamkeit
Ein zentrales Thema war die Auseinandersetzung mit „Demenz und Einsamkeit“. Lisa Höfer vom „Kompetenznetz Einsamkeit“ erläuterte, dass pflegende Angehörige besonders häufig von Einsamkeit betroffen sind. Volkmar Schwabe berichtete von seiner intensiven Einsamkeitserfahrung nach der Diagnose und dem Umzug in eine neue Stadt, fand aber durch Engagement in Hospizarbeit und Nachbarschaftshilfe wieder Halt. Celine Seeberger schilderte ihre Einsamkeit mit den Veränderungen ihrer an FTD erkrankten Mutter und die hilfreiche Unterstützung durch eine Angehörigengruppe. Dieter Schmidt von der Schwulenberatung Berlin thematisierte die Angst vor Einsamkeit bei älteren LSBTI*-Menschen und stellte die „Lebensort Vielfalt“-Projekte als Angebot gegen diese Einsamkeit vor.
Volkmar Schwabe betonte, dass gegen Einsamkeit nur Menschen helfen können. In diesem Sinne wollen die Alzheimer-Gesellschaften und die Kongressteilnehmenden Anlaufstellen sein, die gegen Einsamkeit wirken.
Auszeichnungen für innovative Projekte
Im Rahmen des Kongresses wurden Preise für Projektvideos vergeben. Ausgezeichnet wurden ein Bienengarten, der Begegnungen zwischen Menschen mit Demenz und Schulkindern ermöglicht, ein Freizeit- und Aktivitätsangebot für jung an Demenz erkrankte Menschen und ihre Angehörigen sowie eine Box, die den Austausch über Liebe und Intimität unterstützt.
Forschungspreise
Die DAlzG vergab außerdem ihre mit 200.000 Euro dotierte Forschungsförderung 2024 sowie weitere 200.000 Euro für die Grundlagenforschung, die von der Förderstiftung Dierichs zur Verfügung gestellt wurden.
Förderung von sportlichen Aktivitäten
Dr. Veronique Wolter von der Technischen Universität Dortmund erhielt eine Fördersumme für ihr Projekt zur Untersuchung der Teilnahme von Menschen mit Demenz und ihren pflegenden Angehörigen an sportlichen Aktivitäten im Quartier.
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Vereinfachte Bestimmung von Behandlungsrisiken
Prof. Dr. med. Stefanie Schreiber und ihr Team von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erhielten eine Förderung für ihr Projekt zur Entwicklung eines Blut-basierten Biomarkers zur personalisierten Risikoabschätzung von Hirnblutungen und -ödemen im Rahmen von Amyloid-Immuntherapien.
Einfluss von Ernährung auf das individuelle Demenzrisiko
Dr. med. Ayda Rostamzadeh und Lena Sannemann vom Universitätsklinikum Köln wurden für ihr Projekt zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Umwelteinflüssen und (Epi-)Genetik zur Prävention von Demenzerkrankungen gefördert.
Partizipation ermöglichen
Im Symposium „Demenzstrategien in Bund und Land“ wurde die stärkere Einbindung von Menschen mit Demenz und Angehörigen in die Entwicklung von Demenzstrategien gefordert.
Hinsehen: Menschen mit beginnender Demenz und in jüngerem Alter
Sylvia Kern, 2. Vorsitzende der DAlzG, begleitete einen Workshop, der von Menschen mit Demenz selbst organisiert wurde und betonte, wie wichtig es für Betroffene ist, anderen Menschen mit Demenz zu begegnen und aktiv zu werden. Sigrid Wächter von der Fachberatungsstelle Junge Demenz der LVR-Klinik Köln sprach über die Unterstützung, die Menschen mit Demenz in jüngerem Alter und ihre Familien benötigen.
Helfen: Verbesserung der Versorgung zu Hause
Jennifer Geyer von der Universität Halle stellte das Projekt „Dementia Care Nurses“ vor, die in Sachsen-Anhalt Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu Hause unterstützen.
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Handeln: Ein Pakt für die Pflege
Ulrich Wendte vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg und Sonja Köpf vom Kompetenzzentrum Demenz für das Land Brandenburg stellten den „Pakt für die Pflege“ vor, der die Pflege in Brandenburg sichern und die Versorgung der Menschen verbessern soll.
Trauer zulassen
Antje Koehler sprach über die Bedeutung der „Weißen Trauer“ als Ausdruck von Liebe und die Notwendigkeit, sich dieser Trauer als Angehöriger zu stellen.
Die Kraft der Natur nutzen
Im Symposium „Raus ins Grüne: Natur und Demenz“ wurden verschiedene Ansätze vorgestellt, Menschen mit Demenz Naturerlebnisse zu ermöglichen.
Digitale technische Hilfsmittel und Sprachassistenzsysteme
Ein Online-Fachtag befasste sich mit dem Einsatz von Sprachassistenzsystemen wie Alexa für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.
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