Können Medikamente einen Schlaganfall auslösen? Ein umfassender Überblick

Die Frage, ob Medikamente einen Schlaganfall auslösen können, ist komplex und vielschichtig. Während die Bedeutung langfristiger Schlaganfall-Risikofaktoren wie Hypertonie bestens belegt ist, rückt die Rolle bestimmter Medikamente und anderer Auslöser zunehmend in den Fokus. Dieser Artikel beleuchtet, wie verschiedene Medikamente und Faktoren das Schlaganfallrisiko beeinflussen können.

Infektionen als Auslöser

Spezielle Infektionen wie bakterielle Endokarditis, Meningitis, Herpes zoster im Kopf- oder Halsbereich, Neuroborreliose oder AIDS können einen Apoplex unmittelbar verursachen. Aber auch allgemeine Infektionen, insbesondere der Atemwege, gelten als Trigger. Studien zeigen, dass Infektionen etwa 20-35 % der Schlaganfälle vorangehen, verglichen mit 5-10 % bei Kontrollen. Eine virale oder bakterielle Erkrankung verdreifacht innerhalb der letzten Woche die Wahrscheinlichkeit eines ischämischen Apoplex. Dahinter steckt vermutlich eine Aktivierung des Gerinnungssystems und eine Zunahme der Leukozytenzahl. Je weiter die Infektion jedoch zurückliegt, desto mehr nimmt die Gefahr wieder ab.

Es gibt auch die in Studien dokumentierte präventive Wirkung der Influenza-Impfung. Ähnlich wie Infektionen erhöhen operative Eingriffe das Schlaganfallrisiko. Auch hier spielt die Aktivierung der Gerinnung eine Rolle, ebenso wie die Assoziation mit dem postoperativen Auftreten von Vorhofflimmern.

Operationen und Stress

Auch im Umfeld von Operationen häufen sich zerebrale Insulte. Sie sind insbesondere mit Vorhofflimmern assoziiert, das nicht selten durch die Narkose und den Eingriff getriggert wird. Dazu kommt, dass man Antithrombotika perioperativ oft absetzen muss. Das höchste Risiko besteht laut dem Referenten in den ersten beiden postoperativen Tagen. Bereits die Aufregung während der Vorbereitung kann jedoch ein Ereignis provozieren, sodass der Eingriff gar nicht begonnen wird und der Patient auf der Stroke-Unit landet.

Bekanntermaßen ist Stress mit einem um rund ein Drittel erhöhten Risiko verbunden. Doch auch Wutausbrüche steigern die Wahrscheinlichkeit - und zwar um das Dreifache in den folgenden zwei Stunden. Sogar direkt nach schwerer körperlicher Belastung erhöht sich das Insultrisiko. Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt jedoch dagegen. Gefährdet sind also Menschen, die einmal einen Kraftakt vollbringen, sich ansonsten aber wenig bewegen.

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Lebensstilfaktoren: Kaffee und Alkohol

Ähnlich sieht es beim Kaffeekonsum aus. Für Menschen, die nur selten das Heißgetränk genießen, kann bereits eine einzige Tasse in der nächsten Stunde das Ereignis triggern, für Kaffee-Junkies entsteht kein Risiko. Schlaganfallpatienten haben überdurchschnittlich oft einige Stunden vor dem Ereignis Kaffee getrunken. Dieser ungünstige Effekt wird durch regelmäßigen Kaffeekonsum abgeschwächt, was für Toleranzeffekte bzgl. Koffein spricht. Ein vergleichbares Phänomen beobachtet man auch beim Alkohol. Störungen der Fibrinolyse, Plättchenaktivierung und Blutdruckanstieg könnten den Zusammenhang erklären.

Keine Frage, regelmäßige körperliche Aktivität senkt das Schlaganfallrisiko.

Medikamente mit erhöhtem Schlaganfallrisiko

Einige Medikamentengruppen wie Antipsychotika oder Checkpoint-Inhibitoren steigern ebenfalls das Schlaganfallrisiko. Besser bekannt ist diese Gefahr für Drogen wie Amphetamine, Kokain, Cannabis und Opiate.

Antipsychotika, auch Neuroleptika genannt, kommen in erster Linie bei der Behandlung von Psychosen wie der Schizophrenie zum Einsatz. Sie werden aber auch häufig verabreicht, um durch eine Demenz bedingte Verhaltensstörungen wie eine gesteigerte Aggressivität zu bessern. Eine kürzlich im Britischen Ärzteblatt veröffentlichte Studie hat nun gezeigt, dass die Medikamente auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, einen Schlaganfall zu erleiden. So wiesen Patienten, die Antipsychotika einnahmen, ein um das 1,7-fache erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Besonders gefährdet sind nach den Studienergebnissen Demenzpatienten. Vor diesem Hintergrund müssen Ärzte den Einsatz von Antipsychotika bei älteren und vor allem demenzkranken Menschen neu überdenken. Den Ergebnissen der Studie zufolge sind alle Antipsychotika mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Laut Studienergebnisse sei das Risiko mit modernen, so genannten „atypischen“ Antipsychotika, die an sich besser verträglich sind, eher größer als mit den älteren „typischen“ Antipsychotika. Die älteren Medikamente werden heute vielfach gemieden, weil sie dauerhafte Schäden der Hirnfunktion auslösen, etwa eine der Parkinson-Krankheit ähnliche Bewegungsstörung.

Schmerzmittel (NSAID)

Schmerzmittel der Klasse nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID) können das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln der Klasse nicht-steroidale Entzündungshemmer (auch nicht-steroidale Antiphlogistika genannt oder aus dem Englischen non-steroidal anti-inflammatory drugs: NSAID) führt zu einem beträchtlich erhöhten Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Insbesondere ältere Menschen, die häufig sowieso schon mit Herz-Kreislaufproblemen vorbelastet sind, sollten solche Medikamente nicht unbedacht einnehmen, bzw. falls unvermeidlich, dann nur so niedrig dosiert und so kurz wie möglich. Fatalerweise sind einige dieser Medikamente auch rezeptfrei in der Apotheke erhältlich, so dass manche Menschen offenbar meinen, dann könnten sie nichts schaden.

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Schweizer Forscher haben in einer Meta-Studie mit über 116.000 Patienten die Nebenwirkungen von sieben NSAID, die häufig von älteren Menschen gegen Rücken- oder Gelenkschmerzen eingenommen werden, analysiert. Alle untersuchten Medikamente waren mit einem erhöhten Risiko für Herz- und Hirninfarkte verbunden. Zwei Wirkstoffe - das rezeptfrei erhältliche Diclofenac und Etoricoxib - gehen im Vergleich zu Scheinmedikamenten mit einer vierfach erhöhten Herz-Kreislauf-Sterblichkeit einher. Und Ibuprofen verdreifacht den Forschern zufolge das Risiko für einen Schlaganfall und steigert das Herzinfarktrisiko um den Faktor 1,3.

Menschen, die regelmäßig Schmerzmittel benötigen, sollten bei Medikamenten aus der Gruppe der NSAID - insbesondere auch den frei verkäuflichen - größere Vorsicht walten lassen und sich bewusst zurückhalten. Leider gibt es keine empfehlenswerten Alternativmedikamente, da auch Ausweichmittel wie Parazetamol oder Opiode unerwünschte Nebenwirkungen (wie z.B. dauerhafte Leberschäden) verursachen und zudem oft nicht effektiv genug helfen.

Antikoagulanzien und Blutarmut

Dass Gerinnungshemmer das Risiko für gefährliche Blutungen erhöhen können, ist kein Geheimnis. Weniger bekannt ist allerdings, dass es sich dabei auch um unbemerkte Blutungen im Körperinneren handeln kann, die im Laufe der Zeit zu einer Blutarmut führen. Gerinnungshemmer bremsen nicht nur die überschießende Blutgerinnung, was vor gefährlichen Blutgerinnseln schützt. Darüber hinaus können Gerinnungshemmer auch die normale Gerinnung verlangsamen, wie sie im Körper bei Verletzungen automatisch zur Blutstillung in Gang gesetzt wird. Bei den Blutungen muss es sich keinesfalls um offensichtliche Blutungen handeln wie etwa Nasenbluten oder blaue Flecken, auch unbemerkte Blutungen sind möglich, was besonders beim Auftreten im Magen-Darm-Trakt oft der Fall ist. Nicht selten fallen die Blutverluste dann erst nach Wochen oder Monaten auf, z. B. wenn eine routinemäßige Blutabnahme zufällig einen zu niedrigen Hämoglobin-Wert oder zu wenig rote Blutkörperchen zeigt.

In dieser Situation darf der Gerinnungshemmer allerdings auf keinen Fall ohne ärztliche Rücksprache einfach abgesetzt werden. Zum einen sind Gerinnungshemmer bei vielen Herz-Kreislauf-Erkrankungen immens wichtig, z. B. um sich vor der Entstehung von Blutgerinnseln im Herz zu schützen, die mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen können und dort einen Schlaganfall verursachen. Zum anderen kommen für eine Blutarmut auch andere Ursachen in Frage wie etwa Magengeschwüre, kleine Schleimhaut-Wucherungen im Dickdarm oder auch eine unzureichende Blutneubildung aufgrund eines Mangels an Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure.

Nachdem eine Blutarmut festgestellt wurde, sollte im nächsten Schritt anhand weiterer Blutwerte überprüft werden, ob entweder eine gestörte Blutbildung verantwortlich ist oder der vermutete Blutverlust in Frage kommt. Richtungsweisend ist dabei insbesondere der Anteil an sogenannten Retikulozyten im Blut, bei denen es sich um noch unreife rote Blutkörperchen handelt und wobei zu niedrige Werte auf eine gestörte Blutneubildung hinweisen. Sollte die Detail-Analyse der Blutwerte eine Blutung anzeigen, kann zum Auffinden der Blutung eine Magen- und auch eine Darmspiegelung eine große Hilfe sein. Zudem lassen sich Blutungsquellen im Dünndarm - beispielsweise durch Gefäßmissbildungen - mittels Video-Kapsel-Endoskopie oder der sogenannten Doppelballon-Enteroskopie nachweisen und mit letzterer auch behandeln.

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Jeder kann selbst viel dazu beitragen, dass es bei der Einnahme eines Gerinnungshemmers nicht zu Nebenwirkungen kommt. An erster Stelle steht, den Gerinnungshemmer tatsächlich so einzunehmen, wie er sinnvollerweise verordnet wurde, was eigentlich selbstverständlich klingen mag. Doch in der Realität wird die tägliche Einnahme nicht selten vergessen, was insbesondere bei kurzwirksamen Gerinnungshemmern zu deutlichen Schwankungen der Gerinnungswerte führen kann. Nach wie vor taucht immer wieder die Frage auf, ob man unter Phenprocoumon-haltigen Gerinnungshemmern wie Marcumar, Phenprogamma oder Falithrom auf Vitamin K-reiches Gemüse verzichten sollte, da Phenprocoumon im Körper ein Gegenspieler des Vitamin K ist. Allerdings ist ein solcher Verzicht grundsätzlich nicht notwendig. Sehr zu empfehlen ist es bei diesen Phenprocoumon-haltigen Gerinnungshemmern dagegen, den Gerinnungswert »INR« regelmäßig selbst zu messen, statt ihn z. B. alle vier Wochen in der Sprechstunde bestimmen zu lassen. Auf diese Weise ist oft eine deutlich bessere Gerinnungseinstellung zu erreichen. Wissen sollte man, dass andere Medikamente die Wirkung von Gerinnungshemmern beeinflussen können oder sogar selbst Auswirkungen auf die Gerinnung haben, was zu gefährlichen Blutgerinnseln oder auch umgekehrt zu Blutungen führen kann. Auch frei erhältliche Medikamente sollten daher grundsätzlich nur nach ärztlicher Absprache eingenommen werden, was insbesondere bei rezeptfreien Medikamenten wie etwa Rheuma- und Schmerzmitteln immer wieder vergessen wird. Zum Beispiel hemmt Acetylsalicylsäure (ASS) die Blutgerinnung zusätzlich und steigert damit das Blutungsrisiko.

Niereninsuffizienz und Hämodialyse

Bei Patienten mit Niereninsuffizienz kann der Beginn einer Hämodialyse einen zerebralen Infarkt auslösen. Als Mechanismen werden Endotheldysfunktion, oxidativer Stress und Inflammation betrachtet.

Weitere Triggerfaktoren

Temperaturänderungen triggern potenziell ebenfalls einen Hirninsult. Nach epidemiologischen Daten sorgt ein Anstieg oder Abfall um nur 1 °C in den ersten Tagen für ein 13 % bzw. 20 % höheres Schlaganfallrisiko. Und auch die Luftverschmutzung, insbesondere erhöhte Feinstaubbelastung, korreliert in einem engen Zeitfenster mit der Wahrscheinlichkeit.

Auch gibt es Hinweise, dass Migräneattacken Schlaganfälle induzieren können. Intensiv wird der Stellenwert ökologischer Faktoren bei der Entstehung eines Schlaganfalls diskutiert. Gleiches gilt für die Schadstoffbelastung der Luft jeglicher Art.

Sekundärprophylaxe: Einen zweiten Schlaganfall verhindern

Einem Schlaganfall vorzubeugen ist in jedem Fall wichtig, unabhängig davon, ob zuvor bereits einer aufgetreten ist oder nicht. Besonders jedoch während der Phase der Erholung und Rehabilitation können manche vorbeugenden Maßnahmen schwerfallen, wie beispielsweise mehr Bewegung in den Alltag reinzubringen und damit Gewicht abzubauen - dies kann anfangs mühselig erscheinen oder schlicht noch nicht möglich sein. Umso wichtiger ist es in einem solchen Fall, weitere vorbeugende Möglichkeiten im Lebensstil zu beherzigen. Dazu zählen unter anderem der Verzicht auf Zigaretten oder Alkohol. Eine geänderte Essgewohnheit kann zudem die medikamentösen Maßnahmen unterstützen: Eine salzarme Diät hilft dabei, den Blutdruck zu senken und schont damit die Gefäßwände vor einer weiteren Schädigung und entlastet gleichzeitig das Herz. Der reduzierte Genuss von zuckerhaltigen Getränken und Snacks sowie von tierischen Fetten wie Käse oder Fleisch unterstützt dabei, die Blutzucker- und Cholesterinwerte zu kontrollieren.

Vorerkrankungen sollten nach einem Schlaganfall in der Vorbeugung ebenfalls im Fokus stehen. Allein durch die medikamentöse Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder einem erhöhten Cholesterinspiegel sinkt das Risiko, an einem weiteren Schlaganfall zu erkranken, um 20 bis 30 Prozent - vorausgesetzt, die Medikamente werden konsequent in der vom Arzt bzw. der Ärztin empfohlenen Dosis und Regelmäßigkeit eingenommen. Ein erhöhter Cholesterinspiegel nach einem Schlaganfall wird häufig mit Statinen behandelt.

Um einen weiteren Schlaganfall zu vermeiden, verordnen Ärztinnen und Ärzte auch gerinnungshemmende Medikamente. Wurde der Schlaganfall nicht durch eine vorliegende Herzerkrankung wie Vorhofflimmern ausgelöst, kommen in der Regel Thrombozytenfunktionshemmer wie Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel zum Einsatz. Mit diesen Wirkstoffen lässt sich das Risiko eines zweiten Schlaganfalls bereits um etwa 15 Prozent senken. Bei Vorhofflimmern haben sich sogenannte orale Antikoagulanzien wie Vitamin-K-Antagonisten oder die neuen oralen Antikoagulanzien bewährt.

Auch ein minimalinvasiver Eingriff kann einem zweiten Schlaganfall vorbeugen, so etwa, wenn ein persistierendes Foramen ovale (PFO) vorliegt. Dies ist bei etwa jedem vierten Menschen der Fall. Dieses kleine Loch zwischen den Herzvorhöfen schließt sich in der Regel kurz nach der Geburt, da seine Funktion, das Ungeborene mit dem sauerstoffreichen Blut seiner Mutter zu versorgen, dann nicht mehr benötigt wird. Bleibt es erhalten, so kann es vorkommen, dass vom Körperkreislauf kommendes sauerstoffarmes Blut statt in die Lunge direkt auf die andere Herzseite fließt und sich dort mit dem sauerstoffreichen Blut vermischt. Auf diese Weise können aus dem Körper kommende Blutgerinnsel, die sich beispielsweise in den tiefen Beinvenen gebildet haben, in die Hirnarterie geschwemmt werden und so einen Schlaganfall auslösen.

Mit einem kleinen Schirmchen, einem sogenannten Okkluder, welches über die Leistenvene mittels eines Katheters bis zum Foramen ovale vorgeschoben wird, lässt sich dieses verschließen und damit die Gefahr eines weiteren Schlaganfalls reduzieren. Auch der Verschluss des linken Vorhofohrs, einer kleinen Ausbuchtung im linken Herzvorhof, mittels Okkluder kann das Schlaganfallrisiko senken. Denn durch den Verschluss des linken Vorhofohrs können Ärztinnen und Ärzte verhindern, dass sich in dieser Ausbuchtung Gerinnsel bilden und von hier in den Körperkreislauf gelangen.

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