Die Noise-Punker von „Die Nerven“ sind auf „Flucht vor der Wirklichkeit“-Tour und haben das Publikum im Astra Kulturhaus und anderen Venues mit ihrer ganz speziellen Magie in Rausch-ähnliche Zustände versetzt. Die Frage, ob sie die beste Liveband Deutschlands sind, mag subjektiv sein, aber ihre Konzerte sind zweifellos ein Erlebnis.
Ein fulminantes Klanggewitter
Die Konzerte von Die Nerven sind geprägt von einem fulminanten Schlagzeug- und Gitarrengewitter, bei dem Bass, Gitarre und Schlagzeug in einen ständigen Wettkampf treten. Selbst ruhigere Nummern erreichen die Beine und treiben an. Rieger und Knoth wechseln sich beim Gesang ab, wobei ihre Texte oft verkopft, aber dennoch Klartext sind. Wie im Song „Ein Tag“ wird ein Gefühl von Einsamkeit und Stillstand thematisiert: „Ein Tag der nichts verändert aber bleibt. Ein neuer Blick auf die Einsamkeit. Ein Tag der nichts verändert aber bleibt." Wer einnehmende Texte und Klänge hat, kann auf große Ansagen gut verzichten, ähnlich wie Dylan oder Rammstein.
Live-Erlebnisse in verschiedenen Städten
Die Nerven haben im Rahmen ihrer Tournee verschiedene Städte bespielt und dabei unterschiedliche Eindrücke hinterlassen. Im Frankfurter Club Das Bett, wo sie seit zehn Jahren nicht mehr aufgetreten waren, herrschte eine brechend volle Atmosphäre. Es war etwas erstaunlich, dass eine Band mit dem Hipnessfaktor wie Die Nerven im Bett spielt. Hier gehen vielleicht 500 Menschen rein und es spielen sonst Ska- und Mittelalterbands.
In Stuttgart traten sie im Longhorn auf, wo sie bereits mehrfach ein Live-Ereignis besonderer Güte waren. Begleitet von sakralen Tönen betraten Die Nerven die Bühne, gefolgt von einem Trommelwirbel von Kevin Kuhn und Jubel aus dem Publikum. Die Musik ist körperlich und intellektuell zugleich; spürbar, bewegend und nachdenklich machend. Die Nerven zelebrieren ihre Musik auf höchstem Niveau, ohne aufgesetzte Show oder Effekte.
Auch in Hamburg rissen Die Nerven die Fans in der ausverkauften Fabrik in einen Kollektivrausch. Nach dem Indie-Experimental-Pop der Vorgruppe Zweilaster stürzten sich Die Nerven mit aller Vehemenz in das knapp 90 Minuten währende Konzert. Die Songs ihres aktuellen Albums „Wir waren hier“ standen zunächst im Mittelpunkt. Das utopisch-wilde „Als ich davonlief“ („Keine Nation, keine Grenzen“) mit Verweis auf den Tour-Titel als richtungsweisender Opener, die treibend-dringlichen „Das Glas zerbricht und ich gleich mit“ sowie „Große Taten“ direkt danach, was im Prinzip schon als Demonstration der Post-Punk-Indie-Rock-Stärke von Max Rieger (Gesang, Gitarre), Julian Knoth (Gesang, Bass) und Kevin Kuhn (Schlagzeug) reichte.
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In Münster im Gleis 22, das prall gefüllt war, enterten schließlich die Nerven die Bühne, standesgemäß zu Beethovens “Freude schöner Götterfunken”-Chor aus der Neunten Symphonie. Ersetzt wurden sie aber nicht durch enthusiastischen Jubel und hörbare Freude, sondern eine Attitüde, die Max Rieger mit seiner ersten Ansage besser auf den Punkt brachte, als ich das jemals könnte: “Ich sehe alte Männergesichter. Keine Regung, alles schon gesehen. ‘86 Nick Cave in Osnabrück, was wollt ihr jetzt hier?”
In Essen in der Zeche Carl überraschten Die Nerven ihre Fans mit einer energiegeladenen Performance und einer Setlist, die sowohl neue als auch ältere Songs enthielt.
Die Band und ihre Mitglieder
Die Nerven bestehen aus Max Rieger (Gesang, Gitarre), Julian Knoth (Gesang, Bass) und Kevin Kuhn (Schlagzeug). Rieger ist seit Jahren eine wichtige Figur in der Gitarrenmusik Deutschlands und produzierte bereits Drangsal und Casper. Kuhn, der Schlagzeuger, fällt oft durch seine Rockstarposen auf und wird zum Star des Abends. Knoth hingegen wirkt zugänglicher und bodenständiger.
Musikalische Einflüsse und Stil
Der Klang der Nerven wird oft mit Bands wie Shellac, Glenn Branca oder Nirvana verglichen. Ihre Musik ist eine Mischung aus Noiserock, Postpunk und deutschen Texten fernab von 08/15-Vokabular. Die Texte sind oft nörgelig und werden im Ich über das Du geschrieben, was die quengelnden Gitarrenspuren komplementiert.
Interaktion mit dem Publikum
Die Nerven scheuen sich nicht, mit dem Publikum zu interagieren, auch wenn es manchmal zu ungewöhnlichen Situationen kommt. In Essen eröffnete Rieger einen kleinen Fan-Frage-Antwort-Block, der zu einigen humorvollen und improvisierten Momenten führte. Auch Kevin Kuhn lieferte sich ein „Scream-Duell“ mit einem Zuschauer.
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Fazit
Die Konzerte von Die Nerven sind ein Ereignis, das man erlebt haben muss. Ihre Musik ist kraftvoll, intelligent und mitreißend. Sie sind eine Band, die keine aufgesetzte Show braucht, sondern einfach ihre Musik zelebriert. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich ein Konzert von Die Nerven nicht entgehen lassen.
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