Krampfanfall bei Kleinkindern: Ursachen, Erkennung und Erste Hilfe

Der Ausdruck "Krampfanfall" ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Krankheitsbilder, wobei nicht jeder einzelne Anfall gleichbedeutend mit einer Epilepsie ist. Etwa 10 % aller Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens einen Krampfanfall, ohne jemals tatsächlich an Epilepsie zu erkranken. Es ist wichtig, die Zusammenhänge von Ursachen, Erscheinungsbild, Verlauf und Behandlung eines akuten Krampfanfalls zu verstehen und ihn von einer Epilepsie zu unterscheiden.

Was ist ein Krampfanfall?

Ein Krampfanfall, auch epileptischer Anfall genannt, entsteht durch eine überschießende Entladung von Neuronen im Gehirn. Diese unkontrollierten, überschüssigen synchronen neuronalen Hirnaktivitäten verursachen plötzliche, vorübergehende Veränderungen der Motorik, der Empfindungen, des Verhaltens oder des Bewusstseins. Die Phänomenologie der Anfälle variiert erheblich, abhängig von Ort und Ausprägung.

Ursachen von Krampfanfällen bei Kleinkindern

Es gibt eine Reihe möglicher Ursachen, die einen Krampfanfall bei einem Kind oder Baby auslösen können:

  • Fieber (Fieberkrampf): Fieberkrämpfe sind die häufigste Ursache für Krampfanfälle im Kindesalter und treten bei 2-5 % der Kinder auf, meist zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 6. Lebensjahr.
  • Infektionen des zentralen Nervensystems: Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) und der Hirnhaut (Meningitis) können Krampfanfälle verursachen.
  • Stoffwechselstörungen: Z. B. Unterzucker bei Diabetes mellitus.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Schwere Kopfverletzungen können zu Krampfanfällen führen.
  • Vergiftungen: Die Einnahme einer Überdosis von Medikamenten oder der Kontakt mit anderen toxischen Substanzen kann Krampfanfälle begünstigen.
  • Hirntumore: Tumore im Gehirn können Krampfanfälle auslösen.
  • Zerebrale Raumforderungen: Z.B. Ischämien.
  • Hypoxie: Situationen, in denen das Gehirn nicht genug Sauerstoff bekommt.
  • Entzug oder Abusus von Suchtmitteln: Z.B. Alkohol.

Gelegenheitsanfälle vs. Epilepsie

Es ist wichtig, zwischen Gelegenheitsanfällen und Epilepsie zu unterscheiden.

  • Gelegenheitsanfälle (akut symptomatische Anfälle): Diese treten im Rahmen von akuten Erkrankungen oder Schädigungen des Gehirns auf. Es gibt einen direkt identifizierbaren Auslöser für den Anfall, wie z. B. Fieber, Infektionen, Drogen, bestimmte Medikamente oder Schlafmangel. Die Krampfanfälle hören auf, wenn man die eindeutigen Auslöser bzw. akuten Ursachen behandelt oder meidet.
  • Epilepsie (Anfallsleiden): Von einer Epilepsie spricht man, wenn die Anfälle spontan, das heißt ohne einen erkennbaren Auslösefaktor und in bestimmten Abständen bzw. bestimmter Häufigkeit auftreten. Epilepsien liegen unbekannte oder chronische Ursachen zugrunde, weshalb meistens die Einnahme von Anfallssuppressiva erforderlich ist, um eine Anfallskontrolle oder Anfallsfreiheit zu erreichen.

Fieberkrämpfe im Detail

Ein weiteres, gerade bei Eltern sehr bekanntes Beispiel für einen sogenannten Gelegenheitsanfall ist der Fieberkrampf, dessen Auslöser ein fieberhafter Infekt ist. Fieberkrämpfe treten typischerweise im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren auf.

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Ursache

(Fieberhafter) Infekt. Alle Erkrankungen, die mit Fieber einhergehen, können einen Fieberkrampf auslösen. Manchmal steigt die Körpertemperatur so rasch an, dass erst mit dem Fieberkrampf registriert wird, dass das Kind überhaupt Fieber hat.

Erscheinungsbild

Ein Fieberkrampf entspricht im Allgemeinen dem Erscheinungsbild eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls, dem sogenannten Grand-mal-Anfall. Zu Beginn des Anfalls wird oft das Verdrehen der Augen beobachtet. Im Verlauf kommt es dann zum Bewusstseinsverlust und zur Anspannung des gesamten Körpers, die in ein Zucken der Arme und Beine übergehen kann. Das Gesicht ist meistens blass, manchmal kommt es auch zu einer Blaufärbung im Bereich der Lippen (sogenannte Zyanose). Mitunter tritt anstelle der Körperverspannung ein gänzlicher Verlust der Körperspannung auf.

Manchmal beginnt der Fieberkrampf z. B. mit einem Armzucken oder der Kopfwendung zu einer Seite. Dann spricht man von einem fokalen (von einem bestimmten Ort im Gehirn ausgehenden) Beginn des Anfalls.

Dauer und Komplikationen

Bei circa 20 % der Fieberkrämpfe beträgt die Dauer zwischen 5 und 15 Minuten und nur bei 10 % länger als 15 Minuten. Diese Anfälle müssen durch Medikamente beendet werden. Man spricht dann von einem komplizierten Fieberkrampf. Während eines Infektes können sich Fieberkrämpfe auch mehrfach wiederholen. Auch wenn sich das Kind im Anschluss an den Anfall nicht rasch erholt oder in kurzer Folge (bzw. während der folgenden 24 Stunden) weitere Anfälle auftreten, handelt es sich um einen komplizierten Fieberkrampf.

Wahrscheinlichkeit für erneute Krämpfe

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einem ersten Fieberkrampf erneut Krämpfe auftreten, liegt bei ca. 30-40 %.

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Wichtiger Hinweis

Nicht immer handelt es sich allerdings bei einem Anfall in einer fiebrigen Phase um ein harmloses Ereignis; in seltenen Fällen kann ein Krampfanfall bei Fieber auch das Zeichen einer beginnenden Hirnhautentzündung oder einer anderen ernsten Erkrankung sein.

Was tun bei einem Fieberkrampf?

Wenn ein Kind erstmalig einen Fieberkrampf erleidet, bleiben Sie bei dem Kind, bewahren Sie Ruhe und schauen Sie auf die Uhr, wie lange der Anfall dauert. Die Kleidung des Kindes wird - wenn nötig - gelockert, damit das Kind frei atmen kann. Auf keinen Fall dürfen Getränke oder Nahrung gegeben werden, denn das Kind könnte daran ersticken. Das Kind darf wegen einer Verletzungsgefahr niemals geschüttelt werden, auch kaltes Wasser ist nicht hilfreich. Vielmehr sollte rasch ein/e Kinder- und Jugendärztin/arzt oder Notärztin/arzt verständigt werden. Nach dem Anfall wird die Körpertemperatur gemessen. Das Fieber kann durch Fieberzäpfchen und kühle Wickel gesenkt werden.

Nach einem ersten Fieberkrampf wird der Arzt bzw. die Ärztin dem Kind möglicherweise vorsorglich ein Medikament (z. B. flüssiges Diazepam in einer Rektaltube) zur Unterbrechung von Fieberkrämpfen verschreiben. Falls es erneut zu einem Fieberkrampf kommen sollte, verabreichen Sie dem Kind den Inhalt der Rektaltube sofort in den After. Das Medikament unterbricht den Fieberkrampf im Allgemeinen innerhalb weniger Minuten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich von der ärztlichen Fachperson über die Handhabung und die zu verabreichende Dosis der Rektaltube aufklären zu lassen sowie die Gebrauchsinformation genau zu lesen. Nur so können Sie im Notfall dieses Arzneimittel ruhig und sicher einsetzen.

Erste Hilfe bei Krampfanfällen

Unabhängig davon, ob es sich um einen akut symptomatischen Krampfanfall oder einen epileptischen Anfall handelt, gibt es einige Regeln bezüglich der ersten Hilfe zu berücksichtigen:

  • Sicherheit: Am wichtigsten ist es, dass gefährliche Gegenstände aus der Nähe der krampfenden Person entfernt werden und dass der Kopf geschützt wird, zum Beispiel, indem man eine Jacke oder ein Kissen darunter legt.
  • Stabile Seitenlage: Dann sollte die Person sanft in die stabile Seitenlage gebracht werden, um die Atemwege freizuhalten.
  • Nicht festhalten: Außerdem darf man Betroffene niemals festhalten.
  • Mundschutz ist tabu: Man sollte niemals einen Gegenstand als eine Art Beißkeil in den Mund stecken, wie etwa einen Löffel, um zu verhindern, dass Betroffene sich auf die Zunge beißen. Durch den Beißkeil besteht Verletzungsgefahr und das Risiko, dass Krampfende ihn verschlucken oder einatmen.
  • Notruf: Handelt es sich um den ersten Krampfanfall bzw. um Personen, die nicht bereits als Menschen mit Epilepsie diagnostiziert wurden, sollte man einen Notarzt rufen und als Betroffener nach dem Anfall unbedingt einen Facharzt aufsuchen. Bei bereits diagnostizierten Menschen mit Epilepsie ist das jedoch meistens nicht notwendig.
  • Notfallausweis: Erlebt man einen Krampfanfall bei einer fremden Person mit, so kann es sinnvoll sein, die Taschen der Betroffenen nach einem Notfallausweis zu durchsuchen, den Menschen mit Epilepsie häufig bei sich tragen. Darin steht ganz genau, wer zu kontaktieren ist (Notfallkontakt).
  • Beobachtung: Finden Sie einen solchen Ausweis bei einer krampfenden Person, so sollten Sie zudem auf bestimmte Merkmale und die Dauer des Anfalls achten. Schauen Sie also auf die Uhr und notieren Sie prägnante Symptome wie krampfende Gliedmaßen, Schaum vor dem Mund oder ob die Augen offen oder geschlossen sind.
  • Videoaufnahme: Kennen Sie die Person, so ist die Aufnahme des Anfalls mit dem Smartphone empfehlenswert.

Eine möglichst genaue Beschreibung über Ablauf und Dauer des Krampfes ist entscheidend für die Einordnung der Anfalls und die Festlegung weiterer therapeutischer Maßnahmen.

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Diagnostik

Nach einem Krampfanfall wird das Kind körperlich untersucht. Der Arzt misst die Körpertemperatur und den Sauerstoffgehalt im Blut. Blut- und Urinkulturen geben Hinweise auf eine Infektion.

Um die Ursache eines Krampfanfalls zu ermitteln, führen Ärzte unter anderem eine Elektroenzephalografie (EEG) durch. Hierbei messen Sensoren auf der Kopfhaut die Gehirnwellen und spüren auffällige elektrische Aktivitäten des Gehirns auf.

Mögliche Stoffwechselstörungen lassen sich durch die Bestimmung von Blutzucker (Glukose), Kalzium, Magnesium, Natrium und anderen Substanzen im Blut nachweisen.

Eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) entdeckt Fehlbildungen des Gehirns, Blutungen oder Tumore.

Behandlung

Die Behandlung richtet sich auf den zugrundeliegenden Auslöser, und je nach Bedarf werden Antikonvulsiva verabreicht.

Akuter Anfall

  • Krampf medikamentös durchbrechen: Midazolam i.n / i.m. oder i.v. oder Lorazepam i.v.
  • Status epilepticus: Ein epileptischer Anfall, welcher länger als 5 Minuten anhält, oder mehr als 2 aufeinanderfolgende Anfälle über einen Zeitraum von mehr als 5 Minuten ohne Wiedererlangen des Bewusstseins, wird als Status epilepticus bezeichnet und stellt ein dringend therapiebedürftiges Notfallbild dar!
  • ABCDE-Schema: Sollte der Krampfanfall abgeschlossen sein, erfolgt die Behandlung nach dem ABCDE-Schema. Sicherung der Atemwege (evtl.

Nach dem Anfall

Nach dem Fieberkrampf muss das Kind in der Regel von der/dem Kinder- und Jugendärztin/arzt gesehen und untersucht werden, um eine Hirnhautentzündung oder andere schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen. Die/Der Kinder- und Jugendärztin/arzt entscheidet, ob das Kind zur weiteren Untersuchung und eventuellen Behandlung in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss.

Vorbeugung

Es gibt kein Mittel, einen erneuten Fieberkrampf zuverlässig zu verhindern, auch nicht durch konsequente Fiebersenkung, weil die Krampfanfälle häufig im Fieberanstieg auftreten und deswegen gar nicht vorherzusehen sind. Eltern sollten sich daher keine Vorwürfe machen oder sich mit Schuldgefühlen quälen, wenn ihr Kind einen weiteren Fieberkrampf erleidet.

Allgemein gilt, dass bei fieberhaften Infekten hohes Fieber, unter dem das Kind sichtlich leidet, mit von der/dem Kinder- und Jugendärztin/arzt empfohlenen Medikamenten und Maßnahmen gesenkt werden sollte. In Einzelfällen kann bei Kindern mit komplizierten oder wiederholten Fieberkrämpfen die kurzzeitige, vorbeugende Gabe eines krampflösenden Medikaments sinnvoll sein.

Prognose und Verlauf

Nach bisherigen Erkenntnissen schädigt ein Krampfanfall bei einem Kind nicht das Gehirn - solange er nicht mehr als eine Stunde anhält. Allerdings besteht die Gefahr, dass Erkrankungen, die Krampfanfälle verursachen, auf Dauer zu Problemen führen und die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Die Prognose bei Krampfanfällen beim Baby oder Kind hängt also von der Ursache der Anfälle ab.

Kinder mit Fieberkrämpfen entwickeln sich genau so normal wie Kinder ohne Fieberkrämpfe. Fieberkrämpfe führen nicht zu einer Schädigung des Gehirns. Bei einem Drittel der betroffenen Kinder muss jedoch mit weiteren Fieberkrämpfen gerechnet werden. Diese Neigung zu Fieberkrämpfen verlieren die Kinder spätestens im Schulalter.

Vermeidung von Missverständnissen

Nicht selten werden solche Krämpfe von Laien mit der Bezeichnung „Zahnkrämpfe“, „Wachstumsstörungen“, „Fraisen“ oder „Gichter“ abgetan. Diese Verharmlosung kann dazu führen, dass die richtigen Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Gelegenheitsanfälle unterbleiben. Der Zahndurchbruch ist - entgegen einer weit verbreiteten Ansicht - bei Kindern nie die Ursache von Krämpfen.

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