Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Alzheimer: Neue Krebsmedikamente und Forschungsergebnisse

Mehr als 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Demenz, wobei Alzheimer die häufigste Form darstellt. Nun gibt es erstmals in Europa ein Medikament, das verspricht, die Nervenerkrankung im Frühstadium zu verlangsamen. Der Neurologe Thorsten Bartsch bezeichnet das neue Medikament Lecanemab als einen "Meilenstein". Laut dem Leiter der Gedächtnisambulanz am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel kann erstmals direkt in den Krankheitsprozess von Alzheimer eingegriffen werden.

Die Rolle von Beta-Amyloid bei Alzheimer

Am Anfang einer Alzheimer-Erkrankung beobachten Forschende eine fehlerhafte Zerlegung bestimmter Proteine, wodurch instabile Eiweißstücke, Beta-Amyloid, im Gehirn entstehen. Auch bei gesunden Menschen kommt dies vor, jedoch kann der Körper die Eiweißbruchstücke abbauen. Bei Alzheimer entsteht jedoch zu viel Beta-Amyloid, das sich zu sogenannten Protofibrillen zusammenlagert, welche als besonders schädlich für die Nervenzellen gelten.

Lecanemab: Ein neuer Therapieansatz

Bisher konnten Neurologen wie Thorsten Bartsch lediglich versuchen, die Symptome des geistigen Verfalls bei ihren Patienten zu lindern. Mit der Zulassung des Wirkstoffs Lecanemab in den USA im Jahr 2023 und der Verfügbarkeit in Deutschland seit Anfang September 2025 hat sich dies geändert. Lecanemab ist ein Antikörper, der an bestimmte Formen von Beta-Amyloid bindet, wodurch Komplexe entstehen, die von Immunzellen aufgenommen und abgebaut werden können.

Allerdings kommt das neue Medikament wohl nur für etwa zehn Prozent der Alzheimer-Betroffenen infrage, und zwar in einem sehr frühen Stadium der Erkrankung, da Lecanemab den Krankheitsprozess nicht stoppen, sondern nur verlangsamen kann. "Je früher die Therapie anfängt, desto besser ist der Erfolg", betont der Göttinger Neurowissenschaftler André Fischer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).

Risiken und Nebenwirkungen von Lecanemab

Die europäische Zulassungsbehörde war zunächst zögerlich, da die Therapie Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Mikroblutungen verursachen kann. Alzheimer-Patienten mit zwei Kopien des sogenannten ApoE4-Gens sind aufgrund ihres erhöhten Risikos für diese Komplikationen von der Behandlung ausgeschlossen. Die Therapie mit Lecanemab ist zudem aufwändig, da alle zwei Wochen eine Infusion erforderlich ist.

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Früherkennung und Biomarker-Forschung

Da die Früherkennung entscheidend ist, um den Untergang von Nervenzellen zu verlangsamen, suchen Forschende weltweit nach aussagekräftigen Biomarkern im Blut, die schnell und einfach Hinweise auf eine sich entwickelnde Alzheimer-Erkrankung geben können. Auch am DZNE in Göttingen wird daran geforscht. Neurowissenschaftler André Fischer hofft, dass solche Tests künftig zum Screening eingesetzt werden können, für alle ab 60, alle zwei Jahre. Zwei Bluttests auf fehlerhafte Eiweiße werden in Europa bereits im Rahmen klinischer Studien eingesetzt. Der Kieler Neurologe Thorsten Bartsch hofft, dass sie schon bald die Routinediagnostik der Alzheimer-Erkrankung unterstützen können.

Prävention durch Lebensstiländerung

Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten. Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, das Risiko für eine Demenz zu reduzieren: Die Impfung gegen Gürtelrose-Viren. Das belegt eine jüngst im Fachmagazin Nature publizierte Studie aus Wales. Ähnliche Effekte sind auch bei anderen Viren denkbar, sagt Konstantin Sparrer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Ulm. Unklar ist aber noch, wie genau Virusinfektionen Demenzerkrankungen befördern. Entweder die Viren dringen direkt ins Gehirn ein und schädigen dort die Nervenzellen. Oder das Immunsystem wird durch die Infektion so stark stimuliert, dass es überreagiert. In der Forschung zeichne sich ab, so Konstantin Sparrer, "dass jegliche Virusinfektion nicht gut ist für eine Demenz“.

Leqembi: Details zum Medikament

Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) ist ein neues Medikament zur Behandlung der frühen Alzheimer-Krankheit. Es richtet sich an Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) bei Alzheimer oder im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit. Seit dem 25. August 2025 ist Leqembi in Österreich erhältlich, in Deutschland ab dem 1. September. Die Zulassung durch die Europäische Kommission erfolgte im April 2025. Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn.

Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques.

Es ist wichtig zu betonen, dass Leqembi Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten kann. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen. In der großen Phase-3-Studie CLARITY AD zeigte sich, dass die Erkrankung bei den Teilnehmenden, die Leqembi erhielten, langsamer fortschritt als in der Placebo-Gruppe.

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Wer kann mit Leqembi behandelt werden?

Wer mit Leqembi behandelt werden kann, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.

Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen, da in Kombination mit dem Medikament das Risiko für eine Hirnblutung deutlich steigt.

Die Anzahl der Menschen, die für die Behandlung infrage kommen, ist noch unklar. Nach einer Einschätzung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von Mai 2025 erfüllt etwa 1 von 100 Menschen mit einer Alzheimer-Demenz alle Voraussetzungen für eine Behandlung mit Leqembi, also in etwa 12.000 Erkrankte. Neuere Berechnungen von August 2025 sprechen von bis zu 73.000 Patientinnen und Patienten in Deutschland, was bei 1,2 Millionen Erkrankten etwa 6 Prozent entspricht. Diese Zahl gilt jedoch als optimistische Obergrenze, da die aufwendige Diagnostik, mögliche Ausschlusskriterien und begrenzte ärztliche Kapazitäten berücksichtigt werden müssen. Neben den medizinischen Voraussetzungen ist zusätzlich die Teilnahme an einem EU-weiten Register verpflichtend.

Gentest und Behandlungsvoraussetzungen

Vor dem Beginn der Behandlung mit Leqembi wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das so genannte ApoE4-Gen besitzt. Menschen mit einer doppelten Kopie dieses Gens (ApoE4-Homozygote) haben ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen und können deshalb nicht mit Leqembi behandelt werden. Der Gentest macht die Therapie sicherer.

Die Behandlung mit Leqembi stellt neue Anforderungen an die ärztliche Versorgung. Es braucht eine frühzeitige Diagnose sowie spezialisierte Einrichtungen mit ausreichender personeller und technischer Ausstattung.

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Verabreichung und Kontrolle auf Nebenwirkungen

Leqembi wird als Infusion (Tropf) alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht. Die Behandlung dauert jeweils etwa eine Stunde. Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen. Diese Untersuchungen müssen vor der 5., 7. und 14. Dosis erfolgen. Werden die vorgeschriebenen MRTs nicht durchgeführt, muss die Behandlung beendet werden. Treten Kopfschmerzen, Verwirrtheit oder Übelkeit auf, entscheiden die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über weitere Untersuchungen.

Sicherheitsvorkehrungen und Teilnahme an einem Register

Nur Patientinnen und Patienten, die alle Voraussetzungen erfüllen, dürfen mit Leqembi behandelt werden. Vor Beginn der Therapie erhalten sie ebenso wie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausführliche Informationen, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und richtig einzuordnen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Kontrollprogramm verpflichtend (Controlled Access Program, CAP). Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden. Zu Beginn der Therapie erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen. Die Behandlung mit Leqembi wird beendet, wenn sich die Alzheimer-Erkrankung deutlich verschlechtert und in ein mittelschweres Stadium übergeht.

Mögliche Nebenwirkungen

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen. Bei den für die EU-Zulassung relevanten Patientengruppen - also Menschen mit höchstens einer Kopie des ApoE4-Gens - kam es in rund 13 % der Fälle zu Hirnblutungen und in 9 % zu Hirnschwellungen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11 %) und Infusionsreaktionen (26 %). In der Studie wurden drei Todesfälle gemeldet, von denen zwei mit der gleichzeitigen Einnahme von Gerinnungshemmern in Verbindung gebracht wurden.

Studienergebnisse und Wirksamkeit von Lecanemab

In der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Krankheit standen bisher keine Medikamente zur Verfügung, die auf die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung einwirken konnten. Der Wirkstoff Lecanemab wurde in den vergangenen zehn Jahren mit mehreren hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern in verschiedenen klinischen Studien untersucht. Ausschlaggebend für die Zulassung waren die Ergebnisse der Phase-3-Studie CLARITY AD, an der insgesamt 1.795 Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Alzheimer-Demenz teilgenommen hatten. Während des 18-monatigen Untersuchungszeitraums wurde in regelmäßigen Abständen kognitive Fähigkeiten, wie das Gedächtnis, die Orientierung oder die Fähigkeit, Probleme zu lösen, von Fachleuten überprüft.

Ergebnis der Studie war, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe. Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht.

Die Rolle des DZNE und zukünftige Entwicklungen

Die europäische Zulassungsbehörde EMA hat nun grünes Licht für den Antikörper Lecanemab gegeben, womit der erste kausal wirkende Wirkstoff gegen Alzheimer auch in der EU kurz vor der Zulassung steht. Prof. Dr. Gabor Petzold, Direktor der Klinischen Forschung am DZNE und Sektionsleiter Vaskuläre Neurologie am Uniklinikum Bonn, betont, dass dies ein Gamechanger und der Beginn einer neuen Ära sei, da erstmals ein Medikament zur Verfügung stehe, das nicht nur auf die Symptome der Krankheit ziele, sondern gegen ihre Ursachen wirke.

Prof. Petzold geht davon aus, dass in den kommenden Jahren eine ganze Reihe von Wirkstoffen auf den Markt kommen wird. So hat zum Beispiel bereits ein weiterer Hersteller die Zulassung für einen Antikörper beantragt, der ebenfalls gegen die Amyloid-Proteine wirkt. Zudem könnten auch die Antikörper-Therapien selbst noch verbessert werden, also ihre Wirkung verstärkt und Nebenwirkungen abgeschwächt. Es gibt auch ein zweites Protein, das Alzheimer auslöst, es nennt sich Tau, zu dem es bereits erste ermutigende Studien gibt, die zeigen, dass bestimmte Medikamente in der Lage sind, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Interessant sind auch Kombinationstherapien: In Zukunft könnten wir vielleicht mit Präparaten arbeiten, die sowohl Antikörper gegen Amyloid als auch gegen Tau enthalten. Oder diese um Medikamente aus ganz anderen Bereichen ergänzen: Die neuen Schlankmacher-Spritzen etwa scheinen eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf bei Alzheimer-Patient:innen zu haben.

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