Lagerungsrichtlinien nach Schlaganfall: Ein umfassender Überblick

Schwere Immobilität, oft verursacht durch neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, erfordert eine langfristige therapeutische Lagerung. Die korrekte Lagerung spielt eine entscheidende Rolle bei der Prävention von Komplikationen, der Förderung der Rehabilitation und der Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Lagerung nach einem Schlaganfall, einschliesslich verschiedener Lagerungskonzepte, ihrer Effektivität und praktischer Anwendung.

Einleitung

Jährlich sind allein in Deutschland rund 45.000 Patienten von neu auftretenden Schlaganfällen betroffen, die eine regelmäßige Lagerung und Umlagerung über einen langen Zeitraum benötigen. Die Lagerung ist ein wichtiger Bestandteil der pflegetherapeutischen Routine in der Akutversorgung und während des Rehabilitationsprozesses. Ziel ist es, den Patienten bequem zu lagern und sekundäre Komplikationen wie Dekubitus (Druckgeschwüre) und Pneumonien (Lungenentzündungen) zu verhindern.

Herausforderungen und Evidenzlage

Die optimale Lagerung von Schlaganfallpatienten ist ein viel diskutiertes Thema. Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, welche Positionen am günstigsten sind und wie oft die Umlagerung erfolgen sollte, um Dekubitus zu vermeiden. Studien haben gezeigt, dass sowohl die Bauchlage als auch die Oberkörperhochlagerung positive Effekte bei Lungenproblemen haben können, aber gleichzeitig das Risiko für Dekubitus erhöhen. Auch die aufrechte Lagerung kann sowohl positive als auch negative Reaktionen hervorrufen.

Bisher gibt es keine eindeutige Einigkeit zwischen Pflegenden und Therapeuten bezüglich der idealen Positionen für Schlaganfallpatienten. Ebenso unklar ist die erforderliche Frequenz der Umlagerung, um Dekubitus effektiv vorzubeugen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit evidenzbasierter Richtlinien und individueller Anpassung der Lagerung an die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten.

Bedeutung der Lagerung in der Rehabilitation

In der Rehabilitationsphase kann eine konsequent angewendete Lagerung die funktionelle Erholung unterstützen, Kontrakturen vermeiden und den Muskeltonus normalisieren. Eine suboptimale Lagerung kann hingegen die passive Beweglichkeit (PROM) reduzieren. Daher ist es entscheidend, die Effizienz verschiedener Lagerungsvarianten zu untersuchen und systematisch zu vergleichen.

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Lagerungskonzepte im Vergleich: KON vs. LiN

Es gibt verschiedene Lagerungskonzepte, die sich in ihrer Herangehensweise und den angestrebten Zielen unterscheiden. Zwei häufig verwendete Konzepte sind die konventionelle Lagerung (KON) und die Lagerung in Neutralstellung (LiN).

Konventionelle Lagerung (KON)

Bei der konventionellen Lagerung (KON) erfolgt alle 2-3 Stunden ein Wechsel zwischen verschiedenen Positionen wie Rückenlage, Bauchlage oder Seitenlagen. Das Lagerungsmaterial wird dabei an bestimmten Stellen des Körpers platziert, wobei die Stellung der Körperabschnitte zueinander wenig berücksichtigt wird.

Lagerung in Neutralstellung (LiN)

Im Gegensatz dazu spielt bei der Lagerung in Neutralstellung (LiN) die Stellung der Körperabschnitte zueinander eine entscheidende Rolle. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass Muskelgruppen weder verkürzt noch überdehnt sind und dass paretische Körperabschnitte stabilisierend unterstützt werden. Eine LiN erfordert mehr Lagerungsmaterial, wie zum Beispiel Steppdecken und Kissen, um den Patienten durch spezielle Techniken zu stabilisieren und ihm so die Möglichkeit zu geben, sich zu entspannen. Im Vergleich zur KON erfolgt eine gleichmäßigere Verteilung des Körpergewichts, was das Risiko für einen Dekubitus an Fersen, Steiß- und Kreuzbein verringern kann.

Die vier Grundprinzipien der LiN®-Lagerung

  1. Halt und Stabilität für den Patienten: Die Lagerung muss dem Patienten ausreichend Halt geben, um die Gefahr eines sekundären Hypertonus zu minimieren. Das Positionierungsmaterial wird fest an den Körper des Patienten anmodelliert, und alle Hohlräume am Körper werden ausgefüllt, um maximale Stabilität herzustellen.
  2. Körperabschnitte günstig zueinander positionieren: Die Lagerung sollte so gestaltet sein, dass es so wenig wie möglich zu lagerungsbedingten Muskelverkürzungen und Tonusveränderungen kommt. Bei der LiN®-Lagerung passt sich der Körper nicht an die Unterlage an, sondern die Unterlage wird an den Körper angepasst.
  3. Neutralstellung modifizieren, individueller Lösungsansatz: Eine Neutralstellung wird dem aktuellen Status der Gelenke angepasst und nicht erzwungen. Die Positionierung sollte bequem und angenehm sein.
  4. Unterstützungsfläche anpassen: Im Rahmen der Wundversorgung ist darauf zu achten, dass die Lagerung so angepasst ist, dass eine maximale Druckentlastung für gefährdete Knochenpunkte gegeben ist. Durch das Anmodellieren an den Körper und das Ausfüllen von Körperhohlräumen kann eine gleichmäßige Druckverteilung erreicht werden.

Studienergebnisse zum Vergleich von LiN und KON

Eine prospektive, multizentrische, randomisierte kontrollierte Studie untersuchte die Effektivität der Lagerungsformen LiN und KON bei Patienten mit schwerer Immobilität. Dabei wurde der Effekt der Lagerung auf die passive Beweglichkeit (PROM) und den Komfort der Patienten untersucht.

Die Ergebnisse zeigten, dass die 2-stündige Lagerung im LiN-Konzept die passive Beweglichkeit der Hüften und Schultern sowie den Komfort für die Patienten im Vergleich zu KON verbesserte. Konkret zeigte sich in der LiN-Gruppe eine signifikante Verbesserung der PROM der Hüften (12,84°; p < 0,001), der Flexion der Schultern (11,85°; p < 0,001) und der Außenrotation der Schultern (7,08°; p < 0,001).

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Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass LiN im Vergleich zu KON potenziell vorteilhafter für die Beweglichkeit und das Wohlbefinden von Patienten mit schwerer Immobilität sein könnte. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um zu überprüfen, ob die Anwendung von LiN über einen längeren Zeitraum die Rehabilitation und die Lebensqualität verbessern, Dekubiti verhindern oder die Pflege erleichtern könnte.

Praktische Anwendung der LiN®-Lagerung

Bevor mit der LiN®-Lagerung begonnen wird, sollte das Pflegepersonal die individuelle Situation des Patienten genau analysieren. Dabei sind folgende Aspekte zu beachten:

  • Bei welchen Körperabschnitten benötigt der Patient Unterstützung?
  • Welche Einschränkungen bestehen?
  • Was ist die eigentliche therapeutische Zielsetzung?

Alle bekannten konventionellen Arten der Positionierung können in Neutralstellung erfolgen, einschließlich Rückenlage, stabiler Sitz im Bett oder Rollstuhl, 30°- und 90°-Lagerung auf dem Bauch. Als Material für die Durchführung der LiN® eignen sich übliche Steppdecken und lockere Kissen, da diese sich optimal an den Körper anmodellieren lassen. Die Menge an Material hängt individuell von der Person und deren Körpersemantik, -größe und -zustand ab.

Die Dauer einer LiN® sollte individuell betrachtet werden und an die aktuell geltende Empfehlung von zweistündigen Positionierungswechsel des Expertenstandards Dekubitusprophylaxe in der Pflege gekoppelt sein.

Weitere Lagerungskonzepte und -techniken

Neben KON und LiN gibt es weitere Lagerungskonzepte und -techniken, die in der Pflege von Schlaganfallpatienten Anwendung finden. Dazu gehören unter anderem:

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Bobath-Konzept

Das Bobath-Konzept ist ein umfassendes Bewegungskonzept zur Rehabilitation von Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Es basiert auf der Annahme, dass das Gehirn lebenslang lernfähig ist und intakte Hirnareale die Funktionen der geschädigten Bereiche übernehmen können. Durch immer wiederkehrende Bewegungsmuster werden neue Verknüpfungen im Gehirn geschaffen, wodurch die betroffene Person motorische Fähigkeiten zurückgewinnt und wieder selbstständiger in ihrem Alltag wird.

Im Rahmen des Bobath-Konzepts werden verschiedene Lagerungen eingesetzt, um die beeinträchtigten Körperpartien zu stimulieren, den Muskeltonus zu entspannen und die Körperwahrnehmung zu fördern. So empfiehlt sich beispielsweise die Lagerung auf der betroffenen Seite, um die beeinträchtigten Körperpartien durch den Auflagedruck zu stimulieren. Die Lagerung auf der nicht betroffenen Seite kann hingegen helfen, den Muskeltonus zu entspannen.

Mobilisation nach Bobath

Die Mobilisation nach Bobath, auch Transfer nach Bobath genannt, zielt darauf ab, den Patienten aktiv in sämtliche Positionswechsel mit einzubeziehen. Dies beginnt mit einfachen unterstützenden Bewegungsabläufen, wie dem Aufsetzen im Bett.

Waschen nach Bobath

Das Waschen nach Bobath ist eine weitere Möglichkeit, die Körperwahrnehmung von Patienten mit starken körperlichen Einschränkungen zu fördern. Dabei wird stets von der gesunden zur kranken Seite hin gearbeitet.

Vojta-Therapie

Die Krankengymnastik nach Vojta kann eine gute Ergänzung zum Bobath-Konzept sein. Hierbei aktivieren Physiotherapeuten die natürlichen menschlichen Bewegungsmuster über verschiedene Druckpunkte. Dadurch lassen sich Symptome wie beispielsweise Spastizität lindern und Bewegungsniveaus verbessern. Im Gegensatz zu Bobath, das neue Verknüpfungen im Gehirn schafft, soll Vojta angeborene Bewegungsmuster aktivieren.

Weitere wichtige Aspekte der Lagerung

Neben der Auswahl des geeigneten Lagerungskonzepts und der korrekten Durchführung der Lagerung gibt es weitere wichtige Aspekte, die bei der Pflege von Schlaganfallpatienten berücksichtigt werden sollten:

Raumgestaltung und Hilfsmittel

  • Die Raumaufteilung und Anordnung der Einrichtungsgegenstände sollten so gestaltet sein, dass der Patient dazu angeregt wird, seine geschädigte Körperseite wahrzunehmen und zu nutzen.
  • Das Bett sollte so gestellt werden, dass sich alle wichtigen Gegenstände auf der Seite der geschädigten Körperseite befinden.
  • Als Sitzgelegenheit sind stabile Stühle mit Rückenlehne besser geeignet als Polstermöbel.
  • Ein höhenverstellbares Pflegebett kann die Pflege erleichtern.
  • Für die Anpassung des Bades und der Toilette stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, die dem Patienten eine selbstständige sichere Körperhygiene ermöglichen.

Mundhygiene

Bei Gesichtslähmung ist besonders auf die Mundhygiene zu achten, da die geschädigte Seite oft vernachlässigt wird. Nach jeder Mahlzeit sollte eine sorgfältige Reinigung der Mundhöhle erfolgen.

Ernährung

Bestehen anfangs Schluckbehinderungen, werden pürierte Speisen verabreicht.

Kontinenz

Bei Halbseitenlähmung besteht anfangs häufig Inkontinenz, die jedoch durch ein gezieltes Toilettentraining im Laufe der Zeit meist beherrscht werden kann. Verstopfung ist unbedingt zu vermeiden, da starkes Pressen den Patienten erneut gefährden kann.

Medikamenteneinnahme und Überwachung

Die Pflegenden sind gefordert, den Patienten dahingehend zu unterstützen und zu überwachen, dass die Anweisungen des Arztes befolgt werden. Dazu zählen vor allem die Sicherstellung der vorschriftsmäßigen Einnahme von Medikamenten, die Blutdruckkontrolle, bei Diabetikern die Blutzuckerkontrolle oder die Einhaltung einer Diät.

Mobilisation und Teilhabe am Familienleben

Ziel aller Maßnahmen ist es, den Patienten so rasch wie möglich wieder aus dem Bett zu bringen und ihm größtmögliche Selbständigkeit zurückzugeben. Die Mobilisation beginnt mit Sitzübungen im Bett, gefolgt von Sitzen und Essen außerhalb des Bettes sowie Gleichgewichts- und Gehübungen. Der Patient soll weitgehend am normalen Familienleben teilnehmen und, wenn möglich, sogar kleinere Aufgaben im Haushalt übernehmen.

Umgang mit Sprachstörungen (Aphasien)

Sprachstörungen, sog. Aphasien, sind wohl die schwerste Belastung für den Patienten und seine Mitmenschen. Es ist wichtig, in kurzen, einfachen Sätzen langsam mit dem Aphasiker zu sprechen und ihn zum Sprechen anzuregen. Dabei ist zu beachten, dass der Betroffene durch seine Sprachstörung nicht automatisch geistig beeinträchtigt ist.

Handorthesen

Bei Schlaganfall-Patienten mit eingeschränkter Handfunktion kann die richtige Lagerung Folgeschäden vermeiden. Eine individuell angefertigte Handorthese kann helfen, die Hand in einer neutralen Position zu halten und Kontrakturen vorzubeugen.

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