Das Bobath-Konzept ist ein weltweit anerkanntes Bewegungs- und Rehabilitationskonzept, das speziell für Menschen mit Störungen des zentralen Nervensystems entwickelt wurde. Diese Störungen können Lähmungen aufgrund von Erkrankungen des zentralen Nervensystems, Hirnschäden oder Schädigungen des Rückenmarks umfassen. Vorrangig wird diese Therapieform bei Patienten mit Schlaganfall oder Menschen im Wachkoma angewendet. Ziel des Bobath-Konzepts ist es, durch ständige Wiederholungen von Übungen und Muskeltonusregulation neue Verknüpfungen im Gehirn entstehen zu lassen (Neuroplastizität).
Einführung in das Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept, benannt nach seinen Gründerinnen Berta Bobath und Dr. Karl Bobath, ist ein umfassender Pflege- und Therapieansatz bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Es handelt sich um ein problemlösender Ansatz, der motorische Einschränkungen, Spastiken oder Störungen des Gleichgewichts entgegenwirken bzw. therapieren kann. Mithilfe der neurologischen Rehabilitation des Gehirns wird die Neuroplastizität gefördert. Sie beschreibt die Lernfähigkeit des Gehirns, sich durch neue Erfahrungen, Lernen oder nach Verletzungen strukturell und funktionell zu verändern bzw. zu optimieren. Diese Anpassungsfähigkeit äußert sich in der Bildung neuer neuronaler Verbindungen und der Modifikation bestehender Netzwerke. Die Behandlung beinhaltet ständige Wiederholung von Bewegungsabläufe, manuelle Therapie und die Förderung von Alltagsaktivitäten.
Ziele des Bobath-Konzepts
Das Bobath-Konzept ist ein ganzheitlicher und evidenzbasierender Ansatz, der das Zusammenspiel von Körper und Geist betont. Die Rehabilitation und Förderung der Beweglichkeit darf dabei nicht nur auf die Therapiesitzungen beschränkt sein. Daher müssen im sogenannten 24-Stunden-Konzept Pflegefachkräfte, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten sowie Ärzte transdisziplinär zusammenarbeiten, um die Ziele des Bobath-Konzeptes zu erreichen:
- Wiedererlernen bzw. Verbesserung der motorischen Funktionen
- Förderung der Selbstständigkeit
- Schmerzlinderung und Verhinderung von Kontrakturen
- Verbesserung der Lebensqualität
- Förderung der sozialen Integration
Anwendungsbereiche des Bobath-Konzepts
Bobath-Übungen werden in der Regel angewendet, wenn Patienten neurologische Erkrankungen oder Verletzungen haben, die ihre Bewegungsfähigkeiten, Muskelkontrolle und Koordination beeinträchtigen. Zu den häufigsten Ursachen, die die Anwendung des Bobath-Konzepts rechtfertigen, gehören:
- Hirnverletzungen, wie Apoplex (Schlaganfall), Schädel-Hirn-Trauma oder Wachkoma
- Zerebrale Bewegungsstörungen
- Multiple Sklerose
- Parkinson-Krankheit
- Rückenmarksverletzungen, wie Querschnittslähmung
- Neurologische Erkrankungen im Kindesalter, wie zerebrale Kinderlähmung
Das Bobath-Konzept in der Pflege
Beim Bobath-Konzept liegt der Fokus auf der Umsetzung eines individuell angepassten Therapieplans, der sich an den spezifischen Fähigkeiten und Bedürfnissen des Patienten orientiert. Bei den Übungen sollten die Anwendungsbereiche Lagerung, Mobilisation, Körperwaschung, Raumgestaltung und Selbsthilfetraining mit eingebunden werden.
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Lagerung nach Bobath
Die Lagerung nach Bobath wird als Behandlungskonzept für Menschen angewendet, die einen Schlaganfall oder eine andere Hirnschädigung erlitten haben. Eine Säule des Bobath-Konzepts sind Lagerungen. Durch diese Lagerungen wird der taktil-kinästhetische Sinn stimuliert, das Gehirn erhält dadurch Informationen über das richtige Handlungsmuster. Im Vordergrund steht die Einbindung der betroffenen (gelähmten) Seite. Spastikfördernde Faktoren sollen verhindert werden.
Grundprinzipien der Lagerung nach Bobath
Die praktische Anwendung des Bobath-Konzepts erfordert fundiertes Fachwissen des Pflegenden.
- Am Bettgestell wird der Patientenaufrichter entfernt.
- Kontinuierlicher Druck auf den Fußballen provoziert Spastizität.
- Druck auf die Fingergrundgelenke löst den Greifreflex aus.
- Eine normal feste Matratze fördert die taktil-kinästhetische Wahrnehmung.
- Sind Druckschäden zu beobachten, müssen die Zeitintervalle zwischen den Lagewechseln angepasst werden.
- Nicht jede Lagerung wird vom Betroffenen akzeptiert. Sein Wohlbefinden ist vorrangig zu betrachten, seine Kooperation ist unabdingbar.
Die Lagerung von Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems wird sowohl auf der betroffenen als auch auf der nicht betroffenen Seite durchgeführt. Diese differenzierte Herangehensweise stellt sicher, dass im Gehirn sowohl die sensorischen als auch die motorischen Fähigkeiten auf beiden Seiten des Körpers stimuliert und unterstützt werden.
Die Lagerung auf der betroffenen Seite ermöglicht es, durch den Auflagedruck die Eigenwahrnehmung und die Körperkontrolle zu stimulieren. Dadurch wird gleichzeitig die nicht betroffene Seite aktiviert und in die Bewegungsabläufe integriert, was die motorischen Fähigkeiten und die Bewegungsfreiheit fördert. Besonders effektiv ist die 90-Grad-Lagerung. Diese Seitenlagerung auf der betroffenen Seite fördert die Muskeltonusregulation und steigert die Sinneswahrnehmung. Durch die Zuhilfenahme von Lagerungskissen und Decken wird die Unterstützungsfläche des Betroffenen maximal genutzt. Damit werden zugleich Dekubitus vorgebeugt.
Alternativ bietet die Lagerung auf der nicht betroffenen Seite dem Patienten die Möglichkeit, sich wohler zu fühlen. Obwohl der Aktionsspielraum durch die oben liegende beeinträchtigte Seite eingeschränkt ist, kann der Betroffene in dieser Position seine Lage aktiv mitgestalten.
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Zusätzlich unterstützen Positionen wie das stabile Sitzen im Bett oder am Tisch die Rumpfstabilität und den Kreislauf, was wesentliche Schritte zurück in das soziale Leben darstellen.
Bei jeder Lagerungsform wird eine relativ harte Unterlage empfohlen, um den notwendigen Auflagedruck zur Muskeltonusregulation zu erhöhen.
Lagerungsarten im Überblick
Die Lagerungen werden nachfolgend in der Reihenfolge ihres therapeutischen Stellenwertes abgebildet:
- Sitzen im Stuhl am Tisch: Das Sitzen im Stuhl am Tisch stellt die aus therapeutischer Sicht effektivste Lagerung dar.
- Lagerung auf der betroffenen Seite: Sie übt eine deutlich tonusregulierende und stimulierende Wirkung aus.
- Lagerung auf der nicht betroffenen Seite: Sie kommt hauptsächlich wegen ihrer tonusregulierenden Wirkung zum Einsatz.
- Sitzen im Bett: Sie erfolgt als so genannter Langsitz.
- Lagerung auf dem Rücken: Von Betroffenen wird die Lagerung bevorzugt. Jedoch wirkt sie sich spastikfördernd aus.
Mobilisation nach Bobath
Mobilisation nach Bobath wird auch Transfer nach Bobath genannt. Danach sollen Sie Ihre Angehörigen aktiv in sämtliche Positionswechsel mit einbeziehen. Es beginnt mit einfachen unterstützenden Bewegungsabläufen, zum Beispiel dem Aufsetzen im Bett.
Die Mobilisation nach Bobath zielt darauf, die Patienten aktiv in sämtliche Positionswechsel mit einzubeziehen. So lassen sich die Bewegungsfähigkeiten spürbar verbessern. Der Prozess beginnt mit einfachen, unterstützenden Bewegungsabläufen, zu denen das Aufsetzen im Bett gehört. Von dort aus entwickelt sich der Ablauf weiter bis zum Wechseln in einen Rollstuhl oder auf einen Stuhl. Dieser Wechsel wird entweder als tiefer oder als hoher Transfer klassifiziert, abhängig von der bereits erreichten Stabilität des Patienten. Für den Erfolg dieser Mobilisation ist das korrekte Handling der Betroffenen von größter Bedeutung. Dabei führen geschulte Pflegekräfte und/oder Therapeuten die Bewegungen des Patienten mit speziellen Techniken durch. Diese ermöglichen eine sichere und effektive Bewegung und fördern gleichzeitig die Lernprozesse durch wiederholtes Ausführen.
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Der Einsatz von Hilfsmitteln wie Hebe- oder Umsetzhilfen kann dabei unterstützen, die Sicherheit zu erhöhen und die Unabhängigkeit des Patienten zu fördern.
Neurophysiologische Teil- oder Ganzkörperwaschung nach Bobath
Eine gute Möglichkeit, die Körperwahrnehmung von Patienten mit starken körperlichen Einschränkungen zu fördern, ist das Waschen nach Bobath. Beim Waschen nach Bobath arbeiten Sie stets von der gesunden zur kranken Seite hin. Beim Bobath-Konzept kommt es auf die richtigen Handgriffe an - egal ob Sie Ihren Angehörigen sicher aus dem Bett in den Rollstuhl bewegen oder seinen Körper waschen wollen.
Pflegekräfte können auch bei der Reinigung von Betroffenen positiv Einfluss auf die sensorische Integration und die motorische Wiederherstellung nehmen. Dabei stehen sie bewusst an der betroffenen Seite des Patienten, um direkte Unterstützung und Feedback zu geben. Bei dem Ablauf der Pflege ist es wichtig, dass die Pflegefachkraft die Waschung von der weniger betroffenen Seite zur stärker betroffenen Seite durchführt. Dies fördert die Übertragung der „Spür“-Informationen und hilft dem Patienten, ein besseres Bewusstsein und eine erhöhte Sensibilität für die betroffene Seite zu entwickeln. Darüber hinaus wird die Wassertemperatur nach den Wünschen des Betroffenen eingestellt, um maximalen Komfort zu gewährleisten und die sensorische Erfahrung zu optimieren.
Raumgestaltung
Ein zentraler Aspekt der Raumgestaltung nach dem Bobath-Konzept ist die strategische Positionierung des betroffenen Patienten, sodass er möglichst alles im Raum wahrnehmen kann. Diese Ausrichtung trägt nicht nur zur sensorischen Stimulation bei, sondern fördert auch eine erhöhte kognitive und emotionale Beteiligung. Indem der Patient den gesamten Raum überblicken kann, wird seine räumliche Orientierung unterstützt, was wiederum essenziell für das Erkennen von Raum und Zeit ist. Diese umfassende Wahrnehmung stimuliert die sensorische Integration: Das Gehirn erhält kontinuierlich visuelle, akustische und räumliche Reize, die es verarbeiten und in sinnvolle Informationen umwandeln muss. Schließlich fördert die Einbindung des Patienten in das Umgebungsgeschehen seine aktive Teilnahme am sozialen Leben und trägt zur Verbesserung seines psychologischen Wohlbefindens bei.
Selbsthilfetraining
Ziel eines jeden Bobath-Trainings ist, dass die Patienten trotz ihrer Erkrankung so viel Selbstständigkeit wie möglich zurückerlangen. Geeignet für die Gestaltung des ADL-Trainings sind neben der Körperpflege, das An- und Ausziehen, die Nahrungsaufnahme, aber je nach Mobilität auch der eigenständige Toilettengang.
Im Rahmen des Bobath-Prinzips wenden Therapeuten eine Vielzahl von Übungen an. Diese Übungen zielen darauf ab, die Bewegungsfähigkeiten, die Koordination und die Muskelkontrolle der Patienten zu verbessern.
Die Übungen vermitteln den Patienten Fähigkeiten, um Aktivitäten des täglichen Lebens selbstständig bewältigen zu können. Sie umfassen eine breite Palette von Aktivitäten, die von der Körperpflege bis zur Nahrungsaufnahme und Mobilität reichen. Diese Aktivitäten unterteilen sich in:
- Aktive Bewegungsübungen
- Passive Bewegungsübungen
- Gleichgewichtsübungen
- Koordinationsübungen
- Alltagsnahe Übungen
Spezifische Techniken und Bewegungsstrategien verbessern die motorischen und kognitiven Fähigkeiten der Patienten. Ziel ist es, die Selbstständigkeit in der Durchführung dieser Aktivitäten zu erhöhen und dadurch das Selbstvertrauen und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern.
Der Einbezug von Angehörigen und dem Pflegepersonal in die Bewegungsabläufe beim Bobath-Konzept ist ebenfalls von großer Bedeutung. Sie unterstützen die Patienten im täglichen Leben und tragen dazu bei, das Gelernte zu festigen und anzuwenden.
Dauer einer Bobath-Therapie
Die Dauer einer Bobath-Therapie kann von Fall zu Fall variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören der Gesundheitszustand des Patienten, die Art und Schwere der neurologischen Erkrankung, die individuellen Zielen und Bedürfnissen des Patienten sowie die verfügbaren Ressourcen. Im Allgemeinen kann die Dauer einer Bobath-Therapie wie folgt zusammengefasst werden:
- Akute Phase: In der akuten Phase nach einem Schlaganfall oder einer neurologischen Verletzung kann die Bobath-Therapie täglich oder mehrmals pro Woche stattfinden. Das Hauptziel besteht darin, lebenswichtige Funktionen zu stabilisieren und den Patienten auf die Rehabilitationsphase vorzubereiten.
- Rehabilitationsphase: In der Rehabilitation kann die Bobath-Therapie über mehrere Wochen oder Monate hinweg fortgesetzt werden. Die Therapiedauer und -häufigkeit wird an die spezifischen Bedürfnisse des Patienten angepasst. In dieser Phase steht die Wiederherstellung motorischer Fähigkeiten und die Verbesserung der Selbstständigkeit im Vordergrund.
- Langzeitpflege und Erhaltung: Bei einigen Patienten kann die Bobath-Therapie langfristig in Form von regelmäßigen Sitzungen fortgesetzt werden, um die erreichten Fortschritte aufrechtzuerhalten und die Lebensqualität zu verbessern. Dies kann insbesondere bei chronischen neurologischen Erkrankungen oder langfristiger Pflege erforderlich sein.
Die Dauer der Bobath-Therapie wird individuell auf die Bedürfnisse jedes Patienten abgestimmt. In enger Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten, Patienten und seinen Angehörigen wird die optimale Therapiedauer festgelegt und damit sichergestellt, dass die Therapieziele erreicht werden.
Aktuelle Trends und Entwicklungen des Bobath-Konzepts
- Integration von Technologie in die Bobath-Therapie: Mit den Fortschritten in der Technologie entwickelt sich auch das Bobath-Konzept weiter, um innovative Werkzeuge und Geräte in Therapiesitzungen zu integrieren. Virtuelle Realität, Robotik und andere Technologien werden in Behandlungsprogramme integriert, um den Rehabilitationsprozess zu verbessern und Patienten auf neue und aufregende Weise einzubeziehen. Diese technologischen Fortschritte haben das Potenzial, die Neurorehabilitation zu revolutionieren und die Möglichkeiten des Bobath-Konzepts zu erweitern.
- Fortschritte in Forschung und evidenzbasierter Praxis: In der Bobath-Gemeinschaft liegt der Schwerpunkt zunehmend auf Forschung und evidenzbasierter Praxis. Forscher führen Studien durch, um die zugrunde liegenden Mechanismen des Bobath-Konzepts besser zu verstehen und belastbarere Beweise für seine Wirksamkeit zu sammeln. Diese Fortschritte in der Forschung tragen zum wachsenden Wissensschatz rund um die neurologische Rehabilitation bei und bilden die Grundlage für weitere Weiterentwicklungen und Verfeinerungen des Bobath-Ansatzes.
- Weltweite Akzeptanz und Anerkennung des Bobath-Konzepts: Das Bobath-Konzept erfreut sich weltweit zunehmender Anerkennung als wertvoller Ansatz in der Neurorehabilitation. Therapeuten aus verschiedenen Ländern übernehmen diesen Ansatz, setzen ihn um und tragen so zu seiner weltweiten Akzeptanz bei. Es werden internationale Kooperationen und Netzwerke aufgebaut, um den Wissensaustausch zu erleichtern und höchste Versorgungsstandards für Menschen mit neurologischen Erkrankungen sicherzustellen. Diese weltweite Anerkennung ist ein Beweis für die Wirkung und das Potenzial des Bobath-Konzepts.
Bobath-Therapie und Vojta-Therapie im Vergleich
Das Bobath-Konzept und die Vojta-Therapie sind zwei verschiedene Ansätze in der Physiotherapie und Rehabilitation, die auf die Behandlung von neurologischen und muskulären Problemen abzielen. Der Unterschied von Bobath zu Vojta ist, dass Vojta darauf ausgerichtet ist, das Gehirn so anzuregen, dass angeborene Bewegungsmuster wieder aktiviert werden, während beim Bobath-Konzept darauf ausgerichtet ist, neue Verknüpfungen im Gehirn zu schaffen (Neuroplastizität). In der Altenpflege kann die Krankengymnastik nach Vojta eine gute Ergänzung zum Bobath-Konzept sein. Hierbei aktivieren Physiotherapeuten die natürlichen menschlichen Bewegungsmuster über verschiedene Druckpunkte. Dadurch lassen sich Symptome wie beispielsweise Spastizität lindern und Bewegungsniveaus verbessern.
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