Laterale Spezialisierung des Gehirns: Eine umfassende Betrachtung

Das menschliche Gehirn ist eine faszinierende Struktur, die trotz ihrer äußeren Symmetrie eine bemerkenswerte funktionelle Spezialisierung aufweist, die als Lateralisierung bezeichnet wird. Diese Lateralisierung, die sich auf die unterschiedliche Aufgabenverteilung zwischen den beiden Hirnhemisphären bezieht, beeinflusst eine Vielzahl von kognitiven Prozessen, Verhaltensweisen und Emotionen.

Einführung in die Lateralisierung des Gehirns

Die Lateralisierung des Gehirns beschreibt die funktionelle Asymmetrie zwischen der linken und der rechten Hemisphäre. Obwohl beide Hemisphären miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten, sind sie auf unterschiedliche Aufgaben spezialisiert. Diese Spezialisierung ermöglicht eine effizientere Verarbeitung von Informationen und eine bessere Anpassung an die Umwelt. Die Unterschiede der Funktionsweise zwischen rechter und linker Hirnhemisphäre beeinflussen eine Vielzahl von Verhaltensweisen, Denkstrategien und Emotionen und können kausal in die Entstehung einiger psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen eingreifen (wie Schizophrenie, Sprachstörungen).

Historischer Hintergrund

Die Beobachtung, dass die beiden Großhirnhemisphären nicht identisch sind, geht bis auf René Descartes zurück, der die Zirbeldrüse als Sitz der Seele vermutete, da die Zweiteilung des Gehirns nicht mit der Einheit des Bewusstseins zu vereinbaren schien. Erst die Arbeiten von Roger Sperry, der 1981 den Nobelpreis für seine Forschungen zur Hirnspaltung erhielt, machten die funktionellen Unterschiede zwischen den Hemisphären einer breiteren Öffentlichkeit bewusst.

Messung von Hemisphärenunterschieden

Die Unterschiede zwischen der rechten und linken Hirnhemisphäre können auf verschiedenen Ebenen gemessen werden, darunter:

  • Anatomisch: Unterschiede in der Größe und Form bestimmter Hirnregionen.
  • Histologisch-molekular: Unterschiede in der Zusammensetzung und Organisation von Zellen und Molekülen.
  • Endokrinologisch-neurochemisch: Unterschiede in der Verteilung und Aktivität von Hormonen und Neurotransmittern.
  • Physiologisch-funktionell: Unterschiede in der Aktivität und Konnektivität von Hirnregionen, gemessen mit bildgebenden Verfahren wie EEG, MEG und fMRT.
  • Verhalten: Unterschiede in der Leistung bei verschiedenen Aufgaben, die spezifische kognitive Funktionen beanspruchen.

Die Untersuchungen zu Verhalten und psychologischen Funktionen haben zweifellos die wichtigsten Resultate erbracht. Auf allen Ebenen wurden Unterschiede zwischen den Hemisphären gefunden, deren funktionelle Bedeutung aber in den seltensten Fällen klar ist.

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Die zentrale Hypothese zur funktionellen Spezialisierung

Eine Hypothese zur Erklärung der unterschiedlichen Funktionen der Hemisphären besagt, dass die linke Hemisphäre eine höhere Variabilität der Faserdicke intrakortikaler Nervenfasern aufweist, was zu einer schnelleren und präziseren Verarbeitung von zeitlichen Informationen führt. Dies könnte erklären, warum syntaktische Funktionen und Zeitstrukturen fast immer links angesiedelt sind.

Evolution und Entwicklung von Hemisphärenunterschieden

Hemisphärenunterschiede sind nicht nur beim Menschen zu finden, sondern auch bei vielen anderen Säugetieren und Vögeln. Dies deutet darauf hin, dass die Lateralisierung eine evolutionär alte Anpassung ist, die es ermöglicht, bestimmte Aufgaben effizienter zu bewältigen. Phylogenetisch liegt beim Menschen die Ursache für die extreme Spezialisierung der rechten Hemisphäre für räumlich-analoge und der linken Hemisphäre für zeitlich-sequentielle Aufgaben vermutlich im selben evolutionären Mechanismus wie der Wechsel zum aufrechten Gang. In der ontogenetischen Entwicklung könnten für diese anatomische Variabilität die Lage des menschlichen Fetus und differentielle Reizung der rechten und linkenSinnesorgane im Mutterleib verantwortlich sein.

Konsequenzen der Hirnspaltung

Die operative Durchtrennung des Corpus callosum, auch als Hirnspaltung bezeichnet, ist eine seltene, aber wirksame Behandlungsmethode bei schweren Epilepsien. Allerdings hat dieser Eingriff dramatische Konsequenzen für die Wahrnehmung und das Verhalten. Beide Hemisphären verfügen über zwei getrennte "Bewußtseine" und Verhaltenseigenheiten. Unmittelbar nach der Hirnspaltung treten häufig zwei miteinander unvereinbare Willenshandlungen auf (eine Hand zieht die Hose rauf, die andere runter).

Auswirkungen auf die Wahrnehmung

Projiziert man Bild- oder Sprachmaterial isoliert in eine Hemisphäre, wie in Abbildung 1 gezeigt, zeigen sich Ergebnisse, die auch an Gesunden in psychologischen Experimenten gefunden wurden: Semantisches Gedächtnis und Sprachverständnis ist bei Rechtshändern in beiden Hemisphären möglich, expressive Sprachäußerung und Syntax nur links perisylvisch. Die rechte Hemisphäre ist bei räumlich-gestalthaften Aufgaben, raschen zielgeleiteten Bewegungen, visueller Daueraufmerksamkeit (Vigilanz), im Erkennen und Äußern von (Sprach-)Melodie überlegen, die linke in allen Aufgaben mit zeitlichsequentiellem Charakter und zeitlich fein abgestuften Bewegungen.

Analyse des Reizmaterials

Die Lokalisation von syntaktischen Strukturen und Wortfolgen links könnte daher Folge der anatomischen Variabilität der Faserdicke und der damit einhergehenden erhöhten zeitlichen Abstufung von Erregungssalven und sequentieller Aktivierung von entsprechenden Zellensembles sein. Grafik 2 zeigt auch eine damit zusammenhängende Eigenheit der beidenHemisphären: Die linke analysiert das Reizmaterial kausal-logisch, die rechte analog-gestalthaft.

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Händigkeit und Hemisphärenasymmetrie

Die Bevorzugung der rechten Hand und die Lokalisation von Syntax und Zeitstrukturen links sind lose miteinander korreliert. 70 Prozent der Linkshänder haben Syntax und expressive Sprache links lokalisiert, 30 Prozent beidseitig, nur wenige Linkshänder zeigen ausschließlich Sprache rechts. Allerdings sind Personen mit frühkindlichen Hirnschädigungen häufiger Linkshänder (Gruppe A-Linkshänder). Der Rest der Linkshänder ist dagegen in künstlerischen Leistungen eher begabter als Rechtshänder. Sie erkaufen diesen Vorteil aber mit Immunschwäche, Hyperaktivität, Stottern und anderen Symptomen unklarer Lateralisierung.

Einfluss von Testosteron

Diese Zusammenhänge gelten aber nur für das männliche Geschlecht. Testosteron, das männliche Sexualhormon, könnte das Wachstum der linken Hemisphäre beeinträchtigen und Linkshändigkeit und verbesserte Begabung für räumlich-geometrische, aber auch musikalische Funktionen bewirken. Bei kreativen Musikern wurde beispielsweise eine verstärkte Tendenz zur Androgynie gefunden: Männliche musikalisch Begabte (Komponisten) zeigen verstärkt weibliche Attribute und weibliche musikalisch Begabte (Komponistinnen) mehrmännliche Attribute in Körperbau, Verhalten und Denken (2).

Geschlecht und Hemisphärenasymmetrie

Die - meist kleinen - Unterschiede in bestimmten Fertigkeiten zwischen den Geschlechtern führt man auf Hemisphärenunterschiede zurück. Klar ist, daß bei Frauen Sprache weniger lateralisiert ist und die Wortflüssigkeit höher. Frauen erleiden daher bei Schlaganfällen links etwas seltener Aphasien als Männer. Umgekehrt sind Männer bei geometrisch-räumlichen Aufgaben und großen Zielbewegungen begabter; entsprechend häufiger sind diese Funktionen bei Läsionen rechts stärker als bei Männern gestört: Apraxien (Verfehlen von Zielen bei Bewegungen) und unilateraler Neglekt (Ignorieren der linken Körper- und Raumseite) sind ausgeprägter.

Evolutionäre Aspekte

Frauen sind in feinmotorischen Aufgaben mit sequentiell ablaufenden Bewegungen (linke Hemisphäre) besser als Männer, die große, zielgerichtete Bewegungen (Werfen), also rechtshemisphärische Funktionen, besser beherrschen: Dies könnte eine Ursache oder Folge von den in der Evolution stets von Männern bevorzugten"ausgreifenden" Tätigkeiten wie Jagd, Kampf, Ortswechsel und Verlassen häuslicher Strukturen sein.

Gefühlsqualität und Hemisphärenasymmetrie

Die rechte Hemisphäre ist nicht nur im Erkennen von Gesichtern überlegen und für Sprachmelodie (Prosodie) zuständig, sie scheint auch für die Wahrnehmung und das Äußern negativer Gefühle, wie Trauer, Ekel und Angst, besonders "geeignet" zu sein, während positive Gefühle eher zu verstärkter Hirnaktivität links führen.

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Auswirkungen von Läsionen

Läsionen der linken Hemisphäre enthemmen die rechte und können vermehrt emotionale Katastrophenreaktionen auslösen, Läsionen der rechten mit Euphorie einhergehen. Dieser Unterschied liegt aber sicher nicht daran, daß die Steuerung von Gefühlen kortikal geschieht (die Hirnrinde ist weitgehend "gefühllos"), sondern hängt mit dem unterschiedlichen Zugriff der beiden Hemisphären auf limbische Hirnstrukturen zusammen, die Gefühlsqualitäten vermitteln.

Belohnungssystem

Da Sprachäußerungen (links) und rasche, automatische Bewegungen (links) rascher und häufiger von positiven Konsequenzen (Belohnung) gefolgt werden, verbinden sie sich anatomisch und funktionell mit sogenannten positiven Verstärkerstrukturen in subkortikalen Hirnregionen. Deshalb könnte die linke Hemisphäre für erfreulich-positive Reize empfänglichersein.

Hemisphärenunterschiede und Krankheit

Eine Vielzahl von neurologischen, psychologisch-psychiatrischen und endokrinen Störungen hängt mit Störungen der Hemisphärenasymmetrie zusammen. Allerdings ist bei wenigen der bisher untersuchten Krankheiten ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen worden.

Sprachstörungen

Aphasien und Apraxien haben wir bereits erwähnt. Diese sind nicht nur bei Frauen, sondern auch bei mehrsprachig aufgewachsenen Personen und Personengruppen mit Bild- und Zeichensprachen - wie in Japan - seltener, da mehrere Hirnregionen über Sprachfunktionen verfügen. Dyslexien (Lesestörungen) entstehen aus frühen Wahrnehmungsstörungen der Lautunterscheidung, bevorzugt im linken Temporallappen. Sie können durch intensives Training von Lautunterscheidung behoben werden. Bei Stotterern liegt dagegen eine erhöhte bilaterale expressiveSprachkontrolle vor, die zu Aktivierungskonflikten führt.

Autismus und Schizophrenie

Besonders interessant, wenn auch schwer zu verstehen, sind Befunde an frühkindlichem Autismus und Schizophrenie. In beiden Fällen lassen sich massive Abweichungen von normalen Aktivierungsmustern bei sprachlichen, motorischen und emotionalen Aufgaben in der Hemisphärenbalance zeigen. Während bei Autisten die linke Hemisphäre bei Sprachleistungen weniger aktiv ist, sie häufig Linkshänder sind und negativer Affekt dominiert, sind sie zeichnerisch und in repetitiver Motorik oft besonders "begabt": Alles deutet auf eine Disinhibition und Übergewicht der rechten nach Beeinträchtigung der linken Hemisphäre hin. Bei Schizophrenien ist die Situation gegensätzlich: massive Aufmerksamkeitsstörungen (rechte Hemisphäre) mitintakter, meist ausufernder Sprachleistung und akustische Halluzinationen (links).

Affektive Störungen und Schmerz

Für fast alle psychiatrischen Störungen mit negativem Affekt wurde eine rechts-frontale Überaktivierung des Gehirns gefunden: Depression, Phobie, Panikstörung. Chronische Schmerzzustände scheinen auch zu vermehrter Aktivierung rechtshemisphärischer Hirnstrukturen zu führen. Dies bestätigen die Grundlagenexperimente zurunterschiedlichen Bevorzugung der beiden Hemisphären für positive und negative Emotionen.

Schlussfolgerung

Die genannten Befunde bestätigen die Vermutung, daß Störungen der Balance der beiden Hirnhemisphären bei fast allen psychiatrischen und vielen neurologischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Wie groß der Beitrag einer Hemisphärenstörung bei den verschiedenen Erkrankungen ist, variiert stark und ist großteils noch nichtausreichend quantitativ bestimmt.

Aktuelle Forschung zur Händigkeit und Lateralisierung

Seit Beginn der 20er Jahre unseres Jahrhunderts haben Fragen der Lateralisierung des Gehirns international Aufmerksamkeit gefunden. Die Ergebnisdiskussionen zeigen, dass viele Befunde zwar statistisch beschrieben, aber nur ansatzweise inhaltlich und praxisrelevant interpretiert werden können. Vor allem die Beziehungen zwischen Händigkeit einerseits und Morphologie, Funktionsweisen und Konnektivität (Art und Weise, wie verschiedene Regionen miteinander kommunizieren) des Gehirns andererseits werden noch nicht ausreichend verstanden, um verlässliche Prognosen und Empfehlungen zu geben. Nicht nur Menschen mit links- und rechtsdominanter Hand unterscheiden sich in diesen Beziehungen, sondern auch umtrainierte und rücktrainierte mit dominanter linker Hand. Wir haben die aktuellen Arbeiten zur Händigkeit, zum Handschrifterwerb, zur Sprachentwicklung und zu möglichen Verknüpfungen mit psychopathologischen Entwicklungen zusammengestellt.

Meta-Analysen zur Händigkeit

Die Studie „Menschliche Händigkeit. Eine Meta-Analyse“ informiert über Prävalenz und Einflussfaktoren der Händigkeit. Die Autoren untersuchten die Häufigkeit von Links- und Rechtshändigkeit sowie die moderierenden Faktoren, die diese Verteilung beeinflussen. Trotz zahlreicher Einzelstudien fehlte bisher eine groß angelegte, systematische Analyse zu diesem Thema. Dazu wurden fünf Meta-Analysen durchgeführt, die jeweils verschiedene manuelle Aufgaben berücksichtigten. Dabei wurde die Prävalenz von Linkshändigkeit je nach Definition zwischen 9,3 % (strenge Kriterien) und 18,1 % (weite Kriterien) festgestellt. Die beste Gesamtschätzung lag bei 10,6 %.

Kognitive Vorteile der Händigkeit

Die Studie „Kognitive Vorteile der Rechtshändigkeit - Überprüfung“ untersucht, ob Links- oder Rechtshänder signifikante Unterschiede in verbalen und räumlichen Fähigkeiten aufweisen. Dabei wurde auch untersucht, ob das Geschlecht einen Einfluss auf diese Fähigkeiten hat.

Assoziation von Händigkeit und Persönlichkeit

Die Studie „Zur Assoziation von Händigkeit, Persönlichkeits- und kognitiven Leistungsparametern …“ untersucht Zusammenhänge zwischen der bevorzugten Handnutzung und verschiedenen psychologischen, kognitiven und physischen Merkmalen. Es handelt sich um eine Masterarbeit mit einer vergleichsweise kleinen Stichprobe (104 Probanden). Besonders interessant sind hier die Ergebnisse zu Persönlichkeitsmerkmalen und kognitiven Leistungen. Die Autorin findet eine stärke Ausprägung der verbalen Fähigkeiten bei Rechtshändern, während das „Sensation Seeking“, die Gedächtnisleistung und das logische Denken bei Linkshändern höhere Werte erreicht. - Die Ergebnisse sind ein Hinweis darauf, dass es Beziehungen zwischen Händigkeit und Persönlichkeit geben könnte, die für Verhalten und Lernen bedeutsam sind.

Handschriftliche Kinematik

Die Studie „Handschriftliche Kinematik beim Erlernen des Schreibens mit der dominanten linken Hand bei erwachsenen konvertierten Linkshändern „ hat erwachsene Probanden untersucht.

Sprache und motorische Lateralisierung

Die Studie „Beziehung zwischen Sprache und motorischer Lateralisierung“ untersucht den Zusammenhang zwischen der Lateralisierung der Sprachverarbeitung im Gehirn und motorischen Asymmetrien wie Händigkeit und Füßigkeit. Bei 82,1 % der über 15000 Probanden wurde ein RechtsohrVorteil festgestellt, was auf eine typische linkshemisphärische Sprachverarbeitung hinweist. Zwar zeigten die Linkshänder häufiger eine atypische, also nicht linksseitige, Sprachlateralisierung, dieser Unterschied ist aber nicht signifikant.

Funktionelle Konnektivität im Gehirn von Kindern

Die Studie „Assoziationen zwischen Händigkeit und funktionellen Konnektivitätsmustern im Gehirn von Kindern “ untersucht, wie die Händigkeit (Links-, Rechts- oder Beidhändigkeit) mit der funktionellen Konnektivität * des Gehirns bei 9- bis 10-jährigen Kindern zusammenhängt. Forschungen zu dieser Frage gibt es bereits für Erwachsene (aber auch hier steht das Verständnis der Konnektivität noch am Anfang), jedoch kaum für Kinder. Wichtig ist hier aber nicht nur die bekannte spiegelbildliche Organisation des Gehirns, sondern sind die unterschiedliche Verteilung und Stärke der globalen funktionellen Konnektivität, die sich u.a. auch auf Sprachverstehen und visuelle Wahrnehmung beziehen.

Händigkeit und neurologische Erkrankungen

Zur Studie " Was Händigkeit und neurologische Erkrankungen verbindet“ - Frühere Beobachtungen deuteten darauf hin, dass Links- oder Gemischthändigkeit bei Personen mit bestimmten neurologischen Erkrankungen wie Autismus-Spektrum-Störungen häufiger vorkommt. Die Forschenden vermuteten, dass sowohl Händigkeit als auch diese Erkrankungen durch Prozesse in der frühen Hirnentwicklung beeinflusst werden. Ziel der Studie war es, diesen Zusammenhang systematisch zu untersuchen. Ein internationales Forschungsteam aus Bochum, Hamburg, Nimwegen und Athen führte eine Meta-Analyse durch, um zu klären, ob abweichende Händigkeit häufiger bei Erkrankungen auftritt, die früh im Leben beginnen und mit sprachlichen Symptomen einhergehen. Die Studie liefert Hinweise darauf, dass abweichende Händigkeit (Links- oder Gemischthändigkeit) mit bestimmten neurologischen Entwicklungsstörungen assoziiert ist, insbesondere wenn diese früh im Leben beginnen und sprachliche Symptome beinhalten.

Arbeitsmedizinische Aspekte der Händigkeit

Die Leitlinie „Händigkeit - Bedeutung und Untersuchung“ - Die arbeitsmedizinische Leitlinie der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft zur Händigkeit befasst sich mit der Bestimmung und Häufigkeit von Linkshändigkeit und dem Umgang mit diesem Persönlichkeitsmerkmal in der Arbeitswelt. - Die Risiken und Belastungen sowie Vor- und Nachteile von Linkshändern am Arbeitsplatz werden unter verschiedenen Aspekten beschrieben: der Handgeschicklichkeit, der Bewegungsgeschwindigkeit und -genauikeit sowie der Maximalkräfte bei diversen Formen der Bewegung. Für Links- und Rechtshändige, die auf die subdominante Hand umgeschult wurden, werden Primärfolgen (z.B. Gedächtnisstörungen, LRS oder feinmotorische Störungen) und Sekundärfolgen (z.B. Unsicherheit, Verhaltensstörungen) angesprochen, bei speziell diesem Aspekt aber auch auf den noch unzureichenden Forschungsstand verwiesen.

Erlernen des Schreibens mit der nicht-dominanten Hand

Zur Studie „Erlernen des Schreibens mit der dominanten linken Hand bei konvertierten Linkshändern“ - Elf Erwachsene mit dominanter linker Hand haben aus verschiedenen Gründen in der Kindheit auf die rechte Hand umgestellt und folgen nun dem Ziel, ihre Händigkeit zurückzuführen auf die dominante Hand. Status vor der Rückschulung: Ihre auf Rechts umgestellte Schreibfertigkeit ist der von geborenen Rechtshändern nahezu vergleichbar. Ergebnis dieser sorgsam kommentierenden und abwägenden Studie ist, dass nach zwei Jahren ein „Deckeneffekt“eintritt, über den hinaus eine weitere Verbesserung nicht erreicht wird. Die Schreibfertigkeit der rücktrainierten geborenen Linkshänder erreicht nahezu die von Linkshändern, die bei ihrer dominanten Hand verbliebenen sind. - Bei der Interpretation ihrer Ergebnisse stellen die Autoren mehrere Bezüge zu früheren Studien her; einer davon soll hier hervorgehoben werden: Mit der Umstellung auf Rechts eines gebürtigen Linkhänders finden Anpassungen der Gehirnstruktur und -funktion statt, von denen einige veränderbar, andere manifest sind. Es geht also bei der Händigkeit des Schreibens um weitere Kontexte, die für die Leistungen des Gehirns in Bezug auf Motorik (so diese Studie) beachtet werden müssen. In weiteren hier aufgenommenen Studien werden diese Kontexte auf kognitive und emotionale Funktionen ausgedehnt.

Lateralisierung bei Autismus

Häufig ist bei Menschen mit Autismus die Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung im Gehirn betroffen, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirkt. So weisen sie im Vergleich zu nicht-autistischen Personen subtile Veränderungen in der Asymmetrie der Gehirnstruktur auf und eine geringere Lateralität der funktionellen Aktivierung, in Bezug auf die Verwendung der linken oder rechten Hemisphäre im Gehirn.

Hirnscan-Daten

Gemeinsam mit Kolleg*innen aus Kanada hat der Forscher Hirnscan-Daten von 140 autistischen Personen und 143 nicht-autistischen Personen im Alter von fünf bis vierzig Jahren ausgewertet, um Ungleichgewichte auf Systemebene in den Hemisphären bei Autismus zu untersuchen. „Wir beobachteten eine verminderte linksgerichtete funktionelle Asymmetrie der Sprachnetzwerksorganisation bei Personen mit Autismus im Vergleich zu nicht-autistischen Personen. Während die Asymmetrie der Sprachnetzwerke bei letzteren in verschiedenen Altersgruppen variierte, war dies bei Autismus nicht der Fall. Sofie Valk, Leiterin der Forschungsgruppe Kognitive Neurogenetik am MPI CBS, ordnet ein: „Zusammengenommen zeigt unsere Arbeit, dass es große Unterschiede in der Asymmetrie der funktionellen Organisation bei autistischen und nicht-autistischen Personen gibt. Diese Unterschiede sind möglicherweise in der Entwicklung begründet und variieren stark von Person zu Person. Die Ergebnisse legen nahe, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Komponenten in diesem Zusammenhang wichtig sein könnten.

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