Leben mit Demenz: Ein umfassender Ratgeber für Betroffene und Angehörige

Demenz ist eine Erkrankung, die sich oft schleichend entwickelt und die geistigen Fähigkeiten bis hin zum völligen Verlust beeinträchtigen kann. Sie betrifft nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch ihre Familien und Freunde. Dieser Artikel soll Ihnen helfen, den Alltag mit Demenz besser zu verstehen und zu gestalten.

Was ist Demenz?

Der Begriff "Demenz" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich "weg vom Geist" oder "ohne Geist". Er beschreibt den Abbau der geistigen Fähigkeiten, der über die normale Alterszerstreutheit hinausgeht. Betroffen sind vor allem das Kurzzeitgedächtnis, die Merkfähigkeit und im weiteren Verlauf auch das Langzeitgedächtnis. Es fällt den Betroffenen zunehmend schwer, sich in ihrem alltäglichen Umfeld zu orientieren, vertrauten Tätigkeiten nachzugehen und für sich selbst zu sorgen.

Umgang mit Demenz im Alltag

Die Diagnose Demenz bedeutet nicht, dass der Betroffene sofort unfähig ist, für sich selbst zu sorgen. Mit der richtigen Unterstützung können Menschen mit Demenz oft noch lange in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Hier sind einige praktische Tipps, die Ihnen helfen können, den Alltag zu gestalten und den Umgang mit Demenzkranken zu verbessern:

Anpassung der Wohnung und des Umfelds

Das Umfeld eines an Demenz Erkrankten sollte so wenig wie möglich verändert werden, um ihn nicht zu verwirren. Trotzdem sollte die Wohnung dem gesteigerten Bewegungsdrang des Betroffenen angepasst werden und keine gefährlichen Gegenstände enthalten. Veränderungen nehmen Sie am besten möglichst unauffällig vor.

  • Stolperfallen beseitigen: Räumen Sie überflüssige Möbel weg und beseitigen Sie Stolperfallen wie Türschwellen, Kabel oder Teppichbrücken.
  • Sicherheit erhöhen: Nutzen Sie Anti-Rutsch-Matten im Bad sowie Haltegriffe. Bringen Sie an spitzen Möbelkanten Schutzkappen an. Installieren Sie einen Hausnotruf.
  • Orientierungshilfen schaffen: Bringen Sie leicht verständliche Symbole an Türen an, besonders an Toilette und Küche. Verwenden Sie kräftige Farben und deutliche Kontraste für eine bessere räumliche Orientierung. Beleuchten Sie die Wohnung hell und schattenfrei. Bewegungsmelder sorgen nachts für Licht.
  • Gefahrenquellen entschärfen: Versehen Sie Elektrogeräte mit einer Zeitschaltuhr und bringen Sie Steckdosensicherungen an. Schaffen Sie einen Elektroherd mit Abschaltautomatik an und markieren Sie wichtige Knöpfe farbig. Schalten Sie gefährliche Haushaltsgeräte bei Bedarf über die Sicherung ab. Schließen Sie gefährliche Gegenstände weg oder räumen Sie sie außer Reichweite. Überprüfen Sie, ob Sie Rauchmelder installiert haben.

Beschäftigungen anbieten

Vorhandene Fähigkeiten bleiben auch bei an Demenz Erkrankten länger erhalten, wenn sie geübt werden. Außerdem stärken Erfolgserlebnisse das Selbstbewusstsein.

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  • Frühere Interessen berücksichtigen: Greifen Sie auf Beschäftigungen zurück, die der Erkrankte schon früher gern gemacht hat.
  • In Alltagsaufgaben einbeziehen: Beziehen Sie den an Demenz Erkrankten je nach Krankheitsstadium in Alltagsaufgaben ein, wie kochen, spülen, Wäsche falten, bügeln, Staub wischen oder Gartenarbeit.
  • Kreativität fördern: Bieten Sie Tätigkeiten an, die an frühere Hobbys oder den Beruf anknüpfen. Seien Sie zusammen kreativ, malen, basteln, tanzen, singen oder spielen Sie gemeinsam.
  • Gemeinsame Aktivitäten: Gehen Sie gemeinsam einkaufen oder spazieren.

Rituale schaffen

Feste Zeiten für die Aktivitäten des täglichen Lebens und der immer gleiche Ablauf geben an Demenz erkrankten Menschen Orientierung und Sicherheit.

  • Tagesbeginn: Begrüßen Sie den an Demenz Erkrankten stets mit den gleichen Worten und einer liebevollen Geste. Ziehen Sie anschließend die Vorhänge auf.
  • Mahlzeiten: Diese sollten stets zur selben Tageszeit am selben Ort eingenommen werden.

Kommunikation vereinfachen

Ein Mensch mit Demenz kann sich nach wie vor verständigen, nur auf eine andere Art. Die Sprache verliert an Bedeutung.

  • Direkte Fragen stellen: Stellen Sie direkte Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können.
  • Geduld haben: Seien Sie geduldig und lassen Sie dem an Demenz Erkrankten Zeit zum Antworten.
  • Einfache Sprache verwenden: Verwenden Sie einfache Worte und kurze Sätze. Sprechen Sie langsam und deutlich. Geben Sie immer nur eine Information auf einmal.
  • Blickkontakt herstellen: Stellen Sie zum an Demenz Erkrankten Blickkontakt her.
  • Nähe durch Berührung: Stellen Sie durch Berührung Nähe her.

Essen und Trinken

Manche an Demenz Erkrankte verspüren keinen Appetit, vergessen zu essen oder wissen oft nicht, ob sie bereits gegessen haben. Auch der Durst lässt nach und das Trinken wird vergessen.

  • Regelmäßig zum Trinken animieren: Angehörige müssen die Betroffenen regelmäßig zum Trinken animieren.
  • Gemeinsam essen: Essen Sie gemeinsam mit dem an Demenz Erkrankten, damit er sich Abläufe beim Essen abschauen und nachahmen kann.
  • Lieblingsgerichte anbieten: Bevor der Betroffene gar nichts isst, servieren Sie dem an Demenz Erkrankten seine Lieblingsgerichte.
  • Appetitlich anrichten: Würzen Sie Speisen kräftig und richten Sie sie appetitlich an. Achten Sie dabei aber auf Einschränkungen aufgrund anderer Erkrankungen.
  • Mundgerechte Häppchen zubereiten: Wenn der an Demenz Erkrankte nicht mehr mit Besteck essen kann, bereiten Sie mundgerechte Häppchen zu.
  • Zum Essen einladen: Prosten Sie sich bei den gemeinsamen Mahlzeiten zu. Auch Trinksprüche wirken einladend.

Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte begleiten

Für Menschen mit Demenz stellt ein Arztbesuch oder ein Krankenhausaufenthalt eine große Herausforderung dar.

  • Erklärungen geben: Erklären Sie in einfachen Worten, was gemacht werden soll.
  • Sicherheit vermitteln: Sichern Sie dem Erkrankten zu, dass Sie während des Gesprächs mit dem Arzt und der Untersuchungen bei ihm bleiben.
  • Unterstützung im Krankenhaus: Lassen Sie Ihren Angehörigen im Krankenhaus so wenig wie möglich allein. Helfen Sie ihm bei den Mahlzeiten oder der Körperpflege.
  • Informationen für das Klinikpersonal: Erstellen Sie für das Klinikpersonal eine Liste mit wichtigen Informationen, etwa zum gewohnten Tagesablauf und zu Medikamenten.

Rechtliche und finanzielle Aspekte

Nachdem eine Demenz diagnostiziert wurde, gibt es eine ganze Reihe von Dingen, die erledigt werden sollten.

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Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung sichert seit 1994 einen Teil der Risiken bzw. Folgen der Pflegebedürftigkeit ab. Seit 2016 werden geistig und psychisch bedingte Einschränkungen der Selbstständigkeit bei der Einschätzung eines Pflegebedarfs gleichrangig berücksichtigt.

Rechtliche Betreuung

Kann eine Person krankheitsbedingt die eigenen rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbstständig erledigen, bestellt das Gericht eine andere Person, die stellvertretend Entscheidungen treffen kann. Vorrangig sollen nahe Angehörige die rechtliche Betreuung übernehmen.

Selbstbestimmungsrecht

Das im Grundgesetz festgeschriebene Selbstbestimmungsrecht beinhaltet das Recht, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Zum Selbstbestimmungsrecht gehört auch das Verbot medizinischer Eingriffe oder Behandlungen ohne Zustimmung der betroffenen Person.

Teilnahme am Straßenverkehr

Bei beginnender Demenz können manche Betroffene noch sicher Auto fahren. Wenn die Erkrankung fortschreitet, ist das nicht mehr der Fall und die Betroffenen gefährden sich und andere.

Wahlrecht

Auch Menschen mit Demenz dürfen an Wahlen teilnehmen und ihre Stimme abgeben. Es ist erlaubt, jemanden beim Ausfüllen des Wahlscheins nach seinen Wünschen zu unterstützen.

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Haftung

Wenn Menschen mit Demenz einen Schaden verursachen, stellen sich eine Reihe von Fragen: Haften sie für den Schaden und müssen Schadensersatz leisten? Hatten Angehörige eine Aufsichtspflicht und haben sie diese verletzt? Besteht eine Haftpflichtversicherung, die den Schaden ausgleicht?

Palliative Versorgung

In der letzten Phase ihres Lebens ist eine gute palliative Versorgung auch für Menschen mit Demenz wichtig. Ihr Ziel ist nicht die Verlängerung des Lebens, sondern eine möglichst gute Lebensqualität der Betroffenen.

Kommunikation mit Menschen mit Demenz

Oftmals sind es Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob der kommunikative Austausch mit einem an Demenz erkrankten Menschen freundlich, gelassen und verständlich erfolgt.

Was gibt es dabei zu beachten?

  • Sprechen Sie langsam und deutlich.
  • Verwenden Sie einfache Sätze und vermeiden Sie komplizierte Begriffe.
  • Halten Sie sich an vertraute Abläufe.
  • Bauen Sie Aktivitäten ein, die guttun.
  • Bereiten Sie angstauslösende Aktivitäten behutsam vor.

Angebote und Unterstützung

Es gibt zahlreiche Angebote und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.

AOK

Die Angebote der AOK unterscheiden sich regional. Informieren Sie sich bei Ihrer AOK über die spezifischen Angebote in Ihrer Region.

Deutsche Alzheimer Gesellschaft

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet Informationen, Beratung und Unterstützung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Sie beruft alle zwei Jahre neue Mitglieder in ihren Beirat "Leben mit Demenz".

Demenz Partner

Jeder kann Demenz Partner werden - egal ob jung oder alt, berufstätig oder im Ruhestand. Nehmen Sie an einem der kostenlosen Kompaktkurse bei Ihnen in der Nähe teil, besuchen Sie ein Online-Seminar oder nutzen Sie E-Learning-Angebote.

ADELE

ADELE (Anlaufstelle für Demenz und Lebensqualität) bietet Unterstützung und Informationen für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.

Ratgeber und Broschüren

Es gibt zahlreiche Ratgeber und Broschüren zum Thema Demenz, die Ihnen helfen können, das Leben mit Demenz besser zu verstehen und zu gestalten.

  • Für Menschen mit Demenz da sein: Dieser Ratgeber bietet pflegenden Angehörigen Orientierung, praktische Anregungen für den Alltag und Hilfe zur Selbstfürsorge.
  • Was ist Alzheimer?: Diese Broschüre erklärt die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Alzheimer-Krankheit.
  • Diagnoseverfahren bei Demenz: Diese Broschüre erklärt alle Untersuchungen, die für eine Demenz-Diagnose nötig sind.
  • Was ist vaskuläre Demenz?: Diese Broschüre erklärt verständlich die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten der Krankheit.
  • Alzheimer vorbeugen: Gesund leben - gesund altern: Dieser Ratgeber zeigt, wie wir durch ein aktives und gesundes Leben sowie gesundheitliche Vorsorge unser Alzheimer-Risiko senken können.
  • Leben mit der Diagnose Alzheimer: Dieser Ratgeber erläutert, was auf Menschen mit Alzheimer und ihre Familien und Freunde zukommen kann.
  • Sicher Auto fahren im Alter - Ein Ratgeber für Senioren: Dieser Ratgeber gibt Tipps für sicheres Fahren im Alter und zeigt Möglichkeiten auf, auch ohne Auto mobil zu bleiben.
  • Infoblatt-Set zur Rechtlichen Vorsorge: Dieses Set erläutert die wichtigsten Punkte für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung.

Projekte und Initiativen

Es gibt verschiedene Projekte und Initiativen, die sich für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen einsetzen.

  • KONFETTI IM KOPF, demenz.begeistert: Dieses Projekt setzt sich dafür ein, Gespräche zum Thema Spiritualität und Trauer anzugehen.

Leben mit Demenz: Mehr als nur Krankheit

Demenz ist eine Herausforderung, aber es gibt auch Hoffnung und Lebensqualität. Viele Menschen mit Demenz sprechen öffentlich über ihre Diagnose und werben für mehr Verständnis in der Öffentlichkeit. Sie machen Mut und zeigen, dass es ein Leben nach der Diagnose gibt.

Christian Zimmermann, der mit 57 Jahren an Alzheimer erkrankte, begann nach der Diagnose mit dem Theaterspielen. Frau Singer, die an Alzheimer erkrankt ist, formulierte es so: „Wenn man es verkraftet hat, kommt da ganz viel schönes Leben raus.“

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