Lebenserwartung bei Epilepsie: Studien und Erkenntnisse

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Der Verlauf einer Epilepsie variiert stark. Etwa die Hälfte der Patienten erleidet nur einen Anfall, bei der anderen Hälfte steigt das Risiko für weitere Anfälle. Die Frage nach der Lebenserwartung bei Epilepsie ist für Betroffene und Angehörige von großer Bedeutung.

Verlauf der Epilepsie und Sterberisiko

Verlauf und Prognose einer Epilepsie hängen von der Anfallsart und der Epilepsieform ab. Außerdem gibt es Unterschiede von Patient zu Patient. Im Allgemeinen gilt: Bei ungefähr der Hälfte der Patienten bleibt es bei einem einmaligen epileptischen Anfall. Bei der anderen Hälfte tritt früher oder später ein weiterer Anfall auf. Danach steigt das Anfallsrisiko weiter an: Etwa sieben von zehn Patienten, die schon zwei Attacken hatten, bekommen innerhalb eines Jahres einen weiteren epileptischen Anfall.

Es besteht ein geringes Risiko, plötzlich und unerwartet an Epilepsie zu versterben. Eine gute Anfallskontrolle, eine regelmäßige Medikamenteneinnahme und das Vermeiden typischer Anfallsauslöser können das Risiko jedoch stark vermindern. Das Risiko zu Sterben kann nicht genau benannt werden, es ist aber sehr gering. Es tritt typischerweise bei einem von 1.000 Menschen mit Epilepsie in einem Jahr auf.

Mit der richtigen und konsequenten Behandlung lassen sich in den meisten Fällen weitere epileptische Anfälle vermeiden. Es gibt daneben weitere Maßnahmen, um Anfällen vorzubeugen. So profitieren viele Betroffene von ausreichendem Schlaf mit regelmäßigen Einschlafzeiten (Schlafhygiene).

Manchmal werden epileptische Anfälle durch bestimmte Auslöser provoziert. Dann ist es ratsam, diese zu meiden. Das geht aber nur, wenn man die Auslöser auch kennt. Dabei hilft ein Anfallskalender: Darin notiert der Patient Tag, Uhrzeit und Art jedes einzelnen Anfalls zusammen mit der aktuellen Medikamenteneinnahme.

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Außerdem werden Begleitumstände und mögliche Auslöser festgehalten, zum Beispiel Computerarbeit, laute Musik, Alkoholkonsum, Schlafentzug, emotionaler Stress oder der Anblick bestimmter optischer Muster (wie Schachbrettmuster). Das hilft Arzt und Patient, die Triggerfaktoren zu identifizieren.

Ursachen für eine verkürzte Lebenserwartung bei Epilepsie

Epilepsie verkürzt nicht grundsätzlich und in jedem Fall die Lebenserwartung, allerdings haben Epilepsiepatienten - statistisch gesehen - eine kürzere Lebenserwartung als die Normalbevölkerung. Untersuchungen der Todesursachen ergaben, dass Epilepsiepatienten genauso häufig an Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebs sterben wie die „Normalbevölkerung“. Aber Epilepsien sind sehr individuelle Erkrankungen und daher sollte man etwas genauer hinschauen. Werden die Anfälle durch eine Grunderkrankung, wie z.B. Hirntumor, schwere Hirnfehlbildung, Stoffwechselerkrankung oder ähnliches verursacht -liegt also eine symptomatische Epilepsie vor - ist auf Grund dieser Erkrankung möglicherweise mit einer verkürzten Lebensdauer zu rechnen. Für diese Aussage spricht die Tatsache, dass die Sterblichkeitsrate der Patienten mit symptomatischen Epilepsien gegenüber der Sterblichkeitsrate der Normalbevölkerung deutlich erhöht ist. Bei den idiopathischen Epilepsien - also Epilepsien, bei denen keine Erkrankung als Ursache festzustellen ist - ist die Sterblichkeitsrate jedoch nur leicht erhöht. Der Tod als direkte Folge eines Anfalls (also nicht als Unfall) ist ein recht seltenes Ereignis. Am häufigsten kann er im Zusammenhang mit einem Grand-Mal-Status auftreten, wenn die Notfallmaßnahmen nicht greifen. Als Todesursachen können dabei Herzrhythmusstörungen auftreten, das Atemzentrum kann versagen, Hirnödeme- und -schwellungen und noch einige andere Ursachen sind möglich.

Stark erhöht ist der Anteil an Selbsttötungen bei Epilepsiepatienten; im Vergleich zur Normalbevölkerung ist er 3-4 mal höher. Als Ursache hierfür werden vor allem soziale Probleme, unbefriedigender Krankheitsverlauf und Depressionen angesehen. Eine gute sozialpädagogische Begleitung und frühzeitig einsetzende, antidepressive Therapie können dabei vorbeugend wirken.

SUDEP: Plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie

Einige Patienten sterben allerdings plötzlich und unvermittelt, ohne dass eine eindeutige Todesursache festzustellen ist. Dieses Phänomen, das - ähnlich wie der plötzliche Kindstod bei Säuglingen - den Patienten und seine Angehörigen mitten im Leben begegnet, wird in der Fachsprache auch mit SUDEP bezeichnet.

SUDEP ist das Kürzel für „sudden unexpected death in epilepsy patients“, auf Deutsch also der plötzliche, unerwartete Tod von Epilepsie-Patienten. Manchmal wird es auch „sudden unexplained death in epilepsy patients“, also plötzlicher, unerklärlicher Tod von Menschen mit Epilepsie genannt.

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Beide Ausdrücke beschreiben die Haupterkennungsmerkmale des SUDEP. Der Patient hat eine Epilepsie. Der Tod tritt plötzlich und unerwartet ein, er ist medizinisch nicht mit einer Erkrankung oder einem Unfall zu erklären, die Todesursache ist unklar (auch nach einer Autopsie!). Oft finden Angehörige den Betroffenen morgens tot in seinem Bett. Es werden keine Anzeichen für einen Anfall oder für Komplikationen im Anfall festgestellt. Dann spricht man von einem „definitiven“ SUDEP. Ist keine Autopsie erfolgt, sind aber alle anderen Bedingungen erfüllt, dann spricht man von einem „wahrscheinlichen“ (probable) SUDEP. Sind die Informationen über die Todesumstände nicht ganz vollständig, kann der Fall auch als „möglicher“ (possible) SUDEP bezeichnet werden. Alle anderen Fälle, bei denen eindeutige Todesursachen feststellbar sind und nichts auf einen SUDEP hinweist, werden unter dem Begriff „Nicht-SUDEP“ zusammengefasst.

Risikofaktoren für SUDEP zu kennen und zu erkennen, ist sicher eine gemeinsame Aufgabe für Patient und Arzt. Es gibt einige Risikofaktoren für Menschen mit Epilepsie, die zumindest der Arzt kennen sollte:

Diese Liste von Risikofaktoren gibt nur Hinweise auf das persönliche SUDEP-Risiko, natürlich können z.B. auch Frauen an einem SUDEP sterben. Der eindeutige Risikofaktor für SUDEP ist bis jetzt noch nicht gefunden worden. Es wird angenommen, dass bei medikamentös gut eingestellten Patienten (am besten Monotherapie und anfallsfrei) SUDEP etwa 2% bis 25 der Todesfälle ausmacht. Bei therapieresistenten Patienten (d. h. mehrere Medikamente und trotzdem noch Anfälle) kommen manche Studien auf SUDEP - Verdachtsfälle-in 10 bis 50% der Todesfälle.

Bei Kindern ist das Risiko für SUDEP geringer als bei Erwachsenen, bei älteren Menschen wird SUDEP möglicherweise nicht immer bei der Feststellung der Todesursache berücksichtigt.

Welche physiologischen Abläufe bei SUDEP zum Tod führen, ist noch nicht geklärt. In der Diskussion sind Funktionsstörungen des zentralen autonomen Nervensystems, insbesondere Störungen in der Regulation von Atmung und Herzschlag, die dann zum Tod führen können.

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Einige der oben genannten Risikofaktoren sind nur begrenzt von Arzt und Patient beeinflussbar. Weder Geschlecht, Alter oder Erkrankungsbeginn lassen sich verändern. Eine optimierte Therapie und Zuverlässigkeit bei der Medikamenteneinnahme allerdings sind Maßnahmen, die von Arzt und Patient gestaltet werden können. Daher ist die empfehlenswerteste Vorsorgemaßnahme, dafür zu sorgen, dass eine bestmögliche Anfallskontrolle erreicht wird.

Weniger sinnvoll ist es allerdings, den Patienten nicht mehr aus den Augen zu lassen. Selbst wenn Kinder mit im Bett ihrer Eltern schlafen, ist das keine Garantie dafür, dass SUDEP nicht auftritt oder rechtzeitig bemerkt wird. Ganz abgesehen von den psychischen Belastungen, die solch eine Rundum-Überwachung für Patienten und Angehörigen bedeutet.

Langzeitstudien und Mortalitätsrisiko

Menschen mit Epilepsie haben ein drastisch erhöhtes Risiko für einen frühen Tod. Im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ist bei ihnen die Wahrscheinlichkeit mehr als verzehnfacht, vor dem Alter von 56 Jahren zu sterben, wie eine britisch-schwedische Langzeitstudie zeigt. Besonders gefährdet sind demnach jene Menschen, die neben Epilepsie entweder eine psychische Erkrankung haben oder aber Alkohol oder andere Drogen konsumieren. Das schreiben Forscher um Seena Fazel von der Universität Oxford in der Zeitschrift "The Lancet". Weltweit haben etwa 70 Millionen Menschen regelmäßig epileptische Anfälle. Dass Epilepsie die Lebenserwartung senken kann, war bereits bekannt. Nun untersuchten Forscher aus Oxford und vom Karolinska-Institut in Stockholm Daten von rund 70.000 Menschen mit Epilepsie, die in Schweden zwischen 1954 und 2009 zur Welt kamen, bis zum Alter von 56 Jahren. Im Vergleich zu leiblichen Geschwistern hatten Menschen mit Epilepsie ein ähnlich stark erhöhtes Sterberisiko wie zur Durchschnittsbevölkerung. Dies werten die Forscher als Beleg dafür, dass Epilepsie ein unabhängiger Risikofaktor ist. Gerade jene Betroffenen, die zusätzlich noch psychische Probleme hätten, müssten dringend besser versorgt und unterstützt werden, fordert Fazel.

Patienten mit Epilepsie haben eine geringere Lebenserwartung. Woran das liegt, ist nicht ganz klar. Mehr Aufschluss über die Ursachen erhofften sich Neurologen um Dr. Mark Keezer vom University College in London durch eine Langzeitstudie mit 558 Epilepsiepatienten. Diese wurden zwischen 1984 und 1987 in die National General Practice Study of Epilepsy (NGPSE) aufgenommen (Neurology 2016; 86(8): 704-712). An der Studie beteiligen sich 275 britische Hausärzte mit regelmäßigen Untersuchungen. Sie liefern regelmäßig Angaben zu Begleiterkrankungen. Die Forscher um Keezer konnten sämtliche Daten bis zum Jahr 2009 auswerten. Zudem standen ihnen die Totenscheine der bis 2009 gestorbenen Patienten zur Verfügung. Danach ist eine Pneumonie bei einem schwer Krebskranken die unmittelbare, der Krebs die Haupttodesursache. Herzversagen oder Atemstillstand wurden nicht als Todesursache, sondern lediglich als Sterbemodus gewertet. Bis zum Oktober 2009 waren 190 Patienten (34 Prozent) gestorben, für 189 lagen Sterbeurkunden vor. Nur diese wurden in der Analyse berücksichtigt. Wie sich zeigte, war die Sterberate vor allem in den zwei Jahren nach dem ersten Anfall erhöht. Dies lässt sich zum Teil damit begründen, dass eine tödliche Krebserkrankung (primärer Hirntumor, Hirnmetastasen) die epileptischen Anfälle auslöste. Primäre Hirntumoren waren bei den unter 60-Jährigen deutlich häufiger eine Todesursache als bei älteren Epilepsiekranken (15 versus 1 Prozent). Insgesamt starben Patienten mit einer Krebsdiagnose dreifach häufiger im Beobachtungszeitraum als solche ohne Tumoren. Auch Alkohol- und Drogenkonsum waren wichtige Gründe für den vorzeitigen Tod. Aussagekräftiger scheinen skandinavische Registerdaten zu sein.

Epilepsie im höheren Lebensalter

Symptomatische Epilepsien, u. a. auf dem Boden zerebrovaskulärer und neurodegenerativer Erkrankungen, nehmen mit dem Alter zu. Die Punktprävalenz der Epilepsien des höheren Lebensalters liegt zwischen 0,5 und 0,8 % der Bevölkerung und betrifft in Deutschland somit ca. 500.000 Menschen. Die höchste altersadjustierte Prävalenz besteht jenseits des 75. Lebensjahres. In den vergangenen Jahrzehnten stieg die Prävalenz insbesondere bei den über 75-Jährigen weiter an auf das Doppelte der erwachsenen erwerbstätigen Bevölkerung. Gründe für die hohe Inzidenz und Prävalenz der Epilepsien des höheren Lebensalters sind die altersabhängige Inzidenz potenziell epilepsieassoziierter Erkrankungen bei einem gleichzeitig längeren Langzeitüberleben für diese Erkrankungen aufgrund einer besseren medizinischen Versorgung und ein Anstieg der Lebenserwartung.

Die Prävalenz beschreibt die Verteilung eines Ereignisses oder einer Eigenschaft in der Grundgesamtheit einer räumlichen oder zeitlich definierten Population. Da sie einen Ist-Zustand abbildet, ist sie weder für die Beurteilung der Ätiologie noch der Prognose dienlich. Die Anzahl der Studien zur Prävalenz der Epilepsien übersteigt die Anzahl der Inzidenzstudien deutlich, was v. a. an ihrem geringeren Aufwand und Kosten liegt. Die Punktprävalenz der aktiven Epilepsien liegt bei ca. 6,4/1000 (95 % CI 5,6-7,3) und unterscheidet sich nach Herkunftsland, Alter und Geschlecht mitunter erheblich. In einer Übersichtsarbeit europäischer Studien lag die Prävalenz aller Altersgruppen zwischen 3,3 und 7,8/1000 Einwohner. Bei einem Anteil von 0,6 % der Bevölkerung (6/1000) leiden in Deutschland etwa 500.000 Menschen (von 83 Mio., Stand 2021) an einer Epilepsie. In der EPIDEG-Studie (EPIDemiology of Epilepsies in Germany) wurde 1995 erstmalig an einer repräsentativen, bundesweiten Stichprobe die Prävalenz behandelter Patienten mit Epilepsie in Deutschland erhoben und 2010 in der zweiten Studie erneut erfasst. In diesem Zeitraum stieg die Prävalenz von 4,7 auf 5,5/1000, vergleichbar mit der Prävalenz in anderen europäischen Ländern und früheren Studien in Deutschland. In Europa lag die Prävalenz bei Erwachsenen zwischen 20 und 64 Jahren bei etwa 5,3 bis 6,3/1000 (1,9 Mio.) und im Vergleich dazu bei Kindern und Jugendlichen im Bereich von 3,2 bis 5,1/1000 (0,9 Mio.). Bei älteren Menschen gehen die Angaben zur Prävalenz weiter auseinander (3,0 bis 7,6/1000; 0,6 Mio. bei den über 65-Jährigen). Eine weitere Studie konnte mithilfe von Rezeptdaten in Deutschland 2009 eine Periodenprävalenz von 9,1/1000 für Medikamentenverordnungen aufgrund einer Epilepsie feststellen. Bei älteren Menschen (≥ 65. LJ) war sie mit 12,5/1000 deutlich höher als bei Kindern und Jugendlichen (< 18. LJ, 5,2/1000) und höher als bei Erwachsenen (8,9/1000). Als Grund für die in einigen Studien niedrigere Prävalenz im höheren Lebensalter sind eine unvollständige Identifizierung von Menschen mit aktiver Epilepsie und damit eine Unterschätzung in dieser Altersgruppe anzunehmen. In 4 Seniorenheimen im Raum Erlangen war bei 2,8 % von 389 befragten Bewohnern im Alter von 82,5 Jahren (66 bis 105 Jahre) eine Epilepsie festzustellen, die vor Beginn der Studie lediglich bei 1,8 % diagnostiziert war. Zudem leben 30 % aller über 60-Jährigen in Deutschland alleine, bis 2040 werden es 33 % sein. Mit 80 Jahren lebt die Hälfte der Frauen (56 %) und 22 % der Männer leben alleine. Daher ist anzunehmen, dass Anfälle bei älteren Menschen häufig unbeobachtet bleiben.

Die Inzidenz beschreibt die relative Häufigkeit für das Auftreten einer Erkrankung oder eines Merkmals in einer Population in einem definierten Zeitraum. In einer Metaanalyse von 48 Inzidenzstudien war die jährliche kumulative Inzidenz 67,8/100.000/Jahr. Die Inzidenzrate, also der Anteil der neu erkrankten Personen, lag im Mittel bei 61,4/100.000 Personenjahre. Beide Kennzahlen unterscheiden sich je nach untersuchtem Ereignis und den Eigenschaften der Stichprobe mitunter erheblich. Wichtige Einflussgrößen sind v. a. Alter, Geschlecht und Herkunftsland.

Epilepsie ist eine Erkrankung aller Altersgruppen. Ihre Inzidenz zeigt jedoch einen U‑förmigen Verlauf mit den höchsten Inzidenzraten bei den jüngsten und ältesten Betroffenen. Bis Anfang der 1980er-Jahre galt Epilepsie v. a. als eine Erkrankung des Kindesalters. Die Verschiebung der höchsten Inzidenz ins höhere Lebensalter ist ein Resultat der besseren medizinischen Versorgung (Vermeidung perinataler Komplikationen) und der zunehmenden Lebenserwartung. In einer prospektiven Studie zwischen 1984 und 1987 waren 25 % der Patienten mit neu aufgetretener Epilepsie jünger als 15 Jahre. Bei Kindern schwankt die Inzidenz mit rund 80 bis 130/100.000/Jahr mit der höchsten Rate im ersten LJ. Nach dem 1. bis zum 9. LJ liegt die Inzidenz bei etwa 50 bis 60/100.000/Jahr und sinkt dann bis zum 17. LJ auf das erwachsene Niveau mit knapp 20 bis 40/100.000/Jahr ab. Hier bleibt sie zwischen dem 20. und 65. LJ stabil (ca. 30/100.000/Jahr oder weniger). Grund für diesen zweiten Erkrankungsgipfel sind v. a. die mit dem Alter zunehmende Häufigkeit zerebrovaskulärer Erkrankungen (40 %), der mit Abstand häufigsten Ursache für Anfälle in dieser Altersgruppe, sowie toxisch-metabolischer Prozesse, neurodegenerativer Erkrankungen, Tumoren und Schädel-Hirn-Traumata. Die höhere Lebenserwartung führt dadurch zwangsläufig zu einem Anwachsen der Risikopopulation und das trotz einer wahrscheinlichen Unterdiagnose im höheren Lebensalter. Von 1991 bis 2019 registrierte das Bundesamt für Statistik eine Zunahme der über 65-Jährigen von 12 auf 18 Mio. Das entspricht einem Anstieg von 50 % in etwas weniger als 30 Jahren. Aufgrund rückläufiger Geburtenzahlen nahm der Anteil dieser Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung im gleichen Zeitraum von 15 % auf 22 % zu. Bis 2060 werden es der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (06/2019) zufolge rund 30 % sein. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Annahmen zu Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Bevölkerungswanderungen entspricht das einer mittleren Zunahme der über 65-Jährigen auf 22 bis 24 Mio. bis zum Jahr 2060. Mittelfristig werden es ca. 20 Mio. bis 2035 sein.

Insgesamt zeigt die Mehrheit der Studien eine etwas höhere Inzidenzrate für Epilepsien bei Männern. Der Unterschied wird meist durch die höhere Inzidenz von Schlaganfällen, Traumata und der unterschiedlichen Prävalenz der häufigsten Risikofaktoren zwischen Männern und Frauen erklärt, und das, obwohl der Frauenanteil ab 65 Jahren 2019 mit 10,2 Mio. bei 56 % lag (vgl. Männer 7,9 Mio., 44 %). Das entspricht einem relativen Rückgang von rund 10 % im Vergleich zu den 1990er-Jahren, in denen der Anteil der Männer ab 65 Jahren als Folge der Weltkriege rund ein Drittel der Altersgruppe ausmachte (1991: Frauen 7,9 Mio. [66 %]; Männer 4,1 Mio. [33 %]). In der Untergruppe der Hochbetagten (ab 85 Jahren) besteht dieses Verhältnis ebenfalls.

Eine Metaanalyse von 33 Studien unterschiedlicher Herkunftsländer berichtete in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen („low- and middle-income countries“ [LMIC]) eine deutlich höhere Inzidenz (ca. 82/100.000/Jahr) als in Ländern mit hohem Einkommen (45/100.000/Jahr; „high-income countries“ [HIC]). Die Ursache dafür ist vermutlich multifaktoriell. Diskutiert werden die höhere Inzidenz von Schädel-Hirn-Traumata, Infektionen und parasitären Erkrankungen (z. B. Malaria oder Neurozystizerkose) in ressourcenschwachen Regionen. Der zweite Altersgipfel konnte für Entwicklungsländer bislang nicht bestätigt werden.

Akut symptomatische Anfälle sind besonders im ersten Lebensjahr und im höheren Lebensalter häufig. Die Inzidenz eines akut symptomatischen Anfalls liegt im Median bei ca. 30-40/100.000/Jahr. Sie nimmt mit dem Alter zu und ist für Männer (52,0/100.000 PJ) höher als für Frauen (29,5/100.000 PJ). Die häufigsten Ursachen akut symptomatischer Anfälle sind Schädel-Hirn-Traumata, zerebrovaskuläre und metabolische Erkrankungen, Fieber und Infektionen. Das relative Risiko epileptischer Anfälle nach Schädel-Hirn-Traumata ist für milde Traumata jenseits des 65. LJ höher als in jüngeren Jahren (RR 2,5 vs. RR 1,8 < 65. LJ), nicht aber für schwere Traumata (RR 10,7 < 65. LJ vs. RR 4,6 > 65. LJ). Erkrankungen des höheren Lebensalters sind nicht selten mit einem erhöhten Risiko für unprovozierte epileptische Anfälle assoziiert. Schlaganfälle, Parkinson-Krankheit, Alzheimer und andere Demenzformen gehen mit einem erhöhten Risiko unprovozierter Anfälle einher. Als gemeinsame Ursache symptomatischer Epilepsien und dieser zerebrovaskulären und neurodegenerativen Erkrankungen werden beispielsweise zelluläre Schädigungen und oxidativer Stress diskutiert.

Die Mortalität bei Epilepsie ist um den Faktor 2 bis 3 erhöht. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Mortalität. Die standardisierte Mortalitätsrate (SMR), ein Inzidenzverhältnis zwischen beobachteter und erwarteter Mortalität, liegt für Epilepsie im Mittel bei 1,6 bis 3,6 und ist für alle Altersgruppen erhöht. Sie ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und v. a. bei konvulsiven Anfällen und fehlender Anfallsfreiheit erhöht. Jenseits des 64. LJ werden geringere SMR berichtet (1,4 bis 2,6) als bei den unter 45-Jährigen (6,4 bis 8,5), wobei die Zunahme konkurrierender Todesursachen im höheren Alter als Ursache diskutiert wird. Häufige Todesursachen bei älteren Menschen sind v. a. Pneumonien (SMR 3,5 bis 7,2; mittleres Alter 81,3 Jahre), Neoplasien und zerebrovaskuläre Erkrankungen. Todesfälle als unmittelbare Folge einer Epilepsie oder von Anfällen sind in 17 % der plötzliche unerwartete Tod bei Epilepsie (engl. Ursachen der Altersepilepsie sind v. a. Durch Epilepsie besteht eine erhöhte Mortalität in allen Altersgruppen, aber besonders in der Gruppe der Älteren.

Behandlung und Anfallskontrolle

Mit der richtigen und konsequenten Behandlung lassen sich in den meisten Fällen weitere epileptische Anfälle vermeiden. Es gibt daneben weitere Maßnahmen, um Anfällen vorzubeugen. So profitieren viele Betroffene von ausreichendem Schlaf mit regelmäßigen Einschlafzeiten (Schlafhygiene).

Die meisten Menschen mit Epilepsie nehmen Antiepileptika (AED) ein, um die Anfälle zu kontrollieren, indem sie die chemischen Abläufe im Gehirn verändern. Antiepileptika sind bei etwa sieben von zehn Menschen mit Epilepsie wirksam. Epilepsiemedikamente gibt es in Kapsel-, Flüssig-, Tabletten- und Sirupform; sie werden in der Regel täglich eingenommen. Alle Nebenwirkungen dieser Medikamente sollten immer mit einem Arzt oder Apotheker besprochen werden. Wenn bei Ihnen kürzlich eine Epilepsie diagnostiziert wurde, haben Sie u. U. viele Fragen, bevor Sie mit der Behandlung beginnen. Wird es irgendwelche Aspekte des täglichen Lebens beeinflussen, wie z. B. Wenn Sie ein Kind mit Epilepsie betreuen, haben Sie vielleicht auch Fragen dazu, wie Sie Ihrem Kind am besten helfen können, z.

In Fällen, in denen Antiepileptika nicht geholfen haben, die Anfälle zu kontrollieren, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Eine Hirnoperation ist eine große Entscheidung und Sie sollten es sich vorher genau überlegen. Ihr Arzt wird Ihnen den Ablauf erläutern und mit Ihnen über die Genesung und mögliche Nebenwirkungen sprechen. Eine weitere Behandlung von Epilepsie ist die Vagusnervstimulation (VNS) und die tiefe Hirnstimulation (THS). Bei der VNS-Therapie wird ein kleines elektrisches Gerät (wie ein Herzschrittmacher) unter die Haut Ihrer Brust implantiert. Elektrische Impulse werden über den Vagusnerv im Nacken an Ihr Gehirn gesendet. Es ist unwahrscheinlich, dass die Vagusnervstimulation Anfälle vollständig stoppt, aber sie kann helfen, ihre Schwere und Häufigkeit zu reduzieren, indem sie die elektrischen Signale im Gehirn verändert. Die tiefe Hirnstimulation funktioniert auf ähnliche Weise. Es werden Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert, in denen epileptische Aktivität stattfindet, um die elektrischen Signale zu verändern und die Anfälle zu kontrollieren. Dies ist ein relativ neues Verfahren, das derzeit nur bei Erwachsenen angewendet wird. Die ketogene Diät (auch bekannt als ketogene Therapie) ist eine spezielle medizinische Diät, die reich an Fetten und arm an Kohlenhydraten und Eiweiß ist. Sie wird manchmal zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt, wenn die Anfälle nicht durch Antiepileptika kontrolliert werden können. Für Menschen, deren Epilepsie durch Stress ausgelöst wird, kann Bewegung neben anderen Behandlungen sinnvoll sein. Viele Menschen finden stressabbauende und entspannende Therapien hilfreich, wie z.

Hilfsmöglichkeiten für Angehörige

In Großbritannien gibt es die Selbsthilfe- Organisation „Epilepsy Bereaved“, die Epilepsie-Hinterbliebenen, welche Informationsmaterial zum Thema SUDEP für den englischsprachigen Raum bereithält und den Angehörigen auf ihrer Internetseite www.sudep.org Unterstützung anbietet. Spezielle Unterstützung für Angehörige, die einen geliebten Menschen durch SUDEP verloren haben, gibt es in Deutschland (noch) nicht in organisierter Form. Die Teilnahme an einer Trauergruppe oder einer Epilepsie-Selbsthilfegruppe ist jedoch mittlerweile in fast jeder Stadt möglich. Auch Seelsorger sind gerne bereit mit Gesprächen bei der Trauerarbeit zur Seite zu stehen. Wünschenswert ist auch ein Gesprächsangebot des behandelnden Arztes für die Angehörigen, um eventuelle Fragen zu beantworten. Das ist insbesondere dann hilfreich, wenn noch jemand in der Familie von Epilepsie betroffen ist.

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