Multiple Sklerose: Die Krankheit der 1000 Gesichter – Definition, Ursachen, Symptome und Therapie

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die sich bei jedem Betroffenen anders äußert. Daher wird sie auch als die "Krankheit der 1000 Gesichter" bezeichnet. Dieser Artikel beleuchtet die Definition, Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten der MS.

Was ist Multiple Sklerose (MS)?

Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise Teile des Gehirns und Rückenmarks angreift. Diese Angriffe führen zu Entzündungen und Schädigungen der Nervenfasern und Nervenzellen, was die Informationsübertragung im Nervensystem stört. Die neurologischen Symptome treten entweder in Schüben auf oder entwickeln sich langsam schleichend.

Die MS ist derzeit nicht heilbar, aber es gibt Therapien, die die Schübe verhindern, die Zunahme der Behinderung reduzieren und MS-Symptome lindern können. Häufig kann die Krankheitsaktivität für Jahre gestoppt werden.

Formen der Multiplen Sklerose

Man unterscheidet drei Hauptformen der Multiplen Sklerose:

  1. Schubförmig remittierende Multiple Sklerose (RRMS): Bei dieser Form treten die Symptome in Schüben auf, gefolgt von Phasen der teilweisen oder vollständigen Remission (Rückbildung der Symptome). Zwischen den Schüben sind die Symptome stabil oder verbessern sich.
  2. Sekundär progrediente Multiple Sklerose (SPMS): Diese Form entwickelt sich oft aus der RRMS. Die Schübe können seltener werden oder ganz ausbleiben, aber die neurologischen Funktionen verschlechtern sich kontinuierlich.
  3. Primär progrediente Multiple Sklerose (PPMS): Diese Form ist durch einen von Beginn an langsam fortschreitenden Verlauf gekennzeichnet, ohne erkennbare Schübe.

Aktivität und Progression bei Multipler Sklerose

Die Multiple Sklerose wird als „aktiv“ bezeichnet, wenn Schübe auftreten und/oder neue oder größer werdende Entzündungsherde („Läsionen“) mittels MRT im Gehirn oder Rückenmark zu sehen sind und/oder die körperliche oder geistige Beeinträchtigung zunimmt. Man spricht von „hochaktiv“, wenn innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums, zum Beispiel einem Jahr, die Schübe in kurzen Abständen auftreten und/oder die Läsionen auf den MRT-Aufnahmen sich sehr schnell vergrößern und vermehren. Ziel einer krankheitsmodifizierenden Therapie ist es, die Krankheitsaktivität möglichst auf ein Minimum zu reduzieren. Das Ausmaß der Krankheitsaktivität ist entscheidend bei der Auswahl der optimalen Therapie, die umso wirksamer sein muss, je aktiver die Erkrankung ist.

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„Progredient“ bedeutet „fortschreitend“. Mit dem Wort „Progression“ wird die irreversible Zunahme der durch die Multiple Sklerose bedingten körperlichen oder kognitiven (Kognition = geistige Leistungsfähigkeit) Beeinträchtigung bezeichnet. Bei einer Multiplen Sklerose spricht man von einem progredienten Krankheitsverlauf, wenn sich die Erkrankung ohne Schübe oder zwischen den Schüben schleichend verschlechtert.

Schubförmig remittierende Multiple Sklerose (RRMS)

Bei einer schubförmig remittierenden Verlaufsform der Multiplen Sklerose verschlechtert sich die Krankheit in Schüben, bei denen innerhalb von Stunden oder Tagen neue Symptome auftreten oder bestehende Symptome sich deutlich verstärken. Nachdem innerhalb von Tagen oder Wochen ein Maximum der Symptome erreicht wurde, kommt es in der Regel zu einer Symptomrückbildung (Remission), die aber häufig nicht vollständig ist. Es besteht für jeden Patienten und jede Patientin das Risiko, dass der Grad der irreversiblen Beeinträchtigung mit jedem Schub zunimmt und schließlich ein Ausmaß erreicht, das die Lebensqualität spürbar reduziert. Dieses Risiko nimmt mit der Krankheitsdauer zu. Zwischen den Schüben ist die Erkrankung stabil, das heißt, die Symptome sind - abgesehen von Tagesschwankungen - stabil vorhanden. Manche Patientinnen sind zwischen den Schüben symptomfrei. Das ist oft in den ersten Jahren der Erkrankung der Fall. Wie häufig Schübe auftreten, variiert stark von Patientin zu Patient*in. Manche haben mehrere Schübe pro Jahr, andere wiederum erleben viele Jahre ohne Schübe. Je kürzer die Abstände zwischen den Schüben sind und je mehr Beschwerden nach einem Schub zurückbleiben, desto schneller schreitet die MS-Krankheit fort. Bei 85 Prozent der Menschen mit MS beginnt die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter mit einem schubförmig remittierenden Verlauf.

Sekundär progrediente MS (SPMS)

Eine schubförmig remittierende Multiple Sklerose kann sich zu einer fortschreitenden Krankheitsform entwickeln. Diese wird als sekundär fortschreitende (progrediente) Multiple Sklerose bezeichnet (SPMS). Etwa jeder dritte MS-Patientin in Deutschland befindet sich im Stadium der sekundär progredienten Multiplen Sklerose oder im Übergang zur SPMS. Das entscheidende Merkmal der SPMS ist eine fortschreitende Krankheitsverschlechterung. Bei der SPMS können noch einzelne Schübe auftreten oder sie kann schubfrei verlaufen.

Primär fortschreitende (progrediente) MS (PPMS)

Etwa zehn bis 15 Prozent der Menschen mit MS leiden unter einer primär progredienten Multiplen Sklerose (PPMS), die von Beginn an langsam schleichend verläuft. Die Patient*innen sind im Durchschnitt etwas älter als die mit RRMS. Die PPMS kommt bei Männern häufiger vor als die RRMS. Selten können im Verlauf auch Schübe auftreten.

Klinisch isoliertes Syndrom (KIS) und Radiologisch isoliertes Syndrom (RIS)

Wenn ein Mensch einen Krankheitsschub mit MS-typischen Beschwerden hat, sonst aber keine weiteren Kriterien für eine MS-Diagnose erfüllt, spricht man von einem Klinisch isolierten Syndrom (KIS). Ein KIS kann auf eine beginnende Multiple Sklerose hinweisen - muss es aber nicht. Manchmal werden Läsionen, die typisch für eine Multiple Sklerose sind, zufällig auf MRT-Aufnahmen entdeckt, die aus einem anderen Grund angefertigt wurden (z. B. um die Ursache von Kopfschmerzen abzuklären). Wenn diese Zufallsbefunde bei Menschen gesehen werden, die bisher keine MS-verdächtigen neurologischen Symptome haben, handelt es sich um ein radiologisch isoliertes Syndrom (RIS). Auch ein RIS kann im Verlauf in eine Multiple Sklerose übergehen.

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Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen der MS sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren eine Rolle spielt.

Genetische Veranlagung

Es gibt nicht das „eine“ MS-Gen, sondern eine Vielzahl von Genen, die alleine und in Kombination das Risiko, an MS zu erkranken, erhöhen. Etwa 20 Prozent der MS-Betroffenen haben Familienmitglieder, die ebenfalls erkrankt waren oder sind. Es besteht jedoch keine direkte Vererbungslinie, das heißt die Kinder eines erkrankten Elternteils werden nicht automatisch an Multipler Sklerose erkranken.

Umweltfaktoren

Verschiedene Umweltfaktoren werden als mögliche Auslöser oder Verstärker der MS diskutiert:

  • Virusinfektionen: Insbesondere das Epstein-Barr-Virus (EBV) wird mit einem erhöhten MS-Risiko in Verbindung gebracht. Fast alle MS-Patienten sind EBV-positiv.
  • Rauchen: Rauchen erhöht das Risiko, an MS zu erkranken und kann den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen.
  • Übergewicht in der Kindheit: Übergewicht in der Kindheit könnte das MS-Risiko erhöhen.
  • Darmflora: Die Zusammensetzung der Darmflora könnte eine Rolle bei der Entstehung von MS spielen.
  • Vitamin D-Mangel: Ein niedriger Vitamin D-Spiegel wird als möglicher Risikofaktor diskutiert.

Als mögliche Schutzfaktoren werden Sonneneinstrahlung und Vitamin D diskutiert.

Das Immunsystem

Forscher sind sich weitgehend sicher, dass Reaktionen des Immunsystems eine ursächliche Rolle bei der Entstehung der MS spielen. Man vermutet, dass lange Zeit vor den ersten klinischen Zeichen der Erkrankung Immunzellen aus dem Blut in das ZNS einwandern. Im weiteren Verlauf kommt es wahrscheinlich durch die Mitwirkung weiterer Immunzellen zu Entzündungen und zu einem Abbau der Myelinschicht. Das Besondere an diesen Reaktionen ist, dass Immunzellen, die eigentlich für den Schutz des Körpers verantwortlich sind, sich gegen ihn richten.

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Symptome

Die Symptome der MS sind vielfältig und können je nach betroffenem Bereich des zentralen Nervensystems variieren. Daher wird die MS auch als "Krankheit der 1000 Gesichter" bezeichnet.

Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Motorische Störungen: Kraftlosigkeit, Lähmungen, Spastik (erhöhte Muskelspannung), Koordinationsstörungen, Gangstörungen
  • Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen, Missempfindungen
  • Sehstörungen: Verschwommenes Sehen, Doppelbilder, Sehnerventzündung (Optikusneuritis)
  • Fatigue: Chronische Müdigkeit und Erschöpfung
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme
  • Blasen- und Darmfunktionsstörungen: Harninkontinenz, Verstopfung
  • Sexuelle Störungen
  • Weitere Symptome: Depressionen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Epilepsie, Sprech- und Schluckstörungen

Einige Beschwerden wie Sehstörungen oder Fatigue lassen sich bereits sehr früh, das heißt lange vor der Diagnose durch den Arzt, beobachten. Dagegen treten Spastiken, Lähmungserscheinungen oder Inkontinenz infolge einer Störung der Blasenfunktion häufig erst im späteren Krankheitsverlauf auf. Einige MS-Symptome, wie starke Müdigkeit, Augenbeschwerden oder Darmstörungen, sind auch für andere Krankheiten typisch.

Störungen der Blasenfunktion (Harninkontinenz)

Störungen der Blasenfunktion (Harninkontinenz) treten bei etwa 90 Prozent der MS-Patienten auf. Sie gehören gemeinsam mit Störungen der Darmkontrolle (Stuhlinkontinenz) und der Fatigue zu den MS-Symptomen, die die Lebensqualität am stärksten beeinträchtigen. Für das Öffnen und Schließen der Blase sind Schließmuskeln und Nerven verantwortlich, welche für eine normale Blasenfunktion gut zusammenarbeiten müssen. Bei der MS sind jedoch Areale im Gehirn und Rückenmark teilweise oder ganz zerstört, sodass die entsprechenden Impulse nicht mehr oder nur noch unvollständig verarbeitet werden und somit die Zusammenarbeit der Muskeln und Nerven nicht mehr richtig funktioniert. Das kann die für MS typischen Beschwerden wie Harninkontinenz, starker Harndrang und Schmerzen verursachen. Die Symptome variieren je nach Position der Entzündungsherde. Bei der hyperaktiven Blase, auch Dranginkontinenz oder Drangblase genannt, hat der MS-Patient Probleme, den Urin einzuhalten. Ursache ist unter anderem, dass der Blasenmuskel sich nicht ausreichend entspannen kann, um größere Urinmengen in der Blase zu sammeln. Deshalb entsteht sehr häufig der Drang, die Toilette aufzusuchen, obwohl dann nur kleine Urinmengen ausgeschieden werden. Der Harndrang kann auch während des Schlafs entstehen. Die als Überlaufinkontinenz bezeichnete Störung entsteht, wenn der Blasenmuskel zu schwach ist und sich nicht richtig zusammenziehen kann. Dadurch sammeln sich sehr große Urinmengen in der Blase an. Sie werden nicht wie bei Gesunden regelmäßig komplett entleert.

Darmstörungen

Darmstörungen treten bei Patienten mit Multipler Sklerose häufig gemeinsam mit Blasenstörungen auf. Oft sind diese Beschwerden schon zu Beginn der Erkrankung vorhanden. Sie können auch nebeneinander bestehen. Ursache dafür sind Störungen in den Nerven, die Darm und Blase versorgen und für deren Funktion verantwortlich sind. Das führt dazu, dass MS-Patienten einen Stuhldrang, wie er bei Gesunden auftritt, nicht richtig wahrnehmen können. Dann geht der Stuhl unkontrolliert ab und man spricht von einer Stuhlinkontinenz. Das erzeugt ein großes Schamgefühl. Neben der Stuhlinkontinenz ist die Verstopfung eine häufige Darmstörung bei MS. Die Ursachen für Verstopfungen können sehr vielfältig sein. Dazu zählen eine allgemeine Muskelschwäche, Bewegungsmangel oder Nebenwirkungen von Medikamenten.

Störungen der Muskelfunktion

Störungen der Muskelfunktion zeigen sich bei MS-Patienten als Kraftlosigkeit, Lähmungen oder eine unnatürlich erhöhte Muskelspannung (Spastik). Letztere führt dazu, dass sich Gliedmaßen (z.B. die Beine) versteifen oder Fehlhaltungen entstehen (beispielsweise der Hände). Eine Spastik ist häufig mit Kraftlosigkeit, Schmerzen, Störungen der Feinmotorik, einem rhythmischen Zittern (z.B. in den Füßen), einem Schwere- und Spannungsgefühl und/oder Bewegungseinschränkungen verbunden. Betroffene können nur noch eingeschränkt stehen oder gehen. Kommen noch Muskellähmungen dazu, kann dies bis zur Bewegungsunfähigkeit (Immobilität) der Patienten führen. Daraus können weitere Probleme entstehen wie das Durchliegen (Dekubitus). Störungen der Muskelfunktion führen häufig auch zu Problemen mit dem Gleichgewicht und der Koordination bei verschiedenen Tätigkeiten.

Sprech- und Schluckstörungen

Sprechstörungen kommen bei MS-Patienten dadurch zustande, dass die Sprechmuskulatur, und dabei besonders die der Zunge, gelähmt ist oder die einzelnen Muskelgruppen nicht richtig zusammenarbeiten. Die Folge ist häufig eine „verwaschene“ Sprache, ein „Nuscheln“. Manchmal sprechen Betroffene auch „abgehackt“ oder in einer nicht angepassten Lautstärke, also entweder zu leise oder zu laut. Sprechstörungen sind ein MS-Symptom, das einen hohen Leidensdruck verursacht. Ähnlich verhält es sich bei den Schluckstörungen. Essen und Trinken dienen nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern sind ein Teil der Kultur, sind mit Genuss und Geselligkeit verbunden. Zusätzlich besteht bei Schluckstörungen die Gefahr, dass Teile der Nahrung wie Tröpfchen oder Krümel eingeatmet werden und kleine Schäden in der Lunge erzeugen. Diese können sich ausweiten und bis zur Lungenentzündung führen. Wenn der Patient wegen seiner Schluckstörung insgesamt zu wenig Flüssigkeit und Nahrung zu sich nimmt, kann eine Mangelernährung die Folge sein.

Fatigue

Die Fatigue gehört zusammen mit den Blasenfunktionsstörungen zu den MS-Symptomen, unter denen MS-Patienten im Alltag am meisten leiden. Eine Fatigue kann man nicht mit der normalen Müdigkeit nach einem langen Tag oder einer anstrengenden Arbeit bei gesunden Menschen vergleichen. Sie ist vielmehr ein Zustand mit außerordentlicher Müdigkeit, einem ausgeprägten Gefühl von Erschöpfung und fehlender Kraftreserven sowie einem sehr starken Bedürfnis nach Ruhe und Erholung. Doch anderes als eine Müdigkeit bei Gesunden lässt sich eine Fatigue nicht durch Schlafen, Ausruhen oder Entspannungsmaßnahmen beheben.

Augenbeschwerden

Die häufigsten Augenbeschwerden bei MS sind Sehstörungen und Augenbewegungsstörungen. Sehstörungen entstehen meistens durch eine Entzündung des Sehnervs. Mediziner sprechen dann von einer Optikusneuritis. Typische Beschwerden bei einer Sehnerv-Entzündung sind Augenschmerzen, Störungen des Farbsehens, verschwommenes Sehen (wie durch eine Milchglasscheibe) oder die sog. Augenbewegungsstörungen entstehen dadurch, dass Bereiche des Gehirns, die für das Sehen verantwortlich sind, durch die Multiple Sklerose beschädigt wurden. Die Patienten können dann beide Augen nicht mehr parallel bewegen. Sie sehen häufig Doppelbilder oder klagen über Augenzittern.

Diagnose

Die Diagnose der MS kann eine Herausforderung sein, da die Symptome vielfältig sind und auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Es gibt keinen einzelnen Test, der die MS eindeutig beweist. Die Diagnose basiert auf einer Kombination aus:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome
  • Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Nervenfunktionen
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Darstellung von Entzündungsherden (Läsionen) im Gehirn und Rückenmark
  • Untersuchung des Nervenwassers (Liquor): Nachweis von Entzündungszeichen
  • Evozierte Potentiale: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit

Anamnese

Unter dem Fachbegriff Anamnese ist die Krankengeschichte zu verstehen. Bei der Anamnese-Erhebung befragt der Arzt den Patienten gezielt nach Vorkommnissen in der Vergangenheit, die mit seiner Erkrankung in Verbindung stehen könnten. In der Krankengeschichte von MS-Patienten ist häufig wenig Auffälliges festzustellen. Erst durch gezieltes Nachfragen erfährt der Arzt vielleicht, dass der Betroffene schon einmal auf einem Auge unter einer Sehstörung wie Verschwommensehen gelitten hat, die aber nur kurzzeitig aufgetreten war. Oder der Patient hatte vorübergehend ein Taubheitsgefühl in einem Arm oder einem Bein, das aber nach kurzer Zeit wieder verschwunden war. Wegen dieser nur flüchtig auftretenden MS-Symptome, die der Patient nicht als solche deuten kann, erfolgt häufig kein Arztbesuch. Daher wird die MS z.T.

Neurologische Untersuchung

Unter einer neurologischen Untersuchung oder einem neurologischen Status wird das Ergebnis einer körperlichen Untersuchung verstanden. Es gibt verschiedene typische Zeichen, die auf eine MS hinweisen und die bei dieser Untersuchung festgestellt werden können.

  • Pupillenstörungen: Hält der Arzt eine helle Taschenlampe kurz abwechselnd vor beide Augen des Patienten, kommt es auf einer Seite zu einer langsameren Verengung der Pupille als auf dem anderen Auge.
  • Babinski-Zeichen: Der Arzt streicht mit dem Finger oder einem kleinen Stab über die Fußsohle: von der Ferse ausgehend zum kleinen Zeh und dann halbkreisförmig zum großen Zeh. Bei MS bewegt sich der große Zeh Richtung Kopf und die anderen Zehen gehen wie bei einem Fächer auseinander.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Mit normalen Röntgenstrahlen können die bei einer Multiplen Sklerose geschädigten Strukturen im Gehirn (Läsionen) nicht sichtbar gemacht werden. Dies wurde erst durch die Entwicklung der Computertomografie (CT) möglich. Eine viel detailgetreuere Abbildung von Gehirnstrukturen gelingt, seit die Magnetresonanztomographie (MRT) in die MS-Diagnostik Einzug gehalten hat. Das Prinzip der MRT besteht darin, dass der Körper des Patienten in einem Gerät mit einem starken Magnetfeld liegt. Elektrisch geladene Teilchen (Protonen) in den Körpergeweben werden dabei kurzzeitig in eine bestimmte Richtung gelenkt. Wenn sie wieder in ihre ursprüngliche Position zurückkehren (Relaxation), kann ein elektromagnetisches Signal gemessen werden. Dieses gibt Auskunft über bestimmte Veränderungen in den Geweben. Im Kopf des Patienten können auf…

Untersuchung des Nervenwassers (Liquor)

Nervenwasser, auch Liquor genannt, ist eine Flüssigkeit, die das Gehirn und das Rückenmark umgibt. Bei einer Multiplen Sklerose kann man im Liquor Hinweise für eine Entzündung finden. Hierzu gehören:

  • Entzündungszellen
  • Oligoklonale Banden (OKB)

OKB sind Antikörper, die bei autoimmunen Entzündungsprozessen entstehen. Sie treten typischerweise bei Multipler Sklerose auf, können aber auch bei anderen Erkrankungen vorkommen.

Blutuntersuchungen

Es gibt keinen Bluttest, der eine Multiple Sklerose beweisen könnte. Weder das Blutbild noch andere üblicherweise gemessenen Blutwerte verändern sich durch die MS-Krankheit. Bei dem Verdacht auf Multiple Sklerose dient die Blutuntersuchung in erster Linie dazu, andere Krankheiten auszuschließen. Hierzu gehören zum Beispiel die Borreliose oder der Lupus Erythematodes, weil diese Krankheiten ähnliche Symptome wie die Multiple Sklerose hervorrufen können.

Evozierte Potentiale

Über evozierte Potenziale wird die Funktion von Nervenbahnen gemessen. Bei einer Multiplen Sklerose ist die Funktion von Nervenbahnen gestört. Dadurch können Nervenimpulse häufig nur noch mit verlangsamter Geschwindigkeit fortgeleitet werden. Diese Geschwindigkeit wird durch evozierte Potentiale gemessen, die zum Beispiel durch visuelle (auf ein Schachbrett schauen) oder sensible (elektrische Impulse) Reize ausgelöst werden. Bei ca. 75 Prozent der Menschen mit Multipler Sklerose können hierbei Veränderungen nachgewiesen werden.

McDonald-Kriterien

Expert*innen haben Kriterien erstellt, die die schwierige Diagnose der Multiplen Sklerose sicherer machen sollen. Die aktuell geltenden Diagnosekriterien heißen nach einem ihrer Verfasser McDonald-Kriterien. Für di…

Therapie

Obwohl die MS nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Therapieansätze, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und die Symptome lindern können. Die Therapie der MS stützt sich dabei auf mehrere Säulen:

  • Schubtherapie: Behandlung akuter Schübe, damit Beschwerden sich schnell zurückbilden
  • Verlaufsmodifizierende Therapie (= Basistherapie): Reduktion der Schwere und Häufigkeit der Schübe, um die beschwerdefreie oder -arme Zeit zu verlängern
  • Symptomatische Therapie: Linderung von MS-Beschwerden und Vorbeugung möglicher Komplikationen

Schubtherapie

Bei einem akuten Schub wird in der Regel Kortison eingesetzt, um die Entzündung zu reduzieren und die Symptome zu lindern. Die Kortisontherapie kann als Infusion oder in Tablettenform erfolgen. Seltener und unter bestimmten individuellen Voraussetzungen kann auch eine Blutwäsche zur Anwendung kommen. Dabei entfernt man jene körpereigenen Immunzellen, die die Entzündung verursachen.

Verlaufsmodifizierende Therapie

Die verlaufsmodifizierende Therapie zielt darauf ab, das Immunsystem zu beeinflussen, um die Häufigkeit und Schwere der Schübe zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Hierfür stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die das Immunsystem modulieren (immunmodulierend) oder unterdrücken (immunsuppressiv).

Zu den verfügbaren Medikamenten gehören:

  • Beta-Interferone: Sie wirken immunmodulierend und reduzieren die Anzahl der Schübe.
  • Glatirameracetat: Es wirkt ebenfalls immunmodulierend und kann die Schubrate senken.
  • Fumarate (Dimethylfumarat, Diroximelfumarat): Sie wirken immunmodulierend und antioxidativ.
  • Teriflunomid: Es hemmt ein Enzym, das für die Vermehrung von Immunzellen wichtig ist.
  • S1P-Modulatoren (Fingolimod, Siponimod, Ponesimod, Ozanimod): Sie verhindern, dass bestimmte Immunzellen in das Gehirn und Rückenmark eindringen.
  • Cladribin: Es reduziert die Anzahl der Lymphozyten im Körper.
  • Antikörper (Natalizumab, Ocrelizumab, Ofatumumab, Alemtuzumab): Sie greifen gezielt in das Immunsystem ein und verhindern das Eindringen von Immunzellen ins Gehirn oder reduzieren ihre Konzentration im Blut.

Die Wahl des geeigneten Medikaments hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Krankheitsverlauf, der Krankheitsaktivität, dem individuellen Risikoprofil und den Begleiterkrankungen des Patienten.

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