Long-COVID-Lähmung: Ursachen, Symptome und aktuelle Forschungsergebnisse

Eine SARS-CoV-2-Infektion kann über pneumologische Komplikationen und systemische Entzündungsreaktionen hinaus auch neurologische Symptome verursachen. Berichte hierzu gibt es vermehrt, unter anderem aus China und Europa. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Symptome neurologischer Langzeitfolgen von COVID-19, bekannt als Long COVID, und fasst aktuelle Forschungsergebnisse zusammen.

Neurologische Manifestationen bei COVID-19

Eine retrospektive Fallserie aus Wuhan, veröffentlicht in JAMA Neurology, zeigte, dass über ein Drittel der 214 analysierten COVID-19-Patienten auch neurologische Symptome aufwiesen. Einige Patienten zeigten unspezifische Symptome wie Schwindel oder Kopfschmerzen, während andere eindeutige neurologische Störungen wie Geschmacks- oder Geruchsstörungen entwickelten. In einigen Fällen kam es zu Schlaganfällen oder Hinweisen auf Muskelschäden, die mit Nervenschädigungen in Verbindung stehen könnten.

Es zeigte sich, dass neurologische Symptome bei beatmungspflichtigen Patienten häufiger auftraten als bei leichter Lungenbeteiligung. Patienten mit schwerem Verlauf litten zudem unter schwereren neurologischen Manifestationen, vor allem akuten zerebralen Beeinträchtigungen wie Bewusstseinsstörungen sowie Muskelschädigungen. Viele neurologische Manifestationen traten bereits in den ersten Tagen der Erkrankung auf, im Gegensatz zu SARS-CoV, wo neurologische Symptome erst 2 bis 3 Wochen nach Krankheitsbeginn auftraten.

Anosmie und Kakosmie als frühe Anzeichen

Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns gehören zu den häufigsten neurologischen Symptomen bei einer SARS-CoV-2-Infektion. Eine europäische Studie zeigte, dass über 85 % der COVID-19-Patienten mit milden bis moderaten Symptomen über solche Störungen berichteten. In über 10 % der Fälle traten die Riechstörungen sogar vor allen weiteren Symptomen auf. Es gibt Berichte, dass Riech- und Schmeckstörungen auch Leitsymptome oder ausschließliche Symptome der Infektion sein könnten.

Diese Symptome sind zwar leicht, aber ein sicherer Hinweis darauf, dass das Nervensystem beteiligt ist. Es wird vermutet, dass SARS-CoV-2 über die Lamina cribosa und die Riechbahn direkt ins Riechhirn gelangt und von dort aus in weitere Hirnareale. Dies wird durch Vergleiche mit anderen Coronaviren untermauert, die ein ähnliches neuroinvasives Potenzial aufweisen.

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Ein Indiz dafür, dass nicht nur der Riechnerv, sondern auch das Riechhirn betroffen ist, sind Geruchshalluzinationen nach Abklingen der Krankheit. Oftmals handelt es sich dabei um Kakosmie, bei der ein Geruch fälschlich als unangenehm empfunden wird. Ob die Riechstörungen bei COVID-19 bestehen bleiben oder sich immer komplett zurückbilden, ist noch unklar. Es ist jedoch bekannt, dass Virusinfektionen die häufigste Ursache für einen erworbenen Geruchsverlust beim Menschen sind.

Enzephalopathie und andere schwere neurologische Symptome

Ernsthafte neurologische Symptome bei COVID-19 betreffen das Gehirn und können sich als Enzephalopathie manifestieren. Neben Schwindel und Kopfschmerzen können Verwirrtheits- und Agitationszustände, Ataxie und Bewusstseinstrübungen auftreten. Eine chinesische Studie fand bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten eine hypoxische Enzephalopathie. Eine französische Fallserie zeigte, dass neurologische Symptome bei schwerer COVID-19-Erkrankung häufig sind, darunter Agitationen, Pyramidenbahnzeichen, Verwirrtheitszustände und bilaterale frontotemporale Hypoperfusion.

Es wurde auch über akute nekrotisierende hämorrhagische Enzephalopathie im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion berichtet. Ein enzephalopatisches Syndrom mit Delir kann durch eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf das Virus entstehen.

Hirninfarkt und Hirnblutung

Bei COVID-19-Patienten werden zunehmend Schlaganfälle beobachtet. Diese könnten zum einen vor allem schwer erkrankte und vorerkrankte Patienten betreffen, die Risikofaktoren für einen Schlaganfall aufweisen. Zum anderen könnte das Auftreten von Schlaganfällen auch mit COVID-19 selbst zusammenhängen. Bei Patienten mit schweren respiratorischen Verläufen wurden erhöhte D-Dimer-Spiegel beobachtet, was auf ein aktiviertes Gerinnungssystem und eine erhöhte Thromboseneigung hindeutet. SARS-CoV-2 könnte so Infarkte begünstigen. Eine weitere denkbare Schlaganfallursache ist eine Vaskulitis, also eine Entzündung der Hirngefäße.

Enzephalitis und Epilepsie

SARS-CoV-2 kann auch mit einer Meningoenzephalitis assoziiert sein. In einem Fall wurde das Virus im Liquor nachgewiesen, was auf eine Ausbreitung über den neuralen Infektionsweg hindeutet. Das limbische System kann betroffen sein, was zu Gedächtnisstörungen und epileptischen Anfällen führt. Epilepsien sind daher weitere mögliche Manifestationen von COVID-19.

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Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Das Auftreten eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) in Zusammenhang mit SARS-CoV-2-Infektionen ist nicht überraschend, da dieses schwere Krankheitsbild, bei dem durch eine Autoimmunreaktion die Myelinschicht peripherer Nerven Schaden nimmt, in etwa Dreiviertel der Fälle infolge von Infekten auftritt. Es gibt Berichte über GBS-Fälle bei COVID-19-Patienten, bei denen aufsteigende Paresen, Parästhesien, Ataxie und Tetraplegie auftraten. In einigen Fällen traten GBS-Varianten bereits nach kurzer Latenzzeit von nur wenigen Tagen auf.

Long COVID: Definition und Symptome

Die akute COVID-19-Erkrankung kann bis zu vier Wochen andauern und betrifft hauptsächlich das Atemwegssystem. Im Gegensatz zum akuten Verlauf gibt es für die Phase nach überstandener Akuterkrankung noch keine einheitliche medizinische Definition. Häufig werden die Begriffe Long COVID und Post COVID verwendet, jedoch manchmal in unterschiedlichen Definitionen.

Post COVID bezieht sich auf Symptome, Einschränkungen und Gesundheitsstörungen, die unmittelbar im Anschluss an die akute Erkrankung in der Phase der Rekonvaleszenz bestehen. Long COVID beschreibt ein breites Bild an Symptomen und Gesundheitsstörungen, die im Verlauf der Krankheit oder einige Zeit nach initialer, überstandener Erkrankung auftreten. Charakteristisch ist, dass der akute Verlauf häufig mild oder moderat war und/oder eine Phase der zwischenzeitlichen Besserung erfolgt ist.

Das Long-COVID-Syndrom präsentiert sich in der Regel mit Clustern von Symptomen, die sich oft überschneiden, im Laufe der Zeit fluktuieren und sich verändern können und jedes System im Körper betreffen können.

Häufige Symptome von Long COVID

Zu den häufigsten Symptomen des Long-COVID-Syndroms gehören:

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  • Fatigue (krankhafte Erschöpfung)
  • Gehirnnebel (brain fog)
  • Gedächtnisprobleme
  • Aufmerksamkeitsstörungen
  • Muskelschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Geruchsverlust
  • Geschmacksstörungen

Ursachen und Risikofaktoren für Long COVID

Die Mechanismen der Krankheitsentstehung von Long COVID sind noch nicht vollständig verstanden. Eine Durchblutungsstörung kleinster Gefäße aufgrund einer chronischen Entzündungsreaktion, Autoimmunität und/oder Gerinnungsstörung spielen möglicherweise eine Rolle. Zudem zeigen viele Symptome wie Fatigue, kognitive Beschwerden, psychische Symptome, Schmerzen und Schlafstörungen eine starke wechselseitige Beziehung und können gleichzeitig Ursache und Folge von Symptomen sein.

Mögliche Risikofaktoren für Long COVID sind:

  • Schwere akute Symptome
  • Geringe Resilienz
  • Weibliches Geschlecht
  • Jüngeres Erwachsenenalter
  • Vorbestehende Erkrankungen (z.B. Diabetes, Lungenerkrankungen)
  • Mehrfache Ansteckung mit dem Coronavirus

Neurologische Langzeitfolgen im Detail

Einige der spezifischen neurologischen Langzeitfolgen von COVID-19 werden im Folgenden näher betrachtet:

Fatigue-Syndrom

Fatigue zählt zu den häufigsten Symptomen bei Long COVID und kann Alltag und Lebensqualität stark beeinträchtigen. Es handelt sich um einen anhaltenden, starken Erschöpfungszustand, der sich nicht durch Schlaf oder Ruhe bessert. Das Fatigue-Syndrom beeinträchtigt nicht nur die körperliche, sondern auch die kognitive und emotionale Leistungsfähigkeit. In einigen Fällen entwickelt sich aus dieser postviralen Erschöpfung ein sogenanntes ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom), eine schwere neuroimmunologische Erkrankung.

Kognitive Beeinträchtigungen

Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen gehören ebenfalls zu den am häufigsten berichteten Symptomen nach einer Corona-Infektion. Erste Verlaufsstudien deuten darauf hin, dass kognitive Störungen länger anhalten als andere neurologische Symptome nach einer Corona-Infektion. Bildgebungsstudien zeigten Veränderungen in Bereichen des Gehirns, welche die kognitiven Beschwerden teilweise erklären könnten.

Geruchs- und Geschmacksstörungen

Bei einer SARS-CoV-2 Infektion tritt häufig ein plötzlicher Geruchsverlust mit begleitender Minderung des Geschmackssinns auf. Einige Erkrankte haben jedoch über längere Zeiträume einen Geruchsverlust. Studien zeigen, dass auch mehr als ein Jahr nach der Infektion noch Geruchsprobleme bestehen können.

Psychiatrische Erkrankungen

Depressionen, Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) sind nach einer Corona-Infektion beschrieben. Insbesondere das Vorliegen einer zuvor diagnostizierten psychiatrischen Störung ist ein wichtiger Risikofaktor für psychische Folgeerscheinungen nach einer Corona-Infektion.

Kopfschmerzen und Muskelschmerzen

Kopfschmerzen treten sehr häufig im Rahmen der Akuterkrankung, aber auch im Langzeitverlauf auf. Weiterhin werden sehr häufig Muskelschwäche und -schmerzen angegeben.

Critical-Illness-Polyneuropathie/Myopathie (CIP/CIM)

Langfristige Folgen einer Corona-Infektion können auch durch akute Ereignisse während der Infektion bedingt sein. Ebenso kann es im Rahmen einer intensivstationären Behandlung zu bleibenden sensiblen und motorischen Nervenschäden (Critical-Illness-Polyneuropathie/Myopathie, CIP/CIM) kommen.

Diagnose und Behandlung von Long COVID

Die Diagnose eines Long-COVID-Syndroms erfordert eine umfassende neurologische und psychiatrische Untersuchung. Dabei kommen diagnostische Methoden wie EEG, Kernspintomografie, Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten, Elektromyografie (EMG) sowie neuropsychologische Testung und umfangreiche laborchemische Untersuchungen zum Einsatz.

Eine unmittelbare Therapie des Long- oder Post-COVID-Syndroms existiert bislang noch nicht. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität. Mögliche Therapieansätze sind:

  • Physiotherapie
  • Ergotherapie
  • Logopädie
  • Psychotherapie
  • Kognitives Training
  • Schmerztherapie
  • Entspannungsübungen
  • Anpassung des Lebensstils (z.B. Pacing)
  • Medikamentöse Behandlung (z.B. bei Depressionen, Schlafstörungen)

Pacing als wichtige Strategie

Pacing ist ein bewährter Ansatz zum Energie-Management und gilt als zentrale Methode im Umgang mit der anhaltenden Long COVID Erschöpfung. Dabei geht es darum, sich selbst ein passendes Tempo vorzugeben und die verfügbaren Energie-Ressourcen sorgfältig einzuteilen. Das Ziel von Pacing ist es, unterhalb der persönlichen Belastungsgrenze zu bleiben, um Überanstrengung und Rückfälle bestmöglich zu vermeiden.

Aktuelle Forschung und offene Fragen

Viele Fragen zu Long COVID sind derzeit noch offen und Hintergründe unklar. Im dritten Jahr der Pandemie beschäftigen uns die Langzeitfolgen einer Corona-Infektion mehr denn je, denn erste Langzeitstudien zeigen: Auch zwölf Monate nach einer Infektion sind viele Long-COVID-Betroffene noch nicht vollständig genesen. Die Forschung konzentriert sich auf die Mechanismen der Krankheitsentstehung, die Identifizierung von Risikofaktoren und die Entwicklung von effektiven Therapien.

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