Epilepsie bei Kindern kann für Eltern und Betroffene eine beängstigende Erfahrung sein. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung von leichter Epilepsie bei Kindern.
Einführung
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, abnormale elektrische Aktivitäten im Gehirn. Bei Kindern können epileptische Anfälle verschiedene Ursachen haben und sich unterschiedlich äußern. Es ist wichtig, die verschiedenen Aspekte der Epilepsie zu verstehen, um betroffenen Kindern und ihren Familien die bestmögliche Unterstützung zu bieten.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie (ICD-10 G40) ist der Oberbegriff für zerebrale Funktionsausfälle aufgrund einer neuronalen Netzstörung. Leitsymptom sind wiederholte Anfälle. Ein epileptischer Anfall ist definiert als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn. Abhängig von Ort und Ausprägung der Anfälle variiert die Phänomenologie beträchtlich.
Epidemiologie
Die Prävalenz der Epilepsie im Kindesalter beträgt etwa 0,5 Prozent. In den Industrieländern erkranken im Mittel etwa 50 von 100 000 Kindern jedes Jahr neu an einer Epilepsie. Insgesamt macht der Anteil von Kindern 25 Prozent aller Epilepsie-Neuerkrankungen aus. Schätzungsweise erleiden circa 5 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, ohne dass sich daraus eine aktive Epilepsie entwickelt. Bei Kindern und Jugendlichen kann ein solcher Anfall bei etwa 4-10 Prozent beobachtet werden.
Ursachen von Epilepsie bei Kindern
Die Ursachen von Epilepsie bei Kindern sind vielfältig. In vielen Fällen ist keine konkrete Ursache erkennbar. Mögliche Ursachen und Risikofaktoren sind:
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- Genetische Veranlagung: Veränderungen (Mutationen) im Erbgut können die Anfälligkeit für Epilepsie erhöhen.
- Störungen der Hirnreifung: Während der Schwangerschaft oder Geburtskomplikationen können Störungen der Hirnreifung auftreten, die Epilepsie auslösen.
- Hirnschädigungen: Verletzungen, Entzündungen oder Tumore im Gehirn können epileptische Anfälle verursachen.
- Infektionen: Infektionen des Gehirns, wie Meningitis oder Enzephalitis, können zu Epilepsie führen.
- Stoffwechselstörungen: Seltene Stoffwechselerkrankungen können ebenfalls epileptische Anfälle auslösen.
- Strukturelle Ursachen: Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose.
- Immunologische Ursachen: Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen.
Symptome von Epilepsie bei Kindern
Die Anzeichen für Epilepsie können sehr unterschiedlich sein. Einige häufige Symptome sind:
- Plötzliche Stürze: Ohne erkennbaren Grund stürzt das Kind plötzlich.
- Zuckungen: Unkontrollierte Zuckungen von Muskeln oder Muskelgruppen.
- Bewusstseinsstörungen: Das Kind ist kurzzeitig abwesend oder verliert das Bewusstsein.
- Krämpfe: Der ganze Körper verkrampft sich.
- Missempfindungen: Kribbeln, Taubheitsgefühl oder Brennen in bestimmten Körperteilen.
- Sprachstörungen: Das Kind kann nicht sprechen oder spricht undeutlich.
- Vermehrter Speichelfluss: Durch Muskelkrämpfe kann es zu vermehrtem Speichelfluss kommen.
- Verhaltensänderungen: Plötzliche Veränderungen im Verhalten, wie Angst, Wut oder Verwirrung.
- Absencen: Dabei ist das Kind während eines Anfalls für wenige Sekunden abwesend. Es wird blass, hat einen starren Blick und reagiert nicht auf Ansprache. Zusätzlich kann es mit den Lidern zucken, die Augen verdrehen oder den Kopf nach hinten legen.
- Aura: Einem epileptischen Anfall kann eine sogenannte Aura vorausgehen. Bei der Aura können Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen und Schwindelgefühle auftreten.
Diagnose von Epilepsie bei Kindern
Die Diagnose von Epilepsie basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, neurologischen Untersuchung und verschiedenen technischen Untersuchungen:
- Anamnese: Der Arzt befragt Kind und Eltern ausführlich nach den Symptomen, Häufigkeit und Dauer der Anfälle sowie möglichen Auslösern.
- Neurologische Untersuchung: Der Arzt untersucht die neurologischen Funktionen des Kindes, wie Reflexe, Koordination undSensibilität.
- EEG (Elektroenzephalografie): Das EEG misst die elektrische Aktivität des Gehirns und kann typische Veränderungen bei Epilepsie aufzeichnen.
- MRT (Magnetresonanztomografie): Die MRT liefert hochauflösende Bilder des Gehirns und kann strukturelle Veränderungen, wie Tumore oder Entzündungen, sichtbar machen.
- Neuropsychologische Untersuchung: Epilepsien bei Kindern kann die ordnungsgemäße Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen. Daher raten Ärzte Rolando-Epileptikern zu einer neuropsychologischen Überwachung. Dabei testet man mehrfach bestimmte Hirnfunktionen des Kindes, wie: Wahrnehmung, Konzentration, Aufmerksamkeit, Lernen, Gedächtnis. Außerdem behält man die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten des Kindes sowie das Verhalten im Auge.
Behandlung von Epilepsie bei Kindern
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität des Kindes zu verbessern. Die wichtigsten Behandlungsmethoden sind:
- Medikamentöse Therapie: Antiepileptika sind Medikamente, die die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn reduzieren und so Anfälle verhindern können. Es gibt verschiedene Antiepileptika, die je nach Art der Epilepsie und den individuellen Bedürfnissen des Kindes eingesetzt werden.
- Ketogene Diät: Bei schwer behandelbaren Epilepsien kann eine ketogene Diät helfen. Dabei werden nur wenig Kohlenhydrate und stattdessen vor allem Fette aufgenommen.
- Epilepsiechirurgie: Für manche Kinder kommt ein epilepsiechirurgischer Eingriff infrage, dem ein aufwendiges Epilepsie-Monitoringvorausgeht. Ziel dabei ist meist die Anfallsfreiheit, manchmal auch eine Reduktion belastender Anfälle.
- Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird eine Elektrode links am Hals eingepflanzt und mit einem kleinen Gerät verbunden, das im Brustbereich unter der Haut eingesetzt wird. Das Gerät sendet über die Elektrode elektrische Impulse an den Vagusnerv und weiter ans Gehirn. Diese Impulse sollen bestimmte Gehirnaktivitäten hemmen und dadurch Anfällen vorbeugen.
Spezielle Epilepsieformen im Kindesalter
Es gibt verschiedene Epilepsieformen, die speziell im Kindesalter auftreten:
- Fieberkrämpfe: Die häufigsten Anfälle im frühen Kindesalter sind Fieberkrämpfe. Die meisten der betroffenen Kinder haben aber keine Epilepsie, da sie nur bei Fieber einen Anfall haben.
- Rolando-Epilepsie: Die Rolando-Epilepsie ist eine häufige Epilepsie-Form bei Kindern. Betroffene haben typischerweise Muskelkrämpfe im Gesicht und können nicht sprechen. Die Anfälle treten häufig nachts auf, enden meist schnell wieder und erfordern nicht immer eine Behandlung.
- Absence-Epilepsie: Dabei ist das Kind während eines Anfalls für wenige Sekunden abwesend. Es wird blass, hat einen starren Blick und reagiert nicht auf Ansprache. Zusätzlich kann es mit den Lidern zucken, die Augen verdrehen oder den Kopf nach hinten legen. Solche kurzen Abwesenheiten (Absencen) können bis zu hundert Mal am Tag auftreten.
- Juvenile myoklonische Epilepsie: Sie zeigt sich erstmals in der Pubertät. Zu den Anfällen mit Muskelzuckungen und mitunter ausfahrenden Arm- und Schulterbewegungen kommt es meist morgens nach dem Aufwachen. Manchmal knicken auch die Beine ein.
- West-Syndrom: Diese schwere Epilepsieform beginnt fast immer im Säuglingsalter. Während eines Anfalls beugt und streckt sich der ganze Körper des Kindes, die Nacken-, Hals- und Rumpfmuskulatur verkrampft ruckartig. Die Anfälle treten ebenfalls meist kurz nach dem Aufwachen oder beim Einschlafen auf.
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
Wenn man Zeug*in eines epileptischen Anfalls bei einer anderen Person wird, ist es sehr wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben. Vor allem sollte man überlegen, wie man die Person vor Verletzungen schützt. Alles andere hängt von der Stärke und der Art der Anfälle ab.
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- Leichte epileptische Anfälle mit wenigen Symptomen: Bei kurzen Absencen oder Muskelzuckungen besteht keine unmittelbare Gefahr. Danach können sich die Betroffenen unsicher fühlen und Unterstützung benötigen.
- Anfälle mit eingeschränktem Bewusstsein oder Verhaltensänderungen: Wenn Menschen mit einem epileptischen Anfall verwirrt wirken, ist es wichtig, sie vor Gefahren zu schützen (z. B. im Straßenverkehr). Gehen Sie dabei mit der Person ruhig um und fassen Sie sie nicht hart an. Hektik, Zwang oder Gewalt können zu starken Gegenreaktionen führen. Versuchen Sie dem oder der Betroffenen Halt und Nähe zu vermitteln.
- Große generalisierte epileptische Anfälle: Bei einem großen generalisierten Anfall verkrampft der ganze Körper und die Person verliert das Bewusstsein. In diesen Fällen sollten Sie Folgendes tun: Ein epileptischer Anfall kann verschiedene Ursachen haben und das Symptom eines lebensbedrohlichen Notfalls sein. Wählen Sie daher immer den Notruf 112 und rufen Sie professionelle Hilfe. Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen. Polstern Sie den Kopf des*r Betroffenen ab. Nehmen Sie seine/ihre Brille ab. Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern. Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen.
- Was Sie in keinem Fall tun sollten: Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken, der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt.
Leben mit Epilepsie
Viele Kinder und Jugendliche mit Epilepsie können ein normales Leben führen. Eine gute Behandlung und Unterstützung sind jedoch wichtig. Einige Tipps für den Alltag:
- Regelmäßige Medikamenteneinnahme: Die Medikamente müssen regelmäßig und nach Anweisung des Arztes eingenommen werden.
- Ausreichend Schlaf: Schlafmangel kann Anfälle auslösen.
- Stress vermeiden: Stress kann ebenfalls Anfälle auslösen.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig für die Gesundheit und kann helfen, Anfälle zu vermeiden.
- Sport und Bewegung: Sport und Bewegung sind wichtig für die körperliche und geistige Entwicklung. Allerdings sollten bestimmte Sportarten vermieden werden, bei denen ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht.
Prognose
Bei vielen Kindern und Jugendlichen lässt sich eine Epilepsie gut behandeln. Manchmal legt sich die Erkrankung nach einigen Jahren ganz, dann treten keine Anfälle mehr auf. Es gibt aber auch Epilepsien, die ein Leben lang bleiben und kaum auf Medikamente ansprechen. Etwa 60 % aller Kinder werden durch die Behandlung mit dem ersten Medikament anfallsfrei. Bei etwa 10 % gelingt dies erst nach dem Wechsel auf ein anderes Medikament. Etwa 30 % aller Kinder haben trotz Medikamentenbehandlung weiter epileptische Anfälle.
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