Leichter Schlaganfall und Aphasie: Therapieansätze und Unterstützung

Ein leichter Schlaganfall kann erhebliche Auswirkungen auf die Sprachfähigkeit haben und zu einer Aphasie führen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Therapieansätze und Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene, um ihre Kommunikationsfähigkeit wiederzuerlangen und ihre Lebensqualität zu verbessern.

Was ist Aphasie?

Aphasie ist eine erworbene Sprachstörung, die durch eine Schädigung des Gehirns verursacht wird. Der Begriff "Aphasie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "keine Sprache" oder "Sprachverlust". Ursache ist in 80 Prozent der Fälle ein Schlaganfall. In Deutschland sind jährlich über 25.000 Menschen von einer Aphasie betroffen, wobei die Prävalenz (Gesamtzahl zu jedem Zeitpunkt) zerebrovaskulär bedingter Aphasien auf ca. 85.000 bis 100.000 geschätzt wird.

Ursachen einer Aphasie

Eine Aphasie tritt nach Schädigungen oder Erkrankungen des Gehirns auf, wie z.B.:

  • Schlaganfall (verursacht 80 Prozent der Aphasien)
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Tumoren
  • Hirnblutungen
  • Entzündungen
  • Weitere Erkrankungen des zentralen Nervensystems

Die Aphasie tritt meist sehr plötzlich ein, wodurch sich der Betroffene nicht mehr in gewohnter Weise mit seiner Umgebung austauschen kann. Aphasikern fehlt krankheitsbedingt der Zugriff auf die sprachgebundenen Fertigkeiten. Damit fällt es schwer, mit der eigenen Sprache umzugehen.

Auswirkungen einer Aphasie

Aphasien sind Störungen des gesamten Sprachsystems. Das bedeutet, dass alle Facetten der Sprache - Gehörtes verstehen, Gelesenes verstehen, Gedanken aussprechen und Gedanken aufschreiben - in unterschiedlicher Ausprägung betroffen sein können. Bei einer Aphasie ist die Kommunikationsfähigkeit in unterschiedlicher Ausprägung gestört. Sonstige geistige Fähigkeiten, insbesondere die Intelligenz, sind in der Regel nicht beeinträchtigt. In manchen Fällen kommt es neben einer Aphasie auch zu einer Störung der Gedächtnis-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistungen. Daher umfasst die spezielle Sprachtherapie der Aphasie immer auch eine neuropsychologische Betreuung.

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Formen der Aphasie

Um die Vielzahl möglicher sprachlicher Symptome im klinischen Alltag besser einordnen und behandeln zu können, werden bestimmte sprachliche Symptome zu Bündeln (Syndromen) zusammengefasst. Am häufigsten finden sich die folgenden vier Standardsyndrome der Aphasie:

  • Globale Aphasie: Die schwerste Form der Aphasie. Die Betroffenen können kaum oder gar nicht sprechen. Die Störung beeinträchtigt ebenso das Sprachverständnis und in der Regel auch die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben.
  • Broca-Aphasie (motorische Aphasie): Die Betroffenen können nicht flüssig sprechen und keine kompletten Sätze bilden. Typisch ist ein sogenannter „Telegrammstil“ der Sprache. Das Sprachverständnis ist dagegen in der Regel weitgehend ungestört.
  • Wernicke-Aphasie: Der Redefluss ist gut erhalten, manchmal sogar gesteigert. Dagegen ist das Sprachverständnis und häufig auch das Störungsbewusstsein für die Sprachstörung stärker beeinträchtigt. Die Betroffenen verstehen häufig auch einfache Wörter nicht. Das bedeutet, sie können zwar flüssig sprechen, das Gesprochene aber nicht mit Inhalt füllen.
  • Amnestische Aphasie: Die Betroffenen zeigen oft nur leichte Defizite. Hauptsymptom sind Wortfindungsstörungen. Die Betroffenen zeigen ein gutes Störungsbewusstsein und versuchen Fehler zu korrigieren. Häufig werden Statthalterwörter wie „Ding“, „das da“ oder „es“ verwendet.

Grundsätzlich ist jedoch jede Aphasie individuell, d.h. anders ausgeprägt. Im klinischen und therapeutischen Alltag ist daher nicht allein das Syndrom entscheidend, sondern vielmehr die Art und Weise, wie und wieweit die Symptome der Sprachstörung die Betroffenen bzw. die Kommunikationsfähigkeit beeinträchtigen.

Therapieansätze bei Aphasie

Ziel der Aphasietherapie ist es, die Kommunikationsfähigkeit so gut es geht zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu fördern. Nach wissenschaftlichen Studien gilt auch für die Aphasietherapie: Je intensiver die Behandlung, desto effektiver ist das Ergebnis. Gerade in der akuten und subakuten Phase einer Aphasie hat sich gezeigt, dass vor allem eine intensive Sprachtherapie (IST) die Kommunikationsfähigkeit verbessern kann. Aber auch im Krankheitsverlauf, d.h. zu einem späteren Zeitpunkt, sind durch ein ausreichend intensives Training Besserungen der Symptome einer Aphasie möglich. Sprach- und Sprechtherapie sind jedoch nur dann wirksam, wenn wesentliche Faktoren der Wirksamkeit in einem mehrdimensionalen Behandlungskonzept zusammenfließen.

Intensive Sprachtherapie (IST)

Eine intensive Sprachtherapie (IST) erfolgt vorzugsweise im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme - in einer neurologischen Fachklinik (stationär oder teilstationär). Vorteil dabei ist, dass neben der intensiven Sprachtherapie die häufig vorhandenen neurologischen Begleitsymptome mitbehandelt werden können.

Die Rehabilitationsbehandlung der Aphasien kann folgende Therapiemodule umfassen:

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  • Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik) inkl. computerunterstützte Sprachtherapie
  • Neuropsychologische Therapie (zur Verbesserung u. a. von Aufmerksamkeit und Gedächtnis)
  • Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen)
  • Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten)
  • Physikalische Therapien (Elektrotherapie, Massage, Bäder)

Die Aphasie-Therapien finden in der Regel in Einzel- und Gruppentherapien statt. Ein wesentliches Ziel ist dabei, Aphasiker*innen wieder in die Lage zu versetzen, trotz eventueller Einschränkungen wieder möglichst selbstständig im Alltag zurechtzukommen.

Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)

Ein vielversprechender neuer Therapieansatz ist die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS). Dabei wird ein schwacher elektrischer Strom durch den Schädelknochen in das Gehirn geleitet, um die Reorganisation des Sprachzentrums zu unterstützen. Studien haben gezeigt, dass die Gleichstromstimulation in Kombination mit Sprachtraining die Sprachfunktion verbessern kann, insbesondere das Vermögen der Patienten, Gegenstände korrekt zu benennen.

Technische Hilfsmittel

Technische Entwicklungen erleichtern Therapeuten die Behandlung und Betroffenen ihren Alltag. Dazu gehören beispielsweise Sprachapps wie Neolexon, Constant Therapy, Tactus oder Lingraphica und spezielle Computerprogramme wie EvoCare, aphasiaware und Lingware. Studien zeigen, dass Patienten mit Sprachapps und Sprachsoftware zur Aphasie-Behandlung größere Fortschritte erzielen als ohne die Übungen.

Umgang mit Aphasie im Alltag

Ein verständnisvolles Umfeld ist für den Erfolg der Therapie und die Lebensqualität der Betroffenen von großer Bedeutung. Es ist hilfreich, wenn auch die Angehörigen frühzeitig in die Therapien eingebunden werden und durch Beratungen und Seminare das Verständnis für die Störung gefördert wird.

Tipps zum Umgang mit Aphasikern

  • Behandeln Sie den oder die Aphasiker*in als Gesprächspartner auf Augenhöhe.
  • Nehmen Sie der aphasischen Person „nicht das Wort aus dem Mund“.
  • Sprechen Sie nicht über sieihn, sondern mit ihrihm.
  • Sprechen Sie in normaler Sprache und in einfachen Sätzen.
  • Sprechen Sie langsam, klar und deutlich.
  • Insbesondere bei den ausgeprägten Formen einer Aphasie versuchen Sie Fragen vorzugsweise so zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können.
  • Korrigieren Sie nicht.
  • Halten Sie Blickkontakt.
  • Setzen Sie alle Mittel der Kommunikation ein: Gesten und Mimik, zeichnen oder schreiben Sie, wenn nötig, zeigen auf Gegenstände oder Abbildungen und motivieren gegebenenfalls auch dendie Betroffenen ebenfalls dazu.
  • Warten Sie geduldig auf eine Antwort.
  • Sorgen Sie im Gespräch für eine ruhige Umgebung und schalten Sie störende Geräuschquellen wie Radio oder TV möglichst aus.
  • Wenn der*die Betroffene in einem Satz nicht weiterkommt, drängen Sie nicht. Gegebenenfalls ist es auch hilfreich, zunächst das Thema zu wechseln. Ein erneuter späterer Versuch ist oft erfolgreich.
  • Manche Betroffene sind leichter gereizt oder haben Gefühlsschwankungen. Hierbei handelt es sich um häufige Begleitsymptome der Grunderkrankung. Versuchen Sie dennoch verständnisvoll und geduldig zu sein.

Selbsthilfe

Vielen Aphasiker*innen und ihren Angehörigen hilft der Austausch mit anderen Betroffenen, wie er beispielsweise in Selbsthilfegruppen möglich ist.

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