Lutein und seine Wirkung auf Demenz: Ein umfassender Überblick

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine der Hauptursachen für Erblindung bei Menschen über 65 Jahren. Neben dem fortschreitenden Sehverlust treten typischerweise auch verschiedene Sehstörungen auf. Zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel versprechen hier wirksamen Schutz oder sogar Therapie. Aber auch im Bereich der Demenzprävention rückt die Ernährung immer mehr in den Mittelpunkt. Können also bestimmte Nährstoffe wie Lutein auch hier eine Rolle spielen?

Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) und Lutein

Traditionell unterscheidet man zwei Hauptformen der AMD:

  • Feuchte (neovaskuläre, exsudative) AMD: Diese Form ist seltener, schreitet aber schnell voran und führt rasch zu einem starken Sehverlust. Sie wird häufig durch Injektion von Angiogenesehemmern direkt in das Auge behandelt.
  • Trockene AMD: Dies ist die häufigere Form.

In den westlichen Industriestaaten ist die AMD die häufigste Ursache für einen irreversiblen Sehverlust. Die Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter zu, wobei Symptome bei unter 50-Jährigen selten sind. Bei der Diagnostik der AMD ist die Anwesenheit von sogenannten Drusen von besonderer Bedeutung. Drusen sind Ablagerungen unter der Netzhaut der Augen, die ab dem 50. Lebensjahr gehäuft auftreten und je nach Durchmesser in kleine, intermediäre und große Drusen unterteilt werden können.

Große Hoffnungen wurden in der Vergangenheit auf eine antioxidanzienreiche Ernährung bzw. auf die Anwendung von antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln gesetzt.

Lutein und Zeaxanthin: Carotinoide mit Schutzfunktion

Zeaxanthin und Lutein sind gelbe Carotinoide (Xanthophylle) und werden auch als „oxidiertes β-Carotin“ bezeichnet. Sie sind in der Natur weit verbreitet und kommen natürlicherweise in verschiedenen Lebensmitteln vor, so z. B. in vielen Gemüsearten und Hühnereiern. In der Netzhaut des Auges finden sich Zeaxanthin und Lutein in hoher Konzentration im Gelben Fleck (Macula lutea), wo sie die Zellen vor zu hoher Lichtintensität schützen. Die übliche Nahrungsaufnahme von Zeaxanthin und Lutein ist im Vergleich zur Dosierung in einigen Studien relativ gering.

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Studienergebnisse zur AMD und Nahrungsergänzung

Die ARED1-Studie (Age-Related Eye Disease Study) untersuchte den Effekt von Supplementen auf das Fortschreiten der AMD-Erkrankung. Die rund 3.600 Probanden erhielten über einen durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 6,3 Jahren Nahrungsergänzungsmittel in verschiedenen Kombinationen. Bei Patienten der AMD-Kategorien 3 und 4 bewirkte die Einnahme der Studienmedikation (Zink, Antioxidanzien oder eine Kombination aus beidem) eine statistisch signifikante relative Senkung des Risikos im Hinblick auf das Fortschreiten der Erkrankung bzw. das Neuauftreten einer AMD-Spätform. Liegt jedoch an beiden Augen eine fortgeschrittene AMD vor (AREDS 4), lassen sich keine Aussagen über einen therapeutischen Effekt von Nahrungsergänzungsmitteln treffen, da diese Patientengruppe in der Studie nicht untersucht wurde.

Unabhängig von der ARED 1-Studie mehrten sich die Hinweise, dass die Einnahme von β-Carotin bei Rauchern bzw. ehemaligen Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöhen könnte (CARET-Studie). Als Nachfolgestudie von AREDS 1 wurde 2006 die ARED-2-Studie gestartet. Dabei sollte unter anderem untersucht werden, ob das in der ursprünglichen Studienmedikation enthaltene β-Carotin durch Lutein (10 mg/Tag) und Zeaxanthin (2 mg/Tag) ersetzt werden kann; damit könnte auch für (ehemalige) Raucher eine sichere Behandlungsoption geschaffen werden. Außerdem wurden eine Reduktion der Zinkdosis auf 25 mg/Tag zur Vermeidung von Nebenwirkungen sowie die Einnahme der Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure und Eicosapentaensäure untersucht, für die ebenfalls Hinweise auf einen schützenden Effekt bei AMD existierten.

Keine der in der ARED2-Studie geprüften Kombinationen erwies sich in Bezug auf die Risikoreduktion für eine AMD-Progression als der AREDS-1-Medikation über- oder unterlegen (AREDS-2 2013). Damit kann man davon ausgehen, dass Lutein und Zeaxanthin eine sichere Alternative zu β-Carotin darstellen und dass auch die niedrigere Zinkdosis von 25 mg Zinkoxid ausreichend wirksam ist.

Ernährungsempfehlungen bei AMD

Es gibt bisher keinen Hinweis darauf, dass sich die prophylaktische Einnahme bestimmter Nahrungsergänzungsmittel oder anderer Lebensmittel günstig auf das Neuauftreten einer AMD auswirkt. Für gesunde Menschen kann daher ebenso wenig eine Empfehlung ausgesprochen werden wie für Patienten der AREDS-Kategorien 1 und 2. Einzig und allein für Patienten der AREDS-Kategorien 3 und 4 kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln empfohlen werden. Ausnahmen stellen auf Grund des erhöhten Lungenkrebsrisikos (ehemalige) Raucher dar, die auf β-Carotin verzichten und stattdessen Präparate mit Lutein (10 mg/Tag) und Zeaxanthin (2 mg/Tag) einnehmen sollten, sowie Patienten mit fortgeschrittener AMD in beiden Augen, da für diese Gruppe keine Daten vorliegen.

Grundsätzlich besteht kein Unterschied in den Ernährungsempfehlungen für die Allgemeinbevölkerung und Patienten mit AMD bzw. einem Risiko für die Entwicklung einer solchen. Völlig unabhängig von der Zusammensetzung der Nahrung oder der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gilt die uneingeschränkte Empfehlung, als wichtigste Präventivmaßnahme im Hinblick auf AMD und unzählige weitere Erkrankungen unbedingt das Rauchen einzustellen.

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Lutein und Demenz: Gibt es einen Zusammenhang?

Alzheimer und andere Demenz-Erkrankungen zählen zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit. Schätzungen zufolge wird sich die Zahl der Demenz-Patienten weltweit in den kommenden Jahrzehnten verdreifachen. Medikamente, die den Krankheitsverlauf deutlich verlangsamen oder gar stoppen könnten, gibt es bislang nicht und zukunftsträchtige physikalische Behandlungsmethoden wie die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) und andere nicht-invasive Hirnstimulations-Methoden (NIBS) sind erst in der Verbreitung begriffen. Umso mehr rückt die Prävention in den Mittelpunkt - und mit ihr ein Bereich, den wir täglich beeinflussen und für die Demenz-Vorbeugung nutzen können: Unsere Ernährung.

Eine Ernährung, die reich an frischen, pflanzlichen Lebensmitteln ist, kann nachweislich das Demenzrisiko senken. Diese weit verbreitete, ungesunde Ernährung begünstigt stille Entzündungen (sogenannte ‚silent inflammations“) im Körper, stört den Zuckerstoffwechsel, fördert Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes - allesamt Risikofaktoren für kognitive Einschränkungen.

Einige Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Nährstoffe, darunter auch Lutein, eine Rolle bei der Prävention von Demenz spielen könnten.

Die Rolle von Antioxidantien

Eine hohe Konzentration dreier bestimmter Antioxidantien im Blut kann laut einer neuen Studie offenbar die Entstehung von Demenz ausbremsen oder sogar verhindern. Diese Gehirn-Nährstoffe kommen speziell in zwei Sorten Lebensmitteln vor: Lutein, Zeaxanthin und Beta-Cryptoxanthin. So erkranken Menschen, die eine besonders hohe Konzentration im Blut aufweisen, seltener als Personen mit niedriger Konzentration. In welchen Lebensmitteln besagte Antioxidantien enthalten sind? In grünem Blattgemüse, Erbsen und allen Obstsorten mit orangefarbenem Fruchtfleisch. Antioxidantien schützen vor oxidativem Stress und halten so die Zellen gesund.

Die Untersuchung umfasste 7283 Frauen und Männer, die alle zu Beginn mindestens 45 Jahre alt waren. Über einen Zeitraum von 16 Jahren beobachteten die Forschenden, wer an Demenz erkrankte und verglichen die Befunde mit den Antioxidantien-Werten der Bluttests. Es zeigte sich: Menschen mit den höchsten Mengen an Lutein und Zeaxanthin entwickelten seltener Demenz als Menschen mit niedrigeren Mengen. Jeder Anstieg des Lutein- und Zeaxanthinspiegels um etwa 15,4 Mikromol/Liter war mit einer Verringerung des Demenzrisikos um 7 Prozent verbunden. Bei Beta-Cryptoxanthin war jede Zunahme von etwa 8,6 Mikromol/Liter mit einem um 14 Prozent verringerten Demenzrisiko verbunden. Was besagte Antioxidantien und Demenz betrifft, scheint das Konzept „viel hilft viel“ tatsächlich zu greifen.

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Allerdings haben zahlreiche Studien zuvor längst bewiesen, dass eine Ernährung reich an Obst und Gemüse das allgemeine Demenzrisiko erheblich verringert.

Weitere wichtige Nährstoffe und Ernährungsempfehlungen zur Demenzprävention

Neben Lutein und anderen Antioxidantien gibt es weitere Nährstoffe und Ernährungsempfehlungen, die im Zusammenhang mit der Demenzprävention diskutiert werden:

  • Omega-3-Fettsäuren: Vor allem die im fetten Seefisch enthaltenen Omega-3-Fettsäuren - insbesondere DHA und EPA - spielen eine zentrale Rolle für unsere kognitive Gesundheit. DHA macht rund 97 Prozent der Omega-3-Fette im Gehirn aus und ist entscheidend für die Bildung von Zellmembranen. EPA wiederum wirkt positiv auf das seelische Gleichgewicht - ein wichtiger Faktor, da Depressionen das Demenzrisiko erhöhen.
  • Olivenöl: Eine große Langzeitstudie der Harvard-Universität mit über 90.000 Teilnehmern zeigte, dass ein täglicher Konsum von nur sieben Gramm Olivenöl das Risiko, an den Folgen einer Demenz zu sterben, um 28 Prozent senken kann. Entscheidend ist die Qualität.
  • Grüner Tee: Wer regelmäßig grünen Tee trinkt, hat messbar weniger Schädigungen der weißen Hirnsubstanz - ein wichtiger Marker für das Risiko, an Demenz zu erkranken. Verantwortlich dafür sind vermutlich die Catechine, insbesondere das Epigallocatechingallat (EGCG), das stark antioxidativ und entzündungshemmend wirkt.
  • Avocado: Diese cremige Frucht steckt voller einfach ungesättigter Fettsäuren, die Entzündungen im Körper reduzieren und die Durchblutung fördern - auch im Gehirn. Zudem enthält die Avocado das pflanzliche Stigmasterol, das in Studien mit einer potenziellen Schutzwirkung vor Alzheimer in Verbindung gebracht wurde.
  • Beeren: Heidelbeeren, schwarze Johannisbeeren, Brombeeren oder Aroniabeeren enthalten besonders viele Anthocyane - das sind sekundäre Pflanzenstoffe mit starker antioxidativer Wirkung. Sie schützen die Nervenzellen vor oxidativem Stress, fördern die Signalübertragung im Gehirn und können altersbedingten kognitiven Abbau verlangsamen.
  • Sellerie und Fenchel: Diese beiden Vertreter der mediterranen Küche sind kalorienarm, aber reich an wertvollen bioaktiven Substanzen. Besonders erwähnenswert ist das in der Schale enthaltene Stigmasterol, das wie bei der Avocado potenziell vor der Bildung schädlicher Eiweißablagerungen im Gehirn schützen kann.
  • Brokkoli: Er enthält Sulforaphan - eine Substanz, die gezielt entzündungsfördernde Signalwege im Körper hemmen kann. Dazu kommen Vitamin C, Kalzium, Folsäure und weitere Antioxidantien, die dem Gehirn zugutekommen.
  • Hülsenfrüchte: Sie liefern wertvolle B-Vitamine, insbesondere Folsäure und Vitamin B6, die für die Bildung von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin gebraucht werden.
  • Nüsse: Viele Nüsse sind reich an gesunden Fetten, pflanzlichem Eiweiß, Vitamin E und Zink. Walnüsse enthalten zudem eine besonders hohe Konzentration an Omega-3-Fettsäuren in pflanzlicher Form (ALA).
  • Vollkornprodukte: Ob Haferflocken, Quinoa, Naturreis oder Vollkornbrot - Vollkornprodukte versorgen den Körper mit langkettigen Kohlenhydraten, die den Blutzuckerspiegel stabil halten. Das Gehirn profitiert davon, da es auf eine konstante Glukosezufuhr angewiesen ist.
  • Karotten, Kürbis & Co.: Diese farbenfrohen Gemüsearten enthalten Carotinoide wie Beta-Carotin, Lutein und Zeaxanthin, die in Studien mit einem geringeren Risiko für geistigen Verfall in Verbindung gebracht wurden. Carotinoide wirken entzündungshemmend, schützen vor oxidativem Stress und können sogar die Funktion der Mitochondrien in den Nervenzellen verbessern.
  • Kaffee und Tee: Beide Getränke enthalten nicht nur anregendes Koffein, sondern auch wertvolle Polyphenole, die antioxidativ wirken und entzündungshemmende Prozesse unterstützen. Während Kaffee vor allem Chlorogensäure liefert, punktet grüner Tee, wie bereits erwähnt, mit EGCG - einem Catechin mit neuroprotektiver Wirkung.

Die MIND-Diät

In einer 2015 veröffentlichten Studie wurde untersucht, inwieweit sich ein spezielles Ernährungsmuster langfristig auf das Demenzrisiko auswirkt. Die "Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay" oder abgekürzt MIND-Diät, ist eine Mischung aus mediterraner Ernährung und dem DASH-Ernährungsmusters, das sich als wirksam gegen Bluthochdruck erwiesen hat (DASH steht für Dietary Approaches to Stop Hypertension). Beim MIND-Ernährungsmuster wird nicht pauschal die Menge verzehrten Obsts und Gemüses untersucht, sondern beispielsweise speziell der Konsum von Beeren und grünem Blattgemüse betrachtet. In der Studie wurden 952 Probanden im Alter zwischen 58 und 98 für viereinhalb Jahre lang begleitet und die Einhaltung der Diät überwacht. Dabei zeigten diejenigen, die die Diät befolgten, einen geringeren geistigen Abbau und hatten somit auch ein geringeres Risiko, an der Alzheimer-Demenz zu erkranken, als die Vergleichsgruppen.

Homocystein und B-Vitamine

Ein hoher Homocysteinwert steigert das Risiko für Arterienverkalkung, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Zudem kann das Zellgift Homocystein die Hirnleistung schädigen und Demenzerkrankungen wie z.B. Alzheimer begünstigen. Homocystein ist ein Abfallprodukt des natürlichen Eiweißstoffwechsels und entsteht bei der Verarbeitung der Aminosäure Methionin im Körper. Für die Ausscheidung von Homocystein werden vor allem bestimmte B-Vitamine (B6, B12 und Folsäure) benötigt. Gefährlich wird es also, wenn dieser Prozess nicht richtig funktioniert und zu viel von diesem giftigen Stoffwechselprodukt im Körper verbleibt. Dazu kommt es vor allem durch eine Unterversorgung mit B-Vitaminen, die mit steigendem Lebensalter oder aufgrund eines Gendefekts auftreten kann.

In der VITACOG-Studie konnte bei 168 älteren Personen mit milder kognitiver Beeinträchtigung (Alter: über 70) durch die Supplementierung von Vitamin B12, Folsäure und Vitamin B6 über einen Zeitraum von 24 Monaten gegenüber der Placebogruppe das Fortschreiten der Hirnatrophie und Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit signifikant verringert bzw. verlangsamt werden.

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